Agarest: Generations of War 221.09.2012, Jens Bischoff
Agarest: Generations of War 2

Im Test:

Hobbygeneräle aufgepasst: Nach Agarest und Agarest Zero hat es auch Compile Hearts' dritte Kriegsgeneration nach Europa geschafft. Allerdings hat man dieses Mal mit so mancher Serientraditionen gebrochen. Ob zum Vor- oder Nachteil, verrät der Test.

Gewagter Umbruch

Während sich die beiden ersten Abenteuer nur geringfügig voneinander unterschieden haben, überrascht Teil drei mit völlig neuen Ansätzen: Statt sich symbolisch via Landkarte von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zu bewegen, kann man die Welt um sich herum nun frei erkunden, muss Zufallskämpfe bestreiten und relevante Schauplätze erst ausfindig machen.

Zudem warten die rundenbasierten Auseinandersetzungen neuerdings mit Echtzeitelementen auf, während die Truppengrößen reduziert, Bewegungsphasen gänzlich abgeschafft wurden. Kombos müssen nun zügig verkettet, Sonderattacken regelrecht eingehämmert werden.

Mit klassischen Taktikrollenspielen oder den Vorgängern haben die Kämpfe jedenfalls nur noch wenig gemein. Es gibt zwar nach wie vor gerasterte Schlachtfelder, festlegbare Formationen, begrenzte Aktionspunkte und einsehbare Zugfolgen, aber als Feldherr fühlt man sich kaum noch. Positionswechsel finden aktionsbezogen automatisch statt, jeder kann jeden treffen, Entfernungen spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Dynamisches Quartett

Das umgekrempelte Kampfsystem lässt nicht mehr als vier Kombattanten zu.
Das umgekrempelte Kampfsystem lässt nicht mehr als vier Kombattanten gleichzeitig zu.
Nach wie vor sehr wichtig ist hingegen die Zusammenarbeit der nur mehr bis zu vier eigenen Kombattanten, die an den Gefechten teilnehmen und sich jederzeit auswechseln lassen. Je nach Gruppenzusammensetzung und Positionierung genießt man einzigartige Kampfboni, kann unterschiedliche Team- und Spezialangriffe ausführen. Auch beim Heilen, Schützen oder Stärken sind Stellungen und Reichweiten nach wie vor von Bedeutung. Form und Ausrichtung von Flächenangriffen müssen ebenfalls bedacht werden.

Unterm Strich gibt es trotz wesentlich schlanker wirkenden Kampfsystems jedenfalls noch immer genügend Frei- und Feinheiten, die es trotz sich wiederholender Grundmuster taktisch klug einzusetzen gilt. Auch Charakterentwicklung und Skill-Management gestalten sich sehr individuell. Komfortverwöhnte Strategen haben es allerdings nicht leicht, da einige sonst übliche Hilfen und Anzeigeoptionen fehlen und manche Funktionen nur notdürftig oder überhaupt nicht erklärt werden. Dadurch muss man viel experimentieren, notieren und sich zusammenreimen.

Wankender Riese

Charakterentwicklung und Gruppenmanagement bieten nach wie vor viele Frei- und Feinheiten.
Charakterentwicklung und Gruppenmanagement bieten nach wie vor viele Frei- und Feinheiten.
Auch Spielfluss und -balance wirken oft zu unausgewogen. Egal, für welchen der drei zu Beginn verfügbaren Schwierigkeitsgrade man sich entscheidet, die Herausforderungen steigen immer wieder sprunghaft an, einen harmonischen Wandel gibt es nicht. Zudem gestaltet sich der Spielverlauf aufgrund sehr knapp gehaltener Ressourcen und Belohnungen reichlich zäh. Exzessives Grinden, um sich bessere Ausrüstung leisten oder anfertigen zu können, ist fast unumgänglich.

Immerhin hält die Hintergrundgeschichte über einen tragischen Helden, der angeblich aus Liebe einen Gott ermordet und so die Welt ins Chaos gestürzt hat, gekonnt auf Trab. Die ihm noch verbleibende Zeit auf Erden ist nämlich begrenzt, die Sünde so groß, dass noch seine Kinder und Kindeskinder Wiedergutmachung leisten müssen.

Dazu muss man nicht nur über das Land hereingefallene Dämonen zur Strecke bringen, sondern auch passende Partnerinnen für sein schweres Erbe finden. Für wen man sich am Ende entscheidet, legt dabei nicht nur das Aussehen, sondern auch die Anlagen und Talente des nächsten Helden fest.

Sex sells

Im örtlichen Badehaus kann man seine Gefährtinnen nicht nur in die Sauna begleiten, sondern auch massieren.
Im Badehaus kann man seine Gefährtinnen nicht nur in die Sauna begleiten, sondern auch massieren.
Mit jeder neuen Generation dringt man tiefer in die zerklüftete Spielwelt vor, erfährt mehr über den ursprünglichen Sündenfall und die damit verbundene Dämonenplage. Die jeweils verbleibende Zeit auf Erden verbringt man aber nicht nur mit Krieg und Brautschau. Wer will, kann sich auch mit Gildengesuchen, Schmiedekunst, Totenbeschwörung oder schlüpfrigen Minispielen beschäftigen.

