PixelJunk SideScroller01.11.2011, Jörg Luibl
PixelJunk SideScroller

Im Test:

Defender, Gradius, R-Type – drei alte Spiele aus einem Genre, das nicht nur die Spielhallen der 80er, sondern auch die ersten Konsolen mit geprägt hat: Der Sidescroller. Wenn sich heute ein Raumschiff von links nach rechts bewegt, um alles wegzuballern, was ihm bis zum Boss am Levelende begegnet, mag das antiquiert wirken.  Aber es gibt Entwickler, die daraus ein frisches Erlebnis schaffen können. Und natürlich kommen sie aus Japan.

Die Pixeljunk-Nische

Wer wie in alten Zeiten, aber in neuer Interpretation ballern will, kam bisher um die beiden Pixeljunk Shooter  von Q-Games nicht herum. Die Japaner hatten bereits mit dem ersten Teil (2009, Wertung: 87%) bewiesen, wie unterhaltsam ein Shoot’em Up sein kann, wenn man es um physikalische Reize und Rätsel erweitert. Mit dem zweiten Teil (2011, Wertung: 88%) konnten sie diese moderne Mischung erst kürzlich fast perfektionieren. Und jetzt gibt es schon den dritten Teil?

Nein, Pixeljunk SideScroller ist ein eigenständiger Ausflug mit deutlich klassischerer Ausrichtung und wesentlich mehr Retroflair: Letzteres entsteht schon beim grünlich schimmernden Startbildschirm und der Abrundung der Kanten, das die Bildschirmkrümmung alter Automaten oder Fernseher nachahmt und reicht bis hin zu einer dezenten Oldschool-Kulisse, die sich auf wenige leuchtende Farben, klare Linien und geometrische Formen konzentriert – dieser Vektorgrafikstil überzeugt gerade aufgrund seiner Reduktion. Zusammen mit dem Soundtrack entsteht eine enorm stilvolle, jederzeit neongrell pulsierende Arcade-Stimmung.

Sidescroller alter Schule

Das Artdesign setzt auf klare Linien und Neonfarben.
Das Artdesign setzt auf klare Linien und geometrische Formen.
Man fliegt sein Raumschiff nicht frei durch riesige Abschnitte, sondern streng von links nach rechts durch schmale Katakomben und futuristische Anlagen im Neonlicht, während Feinde in Formation heran fliegen und am Boden oder den Wänden stationierte Verteidigungstürme ihre Projektile ausspucken – manchmal muss man pixelgenau durch leuchtende Schussfächer navigieren, die den ganzen Bildschirm abdecken, oder gleißenden Lasertürme überfliegen, die in null Komma nichts aus der Erde wachsen. Es geht also in erster Linie wie in R-Type & Co um gute Reflexe und die Vernichtung kompletter Schwärme bis hin zum finalen Boss. Nur wer seinen Flug und seine Abschüsse perfektioniert, bekommt mehr Leben, mehr Punkte und bessere Waffen.

Die Rätselkomponente steht im Vergleich zu den beiden bisherigen Spielen weiter im Hintergrund. In der schnellen und anspruchsvollen Action hat man ohnehin wenig Zeit zum Stöbern und muss seine Hand-Auge-Koordination wie in der Spielhalle nonstop beweisen – dass es trotz der Enge manchmal mehrere Routen gibt, die Extrapunkte oder Geheimnisse offenbaren, ist lobenswert. Perfektionisten dürfen sich auf die Suche nach versteckten Emblemen begeben. Im Kampf stehen einem drei auf Knopfdruck aktivierbare Waffensysteme zur Verfügung: schnelle Projektile, durchschlagende Laser und zerstörerische Bomben.

Sehr schön ist, dass man sie strategisch einsetzen und in fünf Stufen für mehr Reichweite und Zerstörungskraft aufrüsten muss, um erfolgreich zu sein. Nur der Laser schießt durch bis zu zehn Feinde auf einer Linie hindurch, nur die Bomben lassen Türme ratzfatz detonieren und nur wer seine Projektile mit eingesammelten Power-ups verstärkt, wird sie irgendwann in alle Richtungen abfeuern können. Ansonsten kann man während des Fluges auch einen temporären Schild aktivieren.

