Resident Evil: The Darkside Chronicles HD03.07.2012, Michael Krosta
Resident Evil: The Darkside Chronicles HD

Im Test:

Capcom schlägt gleich zwei Zombies mit einem Baseballschläger: Mit Resident Evil: The Darkside Chronicles bringt man nicht nur einen gelungenen Wii-Titel mit gehöriger Verspätung auf die PS3, sondern verpasst dem Schienenhorror auch noch einen modernen HD-Anstrich - genau wie es EA zuvor mit Dead Space: Extraction und Sega mit dem indizierten House of the Dead: Overkill getan hat. Hat der Titel die Schönheitsoperation zusammen mit der Übertragung von der Remote auf den Move-Controller gut überstanden?

Nostalgische Zeitreise

Es ist schon eine ganze Weile her, als mich die Veröffentlichung von Resident Evil 2 zum Importhändler meines Vertrauens gehen und anschließend zu Hause vor Begeisterung nicht mehr los ließ. Auch mein bisheriger Liebling von Capcoms Survival Horror-Serie, Code Veronica, hat schon fast zehn Jahre auf dem Buckel und zeigte damals eindrucksvoll, was in Segas Dreamcast steckt. Ja, ich habe einige schöne Erinnerungen an dieses indizierte Duo - Erinnerungen, die in den Darkside Chronicles wieder wach gerufen werden, denn neben einer neuen Kampagne rund um Leon S. Kennedy und Jack Krauser lässt Capcom die Geschehnisse des zweiten Teils und Code Veronica quasi als spielbare Flashbacks erneut erleben - wenn auch in komprimierter Form, ohne Rätsel sowie auf vorgegebenen Railshooter-Pfaden.

Die Vorlage

Ursprünglich erschien Resident Evil: The Darkside Chronicles im November 2009 als Nachfolger des hierzulande indizierten Resident Evil: The Umbrella Chronicles für Wii. So mutiert der knallharte und blutige Horror über weite Strecken auch zu einem emotionalen Nostalgie-Trip, wenn man plötzlich wieder mit Claire Redfield in der pompösen Haupthalle der Polizeistation von Raccoon City steht oder sich später zusammen mit Steve Burnside am Südpol dem gefährlichen Nosferatu im ewigen Eis oder anderen bekannten End- und Zwischengegnern wie dem mutierten Dr. Birkin oder der Ameisenkönigin Alexia Ashford stellen muss. Im Verlauf des Spiels erleben Kenner der Serie unheimlich viele dieser Aha-Momente, auch wenn die Handlung und Architektur teilweise von den Originalen abweicht.

Kurze Häppchen

Das ist jedoch unumgänglich, da man im Gegensatz zu den Vorlagen hier immer im Duett unterwegs ist - ein zweiter Spieler kann jederzeit einsteigen - allerdings nur lokal an einer Konsole, denn die Onlinefunktionen beschränken sich auf das Übertragen der Highscore. An eine Drop-Out-Funktion hat man leider nicht gedacht, so dass man eine angefangene Episode innerhalb der Kampagne komplett im Team durchziehen muss. Lang sind diese ohnehin nicht: Während man bei Dead Space: Extraction teilweise bis zu 45 Minuten am Stück spielt, gibt es hier Häppchen zwischen sieben und 15 Minuten. Erst auf Rockford Island (Code Veronica) ist man endlich länger in den Abschnitten unterwegs.

