Tales of Xillia 221.08.2014, Jens Bischoff

Im Test: Altbekanntes neu verpackt?

Tales of Xillia war letztes Jahr eines unserer Rollenspiel-Highlights. Entsprechend groß war die Vorfreude auf Teil zwei. Kann das mit einem neuen Protagonisten aufwartende Tales of Xilla 2 die hohen Erwartungen erfüllen?

Das Abenteuer geht weiter

Zwei Jahre nach den Japanern können auch Europäer die in Tales of Xillia begonnene und eigentlich beendet geglaubte Reise zur Einigung zweier Welten fortsetzen. Es herrscht zwar nach wie vor Frieden zwischen dem naturverbundenen Rieze-Maxima und dem industriellen Elympios, aber während viele vom grenzüberschreitenden Austausch und Handel profitieren, fühlen sich andere benachteiligt und schüren Vorurteile und Argwohn.

Ludger Kresnik bekommt davon anfangs aber kaum etwas mit, will nur seine Prüfung bestehen und wie sein Bruder Karriere beim elympionischen Technologieunternehmen Spirius machen. Doch dann kommt alles ganz anders: Die Aufnahmeprüfung geht in die Hose, ein unbekanntes Mädchen missbraucht ihn als Sündenbock und die anschließende Flucht endet in völligem Chaos, bei dem Ludger erst Zeuge, dann selbst Teil übernatürlicher Ereignisse wird, in die auch sein Bruder und Spirius verstrickt scheinen.

So beginnt eine Odyssee durch zwei immer wieder verzerrt erscheinende Welten, auf der Ludger nach Antworten und seine achtjährige Begleiterin Elle nach ihrem Vater sucht. Lange allein bleiben die beiden allerdings nicht, denn nach und nach gesellen sich sämtliche Helden des ersten Teils hinzu. Vorkenntnisse sind dank spielinterner Enzyklopädie und kleiner Rekurse zwar nicht zwingend erforderlich, Veteranen werden aber zusätzliche Zusammenhänge und Verknüpfungen entdecken sowie Belohungen für alte Spielstände und Downloads erhalten.

Situative Entscheidungen statt pauschaler Blickwinkel

Während man den Vorgänger entweder aus der Sicht von Medizinstudent Jyde Mathis oder Schutzpatronin Milla Maxwell erleben konnte, ist man im zweiten Teil auf die Perspektive von Ludger Kresnik beschränkt, kann aber in vielen Situationen individuelle Entscheidungen treffen. Die haben zwar meist keine wirklich drastischen oder nachhaltigen Auswirkungen auf den für meinen Geschmack etwas zu zähen Spielverlauf, können aber durchaus den einen oder anderen zusätzlichen Kampf provozieren, Beziehungen beeinflussen oder die Kapitelfolge ändern. Meistens werden aber lediglich leicht abgewandelte Dialog- und Spielszenen in die an sich lineare Handlung eingefügt.

Auch bei der Beziehungspflege geht es primär darum, die Freundschaftswerte seiner Weggefährten zu steigern, um Bonusszenen und -präsente zu erhaschen, was nicht nur an entsprechende Entscheidungen, sondern auch gemeinsame Kampfeinsätze gekoppelt und so auf beliebige Weise erreichbar ist.

Statt das Abenteuer aus zwei Blickwinkeln zu präsentieren wie beim ersten Teil, sind situative Entscheidungen gefragt, die zum Teil sogar unter Zeitdruck gefällt werden müssen.
Von den insgesamt neun spielbaren Gruppenmitgliedern können wie üblich nur vier gleichzeitig in die Schlacht ziehen und sich frei miteinander verbinden, um diverse Partnervorteile zu genießen. So kann man nicht nur gemeinsame Teamangriffe ausführen, sondern auch Talente und Fertigkeiten teilen.

Bei einer Verbindung mit Gaius blockt dieser so manchen Gegenangriff, während man mit Millas Hilfe Gegner kurzzeitig erstarren lassen oder ihnen zusammen mit Elize Lebens- und Zauberenergie absaugen kann. Darüber hinaus lassen sich bestimmte Angriffe auch verbinden, verstärken oder verwandeln. Hat Ludger genug Energie gesammelt, kann er sich ebenfalls transformieren, um kurze Zeit im Alleingang spezielle Angriffe vom Stapel zu lassen und verheerenden Schaden anzurichten.

