Rainbow Moon12.07.2012, Jens Bischoff
Rainbow Moon

Im Test:

Eigentlich kennt man die Mainzer SideQuest-Studios als Schöpfer der Söldner-X-Ballereien. Mit Rainbow Moon (ab 106,99€ bei kaufen) wagen sie sich nun in klassische Rundentaktik-Gefilde vor. Ist das neue Vorhaben von Erfolg  gekrönt?

Chaos im Paradies

Rainbow Moon erzählt die Geschichte zweier Erzfeinde, die es während eines Duells durch ein Portal in eine andere Welt verschlägt - im Schlepptau jede Menge Monster, welche die Einheimischen in Angst und Schrecken versetzen. Also heißt es das Chaos erst einmal zu bändigen, danach seinen verantwortlichen Gegenspieler ausfindig zu machen und schließlich eine Möglichkeit zu finden, nach Hause zurückzukehren.

Bis auf das knappe Intro wird die Handlung gänzlich in Dialogform und trotz deutscher Entwickler komplett auf Englisch serviert. Sprachausgabe macht sich dabei allerdings rar, Story und Figuren bleiben trotz amüsanter Details blass und austauschbar.

Auf Entdeckungsreise

Die malerische Spielwelt weiß hingegen zu gefallen und versetzt einen schnell in Entdeckerlaune: Hier ein Geldbeutel im Gebüsch, da eine Schatztruhe jenseits des Abgrunds und dort eine Höhle hinter hohen Bäumen. Viele Orte erreicht man erst mit entsprechender Ausrüstung, viele Kostbarkeiten nur mit ausgiebigem Stöbern.

Zudem versperren oft auch mächtige Widersacher den Weg, während andere umherstreunen und umgangen werden können. Praktisch ist, dass man Gegnerstufe und -anzahl vorab angezeigt bekommt und so abwägen kann, ob man eine Auseinandersetzung eingeht oder nicht. Obendrein gibt es auch noch klassische Zufallskämpfe, zu denen man allerdings nicht gezwungen wird. Wer's gerade eilig hat, kann unbehelligt weiterziehen, wer dringend Erfahrungspunkte braucht, nimmt jede Herausforderung an - eine klasse Idee!

In der aus mehreren Inseln bestehenden Spielwelt gibt es viel zu entdecken.
In der aus mehreren Inseln bestehenden Spielwelt gibt es viel zu entdecken.
Wer auf der Suche nach bestimmten Monstern bzw. deren Hinterlassenschaften ist, kann sogar ausgeloste Zufallsgegner überspringen und neu auswürfeln lassen, wodurch selbst ausgiebige Beute-Quests erträglich werden. Neben den handlungsorientierten Hauptaufgaben, kann man sich nämlich auch zahlreichen Nebenmissionen widmen, die man je nach Aufenthaltsort und Spielfortschritt von den Einheimischen erhalten kann.

Viel zu tun

Die meisten Einsätze sind zwar klassische Such-, Bring- oder Killdienste, halten aber manchmal trotzdem gelungene Überraschungen oder Hindernisbewältigungen parat. Das Leveldesign richtet sich auch unter Tage an engagierte Entdecker, die sich jede Abzweigung merken, jeden Winkel durchstöbern und keine Interaktionsmöglichkeit auslassen. Dank automatischer Kartenfunktion wird selbst das Erforschen größerer Areale nie zur Last, auch wenn man sich hier und da eine Funktion zum Herauszoomen gewünscht hätte - vor allem auf der Weltkarte.

Die zu Land und Wasser bereisbare Spielwelt ist erstaunlich groß, der Spielumfang immens. Wenn man meint, das Ende bald erreicht zu haben, geht's eigentlich erst richtig los. Mehr als hundert Stunden Spielzeit sind kein Problem und wer seine Heldentruppe ans Limit bringen will, ist Wochen oder gar Monate beschäftigt. Allerdings gestalten sich manche Abläufe auch unnötig zäh. Dass Partymitglieder auf der Ersatzbank keinerlei Punkte sammeln und so immer weiter zurückfallen, ist auf jeden Fall unglücklich und unnötig - vor allem, da man lediglich bis zu drei Kombattanten in die Schlacht schicken kann.