Keine Experimente

Im Rahmen der Kampagne trifft man auf viele bekannte Figuren der Reihe.
Im Rahmen der Kampagne trifft man auf viele bekannte Figuren der Reihe. Die HD-Version der Umbrella Chronicles erscheint jedoch nicht in Deutschland.
Bei Umbrella & Co stehen Experimente ganz weit oben auf der Agenda - bei den Spieldesignern von Darkside Chronicles dagegen weniger: Wo Deadspace: Extraction mit alternativem Feuermodus, Minispielen beim Überbrücken von Stromkreisen sowie Glühwürmchen-Schütteleinsatz frischen Wind ins Genre brachte, bleibt Capcom eher konservativ und bietet bis auf ein paar vereinzelte Reaktionsspielchen nichts, was man nicht auch aus anderen Spielen kennt. Das muss nicht schlecht sein, trotzdem hat EA gezeigt, dass man noch mehr aus dem Konzept herausholen kann. Hier bleibt dagegen alles beim Alten: Das Fadenkreuz bewegt man wie gewohnt mit dem Move-Controller, während man wahlweise mit den Knöpfen oder einem angeschlossenen Navigation-Controller die Waffen wie Schrotflinte, Granatwerfer, Uzi oder später auch einen Raketenwerfer durchschaltet. Bis zu vier Wunsch-Wummen wandern ins Arsenal, das sich jederzeit austauschen lässt, falls es z.B. doch lieber die Magnum oder der Bogen sein soll. Brand- oder Säuremunition für den Granatwerfer findet man aber leider nicht. Immer mit dabei ist das Messer, das zusammen mit dem Trigger und einem beherzten Schütteln geschwungen wird und vor allem gegen kleine Gegner-Horden von Piranhas über Killer-Ameisen bis hin zu Fledermäusen nützlich ist.

Die Licker fahren wieder ihre spitzen Zungen und scharfen Krallen aus.
Die Licker fahren wieder ihre spitzen Zungen und scharfen Krallen aus.
Schüttelt man den Move-Controller wird hier ohne Reaktionsspielchen nachgeladen. Dafür kann man das Waffenarsenal gegen Bargeld aufrüsten - sei es bezüglich Kapazität, Feuerkraft oder Nachladegeschwindigkeit. Bis auf die Pistole ist die Munition begrenzt und muss sogar zwischen zwei Spielern geteilt werden. Nachschub findet man in den detailliert modellierten Kulissen wie düsteren Abwasserkanälen, ausgeschmückten Herrenhäusern oder einem sterilen Labor-Komplex, wo man die Magazine genau wie Heilkräuter, Goldbarren und Sprays mit dem Move-Knopf aufsammeln kann, sofern man bei den Kameraschwenks schnell genug reagiert. Während man sich die Pflanzen manuell verabreichen muss, fungiert das Erste Hilfe-Spray quasi als Continue und wird automatisch aktiviert, falls einer der beiden Akteure vorzeitig stirbt. Verfehlen die Kugeln ihre Ziele wie Zombiehorden, Frosch-Mutanten, Riesen-Spinnen oder schleimige Licker, ist das nicht unbedingt tragisch, denn so wird man zumindest Zeuge der (teilweise) zerstörbaren Umgebung und einigen netten Physik-Spielereien. Dabei sollte man auch das Auge nach gut versteckten Emblemen mit dem Umbrella-Logo offen halten, nach deren Beschuss bei den ohnehin schon reichlichen Extras weitere Hintergrund-Infos rund um das Resident Evil-Universum freigeschaltet werden.

Mitten drin statt nur dabei

Ein neuer Erzählstrang erklärt, warum sich Leon und Krauser später überhaupt nicht mehr ausstehen können.
Zombies sind immer noch das beste Kanonenfutter. Leider werden Trefferzonen immer noch zu ungenau erfasst.
Eine Sache wird die Spielergemeinschaft auch auf der PS3 spalten wie die Axt den Schädel: die Wackelkamera! Genau wie in Filmen wie „The Blair Witch Project“ oder „Cloverfield“ erlebt man das Geschehen aus den Augen der Akteure und es geht dabei äußerst holprig sowie mit schnellen Kameraschwenks zur Sache. Während man die Wackel-Intensität bei Dead Space: Extraction in den Optionen anpassen konnte, hat man hier keine Wahl und muss den unruhigen Trip auf sich nehmen. Ich liebe diese Art der Präsentation - auch wenn selbst mir das Gewackel hier stellenweise zu heftig wurde. Trotzdem habe ich Resident Evil oder einen anderen Schienen-Shooter selten so intensiv erlebt wie hier. Soundkulisse und vereinzelte Schockmomente tragen ebenfalls zur packenden Atmosphäre bei, doch es ist und bleibt vor allem die hektische Kameraführung, die den Puls nach oben schnellen lässt. Schade nur, dass man es versäumt hat, neben der Grafik auch die Tonspur aufzubohren: Genau wie auf der Wii gibt es nur Stereoton, obwohl sich eine 5.1-Abmischung angeboten hätte.

