Yakuza: Dead Souls19.03.2012, Benjamin Schmädig
Yakuza: Dead Souls

Im Test:

Schluss, Aus, Finito. Der Kapitän hatte das sinkende Schiff längst verlassen, als er sagte "Wir hatten genug davon. Wir hatten alles aus der Serie rausgeholt, das möglich war." Der Kapitän, das ist Spieleschöpfer Toshihiro Nagoshi, das Schiff ist seine Yakuza-Serie. Und deren Holz war schon im Vorgänger ganz schön morsch. Trotzdem zwingt Sega den alten Kahn noch einmal zu einem letzten Törn. Yakuza: Dead Souls (ab 17,99€ bei kaufen) bricht unter der Regie eines neuen Entwicklerteams dabei nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz buchstäblich zusammen.

Die enge offene Welt

Yakuza 4 und Yakuza: Dead Souls: Kann man überhaupt von einem Nachfolger sprechen? Wie in der Serientradition üblich findet Dead Souls ein Jahr nach den Ereignissen des vierten Teils statt. Wie üblich spielt die Handlung in Tokios fiktivem Stadtviertel Kamurocho. Und wie schon vor einem Jahr übernehmen vier Protagonisten - Akyjama, Majima, Ryuji Goda (ja, tatsächlich) sowie Serientäter Kazuma - die wechselnde Hauptrolle. Es fehlt nur die fortlaufende Zahl im Titel. Vor allem aber fehlt die verspielte, im Ansatz aber glaubhafte Nachbildung der Wirklichkeit.

Hier treffen Welten aufeinander: Die eine war eine offene Welt, in der man neben einem packenden Gangsterkrimi so viele skurrile Geschichten, Flirts und kleine Spiele erlebte wie man Zeit hatte – und das gilt mit Einschränkungen auch für Yakuza: Dead Souls. Denn in dem noch nicht zerstörten Teil des Vergnügungsviertels Kamurocho darf man wie gehabt Karaoke singen, Darts werfen, Angeln oder zur Massage gehen. Die neue andere Welt ist allerdings ein von Zombies überrannter Teil Kamurochos - eine vom Militär gesperrte Zone, die man wie einen geradlinigen Shooter durchquert. Man nehme das aus den Vorgängern bekannte Kamurocho, ramponiere die Fassaden, entferne die Einwohner und versperre die Straßen so, dass der Spieler nur auf einem vorgegeben Weg zum markierten Ziel gelangt. So sieht der Anfang von "Of The End" aus, wie die wörtliche Übersetzung des Untertitels lautet.

Ballern statt Prügeln

Zunächst sind es nur wenige der bekannten Straßenzüge, in denen aus Menschen plötzlich Untote werden und wie stümpferhafte KI-Routinen auf ihre Mitbürger losgehen. Als derselbe Akiyama, mit dessen Geschichte schon Yakuza 4 begann, davon Wind bekommt, gibt es um ihn herum schon kaum noch Lebende. Also greift er zur Waffe, damit man die

Japanisch mit Verspätung

In Japan erschien das Spiel unter dem Namen Yakuza: Of the End schon vor einem halben Jahr. Die im Westen veröffentlichte Version enthält englische Untertitel sowie japanische Sprache.

In Deutschland veröffentlicht Sega eine limitierte Steelbox, die allerdings nur so lange verkauft wird, wie die Erstausgabe verfügbar ist. Die darin enthaltenen Download-Inhalte sollen in späteren Ausgaben nicht mehr enthalten sein. kommenden Stunden Dutzende Kilogramm Blei in verwesenden Körpern versenken möge. Das serientypische Prügeln mit verschiedenen Ganoven gibt es nicht mehr. Man schießt in abgeschlossenen Levels auf mythisches Gammelfleisch, anstatt nur hin und wieder Gangster zu vermöbeln. Mit einem Tritt verschafft man sich zwar auch diesmal Abstand von aufdringlichen Untoten, sonst kommt man ihnen aber besser nicht zu nahe.

Das Prinzip Ballern statt Prügeln funktioniert ähnlich wie man es aus japanischen Horrorspielen kennt: Man darf zwar im Laufen schießen, beim präzisen Zielen steht man starr aber am Fleck. Wenn die Entwickler schon nicht mit gutem Spieldesign Spannung erzeugen können, mag das ein probates Mittel zur Panikmache sein. Wer allerdings auf die depperte Idee kam, fürs Anvisieren einen anderen Analogstick als für die Kamerabewegung zu verwenden, der gehört schleunigst in die Gegenwart teleportiert!

