Dishonored: Die Maske des Zorns08.10.2012, Jörg Luibl
Dishonored: Die Maske des Zorns

Im Test:

Das Schicksal meint es nicht gut mit Corvo Attano: Vor den Augen des tapfer kämpfenden Leibwächters wird zuerst die Kaiserin ermordet. Danach wird er tatsächlich als Mörder bezichtigt. Er landet im Gefängnis und harrt seiner Hinrichtung, während ein skrupelloser Lordregent ein unsicher wankendes Reich mit Überwachung und Gewalt tyrannisiert. Was für ein Abenteuer steckt in diesem Dishonored: Die Maske des Zorns (ab 2,40€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)? Wir haben im Test danach gesucht.

George Orwell lässt grüßen

Die Zukunft des ehemals blühenden Inselreichs sieht düster aus: Die Kaiserin ist tot und die Bevölkerung  leidet – vor allem in der Hauptstadt Dunwall. Überall patrouillieren Wachen, Bezirke werden abgeriegelt, Leute verschwinden, Ausgangssperren werden über Lautsprecher verhängt. Neben der Unterdrückung durch den Lordregenten grassiert auch noch eine mysteriöse Seuche, die Menschen in schlurfende Ungeheuer verwandelt. Wo kommt diese Pest bloß her? Warum gibt es zwei Heilmittel? Und was geschieht mit der kleinen Tochter der Kaiserin, die Alleinerbin ist?

Die Antworten darauf findet man nicht in einer offenen Welt, sondern in einer linearen Kampagne, deren Kapitel jeweils begrenzte Abschnitte öffnen – das verbindende Element ist ein alter Pub, der als verdecktes Hauptquartier fungiert. Von dort aus wird man von einem Fährmann zur nächsten Mission gebracht. Die Story legt einige interessante Köder aus, auch wenn Corvo ihr politische Schicksal nicht direkt über die Unterstützung von Fraktionen beeinflussen kann - schade.

Mit wenigen Pinselstrichen gelingt es der Regie jedoch das Bild einer interessanten Dystopie zu malen, auf dem eine viktorianisch anmutende Gesellschaft in einer Tyrannei à la 1984 versinkt. Nur dass es sich hier nicht um eine Zukunftsvision, sondern um eine fiktive Parallelwelt handelt, in der ausbeuterische Industrie und vergessen geglaubte Magie, anmaßende Aristokratie und gemeines Volk wie in einem Roman von Charles Dickens aufeinander treffen – manche Charaktere könnte auch Ebenezer Scrooge oder Samuel Pickwick heißen. Während man mit tödlicher Elektrizität und medialer Propaganda

Klasse deutsche Lokalisierung:

Jürgen Thormann (Ian McKellen) aka Lordregent; Kim Hasper (Ryan Reynolds) aka Outsider; Tilo Schmitz (Gerard Butler) aka Admiral Havelock; Claudia Urbschat-Mingues (Angelina Jolie) aka Kaiserin; Marek Erhardt (Benicio Del Toro) aka Daud. experimentiert, kursieren hier allerdings Gerüchte von Runen und mythischen Gestalten. Nicht nur diese Gegensätze wecken gerade im ersten Drittel die Lust auf dieses Abenteuer.

Viktorianische Parallelwelt

Die Glaubwürdigkeit dieses Szenarios wird nicht nur von markanten Gesichtern ausgestrahlt, sondern von zig Büchern und Dokumenten erzählerisch unterstrichen: Es gibt einen eigenen Kalender mit speziellen Festen, dazu Kinderreime und Kulte sowie wissenschaftliche Abhandlungen über Walfang oder Tiere – fast genug Stoff für ein Rollenspiel, auch wenn es hier natürlich um Stealth-Action in Egosicht geht. Hinzu kommen kleine Hörproben à la Bioshock, wenn man einem der Audiographen lauscht. Und spätestens dort untermauert die deutsche Lokalisierung ihren bis dato hervorragenden Eindruck: Das sind komplett in ihrer Rolle aufgehende Sprecher, die bis hin zum Nebencharakter überzeugen – ich habe selten durchgehend so passende

Auf einem Maskenball muss man die richtige Lady finden und eliminieren - dabei hat man mehrere Möglichkeiten.
Auf einem Maskenball muss man die richtige Lady finden und eliminieren - dabei hat man mehrere Möglichkeiten.
Stimmen gehört. Der Spiel des Jahres-Award für die beste Lokalisierung ist Dishonored fast sicher; und nicht nur der.