Mit The Darkside Chronicles zeigte Capcom 2009, wie gut Wii-Spiele aussehen können, wenn man sich entsprechend Mühe gibt. Die Texturen sind auf der PS3 deutlich schärfer als bei der Vorlage und auch das Kantenflimmern wurde merklich reduziert. Ihre Wurzeln kann die Technik aber nicht verbergen, denn trotz des HD-Transfers sind viele der Texturen bei genauem Hinsehen immer noch sehr matschig statt knackscharf. Trotzdem sehen vor allem die Außenbereiche des neuen Erzählstrangs mit ihrem wunderschönen Panorama rund um einen Staudamm oder ein abgelegenes Dorf im Dschungel klasse aus. Enttäuschend ist lediglich die Tatsache, dass gerade in den düsteren Abschnitten mit Taschenlampenbeleuchtung weder Objekte noch Figuren dynamische Schatten in Echtzeit an die Wände werfen - darunter leidet die Atmosphäre. Auch die fehlerhafte Kollisionsabfrage, durch die Gegner halb in Geländern oder Wänden verschwinden, wurde für die PS3-Umsetzung nicht verbessert und stört auch hier. Dafür machen die englischen Sprecher den gleichen guten Job, obwohl einige Dialogzeilen direkt aus den Drehbüchern drittklassiger Fernseh-Produktionen stammen könnten und dabei nicht immer lippensynchron vorgetragen werden. Leider haben sich bei den deutschen Untertiteln auch ein paar Rechtschreibfehler und unvollständige Sätze eingeschlichen, doch verstehen Neulinge aufgrund der komprimierten Handlung und des hohen Erzähltempos eh nur die Hälfte, während Veteranen schon bestens mit den Geschehnissen vertraut sind.

Der Kopf ist das Ziel

Im Gegensatz zu den Vorlagen ist man hier immer als Team unterwegs.
Im Gegensatz zu den Vorlagen ist man hier immer als Team unterwegs.
Wie schaltet man Zombies am besten aus? Durch einen gezielten Kopfschuss! Das weiß mittlerweile jeder. Trifft man die nur noch mäßig arbeitende Denkzentrale der Untoten, wird deutlich, dass Capcom in Deutschland auch mit der USK 18-Freigabe eine ungeschnittene Fassung bringt, wenn Köpfe zerplatzen und blutige Zombie-Fetzen durch die Gegend fliegen. Allerdings gibt die Kollisionsabfrage beim Zielen hin und wieder Rätsel auf: Mal reicht ein gezielter Kopfschuss, um den Angreifern sprichwörtlich das Gehirn raus zu blasen, aber beim nächsten Mal ist selbst nach fünf Treffern noch keine Ruhe. Das alles wäre halb so wild, wenn die Anzahl der Kopftreffer nicht in die abschließende Auswertung der Leistung pro Episode mit einfließen würde. So hat man das Gefühl, es handele sich mehr um Glückstreffer als echtes Können beim Zielen. Hält man die Move-Taste gedrückt, kann man das Fadenkreuz übrigens vergrößern und dadurch das Anvisieren erleichtern. Wer eine zusätzliche Zielhilfe braucht, muss den einfachen Schwierigkeitsgrad wählen, bei dem der Cursor automatisch auf  die Körper (nicht die Köpfe) der Gegner wandert.