Die Automatik-Bremse

Leider ist das sinnige Umschalten nur eines der Indizien für eine völlig veraltete Steuerung. Sobald man präzise zielen will, schwenkt die Kamera etwa von der ursprünglichen Blickrichtung dorthin, wohin die Spielfigur blickt: Oft hält man einen Feind im Blick, während man von ihm wegrennt - zieht man de Schultertaste zum Anvisieren, schaut man aber plötzlich in die entgegengesetzte Richtung. Also dreht man sich jedes Mal Pi mal Daumen in Richtung des gewünschten Ziels, bevor man endlich schießen kann. Was nicht tragisch wäre, würden die Figuren unmittelbar auf Eingaben reagieren. Tun sie aber nicht; die bewegen sich in der größten Hektik noch so behäbig wie Opa beim Pantoffelausziehen.

Ausgeglichen wird diese Starre von dem automatischen Anvisieren eines untoten Kopfes, sobald man die Schultertaste zieht. Und so steht man letztendlich ständig am Fleck und rotzt im rhythmischen Schulter-/Schusstaste-Beat massig Zombies weg. Zu allem Überfluss

Wenigstens Bossgegner fordern die Helden mit einfallsreichen Attacken heraus
Wenigstens Bossgegner fordern die Helden mit einfallsreichen Attacken heraus.
verlangsamt sich der Ablauf ab einer bestimmten Anzahl Gegner oder einem explosiven Feuerchen deutlich. Nein, das serientypische Prügeln war nie grandios. Aber es war um Klassen besser!

Spielzeuge

Wie viel Finesse will man auch erwarten? Tausende Verweste stürmen in schnurgeraden Linien auf Kazuma und Co. zu, nur wiederkehrende Ausnahmen mit besonderen Angriffsmustern verhalten sich clever: Skater, die flink Schüssen ausweichen oder Fleischfetzen, die sich offenbar an ihr Leben als Kampfkunstmeister erinnern. Auch im Kampf gegen die dicken Boss-Brocken entdeckt man unterhaltsame Ideen: Einem Golem muss man etwa aus einem Panzer heraus schützende Felsbrocken vom Leib knallen, bevor der Riese verletzbar ist. Left 4 Dead-Kenner runzeln allerdings die Stirn, wenn sich unter den normalen Angreifern ein Fettwanst befindet, der in der Nähe des Spielers explodiert oder wenn ein kreischendes Weib so lange Verstärkung ruft, bis man sie tötet...

Überhaupt schielt Sega recht unverhohlen zur Konkurrenz; schließlich darf man auch mit Kettensäge oder Flammenwerfer gegen die Zombies vorgehen und sie in einem Bagger überrollen. Yakuza-typisch kann man außerdem Gegenstände wie Fahrräder oder Tische nach Gegnern werfen. Von einem "Jugend forscht"-Baukasten à la Dead Rising 2 ist Dead Souls jedoch weit entfernt! Wichtige Waffen findet man stets nur dort, wo sie ein Entwickler hingelegt hat. Entweder brät man die Zombies an einer bestimmten Stelle also stets mit dem Flammenwerfer oder gar nicht.

Dynamische Duos

Richtig unterhaltsam sind in der Geradeaus-Action nur Spezialangriffe, für die bestimmte Objekte farblich markiert sind - dazu zählen Hydranten, Ventile von Gasrohren sowie der

Viel zu selten spielt Of the End die filmischen Stärken eines Yakuza-Spiels aus.
Die filmischen Stärken eines Yakuza-Titels spielt Dead Souls zu selten aus.
Klassiker: explosive Fässer. Auf Tastendruck versetzt man das Spiel in Zeitlupe, wählt das gewünschte Objekt und feuert. Drückt man im richtigen Moment noch eine kurz angezeigte Taste, segnen sämtliche Zombies in der Umgebung des Objekts das Zeitliche - sei es durch einen harten Wasserstrahl oder ein flächendeckendes Feuerchen. Tatsächlich ist es ungemein befriedigend, sich auf diese Art einer Übermacht zu entledigen.

