Im Test:
Das Böse hat acht Köpfe
Japan stirbt. Die Menschen haben den Glauben an die Götter verloren, die Natur wird von einer schwarz wabernden Plage heimgesucht und in den Wäldern streifen angriffslustige Dämonen umher. Bäume bluten, Blumen verrotten und Flüsse verschmutzen. Ein ganzes Land verliert seinen göttlichen Segen, denn der achtköpfige Dämon Orochi ist zurück. Der einstmals Verbannte will ganz Nippon vernichten.
Da helfen keine Armeen, keine Helden und keine Gebete - da muss eine Göttin her! Und weil es um das Schicksal Nippons geht, warum nicht gleich die Ahnherrin der japanischen Kaiser um Hilfe bitten, die mächtige Göttin Amaterasu ? Die Clover Studios wurden im Oktober 2006 leider von Capcom geschlossen. Falls ihr das Spiel auf PS2 oder Wii verpasst habt, solltet ihr unbedingt in die pelzige Haut der Herrin über Licht und Sonne schlüpfen. Wiedergeboren als weiße Wölfin stromert ihr durch ein bedrohtes Land - diesmal in HD.
- optional mit Move-Controller spielbar
- unterstützt 1080p
- PS3-Trophäen freischalten Als Spieler kann man auch nach all den Jahren zunächst nur staunen, denn Okami ist die Frucht einer kreativen Vision, ein Geniestreich moderner Videospielkunst. Das Team um Chef Atsushi Inaba hatte sich zwei Dinge auf die Fahnen geschrieben: Kreativität und Imagination - und dieses Duo wird euch faszinieren. Auch wenn das Abenteuer immer noch mit Pop-ups zu kämpfen hat, wenn sich manche Objekte erst aus nächster Nähe zeigen, ist es hinsichtlich des Artdesigns auch heute noch ein Genuss.
Die Welt erinnert an eine bildschöne japanische Tuschezeichnung mit dicken Konturen, fließenden Farben und gleißendem Schimmern. Gras und Blumen wachsen bei jedem eurer Schritte, alles wabert und lockt. Es ist eine Mischung aus der Extravaganz eines Killer 7 und der exotischen Stilsicherheit eines The Legend of Zelda: The Wind Waker, aus gewagter Moderne und traditioneller Klassik. Ich habe damals und bis heute noch kein Spiel erlebt, das in der
Die Macht der Kalligraphie
Genug gestaunt, denn Ziel ist es, die Dunkelheit mit Biss und Pinselstrichen zu vertreiben. Womit? Richtig gehört: Mit Pinselstrichen. Neben dem einzigarten Grafikstil ist das der zweite innovative Trumpf dieses Action-Adventures. Ihr könnt eure Feinde nicht nur beißen und anspringen, sondern auf Schultertastendruck auch die Zeit anhalten, die Welt in vergilbtes Pergament verwandeln und schwarze Tusche in sie hineinzeichnen. Wie das funktioniert erklärt euer kleiner Begleiter Issun, ein ebenso winziger wie witziger Kobold, der sich als wandernder Künstler ausgibt und hitzige Kommentare zum Besten gibt - eine Art Midna im cholerischen Miniformat. Er motzt für euch, er lästert für euch, er unterrichtet euch.
Satte 13 Maltechniken könnt ihr erlernen: Wie überquert man einen Abgrund? Man malt sich eine Brücke! Wie rettet man einen kranken Baum? Man malt ihn mit einem Kreis heile! Wie besiegt man einen fliegenden Dämon? Man stutzt ihm mit Kraftstrichen die Flügel! Und wie vertreibt man die Nacht? Man malt sich eine Sonne und es wird Tag! Und zwar aktiv: Der Analogstick oder der Move-Controller fungieren auf der PS3 als Pinsel -
Eine Blüte lockt in 30 Meter Höhe? Kein Problem: Zieht einen Strich von ihr zu euch hinab und eine Ranke wird euch hinaufkatapultieren! Dort oben erkennt ihr vielleicht noch weitere Blüten, um versteckte Truhen in den Baumwipfeln zu erreichen. Eine Wand versperrt den Weg? Malt eine Bombe! Das Komfortable am Gepinsel ist: Sobald ihr das Bild einfriert und die Welt zu Pergament, die Monster zu Zeichnungen erstarren, könnt ihr die Kamera noch drehen. Sprich: Alles bleibt dreidimensional. So kann man z.B. gezielt um einen Feind herum drehen, um seine Flügel zu attackieren oder sich den passenden Winkel für einen tödlichen Strich oder eine Parade aussuchen.
