Rocksmith - Authentic Guitar Games30.11.2011, Mathias Oertel
Rocksmith - Authentic Guitar Games

Im Test:

Die klassischen Musikspiele à la Guitar Hero bzw. Rock Band wurden immer aufwändiger sowie realistischer und machten mehr Hardware notwendig, wenn man alle Facetten ausschöpfen wollte. Ubisoft setzt bei Rocksmith auf eine Vereinfachung des Prinzips: Eine handelsübliche E-Gitarre wird als Kontrollgerät eingesetzt. Ob das Konzept aufgeht und ob man damit den Bühnenstars den Kampf ansagen kann, verrät der Importtest.

Sag mir, wo die Plastikklampfen sind...

... wo sind sie geblieben? Bei Fans von Rhythmus-Spielen à la Guitar Hero und Rock Band dürften im "Probenraum" (aka Wohnzimmer) mittlerweile mehr Instrumente herumstehen als bei einer durchschnittlichen Nachwuchsband - natürlich alle in Plastikform. Die gute Nachricht für alle Leid geplagten Familienmitglieder: Mit Rocksmith kommt keine neue Klampfe dazu. Und die alten fünftastigen Instrumente können eigentlich entsorgt werden. Denn hier kommt eine echte Gitarre zum Einsatz. Modell usw. spielen dabei keine Rolle, so lange es ein Sechssaiter ist, den man an einen handelsüblichen Verstärker anschließen kann. Das erforderliche Anschlusskabel, das in den USB-Anschluss der Konsole gestopft wird, liegt bei. Beim Praxistest hat es mit insgesamt fünf getesteten Klampfen (teils semiakustisch) keine Schwierigkeiten gegeben; nur bei einer zwölfsaitigen Gitarre hat die Erkennung ihren Dienst verweigert. Ob dieses Problem global besteht, konnten wir leider nicht verifizieren.

Und es geht doch

Ich erinnere mich noch gut. Beim Test zum allerersten Guitar Hero habe ich sinngemäß Folgendes geschrieben: Mit Guitar Hero lässt sich zwar nicht das echte Spielen erlernen, doch kein anderes Spiel lässt den Musiker auf die Bühne, der in einem schlummert. Musikspiele haben sich weiterentwickelt. Und irgendwann kam Rock Band 3, für das Harmonix zusammen mit Fender sogar eine Gitarre mit berührungssensitivem Griffbrett entwickelt hat. Auf der E3 2010 stellte ich die Frage, ob man vielleicht sogar mit dem Gedanken gespielt habe, einen Adapter für handelsübliche Gitarren zu entwickeln und anzubieten? Die Antwort fiel lapidar aus: Es sei zu aufwändig und würde sich nicht lohnen, würde aber vielleicht nachgerüstet!

Die Trackliste der US-Version:

* The Animals - House of the Rising Sun

* Best Coast - When I’m With You

* The Black Keys - I Got Mine

* The Black Keys - Next Girl

* Blur - Song 2

* The Boxer Rebellion - Step Out Of The Car

* David Bowie - Rebel Rebel

* Cream - Sunshine Of Your Love

* The Cribs - We Share The Same Skies

* The Cure - Boys Don't Cry

* Interpol - Slow Hands

* Jenny O - Well OK Honey

* Lynyrd Skynyrd - Sweet Home Alabama

* Nirvana - In Bloom

* Nirvana - Breed

* Pixies - Where Is My Mind?

