LittleBigPlanet Karting13.11.2012, Jan Wöbbeking
LittleBigPlanet Karting

Im Test:

Die Kart-Welle kommt ins Rollen: Kurz vor Sonic Racing 2 und F1 Race Stars schickt Sony Sackboy ins Rennen. Ähnlich wie in Mario Kart fetzen sich bis zu acht Spieler um den ersten Platz oder die meisten Abschüsse – angereichert durch einen mächtigen Editor und die bewährte Community-Anbindung von LittleBigPlanet. Funktioniert die Formel auch auf der Rennstrecke?

Sackboy trifft ModNation Racers

Damit Sackboy keine Fehlstart erlebt, hat Sony ein Team ans Spiel gesetzt, welches bereits Erfahrungen mit Fun-Racern sammeln konnte. United Front Games aus Vancouver arbeitete vorher an ModNation Racers. Statt dem Kart-Baukasten einen Nachfolger zu bescheren, baut Sony diesmal aber auf Sackboys Zugkraft. Der Design-Wechsel war eine gute Entscheidung: Die gehäkelten Sackpuppen sehen mit ihren Knopfaugen um einiges knuffiger aus als die auf cool getrimmten ModNation-Figuren.

Dazu kommen wie immer jede Menge alberne Accessoires, mit denen man sein Alter Ego verkleiden kann. Auch bereits gekaufte Kostüme aus anderen LittleBigPlanet-Spielen soll man bald importieren können. Für die Zwischensequenzen hatte das Team aber kein Händchen. Wenn Figuren wie die Königin lediglich mit dem Kopf wackeln, wirkt das einfach nur billig – vor allem im Gegensatz zu den liebevoll ausstaffierten Filmsequenzen in LittleBigPlanet 2.

Hummerschere und Papier

Ob Muffin oder Schwebegleiter: Das Aussehen des fahrbaren Untersatzes lässt sich nach Herzenslust verändern.
Ob Muffin oder Schwebegleiter: Das Aussehen des fahrbaren Untersatzes lässt sich nach Herzenslust verändern.
Die knallbunten Pisten sind den Kanadiern aber richtig gut gelungen. Im Story-Modus reist Sackboy von Planet zu Planet, rast durch den königlichen Garten und eine Disco-Welt, über futuristisch glühende Techno-Pisten und an einem Strand entlang. Der sandige Kurs erinnert mit seinen zahlreichen Hügeln, Höhlen und Abkürzungen an Mario Kart. Wer nicht aufpasst, rasselt plötzlich in einen rollenden Kugelfisch oder unter die wackelnde Schere eines fetten Hummers. Passend zur Serien-Philosophie sehen die Hindernisse aus, als seien sie mit Schere und Papier gebastelt worden.

Da Sackboy & Co diesmal durch drei Dimensionen rasen, wirken die Oberflächen nicht mehr ganz so knackig scharf. Durch den hübschen Oberflächenglanz sehen Materialien wie Plastik, Jeansstoff, Asphalt oder Metall aber trotzdem räumlich aus. Der einzige Schandfleck in der Kulisse ist der Hintergrund in der Ferne: Hinter der Begrenzung des Levels haben die Entwickler einfach nur ein pixeliges Bild an die Wand geklatscht, welches durch einen übertriebenen Unschärfefilter sogar noch hässlicher wirkt.

Fast wie im Mushroom Kingdom

Fette Waffen wie der Boxhandschuh machen die Rennen manchmal zum Glücksspiel.
Fette Waffen wie der Boxhandschuh machen die Rennen manchmal zum Glücksspiel.
Die Spielmechanik lehnt sich stark an Mario Kart an: Die kleinen Flitzer lassen sich kinderleicht steuern und nach einer Drehung im Sprung oder einem Drift in der Kurve gibt es eine kleinen Geschwindigkeitsschub. Je länger man schliddert, desto größer fällt er aus. Die Nitro-Energie wird allerdings sofort ausgelöst; sie lässt sich anders als in ModNation Racers oder Ridge Racer nicht für einen taktisch klugen Einsatz aufbewahren. Auch mit Hilfe kleiner Boost-Symbole nimmt der Flitzer Fahrt auf. Ein cooles Gadget ist der Enterhaken, mit dem man sich wie in LittleBigPlanet über Abgründe schwingt. Der wichtigste Faktor für den Rennausgang ist aber das auf der Strecke verstreute Waffenarsenal. Hat man sich ein Extra geschnappt, kann man seine Gegner mit grünem Glibber oder explosiven Wurfgeschossen ärgern. Das Zielen erweist sich in der Hitze des Gefechts aber als gar nicht so einfach.