Auf der PS3 lässt sich das Spiel alternativ auch nur mit einem DualShock-Controller steuern. Keine gute Idee, ist es doch ein schwacher Ersatz für das wesentlich komfortablere und präzisere Move-Erlebnis, das der Wii-Vorlage in nichts nachsteht - vor allem in Kombination mit dem Navigations-Zusatz. Trotzdem hätte sich Capcom ruhig etwas mehr Mühe geben können: Die Chance, alte Fehler zu beheben oder der PS3-Version das eine oder andere Extra zu spendieren, wurde leider nicht genutzt. Zudem schauen deutsche Spieler wieder in die Röhre: Während im Ausland ein Kombo-Paket aus den Umbrella und Darkside Chronicles angeboten wird, erscheint hier nur Letzteres, da die USK dem Vorgänger die Einstufung verweigerte und der Titel auf dem Index landete. Das gleiche Schicksal ereilte schon die Resident Evil HD Collection, die bei uns lediglich aus Resident Evil 4 bestand – der Dreamcast-Ableger Code Veronica kam aufgrund der Index-Problematik ebenfalls nicht in der HD-Version zu uns.

Fazit

Was für ein herrlicher, intensiver, actionreicher und nostalgischer Horror-Trip! Mit Resident Evil: The Darkside Chronicles werden so viele Erinnerungen wach, dass ich die Reise auf Schienen durch Raccoon City, Rockford Island, die Antarktis und den neuen Schauplatz einfach lieben muss - und das nicht nur auf Nintendos Wii, sondern jetzt auch auf der PS3! Dabei fesselt mich vor allem die Wackelkamera mit ihren hektischen Fahrten und lässt mich instinktiv zusammen mit den Akteuren in Deckung gehen, auch wenn es die Entwickler mit der Intensität manchmal übertreiben. Allerdings hat Capcom ein Problem - und das heißt Dead Space: Extraction: Der gelungene Serienableger von EA, der der internationalen PS3-Fassung von Dead Space 2 kostenlos beilag,  hinterlässt nicht nur technisch einen leicht besseren Eindruck, sondern hat auch gezeigt, dass man mit kreativen Zusätzen noch mehr aus dem Railshooter-Konzept herausholen kann als das, was das konservative Resident Evil zeigt. Trotzdem bekommt man hier einen der besten Vertreter des Genres, der trotz vertaner Chancen bei der HD-Kur vor allem zu zweit eine Menge Spaß macht. Den Mutanten auf der Ishimura müssen sich die Zombies allerdings auch auf der PS3 geschlagen geben...

Pro

packende Atmosphäre
intensive Wackelkamera... 
gute (englische) Sprecher
toller Soundtrack
aufrüstbare Waffen
Koop für zwei Spieler
drei Kampagnen
knackige End- und Zwischengegner
ansprechende & abwechslungsreiche Kulissen
geteiltes Equipment
Gore- und Splatter-Effekte
teilweise zerstörbare Umgebung
hervorragende Zwischensequenzen
toller Nostalgie-Trip
massig freispielbare Info-Extras
Online-Ranglisten

Kontra

Spielabschnitte meist sehr kurz
...die teilweise etwas zu heftig ausfällt
kaum kreative Experimente bei der Spielmechanik
kein Online-Modus
keine dynamischen Echtzeit-Schatten
z.T. furchtbare Kollisionsabfrage
kein Dropout mitten im Spiel möglich (Mehrspielermodus)
seltsame Kollisionsabfrage bei Kopfschüssen
vereinzelte Slowdowns
Abweichungen gegenüber der Vorlage
teilweise furchtbare Dialoge
nur Stereo-Ton

Wertung

PlayStation3

Alles andere als (un)tot: Die Darkside Chronicles sorgen mit ansprechender Präsentation und Wackel-Kamera auch auf der PS3 für Leben auf der Baller-Schiene!

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