* Radiohead - High and Dry

* Red Fang - Number Thirteen

* The Rolling Stones - (I Can’t Get No) Satisfaction

* The Rolling Stones - The Spider and the Fly

* The Rolling Stones - Play With Fire

* Silversun Pickups - Panic Switch

* Spoon - Me and The Bean

* Stone Temple Pilots - Vasoline

* Taddy Porter - Mean Bitch

* Titus Andronicus - A More Perfect Union

* White Denim - Burnished

* The White Stripes - Icky Thump

* Yellow Moon Band - Chimney

* Dan Auerbach - I Want Some More

* Eric Clapton - Run Back To Your Side

* Franz Ferdinand - Take Me Out

* Incubus - I Miss You

* Kings of Leon - Use Somebody

* Lenny Kravitz - Are You Gonna Go My Way

* Little Barrie - Surf Hell

* Muse - Unnatural Selection

* Muse - Plug In Baby

* Queens of the stone age - Go With The Flow

* Rapscallions - California Brain

* Sigur Ros - Gobbledigook

* Stone Temple Pilots - Between The Lines

* The Dead Weather - I Can't Hear You

* The Horrors - Do You Remember

* Soundgarden - Outshined

* The Strokes - Under Cover Of Darkness

* Tom Petty and The Heartbreakers - Good Enough

* Velvet Revolver - Slither Nun, diese Punkte scheinen Ubisoft bei Rocksmith egal gewesen zu sein. Denn das Wunderwerk Technik, das vermutlich im Zusammenspiel mit Software und dem unscheinbaren Kabel seinen hervorragenden Dienst verrichtet, bringt mich zum Staunen. Angefangen vom sauberen digital unterstützen Stimmen der Gitarre über Saitenanschläge bis hin zur Erkennung fortgeschrittener Techniken wie Hammer-Ons, Pull-Offs oder Slides gibt sich die Erkennung keine Blöße. Es ist also zu aufwändig, Harmonix?

Doch ganz problemfrei ist die Angelegenheit nicht: Abhängig von der Verkabelung zu Bildschirm und vor allem Soundsystem kann es zu störenden Verzögerungen beim Wiedergeben des gespielten Gitarrensounds kommen, die einen im schlimmsten Fall wortwörtlich aus dem Takt bringen - was bei einem Rhythmusspiel natürlich fatal ist. Idealerweise ist die Konsole über optisches Kabel oder analoges Stereo an eine externe Anlage angeschlossen. Denn man kann zwar über manuelle Justierung den Anzeigelag im Bezug auf den ausgegebenen nativen Sound einstellen, doch lässt man die Gitarrenakustik ebenfalls über den Fernseher laufen (im schlimmsten Fall sogar über das HDMI-Kabel), kommt es zu den angesprochenen Störfällen von bis zu einem deutlich hörbaren Lag, den ich auf etwa eine halbe bis dreiviertel Sekunde schätzen würde.

Karriere?

Hat man das ideale Akustiksetup für sich gefunden, kann es aber direkt losgehen: Man wird aufgefordert, die Gitarre zu stimmen und kann sich dann in der spartanischen, eher auf Funktionalität ausgerichteten Benutzerführung in verschiedenen Modi versuchen. So kann man sich an einzelne Songs wagen, mit freigespielten Mini-Games seine Fingerfertigkeit und Sicherheit auf dem Griffbrett verfeinern oder sich an der Karriere versuchen. Hier muss man zunächst im Proberaum beweisen, dass man die Songs des anstehenden Sets (das man selbständig erweitern kann) bewältigen kann. Sprich: Man muss jeweils eine bestimmte Punktzahl erreichen, bevor man zugelassen wird. Beim Gig hingegen, der vor einer nicht minder spartanischen Kulisse stattfindet, gibt es keinerlei Vorgaben. Zwar ist das Ziel hier auch, durch akkurates Spielen so viele Punkte wie möglich zu akkumulieren, doch gibt es kein zu erreichbares Minimum. Stattdessen bekommt man bei erfolgreicher Bewältigung noch die Möglichkeit, eine Zugabe zu spielen und nach Abschluss des Sets Gimmicks in Form von freigespielten Gitarren, Verstärkern und Effektgeräten.

Diese "Experimentierstube" ist mein geheimes Highlight in Rocksmith. Musste man bislang immer den Weg in eine Musikalienhandlung auf sich nehmen, um einen Verstärker oder Effektgerät zu testen, wählt man hier einfach das "Amp"-Feature und kann sich aus einer breiten Auswahl an Verstärkern sowie noch mehr Effektboards seine Traumkombination zusammenstellen und austesten. Dabei fällt auf, dass die Klangqualität der emulierten Hardware verdammt gut sowie entsprechend abwechslungsreich klingt. Da ich nur einen Bruchteil der integrierten Möglichkeiten auf akustische Authentizität überprüfen konnte, erlaube ich mir kein endgültiges Urteil. Doch um sich grundlegende Unterschiede beim Verstärker-Klang sowie dem Einsatz bestimmter Effekte vor Augen zu führen und einfach nur zu experimentieren, ohne den Geldbeutel oder den Verkäufer im Shop zu nerven, ist dieses Feature einfach nur grandios.

Umso bedauerlicher ist es, dass man kein "Playback"-Spiel aktivieren kann. Sprich: Man kann sich keinen "eigenen" Song von der Festplatte einspielen lassen und dazu mit einem Tab, Songbook oder "frei Schnauze" vor sich hin jammen. Vielleicht hätte Ubisoft sich (nicht nur in diesem Punkt) mal die Konkurrenz von Rock Band anschauen sollen. Denn dort ist genau dies seit Teil 2 für Drummer möglich...