Öfter ins Ziel treffen die Homing-Rakete, ein elektrisches Schockfeld und der riesige Boxhandschuh. Letzterer funktioniert wie die Kanonenkugel im Mario-Kart: Nach dem Auslösen düst man ein paar Plätze nach vorne und räumt dabei alles und jeden aus dem Weg. Der Nachteil an der exzessiven Gewalt ist die Stärke der Wummen. Selbst in perfekt gefahrenen Runden kann es passieren, dass man im Handumdrehen ans Ende des Feldes durchgereicht wird und eine der zahlreichen Abkürzungen verpasst. Oder man mogelt sich

Tarzan wäre stolz!
Tarzan wäre stolz: Mit Hilfe des Enterhakens schwingt man sich über Abgründe und eröffnet sich Abkürzungen.
durch ein starkes Extra zur rechten Zeit direkt an die Spitze. Ein wenig entschärft wird der Explosions-Overkill mit der gelungenen Defensiv-Funktion einiger Waffen. Wenn eine Rakete im Anmarsch ist, erscheint kurz vorm Einschlag ein Schildsymbol. Drückt man rechtzeitig den Stick nach unten und den Schussknopf, wird die Gefahr mit einem Schuss nach hinten abgewehrt. Dazu muss man allerdings vorher selbst eine passende Waffe einsammeln und aufbewahren. Für Bonus-Punkte sorgen die zahlreichen Punktblasen. Auch Materialien für den Editor liegen auf der Strecke verstreut. Sie bilden die Grundlage für die Geschichte: Sackboy soll sich die Extras schnappen, bevor sich die raffgierigen „Horter“ darauf stürzen, welche in die Fantasiesphäre eingefallen sind. Sie wollen sich all die Schönheiten der Welt unter den Nagel reißen – und das, obwohl es in  LittleBigplanet doch ums Teilen geht. Bosskämpfe und Checkpoint-Rennen bringen etwas Abwechslung ins Spiel, am meisten Spaß machen aber die klassischen Rennen. Die Arena-Matches machen vor allem dann Spaß, wenn man sich mit bis zu drei Feinden im Splitscreen bekriegt. Wer die meisten Treffer landet, gewinnt.

Gesellige Community

Ein Blick auf die Disco-Welt.
Ein Blick auf die Disco-Welt.
Im Gegensatz zu LittleBigPlanet PS Vita funktioniert die Online-Anbindung  hier meist richtig gut. Wir verloren zwar zwei mal die Verbindung zu den Servern, davon abgesehen lief fast alles vorbildlich und ohne nennenswerte Lags. Als Spielwiese stehen die Strecken aus dem Story-Modus und sämtliche Nutzerlevels zur Verfügung. Ausgefeilte Veranstaltungen oder ein motivierender Online-Rang fehlen leider, für ein paar unkomplizierte Online-Runden eignet sich das Spiel aber bestens.

Nach einem Rennen stimmt die Gruppe darüber ab, ob sie den gleichen Kurs noch einmal angehen oder zu einem anderen wechseln möchte. Tummeln sich zu wenig Gegner online, kann man auf andere Spieler warten oder erst einmal gegen Bots antreten und sich in der Bestenliste verewigen. Das eingeblendete Ergebnis von PSN-Freunden sorgt schon vor dem Start für Extra-Motivation. Schön sind auch die zahlreichen Such-Optionen, mit denen man Topdown-Rennen, Future-Racer, Jetski-Ausflüge und andere exotische Genres findet. Schon jetzt gibt es zahlreiche gelungene Exemplare unter den gut bewerteten Kursen und den Empfehlungen der Entwickler.