Denn im Zentrum der Faszination steht das grandiose Artdesign, das der Welt über markante Architektur und elegante Mode, obskure Geräte und weiche Farben so richtig Leben einhaucht. Die Linien passen, das Licht fließt: Hier waren Künstler am Werk, die mit viel Sinn für Beleuchtung und Farben eine malerische Kulisse erschaffen. Auch wenn Corvo nach seiner Flucht aus dem Gefängnis eher an Rache als an Dunwalls Sehenswürdigkeiten denkt, sind schon die Fahrten zur Mission sehr stimmungsvoll. Nicht nur weil Samuel in seinem Fischerboot über Stadt und  Gebäude parliert, sondern weil es immer wieder idyllische Ausblicke auf Festungen und Türme, Häfen und Brücken gibt. Vor allem Letztere gehören zu den architektonischen Höhepunkten des Spiels. Das Repräsentative und Pompöse einer industriellen Monarchie wird hier sichtbar - herrlich. Da kann man über das eine oder andere schwächere Gebiet wie die gefluteten Bezirke oder verwaschene Texturen hier und da hinweg sehen. Wer die PC-Version spielt darf übrigens nicht großartig tunen und bekommt qualitativ eine 1:1-Umsetzung der Konsolenvarianten.

Der freie Weg des Attentäters

Diese "Tallboys" patrouillieren in den Straßen. Verwundbar sind sie hinten, am Walöltank.
Diese "Tallboys" patrouillieren in den Straßen. Verwundbar sind sie hinten, am Walöltank - leider suchen sie höher liegende gebiete nicht konsequent ab, so dass man sie leicht "übergehen" kann.
Etwas weniger sichtbar werden der Mensch und die Vergangenheit hinter Corvo Attano, dem Helden des Abenteuers. Wie man seine Gegenwart und damit die Zukunft Dunwalls gestaltet, ob man also martialisch und brutal oder eher lautlos und subtil vorgeht, ist die eine Sache – denn das entscheidet jeder über seine Spielweise. Wer sich Mühe gibt, findet selbst für den schlimmsten Bösewicht ein alternatives, aber mieses Ende neben dem Tod. Und ob man den Weg der Action oder den des Schleichers geht, hat einige Folgen. Zwar kann man keine politischen Parteien unterstützen und muss dem Widerstand helfen: Aber wer dabei viel mordet und auch Zivilisten nicht schont, wird es mit mehr aggressiven Ratten und schlurfenden Seuchenopfern sowie einem düsteren Ende zu tun bekommen. Außerdem trauen einem die Leute nicht, was sie auch in Kommentaren untermauern. Auch sehr cool: Corvo kann dank der aufrüstbaren Linsen in seiner Maske heran zoomen und entfernte Gesprächen belauschen, um so vielleicht einen Hinweis zu erhaschen.

Aber dafür, dass sich das Spiel „Dishonored: Die Maske des Zorns“ nennt, werden zwei Namen gebende Aspekte zunächst schwach ausgearbeitet: Die Entehrung und die Wut. Man spielt das Attentat auf die Kaiserin zwar direkt, erlebt es also hautnah, doch welche Beziehung man zur ihr hatte und was man emotional mit ihrem Reich und seiner Ehre verbindet, wird nur angerissen – hier vermisst man etwas mehr Bezüge, die in einem Prolog erzählerisch ausgearbeitet werden. Klar ist man sauer, aber so richtig „entehrt“ oder gar außer sich vor Zorn fühlt man sich zu Beginn nicht, weil man die tote Monarchin Jessamine Kaldwin gar nicht richtig kennt. Erst im letzten Drittel gibt es eine gelungene dramatische Wendung, die einem wesentlich näher geht.