Eigendynamik

Im Wesentlichen unterscheidet sich die Anzeige nicht von üblichen Tabs, benötigt aber dennoch eine Eingewöhnung.
Im Wesentlichen unterscheidet sich die Anzeige nicht von üblichen Tabs, benötigt aber dennoch eine Eingewöhnung.
Der Clou beim Spielen: Der Schwierigkeitsgrad der fast 50 mitgelieferten Songs (u.a. von den Rolling Stones, Muse, The Cure, Soundgarden, Nirvana, Kings of Leon) passt sich dynamisch an: Spielt man eine Songsektion gut, kommen beim nächsten Spielen neue Noten hinzu und die nachfolgenden Sektionen werden ebenfalls angepasst. So nähert man sich nach und nach dem echten Song an und hat ihn (einiges Üben vorausgesetzt) irgendwann im Kasten - das ist gut!

Weniger gut ist, dass bei dieser Dynamik in späteren Stufen der Spaß und damit die Motivation durchaus mal die Bühne verlässt. Wo man bei den Plastikklampfen-Spielen mit einem fest ausgewählten Schwierigkeitsgrad irgendwann den Song "kann", wird man von Rocksmith erst in Ruhe gelassen, wenn man den Track komplett beherrscht. Die Freude darüber, eine Sektion weitgehend fehlerfrei geschafft zu haben, währt hier nicht lange, denn beim nächsten Durchlauf kann es schon anders sein. Zeit, um sich mal lobend auf die Schulter zu klopfen, gibt es keine - die nächste Herausforderung wartet bereits... Das ist ein zweischneidiges Schwert, dass immer wieder auf die Gesamtmotivation drücken kann. Zumal die Dynamik scheinbar nur nach oben verändert wird: Scheitert man häufiger in einer Sektion, wird sie nicht wieder nach unten korrigiert. Hier macht sich der Rockschmied das Leben als Spiel unnötig schwer - wie auch bei der Kulisse, die im Gegensatz zum Rest der Musikspiel-Zunft nahezu gar nicht schafft, so etwas wie Konzertatmosphäre aufkommen zu lassen.

Man hat zwar ohnehin kaum Zeit, sich bewusst das aus wenigen, minimal animierten Figuren bestehende Publikum anzuschauen, das nur durch Copy/Paste erweitert wird, doch wenn man im Hinterkopf hat, welche Stimmung bei den "anderen" Gitarren-Spielen entsteht, hat Rocksmith hier so viel Nachholbedarf, wie es hinsichtlich der Erkennungstechnik einen Vorsprung hat.

Gitarrenlehrer?

Die Kulisse ist spartanisch und gibt einem kein akkurates "Gig"-Gefühl.
Die Kulisse ist spartanisch und gibt einem kein akkurates "Gig"-Gefühl.
Auf dem Weg zum perfekten Song wird man immer wieder mit neuen Techniken konfrontiert, die über Übungen und Videos anschaulich erklärt werden. Überhaupt gibt sich der Titel Mühe, auch als semi-interaktiver Gitarrenlehrer zu fungieren. Doch der Langzeit-Test mit einem lernwilligen Anfänger führt zu einem gespaltenen Ergebnis.

Man bekommt zwar über das Stimmen der Gitarre (mit Hilfsmittel) über das Anschlagen der Saiten (angefangen mit einer, später kommen dann mehr dazu) bis hin zum Kennenlernen neuer, teilweise fortgeschrittener Techniken viel über das Spielen des Instrumentes vermittelt. Doch es fehlen mitunter einige grundlegende Hinweise. So bekommen Anfänger z.B. nicht gesagt, wie sie das  Instrument am besten halten sollten, wie man Haltungsfehler vermeiden kann usw. oder auch, welche Möglichkeiten es gibt, die Gitarre ohne technische Hilfsmittel zu stimmen.

Dementsprechend bekam das Testsubjekt anfangs viel zu schnell durch falsche Haltung unnötige Schwierigkeiten, die sich allerdings mit Hilfe meiner langjährigen Gitarrenerfahrung, guten Zuredens und viel Geduld beheben ließen. Dass es keine Möglichkeit gibt, die korrekte Haltung zu überprüfen (selbst mit Kinect dürften diese filigranen Fehler nicht erkannt werden), ist eine Sache. Dass man aber nicht einmal ansatzweise darauf hingewiesen wird, was zu Problemen führen kann, ist schade und mindert den Wert von Rocksmith als Lehrer-Ersatz für blutige Anfänger. Wer jedoch die ersten Hürden nimmt oder bereits erste Schritte im Bereich des Gitarrespielens unternommen hat, wird eine interessante Erweiterung seiner musikalischen Fähigkeiten sowie eine stete Herausforderung finden.