Mächtiger Editor

Für Einsteiger und schnell frustrierte Kinder lässt sich die Schwierigkeit jederzeit auf ein leichtes Niveau senken.
Für Einsteiger und schnell frustrierte Kinder lässt sich die Schwierigkeit jederzeit eine Stufe herunterschalten.
Wer selbst kreativ werden möchte, kann sich im umfangreichen Editor austoben. Die Grundzüge der Strecke sind im Handumdrehen fertig. Wie in ModNation Racers fährt man einfach mit der Farbrolle über das leere Feld und schon entsteht dahinter die Straße. Mit L und R fügt man nebenbei Berge, Täler und Unterführungen hinzu. Das Ausstaffieren nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch als in ModNation Racers, im Gegenzug bieten die aus LittleBigPlanet übernommenen Funktionen aber mehr Möglichkeiten. Man kann fertige Objekte wie Gebäude am Rand platzieren den Grundwasserspiegel erhöhen, bis sich in Senken Seen bilden. Oder man malt direkt mit allerlei Stoffen: ein Haus aus Glas, eine Kuh aus Pappe, eine Windmühle aus Holz oder ein Raumschiff aus Platinen.

Die Möglichkeiten sind atemberaubend: Von der Dicke des Materials bis hin zu Schaltern, rotierenden Plattformen,  Respawn-Positionen, Microchips und Modi-Details lassen sich Unmengen von Feinheiten einstellen. Sogar eigene Modi wie Tower Defense oder Ausflüge mit einem Helikopter sind möglich. Nach einer Gewöhnungsphase geht die Bedienung der zahlreichen Instrumente gut von der Hand. Im  Tutorial-Bereich gibt Robert de Niros deutscher Sprecher wieder jede Menge praktischer Tipps. Schade, dass es diesmal nur Videos zu sehen gibt und keine spielbaren Übungen wie in LittleBigPlanet 2. Besonders viel Spaß macht das Erfinden eigener Waffen: Kühe, Fernseher und andere selbst gebastelte Objekte lassen sich in ein Projektil umwandeln, welches in eigens festgelegten Bahnen über die Strecke zischt und den gewünschten Schaden anrichtet.

Fazit

Das nenne ich eine positive Überraschung: Nach dem Anzocken auf der gamescom habe ich wenig erwartet, doch United Front Games hat sich noch einmal ins Zeug gelegt. Bis auf kleine Ruckel-Einlagen flutschen die Rennen der knuffigen Sackpuppen jetzt flüssig über den Schirm und auch die Internet-Matches laufen rund. Schade, dass es online weder einen Rang noch motivierende Veranstaltungen gibt. Stattdessen geht es im Netz nur um unkomplizierte Duelle. Dank abwechslungsreicher Strecken machen aber auch der Story-Modus und die Splitscreen-Duelle Spaß. Für Frust sorgen lediglich die etwas zu starken Waffen, welche manche Rennen in ein Glücksspiel verwandeln. Ein großer Pluspunkt ist dagegen der mächtige Editor für Strecken und Modi: Vom Wipeout-Klon bis hin zum Spielzeugauto-Duell aus der Vogelperspektive ist fast alles möglich, sogar andere Genres wie Capture the flag oder Tower Defense. Die gestiegene Komplexität macht das Basteln zwar ein wenig komplizierter als in ModNation Racers, doch bequeme Naturen können sich einfach zurücklehnen und im üppigen Angebot von Nutzer-Strecken wühlen. Wer auf turbulente Kart-Racer steht, sollte also ruhig zugreifen – oder noch ein paar Tage abwarten, wie sich die Konkurrenz von Sega und Codemasters im Test schlägt.

Pro

abwechslungsreiche Strecken
knuffiges Design
turbulente, flüssige Online-Rennen
lustiges Splitscreen-Gerempel
mächtiger Editor für Strecken, Modi und sogar Waffen
viel optisches Tuning für Sackboy und seine Karts
realistisch glänzende Bastelmaterialien

Kontra

Waffen und Glück entscheiden zu oft das Rennen
kein Online-Rang oder ähnlicher Internet-Fortschritt
hässlich unscharfer Hintergrund in der Ferne
billig produzierte Zwischensequenzen
leichte Ruckel-Einlagen

Wertung

PlayStation3

Lustige Rennen, mächtiger Editor: Die Kreuzung aus LittleBigPlanet und ModNation Racers ist geglückt - trotz etwas zu mächtiger Waffen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.