Fliegende Wechsel

Neu ist auch die ebenfalls auf Ludger beschränkte Möglichkeit, jederzeit mit den Schultertasten zwischen drei Waffengattungen (Doppelklingen, Vorschlaghammer und Doppelpistolen) zu wechseln, um gegnerische Schwachstellen noch effizienter ausnutzen zu können. Zwar lassen sich die Echtzeitkämpfe auch jederzeit pausieren, um Änderungen an Ausrüstung, Aktionspalette oder KI-Verhalten vorzunehmen, aber der schnelle Wechsel zwischen drei vorher festgelegten Hieb-, Stich- und Schusswaffen ist natürlich wesentlich dynamischer und eleganter.

Das führt allerdings auch dazu, dass man sich sehr auf Ludger versteift und seltener als sonst mit anderen Charakteren spielt. Ein Wechsel ist aber nach wie vor jederzeit möglich, das Aktionsrepertoire aller Gruppenmitglieder individuell bestimmbar. Selbst eine komplette Automatisierung der Kämpfe inklusive persönlich konfigurierbarer Richtlinien beim Item-Einsatz ist kein Problem und gerade bei längeren Beutejagden gegen harmlose Standardgegner durchaus willkommen.

Ansonsten stehen in den gewohnt flotten Auseinandersetzungen natürlich auch Blocks, Ausweichmanöver und Konter zur Verfügung. Zudem können sich einmal mehr bis zu drei Freunde einklinken, um kooperativ ans Werk zu gehen. Aber auch auf die sehr vielschichtig anpassbare KI ist die meiste Zeit Verlass. Und wer sich unter- oder überfordert fühlt, hat stets die Option, den Schwierigkeitsgrad in vier Stufen anzupassen. Auch Spielstände lassen sich selbst abseits regulärer Speicherkristalle per Schnellspeicherfunktion festhalten, was nicht nur beim Experimentieren mit verschiedenen Entscheidungsverläufen von Vorteil ist.

Wer rastet, der rostet

Selbst in den optionalen Gruppenplaudereien, wo man mehr über seine Mitstreiter, besuchte Orte oder geschichtliche Ereignisse erfährt, können zum Teil Entscheidungen getroffen werden. Nur über die gewünschte Vertonung kann man auch dieses Mal nicht entscheiden: Die US-Synchro ist Pflicht, japanischer Originalton oder gar eine deutsche Tonspur nach wie vor unerfülltes Wunschdenken.

Auch grafisch verliert die Traditionsserie trotz vergleichsweise verzeihlichen Anime-Looks immer weiter den Anschluss.

Selbst der schmeichelnde Anime-Stil kann nicht verhüllen, dass die Grafik-Engine ihre besten Tage längst hinter sich hat.
Die klobigen Modelle und detailarmen Kulissen wirken wie Requisiten aus der PS2-Ära, das späte Einblenden von Figuren und anderen Objekten stört Atmosphäre und Spielfluss. Aber auch viele Animationen und Effekte sind alles andere als zeitgemäß. Und trotzdem geht die Bildrate in bestimmten Situationen regelrecht in die Knie. Hoffentlich macht man mit Tales of Zestiria nächstes Jahr wieder Fortschritte.

Weit schlimmer ist allerdings das massive Recycling von Spielinhalten aus dem Vorgänger. Über das Wiedersehen mit alten Bekannten freut man sich zwar anfangs, dass man letztendlich aber bis auf Ludger nochmals die exakt selbe Truppe dirigiert wie letztes Jahr, ist schon ernüchternd. Zudem bekommt man einen Großteil der bekannten Schauplätze nicht nur ein zweites, sondern als Teil der erzählerisch im Zentrum stehenden Paralleldimensionen sogar ein drittes Mal nahezu unverändert vorgesetzt. Auch die Gegner sind dabei meist dieselben, nur etwas stärker.

Viel zu tun

Insgesamt ist die Gegnerriege aber trotz aufblähender Farb- und Größenvariationen recht beachtlich, die automatisch anwachsenden Hilfs- und Nachschlagewerke ungemein praktisch. Auch abseits der Haupthandlung gibt es wieder einiges zu tun und zu entdecken. Zwar kennt man auch hier vieles bereits aus Teil eins, trotzdem verbringt man zwischendurch immer wieder gern Zeit am Pokertisch oder im Kolosseum.

Fans von aufwändigeren Suchaufgaben werden sich hingegen über das Aufspüren von hundert entlaufenen Katzen freuen, die sich in den entlegensten Ecken und Winkeln der Spielwelt versteckt haben. Auch die eigene Katze lässt sich an bereits bestätigten Fundorten auf die Suche nach weiteren Artgenossen oder seltenen Kleinodien schicken. Viele Gegenstände, auch Ausrüstung und Crafting-Materialien, lassen sich sogar nur über diesen Weg ergattern.