Alle Gruppenmitglieder verfügen über individuelle Waffen und Fertigkeiten.
Alle Gruppenmitglieder verfügen über individuelle Waffen und Fertigkeiten.
Wer gleich sein Traumtrio gefunden hat und bis ans Ende daran festhält, kann die übrigen Figuren natürlich auch komplett außer Acht lassen, verpasst dadurch aber einige interessante Möglichkeiten, die den Charakteren nach und nach zur Verfügung stehen. Nicht ganz überzeugt hat mich auch die Vergabe von Fertigkeitspunkten, mit denen sich die Charakterwerte nach persönlichen Vorlieben zusätzlich steigern lassen. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber dass nur tödliche Treffer prämiert werden, kann schnell zu einem Ungleichgewicht führen, da primär heilend oder unterstützend in Aktion tretende Charaktere klar benachteiligt werden.

Auch der PSN-Verkauf von zusätzlichen Fertigkeitspunkten und Geld, um schneller neue Skills erwerben zu können, hinterlässt angesichts des grind-lastigen Spielverlaufs einen faden Beigeschmack - von schneller erlangten Trophäen und Online-Rangplätzen ganz zu schweigen. Da es keinen Mehrspielermodus gibt und die Ranglisten optional sind, kann man das Ganze zwar auch ausblenden, die für nicht zahlende Spieler deutlich langsamere Charakterentwicklung erzeugt dennoch Unmut.

Zug um Zug

Doch egal, wie man zu DLC-Boosts steht, für die 13 Euro, die man für das Spiel als Grundpreis bezahlt, bekommt man eine Menge geboten. Vor allem Fans klassischer Rundentaktik à la Tactics Ogre, Final Fantasy Tactics oder Disgaea kommen auf ihre Kosten. Die Auseinandersetzungen finden auf rasterförmigen Schlachtfeldern statt, auf denen sich beide Seiten gemäß eingeblendeter Zugfolgenleiste attackieren, bis eine Seite vernichtend geschlagen ist.

Die rundenbasierten Kämpfe bieten nur wenige Komfortfunktionen.
Die rundenbasierten Kämpfe bieten nur wenige Komfortfunktionen.
Wer an der Reihe ist, kann seine verfügbaren Züge für Bewegungen, Angriffe, den Einsatz von Gegenständen oder Fertigkeiten, das Wechseln der Ausrüstung und zum Verteidigen verwenden. Auch fliehen ist jederzeit möglich. Zwar gibt es keine sonst oft üblichen Höhen-, Terrain- oder Stellungsvorteile, aber dafür als Blockaden einsetzbare Beute und Zauberwände sowie von Waffen- und Figurenkonstellationen abhängige Schadensboni. Die Zuordnungen muss man sich allerdings selbst merken oder manuell notieren, da die entsprechenden Einträge im Spiel kurioserweise nur abseits der Kämpfe einsehbar sind. Feindliche Angriffs- und Bewegungsreichweiten muss man sich sogar komplett selbst einprägen.

Fluch oder Segen?

In den Städten kann man sich mit neuen Waffen, Rüstungen und Aufgaben eindecken.
In den Städten kann man sich mit neuen Waffen, Rüstungen und Aufgaben eindecken.
Was für den einen mangelnden Komfort darstellt, ist für den andern jedoch ein willkommener Spannungsbonus, da man sich intensiver mit seinen Gegnern beschäftigen muss und trotzdem stets ein Funken Ungewissheit bleibt. Letzteres trifft auch auf die sehr knapp bemessene Zugfolgenleiste zu, die meist nur einen Bruchteil der Akteure abbildet und daher nur wenig Planung erlaubt. Aufgrund der nicht besonders intuitiven isometrischen Laufsteuerung hätte ich mir aber zumindest eine Undo-Funktion gewünscht, um versehentliche Falschbewegungen rückgängig machen zu können.