Letztere sind wohl auch einer der Gründe für die höhere Altersfreigabe. Hier kann man seine Herzdamen nicht nur beim Saunagang beobachten, sondern ihnen auch persönliche Massagen mit Öl, Eiskrem oder Mettwurst verpassen - auf Wunsch sogar per Move-Gefuchtel. Laszive Bonusbildchen mit Busengewackel auf Knopfdruck gab's hingegen schon in den Vorgängern. Voyeuristisch veranlagte Anime-Fans wird's sicher freuen, auch wenn im Vergleich zum Japan-Original ein paar zu heikle Lolita-Szenen gestrichen wurden.

Licht und Schatten

Die frei erkundbare Spielwelt wirkt im Gegensatz zu ihren Bewohnern äußerst trostlos.
Die frei erkundbare Spielwelt wirkt im Gegensatz zu ihren gesprächigen Bewohnern äußerst trostlos.
Die Inszenierung im Anime-Stil weiß aber auch abseits pubertärer Grabschbefriedigungen zu gefallen. Die liebevoll animierten Charakterportraits hauchen den oft ellenlangen Dialogen gekonnt Leben ein. In Gesprächen getroffene Entscheidungen wirken sich allerdings fast nur noch auf Zuneigungsverschiebungen und kaum mehr auf den Spielverlauf aus.

Auf eine deutsche Übersetzung hat man auch dieses Mal verzichtet. Sprachausgabe gibt nur auf Japanisch, Untertitel nur auf Englisch. Die musikalische Untermalung präsentiert sich einmal mehr sehr durchwachsen und kann vor allem in ruhigen Momenten überzeugen, während temporeichere Kompositionen meist in völlig ungestümem Klangchaos enden - von den teils fast schon peinlichen Soundeffekten ganz zu schweigen.

Grafisch sieht's abseits der Dialog- und Story-Sequenzen auch eher mau aus. Die pixeligen 2D-Figuren sind zwar liebevoll animiert und versprühen ein gewisses Retro-Flair, die völlig leblos und detailarm gestaltete Spielwelt wirkt jedoch einfach nur antiquiert. Bildrate und Ladezeiten lassen hier und da ebenfalls zu wünschen übrig.

Kein Ende in Sicht

In der Abenteurergilde winken je nach Ruhm immer lukrativere Aufträge.
In der Abenteurergilde winken je nach Ruhm immer lukrativere Aufträge - Online-Ranglisten inklusive.
Am Umfang gibt's hingegen nichts zu kritisieren. Jede Generation bietet etliche Aufgaben und Herausforderungen, die über Wochen hinweg bei Laune halten. Und selbst nach Spielende kann man verschiedene Errungenschaften in einen Neuanfang transferieren. Die in einzelne Scherben zerfallene Spielwelt mag zwar überschaubar sein, bietet aber mehrere separat erkundbaren Abschnitte und auch abseits der Haupthandlung einiges zu entdecken wie Nebenschauplätze, Bonusgegner, versteckte Schätze oder Mitstreiterinnen in verfänglichen Situationen.

Um neue Bereiche zu erschließen und Laufwege zu verkürzen gibt es praktische Reiseportale. Speichern kann man seine Fortschritte überall. Als Dreh- und Angelpunkt des Abenteuers fungiert die Stadt Frensberge, die mit allen wichtigen Einrichtungen wie Gilde, Schmiede, Shop, Dojo oder Theater aufwartet. In letzterem kann man sogar eigene Bühnenszenen erstellen und abspeichern. Besondere Kampfleistungen kann man hingegen in Online-Ranglisten verewigen. Wer Agarest Zero abgeschlossen hat, darf sogar Spieldaten importieren.

Fazit

Im jüngsten Agarest-Feldzug hat sich gegenüber den beiden Vorgängern einiges verändert. So gibt es nicht nur eine frei zu erkundende Spielwelt mit ständig lauernden Zufallskämpfen, sondern auch die Auseinandersetzungen an sich wurden kräftig umgekrempelt. Es kämpfen nur noch bis zu vier Gruppenmitglieder gleichzeitig, Bewegungsphasen sind passé und neben gemütlichem Taktieren ist jetzt auch schnelles Reagieren gefragt. Das tut hier und da gut, sorgt aber auch für fragwürdige Hektik. Hinzu kommt, dass das technische Grundgerüst sehr antiquiert ist, die Balance immer wieder ins Wanken, der Spielfluss ins Stocken gerät. Hobbygeneräle, denen Präsentation, Komfort und Übersicht nicht so wichtig sind, kommen trotzdem auf ihre Kosten. Kampfsystem und Party-Management bieten nach wie vor viele Frei- und Feinheiten, das mehrere Generationen umspannende Szenario wochenlang Beschäftigung, während der lebendige Anime-Stil auch abseits voyeuristischer Effekthascherei begeistert.

Pro

enormer Umfang
charmantes Anime-Flair
facettenreiches Kampfsystem
motivierendes Party-Management

Kontra

zäher Spielfluss
holprige Balance
antiquierte Technik
nicht lokalisiert

Wertung

PlayStation3

Interessanter, aber holpriger Generationenfeldzug in freizügiger Anime-Hülle.

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