Stealth-Action light

Auch in einem Bordell ist der Mann mit der Maske unterwegs.
Auch in einem Bordell ist der Mann mit der Maske unterwegs.
Auch wenn Corvo als Charakter etwas hinter der markanten Kulisse verblasst, zeigt er als Attentäter viele interessante Facetten: Er kann in Egosicht nicht nur klettern, tauchen und rennen, sondern auch in Deckung gehen, kämpfen und schleichen. Die Gefechte werden recht simpel über Pistolen oder Armbrustbolzen aus der Distanz per Fadenkreuz sowie Klingen aus der Nähe inszeniert, wobei man auf gut getimten Block und anschließenden Konter achten sollte, der meist tödlich endet – die Steuerung flutscht. So kommt man mit ein, zwei Feinden recht mühelos zurecht; knifflig wird es vielleicht mal gegen drei oder vier, weil man die Kamera nicht so auf einen fixieren kann, dass man ihn permanent im Visier hat. Explosive Geschosse, Haftminen und Granaten geben einem aber immer genug schlagfertige Argumente in die Hand.

Aber dieser unspektakuläre Actionweg ist ohnehin nicht der wahre: Im Kern ist Dishonored ein Spiel, das Schleicher belohnt – auch in den Statistiken, die Eliminierte, Entdeckte und Alarme fein aufdröseln. Zu den Höhepunkten gehören jene Missionen, in denen man auch mal clever recherchieren muss wie auf einem Maskenball. Es ist zwar komplett abstrus, dass der gesuchte Corvo dort einfach mit seiner Maske auftauchen darf, aber um sein Opfer unter drei Ladys zu finden, muss er sich mit den Gästen unterhalten. Das läuft weitgehend automatisch, aber macht Laune, obwohl man sich etwas zu frei austoben darf - hier hätte ein Zeitlimit oder misstrauischere Wachen für etwas mehr Spannung sorgen können. Immerhin kann man hier auch mal über einen Dialog zum Erfolg kommen.

Die so genannten "Weiner" repräsentieren die Seuchenopfer, die wie Zombies aggressiv agieren.
Die so genannten "Weiner" repräsentieren die Seuchenopfer, die wie Zombies aggressiv agieren.
Ansonsten kann man nahezu alle Aspekte des Schleichens anwenden: Man kann durch Schlüssellöcher spähen, Wachen von hinten bewusstlos würgen und sie wegschleppen oder in Container verstauen, damit sie nicht auffallen. Man kann Sicherheitssysteme deaktivieren und über Geheimwege wie Katakomben und Kanäle selbst gut gesicherte Gebäude infiltrieren.

Recht früh kann sich Corvo dabei übersinnlicher Fähigkeiten bedienen, indem er Runen und Knochenartefakte (damit kann man z.B. permanent seine Gesundheit steigern oder die Schnelligkeit erhöhen) über ein pochendes Herz aufspürt, das wie ein Sucher wirkt und sogar Informationen über den aktuellen Ort preisgibt. Auch hier wird gerade zu Beginn des Spiels die Neugier geweckt: Wer ist dieser Outsider, der ihn über ein Tattoo markiert und an bestimmten Stellen immer wieder moralisch anspricht? Corvo muss also nicht nur den Mord an der Kaiserin aufklären, sondern auch seine Rolle in diesem intriganten Abenteuer aufklären. Die Story kann das rätselhafte Niveau allerdings nicht bis zum Ende halten, denn viele Antworten sind vorhersehbar und leider nicht beeinflussbar.

Das elegante Teleportieren

Architektonisch hui, aber wachtechnisch pfui: Man kann die KI recht leicht überlisten.
Architektonisch hui, aber wachtechnisch pfui: Man kann die KI recht leicht überlisten oder ausschalten.
Das Interessante an der Magie sind weder kurze Zeitlupen noch kleine Stürme, auch nicht das Durch-die-Wände-Blicken à la Deus Ex samt grell blinkender feindlicher Sichtlinien und Kabelwege: Es ist das Teleportieren sowie das Übernehmen von Mensch und Tier. Ersteres erlaubt Corvo kurze und später mittlere Distanzen in null Komma nichts zu überwinden und punktgenau zu landen – selbst auf schmalen Simsen und Balken, so dass eine akrobatische Leichtigkeit à la Assassin’s Creed entsteht. Die Steuerung ist intuitiv und einfach, denn selbst das Hochziehen am Rand wird über Pfeile angezeigt und läuft automatisch ab. So kommt man relativ zügig in einen angenehmen Spielfluss, während man immer wieder an erhöhten Stellen innen hält und sich Ausblicke auf den Hafen in der Abendsonne oder das Labyrinth aus Dächern und Zinnen gönnt.