Verschiedene Fähigkeiten erhält man dabei erst, nachdem man Erfahrungspunkte entsprechend verteilt hat. So kann man später mehr Gegenstände tragen, der Kopf eines Gegners bleibt länger im automatischen Fokus oder man darf zusätzliche Spezialangriffe ausführen. Nett – die Charakterentwicklung der Vorgänger war aber vielfältiger und merkwürdiger Weise erarbeitet man nicht für jeden der vier Protagonisten eigene Fähigkeiten, sondern verbessert mit jedem Stufenaufstieg die für alle gültigen Werte. Manchmal zieht man zudem im Team in den Kampf. Ausgesprochen hilfreich sind die Mitstreiter nicht - hin und wieder halten sie aber durchaus den Rücken frei. Praktisch sind die Begleiter, weil auch sie Möglichkeiten für Spezialangriffe erzeugen, denn auf Knopfdruck werfen sie eine Hand voll Granaten über die Zombies, die man dann zur Explosion bringen kann.

Vom Aussterben bedroht

Vor allem Minispiele und Missionen waren bis zuletzt eine der großen Stärken der Serie. Ganze Tage konnte man sich in Kamurocho beim Bowlen, Kartenspielen oder Roulette, mit Tischtennis, Videospielen oder dem Flirt mit Hostessen vertreiben. Mit Dutzenden Tätigkeiten war das Vergnügungsviertel die umfangreichste offene Spielewiese, in der man sich austoben durfte - und das gilt auch für diese Episode. Wo man bisher allerdings jederzeit wählen durfte, ob man der Handlung folgt oder sich stundenlang um andere Ziele kümmert, nimmt die geradlinige Action in diesem Yakuza so viel Platz ein, dass die ruhigen Minuten im friedlichen Teil Kamurochos wie kurze Boxenstopps zwischen Zombieansturm

Auch vom Steuer eines Baggers aus darf man Zombies überrollen. die Experimentierfreude eines Dead Rising 2 sucht man aber vergebens.
Auch vom Steuer eines Baggers aus darf man Zombies überrollen. Die Experimentierfreude eines Dead Rising 2 sucht man aber vergebens.
und Bosskampf wirken. Früher prügelte man sich in kurzen Sequenzen mit kleinen und großen Ganoven, jetzt langweilt man sich entweder auf den friedlichen Straßen oder ist am Dauerballern in toten Gassen. Früher war Kamurocho eine spielerische Attraktion, jetzt fühlt es sich an wie ein interaktiver Menübildschirm.

Selbst die einst unterhaltsamen Nebenmissionen, vom Detektivspiel bis zum Rezepte-Ratgeber, sind meist Zurück-ins-letzte-Level-Langweiler. Spielerisch war auch kaum mehr drin, in einer offenen Stadt wirkt das Umherlaufen aber ganz anders als in Levelschläuchen. Wozu soll man diesmal mit Passanten sprechen, wenn man kaum noch unterhaltsame Aufträge oder liebenswerte Chaoten findet? Einigen von ihnen begegnet man in den von Zombies überlaufenen Gebieten: Zwei Chaoten wollen etwa, dass man für sie als Darsteller in einem Zombiefilm agiert. Es gibt durchaus spaßige Seitenhiebe – der Charme des Erkundens und Kennenlernens ist aber verflogen.

Natürlich könnte man im noch nicht infizierten Teil des Vergnügungsviertels Stunden mit den bekannten Minispielen verbringen. Und solange man den unglücklichen Spielaufbau verdrängen kann, macht das nach wie vor Laune. Nicht zuletzt darf man erneut beim Waffenhändler nicht nur das Arsenal vergrößern, sondern auch die Werte vorhandener Waffen verbessern. Weil die martialischen Werkzeuge hier im Vordergrund stehen, kommt diesem Ausbau sogar eine größere Bedeutung zu - ein Besuch beim Dealer zahlt sich unbedingt aus. Irgendwann klopft aber die erzählerische Realität an und fragt: Wozu sich in dem Vergnügungsviertel austoben, wenn es ohnehin Stück für Stück von den Verwesenden übernommen wird? Abgesehen davon sucht man neue Minispiele vergebens. Der Dynamik des Actionspiels tut es ja gut, dass das Militär seine provisorischen

Yakuza: Dead Souls wurde von einem neuen Team entwickelt - die ursprünglichen Entwickler wollten mit Binary Domain zuletzt ein neues Thema aufgreifen.