Feuer und Eis

Trotz der Nonstopaction gibt es kleine physikalische Rätsel: Wasser hilft gegen brodelnde Lava.
Trotz der Nonstopaction gibt es kleine physikalische Rätsel: Wasser hilft gegen brodelnde Lava.
Trotzdem bleiben die Japaner den Elementen treu: Wird das eigene Raumschiff zu oft getroffen, überhitzt es und sendet ein akustisches Alarmsignal aus – noch mehr Schaden und es explodiert. Um dem vorzubeugen, sollte man schleunigst das kühle Nass suchen, abtauchen und sich somit heilen. Auch an anderer Stelle gilt es, Feuer, Eis und die Physik clever einzusetzen: Wenn brodelnden Lava den Durchflug versperrt, hilft ein Schuss auf porösen Fels, damit das Wasser fließt und die Hitze besiegt. Und wenn man die Boni aus dem Eis lösen will, sollte man auf den Laser umschalten, denn Projektile prallen dort einfach ab.

Eine Besonderheit gibt es im Kampf: Man kann sein Raumschiff bei längerem Knopfdruck aufladen und damit für eine Rammattacke vorbereiten. Die ist zwar riskant und schwer zu timen, aber bei einem Treffer zerstört man ganze Schwärme oder mehrere Türme  – es ist sogar möglich, ganze Abschnitte einzig und allein mit dieser Taktik zu säubern, wenn man dem rasanten Beschuss so lange ausweichen kann. Aber das will genau so geübt sein wie der Einsatz des Rammens in plötzlich abgeschotteten Kammern mit mittleren oder bei den vier eigentlichen Bossen; ist möglich, aber nicht immer sinnvoll.

Kurz, aber knackig

In den engen Korridoren braucht man eine gute Hand-Auge-Koordination.
In den engen Korridoren braucht man eine gute Hand-Auge-Koordination.
Leider ist das Spiel unterm Strich nicht gerade umfangreich: Es gibt lediglich drei Welten mit je vier Levels – also zwölf Abschnitte, die man in zwei bis maximal drei Stunden meistern kann. Damit spricht es eher die Perfektionisten und die Highscorejäger als die Entdecker an, die z.B. mehrere Tage mit Gravity Crash beschäftigt sind. Hat man den letzten Abschnitt auf „normal“ gemeistert, schaltet man nicht nur den dritten harten, danach den vierten, extrem mörderischen Schwierigkeitsgrad sowie eine sehr coole finale Welt frei, die die bisherigen hinsichtlich Design und Effektgewitter nochmal toppt und aus einem einzigen Bosskampf besteht. Durch das Meistern bekommen alle Welten auch einen anderen Grafikfilter und die Feinde verhalten sich tückischer.

Pixeljunk SideScroller ist schon auf „normal“ einigermaßen anspruchsvoll, aber auch überaus fair, was die Speicherpunkte angeht: Entgegen der gnadenlosen Tradition darf man so lange man will innerhalb der Levels weitermachen – selbst wenn man alle Leben verliert. Hat man einen Abschnitt gemeistert, werden die Waffensysteme übrigens nicht in den nächsten übernommen.

Fazit

Ich liebe die Spiele von Q-Games. Zum einen weil sie klassische Prinzipien modern interpretieren. Zum anderen weil sie im besten Sinne das kleine, aber unheimlich feine Spiel verwirklichen. In Pixeljunk Sidescroller wird die anspruchsvolle Tradition der Shoot’em Ups aufgegriffen, stilvoll weitergeführt und dezent bereichert – das neongrell pulsierende Retroflair sorgt zusammen mit dem Soundtrack umgehend für Arcade-Stimmung. Auch wenn Pixeljunk SideScroller nicht so umfangreich und vielleicht auch weniger kreativ ist wie seine Vorgänger im Geiste, spielen auch hier die Elemente zwischen Feuer und Eis eine kleine Rolle zwischen halsbrecherischen Flugmanövern durch gleißende Projektilfächer. Wer seine Hand-Auge-Koordination auf die Probe stellen und im Stile der 80er immer wieder um die Highscore kämpfen will, liegt hier goldrichtig!

Pro

anspruchsvoller Sidescroller
stimmungsvolles Retroflair & toller Soundtrack
kleine physikalische Rätsel
kooperatives Spiel möglich
vier Schwierigkeitsgrade (zwei freispielbar)
Online-Ranglisten

Kontra

nur drei Welten (zwei bis drei Stunden)

Wertung

PlayStation3

Ein anspruchsvoller Sidescroller mit Retrocharme - ideal für Perfektionisten!

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