Diese mächtige, weil auch noch lautlose Fähigkeit lässt Corvo Entfernungen überbrücken, aus Gefechten verschwinden oder direkt hinter Feinden landen, um sie anschließend zu meucheln oder bewusstlos zu würgen. Und für diese Sprünge hat er immer genug Mana. Lediglich das ständige Teleportieren in Folge ist nicht möglich. Aber diese eleganten Sprünge sind sowohl Segen als auch Fluch: Ein Segen, weil man so herrlich frei und dynamisch überall hin kommt, ohne sich lange Gedanken über Wege machen zu müssen – selbst Schwindel erregende Höhen erreicht man recht gefahrlos. Und da beginnt der Fluch, denn das mächtige Teleportieren macht es einem sehr einfach zum Ziel zu kommen, zumal man die maximale zweite Stufe dieser Fähigkeit zu schnell freischaltet. So überwindet man riesige Brücken schwuppdiwupp über die Pfeiler und Seile.

Das Maximum der Fähigkeiten

Über elf Kapitel gelangt Corvo in viele Bereiche der Stadt Dunwall; darunter nur wenige, die qualitativ etwas absinken.
Über elf Kapitel gelangt Corvo in viele Bereiche der Stadt Dunwall; darunter nur wenige, die qualitativ etwas absinken.
Das Spieldesign hätte dem auf zwei Arten entgegen wirken müssen: Indem man diese magische Begabung behutsamer hinsichtlich Distanz oder Manaverbrauch auf das Maximum bringt, indem man den Teleport zunächst mit Geräuschen etwas anfälliger macht oder indem man Corvo z.B. Feinde oder eine KI serviert, die darauf besser antworten kann. Sprich: Man entwickelt seinen Charakter zu schnell in den wesentlichen Punkten, während man Irrelevantes wie Munitionskapazität & Co ignorieren kann.

Und warum findet man die für die Aufrüstung der Fähigkeiten so wichtigen Runen so häufig, ohne viel dafür tun zu müssen? Auch da hätte man den Hebel ansetzen können, indem man sie seltener anbietet oder besser sichert - so hat man das Gefühl, dass man sie überall bekommt. Dass man sich für die dreistelligen Zahlencodes der Safes teilweise nur mal umsehen oder ganz simpel kombinieren muss, ist ebenfalls symptomatisch für ein Spieldesign, das den Flow vor den Anspruch stellt. Da war mehr drin!

Schwache KI-Routinen

DEus Ex & Co lassen grüßen: Mit der Nachtsicht späht man durch Wände, macht Wachbereiche und Leitungen deutlich.
Deus Ex & Co lassen grüßen: Mit der Nachtsicht späht man durch Wände, macht Wachbereiche und Leitungen deutlich.
Auf reaktiver Ebene beginnen die Probleme von Dishonored: Die KI ist nahezu blind für die so ansehnliche Vertikale. Man kann nicht immer, aber meist ohne entdeckt zu werden über Dächer und Simse operieren – bis auf ein, zwei Missionen mit teleportierenden Attentätern hat man dort kaum etwas zu befürchten, bewegt sich nahezu frei. Selbst die hervorragend designten Stelzenläufer, die ja haushoch mit ihren Brandbögen dahin staksen, leuchten die oberen Etagen nicht aus. Wenn man jetzt die zweite magische Fähigkeit hinzu nimmt, die Corvo sowohl in Ratten als auch Fische oder später in Menschen fahren, diese also direkt steuern lässt, beginnt die Balance zwischen angenehm offener Spielweise und zu viel Leichtigkeit schon zu schwanken. Dass es trotzdem richtig Spaß macht, liegt an den vielen Möglichkeiten der Problemlösung und Infiltration.