Neben modischem Schnickschnack, den man per DLC noch weiter aufstocken kann, lassen sich aber auch Waffen, Rüstungen, Schmuck und so genannte Alliumkugeln herstellen. Über die können dann wie bei den Liliumkugeln des Vorgängers neue Angriffe und Fertigkeiten erlernt werden. Die Einflussmöglichkeiten sind allerdings geringer, das Steigern von Charakterwerten abgekoppelt und automatisiert. Trotzdem kann man seine Charaktere unterschiedlich ausrichten und spielen, auch wenn sie sich später immer weiter annähern. Wer will, kann auch wieder Stufenanstiege und andere fragwürdige Charakter-Boosts käuflich erwerben...

Alles hat seinen Preis

Schön ist hingegen, dass man nach wie vor auch Einfluss auf Formation und Verhaltensweisen seiner Mitstreiter Einfluss nehmen kann. Manche Anpassungen sind sogar ohne Aufruf des spielpausierenden Kampfmenüs möglich. Doch auch wenn man prinzipiell alles gut im Griff hat und meist behutsam an Neuerungen herangeführt wird, wirken manche Elemente fast schon zu überladen. Gerade zusammen mit den direkten Waffenwechseln können sich schon mal ein paar ungewollte Tastenfolgen oder -kombinationen ergeben.

Auf der anderen Seite hat man aber eben auch sehr viele Möglichkeiten seinen Kampfstil an verschiedene Gegner und Situationen anzupassen.

Die für bis zu vier Spieler ausgelegten Echtzeit-Kämpfe bieten nun auch dynamische Waffenwechsel und Charaktertransformationen - zu viel des Guten?
Vielleicht wäre es aber durchaus mal an der Zeit ein paar alte Zöpfe abzuschneiden und neu zu flechten oder wie beim Leveldesign alte Tugenden wiederzuentdecken und mehr Rätsel- und Interaktionsmöglichkeiten zu implementieren.

Neue Wege würde man sich auch beim Questdesign wünschen. Die spielbegleitende Auftragsbörse wartet quasi nur mit generischen Such-, Bring- und Killdiensten auf, ist aber wie alle Nebenbeschäftigungen freiwillig. Da man jedoch regelmäßig Schulden abbauen muss, um Reisebeschränkungen und ähnliches aufzuheben, ist die Jobbörse aber eben meist der schnellste, wenn auch nicht einzige Weg ans Ziel.

Fazit

Während man beim ersten Tales of Xillia noch die komplette Geschichte aus der Sicht zweier Charaktere (Jyde & Milla) erleben konnte, konzentriert sich die Fortsetzung auf das Treffen von Entscheidungen in bestimmten Situationen. Das regt erneut zu mehr als einem Spieldurchgang an, die Auswirkungen auf den Spielverlauf bleiben jedoch überschaubar. Ansonsten hat sich konzeptionell nicht viel geändert. Es gibt zwar einen weiteren Protagonisten (Ludger), der neuerdings im Kampf die Waffengattung wechseln und sich verwandeln kann; der Rest der spielbaren Truppe ist aber exakt gleich geblieben. Auch die meisten Schauplätze, Gegner und Aktionsmöglichkeiten kennt man bereits aus dem Vorgänger. Selbst die neuen Parallelwelten sind in der Regel nichts anderes als mit einem Grieselfilter überzogene Kopien bereits bekannter Gebiete. Veteranen durchstreifen dadurch schon zum dritten Mal dieselben Orte, während der Ruf nach einer alternative Sprachspur mit japanischem Originalton einmal mehr unerhört blieb. Dank facettenreicher Echtzeitkämpfe, in die sich jederzeit bis zu drei Freunde einklinken können, motivierender Charakter- und Beziehungspflege sowie vieler optionaler Nebenaufgaben werden Genrefans zwar nach wie vor gut unterhalten, die Klasse des ersten Teils wird allerdings nicht erreicht - für mich neben Dawn of the New World einer der bisher schwächsten Serienvertreter.

Pro

spielbeeinflussende Entscheidungen
facettenreiche Echtzeitkämpfe mit Koop-Funktion
motivierende Charakter- & Beziehungspflege
unterhaltsame Sammel- & Nebenaufgaben
jederzeit anpassbarer Schwierigkeitsgrad
umfangreiche Nachschlagewerke

Kontra

übertriebenes Recycling
zäher Spielverlauf
veraltete Technik
nur eine Tonspur

Wertung

PlayStation3

Eine letztlich noch gute, aber aufgrund massiven Recyclings auch ernüchternde Fortsetzung des Anime-Epos'.

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