Die gibt es aber leider ebenso wenig wie eine Austauschfunktion bei vollem Inventar. Egal, was für ein seltenes oder begehrtes Kleinod man erbeutet, ist das Gepäck voll, ist es futsch, ohne dass man es austauschen oder anderweitig Platz dafür schaffen kann. Dafür kann man abseits von Kämpfen jederzeit den Spielstand speichern. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich hingegen nur vor Spielbeginn festlegen, bietet da aber nicht nur eine Stufen-, sondern auch eine Stilwahl, welche in erster Linie die Startausrüstung bestimmt.

Händler und Heiler gibt es aber auch in den unterirdischen Dungeons.
Händler und Heiler gibt es aber auch in den unterirdischen Dungeons.
Neue Waffen und Rüstungen verändern nicht nur Charakterwerte und Erscheinungsbild, sondern lassen sich mit passenden Materialien auch individuell aufrüsten. Zauber- und Spezialangriffe werden ebenfalls stärker, je öfter man sie benutzt. Zudem gibt es eine Reihe von festlegbaren Startaufstellungen, die man mit zunehmendem Spielfortschritt finden oder erwerben kann.

Nebenbei sollte man sich auch ums leibliche Wohl seiner Truppe kümmern, Tages- und Wochenverläufe beachten sowie den immer besser sortierten Geschäften regelmäßige Besuche abstatten. Schiffsverleiher und Warp-Portale sorgen für schnelles Reisen, in Tavernen kann man sich auch mal ausschlafen, an Lagerfeuern die Zeit vorspulen oder bei Glücksrädern und Brunnen Risikobereitschaft beweisen. Es gibt jedenfalls Vieles und immer wieder Neues zu entdecken - ohne Zwang, ohne Silbertablett.

Fazit

Rainbow Moon verzaubert mit klassischer Rundentaktik vor malerischer Kulisse. Story und Figuren bleiben zwar blass, aber das Ergründen der riesigen, mit versteckten Schätzen gespickten Spielwelt, das Bestreiten unzähliger Schlachten sowie die individuelle Hege und Pflege der immer imposanteren Heldentruppe sorgen für wochenlangen Spielspaß. Die originelle Mischung aus sichtbaren Gegnern und freiwilligen Zufallskämpfen weiß ebenfalls zu gefallen. Schade nur, dass es im Detail ärgerliche Einschränkungen wie die knappen Zugfolgenanzeige und Gruppengröße, nicht mitlevelnde Ersatzkämpfer sowie fehlende Itemwahl-, Zugrücknahme- und Anzeigeoptionen gibt. Auch die Mischung aus Online-Ranglisten und kostenpflichtigen Booster-DLCs sowie die trotz deutscher Herkunft nicht erfolgte Lokalisierung wirken nicht gerade glücklich. Wer auf liebevoll gestaltete und lange motivierende Taktik-Rollenspiele alter Schule steht, sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen!

Pro

umfangreiche Kampagne
erkundungsfreudiges Leveldesign
individuelle Charakter-, Skill- & Ausrüstungs-Upgrades
zahlreiche Nebenquests
malerische Spielwelt
freiwillige Zufallskämpfe
anpassbare Startformationen
sichtbare Ausrüstungswechsel
komfortable Speicherfunktion
variabler Schwierigkeitsgrad

Kontra

laue Story & Inszenierung
maximal drei aktive Charaktere
keine Erfahrung für passive Figuren
knapp bemessene Zugfolgenanzeige
keine Zugrücknahmen möglich
nur außerhalb von Kämpfen einsehbare Gegnerinfos
keine Reichweitenanzeigen
keine Itemwahl bei vollem Inventar
Spiel komplett auf Englisch
fragwürdige DLC-Angebote

Wertung

PlayStation3

Bezauberndes Taktik-Rollenspiel alter Schule.

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