Man kann auf Knopfdruck als Fisch durch Kanäle schwimmen, als Ratte problemlos durch Schächte wuseln und sich wieder zurückverwandeln. In der Haut eines Menschen kann Corvo zwar nicht kämpfen, aber er kann kurzfristig mit ihm an seinen Kollegen vorbei schlendern und vielleicht eine Tür öffnen, dahinter einen Schalter bedienen oder eine Leitung sabotieren, so dass einem Politiker in der Sauna etwas zu heiß wird – ein geschickt eingefädelter Unfall. Sehr schön: Sobald er den Fremdkörper verlässt, ist der Eigentümer für ein paar Sekunden verwirrt - man entdeckt immer wieder kleine Feinheiten, die das Potenzial dieses Abenteuers auch auf der Verhaltensebene andeuten. Sehr böse: Wenn eine Wache schießt, hält man die Zeit an, so dass die Kugel schon in der Luft schwebt. Dann übernimmt man den Körper der Wache und läuft mit ihr zurück an den Ort, auf den sie selbst gezielt hat. Wenn man sie jetzt verlässt, wird sie von ihrer eigenen Kugel erledigt…

Das macht Spaß, gar keine Frage – und erlaubt in Tierform tolle alternative Wege! Aber warum begegnet man beim Teleportieren oder in Verwandlung nicht wenigstens punktuell mehr Gefahren oder Hindernissen? Richtig schade ist, dass die Balance aufgrund der fehlenden Beschränkungen für das eigene Vorgehen sowie der schwachen Wachroutinen irgendwann so kippt, dass manche groß angekündigte Infiltration nahezu lächerlich einfach zu meistern ist. Nicht nur, weil man meist so viel Geld hat, dass man sich im Hauptquartier mit genug betäubenden Bolzen, Heil- und Manatränken eindecken kann - man findet quasi überall Zaster. Sondern auch deshalb lächerlich, weil eine Mission von „streng bewachtem Gebäude“ oder „paranoidem Verfolgungswahn“ des Besitzers spricht und es einem dann innerhalb der Mauern so leicht gemacht wird.

Auf dem Sicherheitsauge blind

Ab und zu muss man kleine, aber sehr leichte Rätsel lösen: Tanks befüllen und einsetzen oder Safes knacken.
Ab und zu muss man kleine, aber sehr leichte Rätsel lösen: Tanks befüllen und einsetzen oder Safes knacken.
Das große Problem der KI ist nicht einmal, dass sie herum liegende Waffen, fehlende Wachen oder offene Türen nicht ahndet, indem sie abseits eines löblichen Kommentars à la „Moment, hier sollte doch eine Patrouille sein!“ auch mal nachforscht. Und sie reagiert ja durchaus gut auf Geräusche und Sichtkontakt über ein mehrstufiges Alarmierungssystem, das leider zu schnell wieder auf Routine schaltet. Das Problem ist, dass sie selbst deaktivierte Sicherheitsmechanismen ignoriert, die zentral zum Schutz aufgestellt wurden. Es gibt eine Mission, in der man das angeblich sehr gut gesicherte Haus einer Schlüsselfigur, die schon mit Corvos Ankunft rechnet, mit wenigen Teleports und Würgereien komplett von Wachen und Fallen befreit.

Der tyrannische Lordregent, der entfernt an Max Schreck in Nosferatu (1922) erinnert, steht dann an seiner der Balustrade, schaut nach unten und reagiert wie? Gar nicht darauf, dass da eben noch seine Leute was sichern sollten und jetzt niemand unterwegs ist.  Noch schlimmer: Er selbst wird als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten so schlecht bewacht, dass man ihn problemlos überwältigen kann - und weg ist der Schreck. So herrlich das Abenteuer aussieht, so stimmungsvoll es inszeniert wird, so anspruchslos fühlt es sich in diesen wichtigen Momenten gerade für Freunde der subtilen Infiltration an; leider auch im Finale sowie in den wenigen Bosskämpfen gegen besondere Charaktere. Auch der optionale Taschendiebstahl mutiert irgendwann zur Farce: Auf dem gut besuchten Maskenball  kann man ausnahmslos jeden Besucher ohne Reaktion bestehlen – selbst vor den Augen von Wachen. Und schon vorher darf man sich in jedem privaten Raum bedienen; selbst bei Admiral Havelock, der genug Gründe für Diskretion hätte.