Yakuza-Produzent Toshihiro Nagoshi sprach aber bereits über den "echten" fünften Teil. So sollen Kamurocho und Kazuma Kiryu erneut darin vorkommen, allerdings soll die Geschchte diesmal in fünf Stadtteilen spielen, alle etwa so große wie die aus älteren Episoden bekannten Ryukyu und Dotonburi. Der Produzent von Yakuza 5 ist Masayoshi Yokoyama, der bereits die Geschichte zu Yakuza 3 mit geschrieben hatte. Barrikaden nach und nach versetzen muss, weil die Zombies in immer mehr Straßen vordringen. Als lebendige Welt funktioniert Kamurocho aber nicht, obwohl sie auf dem Papier vorhanden ist.

Der lange Abschied?

Wo die Untoten hinkommen, bringen sie Zerstörung mit: Das Vergnügungsviertel ist bald kaum noch wiederzuerkennen. Wo erst das bunte Leben tobt, stehen bald Ruinen, Schutt und Wracks. Hat die Dekonstruktion etwa Methode? Könnte Dead Souls ein Abgesang auf die Yakuza-Serie sein? Ein endgültiger Abschied von dem längst überstrapazierten Schauplatz? Das langsame Voranschreiten der Seuche könnte es hervorragend verdeutlichen.

Man hätte es allerdings stilvoller inszenieren müssen. Akiyamas Geschichte hätte in einem heilen Kamurocho beginnen sollen, bevor es vom Tod heimgesucht wird. Stattdessen startet man ohne Umschweife im Zombie-Tutorial und vermisst auch nachher einen stimmungsvollen erzählerischen Aufbau. Die eindimensionale Handlung lässt zu wünschen übrig, Kamera- und Regiearbeit fangen nie den Charme billiger Horrorfilme ein, unter die sich Dead Souls so schamlos und zum Glück nicht ganz humorlos reiht. Gute Charakterdarstellungen, sonst die Stärke der Yakuza-Filmszenen, sucht man über weite Strecken vergebens. Nur in seltenen Kameraeinstellungen blitzt die handwerkliche Eleganz der Filmspielserie durch. Meist begnügt sich das Spiel mit einer Aneinanderreihung von gerade notwendigen Handlungsfäden. Mit viel gutem Willen könnte man Yakuza: Dead Souls als gelungenen Rausschmeißer aus einer halben Dekade Kamurocho ansehen... Nein, so sieht kein Abgesang aus. So buchstabiert man "bemühtes Ausschlachten".

Fazit

Yakuza: Dead Souls müffelt gewaltig und es liegt nicht an den Untoten, die sich in Hundertschaften durchs Bild schleppen. Eine gemeinsame Charakterentwicklung mit wenigen Fähigkeiten für vier Protagonisten, beinahe durchgehend bekannte Kulissen, von denen einige lediglich ramponiert wurden und eine schnurgerade Geschichte ohne Atempausen für Charakterzeichnungen: Das stinkt nach müder Durchreiche. Dabei erfüllt der hoffentlich letzte Abstecher in das angestaubte Kamurocho auf dem Papier alle Bedingungen eines unterhaltsamen Spektakels: Zu hunderten stürzen sich Zombies vor die Flinte, mit gewaltigen Spezialangriffen gibt man ihnen den Rest. Im Gammelfleisch-freien Tokio freut man sich hingegen über etliche Minispiele und genießt die spielerische Leichtigkeit des lebendigen Vergnügungsviertels. Von dem gewonnenen Geld umwirbt man junge Damen, kauft neue Waffen und verbessert alte - das motiviert wie man es kennt. Die Einbahnstraßen-Action nimmt aber so viel Platz ein, dass sich die offene Welt nie wie eine anfühlt. Wenn man sich in infizierten Gebieten wenigstens frei bewegen und ähnlich wie in Capcoms Zombieserie experimentieren könnte... Es ist die unpassende Art und Weise, mit der das neue Entwickler-Team bewährte Elemente und unausgegorene neue zusammenbringt, die dem Spiel so viel Schaden zufügt. Der Wechsel vom offenen Prügler zum fast schnurgeraden Shooter war nicht nur in Anbetracht der verkrampften Steuerung eine schlechte Idee. Schade, dass diese Generation Yakuza so stillos zu Ende geht. Was bleibt ist nur die Hoffnung, dass dem bereits angekündigten fünften Teil endlich der dringend benötige Neuanfang gelingt.

Wertung

PlayStation3

Ganz schwacher Ausstand einer verblassten Serie: Sega ersetzt das offene Spiel durch dröge Einbahnstraßen-Action.

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