Spiel?

Minispiele lockern den Musikeralltag auf.
Minispiele lockern den Musikeralltag auf.
Das spielmechanische Konzept ist abseits des bereits erwähnten dynamischen Schwierigkeitsgrades auch nicht vor Problemen gefeit, die an der Motivation zehren. In der Kampagne z.B. kann man bereits bewältigte Gigs nicht ohne weiteres nochmals auswählen, um eine besondere vorgegebene Songkombo erneut zu spielen, die einem gefällt. Was ich auch vermisse, ist das Erstellen von Setlists abseits der Kampagne. Hier ist man auf Einzelsongs festgelegt, was einem dadurch leicht vermiest wird, dass man vor absolut jedem Track die akkurate Stimmung der Gitarre nochmals bestätigen muss. Doch das sind nur kleine Stolpersteine auf einem ansonsten gelungenen und unterhaltsamen Weg zum Rockschmied, der mit coolen Songs gefüllt ist. Wobei die Songauswahl immer streitbar ist und es nicht jedem recht machen wird, mir aber bis auf wenige Totalausfälle gefällt.

Als Zeitvertreib für zwischendurch bzw.  wenn man keine Lust auf Songstress hat, sind die integrierten Minigames gut geeignet. Dahinter verbergen sich zwar meist Variationen bekannter Ballereien etc., die gitarrisch angepasst wurden. Spaßig ist es aber allemal, wenn man z.B. verschiedenfarbige Enten durch Anschlagen der korrekten Seite gegriffen im korrekten Bund abschießt - und ein gelungenes Fingertraining ist es obendrauf.

Fazit

Technisch ist Rocksmith über nahezu jeden Zweifel erhaben. Allen Unkenrufen zum Trotz funktioniert die Erkennung der Griffe und Saitenanschläge sehr gut - bis hin zu Hammer-Ons, Slides usw. Sprich: Die Platikklampfen der letzten Musikspielgenerationen können eingemottet werden. Theoretisch zumindest - denn als Spiel ist der Gitarrenlehrer-Simulator ein zweischneidiges Schwert. Wobei die (wie immer) streitbare, aber für mich passende Songauswahl weniger ein Problem darstellt. Es ist vielmehr das mechanische Korsett, das den Akteur an den Saiten mitunter zu sehr einschränkt. Denn einfach nur zum Spaß spielen ist nicht angesagt. "Dank" des dynamisch angepassten Schwierigkeitsgrades wird man immer gefordert und als Gitarrist mehr und mehr an den Song herangeführt. Das kann aber auch bedeuten, dass man irgendwann nur noch gefrustet wird, weil Anforderung und Fähigkeiten bzw. Lerneffekt nicht mehr Hand in Hand gehen und ab diesem Moment der Spaß deutlich minimiert wird. Als interaktiver Gitarrenlehrer ist Rocksmith ebenfalls nur bedingt tauglich. Man bekommt zwar zahlreiche Videos und Hilfen angeboten, doch hinsichtlich Überprüfung der Techniken  bzw. konstruktivem Feedback gibt es Nachholbedarf. Dennoch: Ich hoffe, dass auch europäische Spieler die Möglichkeit bekommen, in diese hoch interessante nächste Evolutionsstufe der Musikspiele hineinzuschnuppern und dass Ubisoft mit einem zweiten Teil die angesprochenen Mankos behebt.

Anm.d.Red.: Dieser Test bezieht sich auf die US-Importversion für die PS3. Die Xbox 360-Variante ist nicht codefrei. Der Termin für einen europäischen Release steht zum Testzeitpunkt noch nicht fest.

Pro

Schwierigkeitsgrad passt sich dynamisch dem Können an...
Erkennungs-Technik funktioniert sehr gut
gut 50 Songs
unterhaltsame Minispiele
gelungenes "Amp"-Feature mit haufenweise Optionen
mit jedem verstärkerfähigen Sechssaiter spielbar
ab leicht fortgeschrittenen Gitarrenkenntnissen lehrreich und unterhaltsam

Kontra

... was aber immer wieder zu Frust führen kann
als interaktiver Gitarrenlehrer nur eingeschränkt empfehlenswert
schwache Präsentation und Darstellung der Auftritte
für Anfänger nur bedingt geeignet
kein freies Spielen zu Songs auf der Festplatte möglich
mitunter Sound-Lag bei Akustikausgabe über Fernseher

Wertung

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