Fazit

Kompliment an die Arkane Studios für diese stilvolle Premiere - das hat Spaß gemacht! Dishonored ist ein ansehnliches Abenteuer, das flotte Stealth-Action vor wunderbaren viktorianischen Kulissen inszeniert. Das Artdesign gehört hinsichtlich Architektur und Mode zum Besten, was ich in den letzten Jahren gesehen habe. Hinzu kommt eine Lokalisierung, die endlich mal durchgehend mit markanten deutschen Sprechern überzeugt sowie ein offenes Spieldesign, das sowohl den martialischen als auch subtilen Weg ermöglicht - hier war im ersten Drittel noch der Award greifbar. Leider hapert es später an reaktiver KI und Anspruch in den Missionen, denn das Teleportieren ist Segen und Fluch zugleich: Man beamt sich zwar elegant vorwärts, aber im Zusammenspiel mit den schwachen Wachroutinen wird das Erlebnis nicht nur vereinfacht, sonder auch stark verkürzt - da überwindet man selbst riesige Brücken in null Komma nichts. Selbst in den erzählerisch wichtigen Momenten, wo die Regie eine knifflige Infiltration ankündigt, kommt man schwuppdiwupp vorwärts. Wo sind die Feinde und Sicherheitsanlagen, die Corvo so das Wasser reichen können, dass man den Erfolg der Überwindung genießen kann? Egal ob Bosse, Infiltration, Rätsel oder Entwicklung: Es fehlt der Anspruch, man ist zu früh zu mächtig. Vor allem im letzten Drittel wird die anfängliche Faszination leider von zu viel Beliebigkeit und Leichtigkeit ausgebremst.

Pro

großartiges Artdesign
elegantes Teleportieren & Verwandeln
eine interessante Storywendung
toll ausgearbeitete Hintergrundwelt
Wachen wegschleppen, durch Türen spähen
coole Fähigkeitenkombos (kreativer Suizid)
hervorragende deutsche Lokalisierung
offenes Spieldesign, Action und Stealth
stimmungsvolle Bootsfahrten zu Missionsbeginn
gute Dialoge, markante Charaktere
Welt reagiert auf Spielweise, wird düsterer/heller
komplettes Abenteuer ohne Mord zu schaffen
offenes Leveldesign mit multiplen Wegen
gute Steuerung, Block und Konter
Fähigkeiten mit Runen freischalten/aufwerten
viele optionale HUD-Anzeigen
mit Gamepad spielbar (PC)
informative Statistiken
10 bis 20 Stunden Spielzeit
freies Speichern

Kontra

recht vorhersehbare Story
Corvo bleibt als Charakter blass
man ist zu schnell zu mächtig
Teleports sorgen für vertikale Narrenfreiheit
KI reagiert nicht auf Waffen, Türen, Deaktivierungen
wenig Infiltrationsanspruch, schwache Suchroutinen
Raub & Taschendiebstahl ohne Reaktionen
viel zu leichte Safe-Öffnungen
reine Action ist nur solide
zu leichte Bosskampfsituationen
einige überflüssige Entwicklungen (Munition etc.)
kein Einfluss auf politische Fraktionen
kaum Grafikoptionen für PC

Wertung

360

Ansehnliche Stealth-Action auf Speed: Das mächtige Teleportieren ist Segen und Fluch zugleich!

PC

Auf dem Rechner erlebt man technisch dasselbe malerische Abenteuer wie auf Konsolen - man kann kaum etwas tunen.

PlayStation3

Kompliment an die Arkane Studios für diese stilvolle Premiere - das hat trotz KI-Schwächen richtig Spaß gemacht!

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