Ein weißer Wolf in Waffen
Bumerang und Schild kann ein Wolf schlecht nutzen, aber er kann sich glimmende Glyphen auf den Rücken schnallen. Die Waffen wirken zunächst exotisch, gleichen aber in ihrer Anwendung normalen Hieb- und Stichwaffen: Ein Spiegel, der das Böse bannt, eine Gebetsperlenkette mit Schnellangriffen, ein Siegel des Biests für Tintenkugelgeschosse: Friert das Bild ein, tupft einem Feind Tintenkleckse auf den Körper und magische Projektile jagen auf ihn zu! Ihr könnt immer eine Haupt- und eine Nebenwaffe bestimmen und damit eure Kampftaktik ändern. Der Spiegel eignet sich für starke Attacken aus der Nähe, die Kette lässt euch ein Stakkato an Treffern auslösen und das Siegel verleiht euch schnelle Schüsse aus der Distanz.
Arena des Todes
Zunächst hat man das Gefühl, dass schnelles Draufhauen immer hilft. Aber hier ist je nach Feind eine andere Taktik gefragt: Manche fliegen, andere buddeln sich durch die Erde auf euch zu. Die Blütenmonster spucken z.B. rote Feuerbälle auf euch, also müsst ihr die Zeit anhalten und sie mit einem gemalten Strich zurückschleudern - erst dann fallen sie auf den Rücken, erst dann könnt ihr ihre Knospen mit einem gemalten Kreis öffnen, um die verwundbare Stelle als Wolf zu attackieren.
Und die richtige Taktik zahlt sich aus: Wenn ihr die Kämpfe besonders schnell und ohne Gegentreffer meistert, winken am Ende noch mehr Punkte. Und einen besonderen Bonus gibt es, wenn ihr den Monstern kurz vor ihrem Ableben noch den passenden Pinselstrich, den "Flora Finisher" verpasst: Nur dann gibt's einen blauen Dämonenzahn. Damit könnt ihr wiederum beim Händler eure Geldbörse füllen.
Eine Göttin, eine Mission
Und wie kommt das Glück zurück ins Land? Man befreit die Natur von der Fäulnis, man bringt Lichtungen wieder zum Strahlen oder Seen zum Glänzen. Eine zentrale Rolle spielen die Bäume: In jedem Teil Japans steht ein mächtiger Lebensbaum, von dem alles abhängt. Findet ihr diese Riesen, müsst ihr das runde Zeichen des Blühens mit dem Pinsel auf ihre verrotteten Stämme malen. Dann könnt ihr euch zurücklehnen und den Anblick genießen: Knospen sprießen, Blüten wachsen und die Kraft des wieder erstarkten Baumes fließt in Form einer riesigen Blumenwelle ins Land, reinigt Flüsse und Wiesen - das sind wunderschöne, fast schon erhabene Momente.
Helfen, heilen, füttern
Die Welt von Okami ist trotz des vermeintlich sterilen Zeichenstils unheimlich lebendig; es gibt einen Tag- und Nachtwechsel, Blätter rieseln von haushohen Bäumen, Flüsse rauschen ins Tal und irgendwo am Horizont locken Banner oder drohen Rauchsäulen. Jede Landschaft hat ihren eigenen Charme, es gibt zwischen Schluchten, an Hängen oder in Höhlen immer etwas zu entdecken.
Auch Okami setzt auf den Sammel-, Kauf- und Tauschtrieb. Es gibt eine schier endlose Zahl an Tränken, Schriftrollen und Artefakten. Und wer sich für das Angeln interessiert, darf hier an vier Teichen loslegen: Satte 43 (!) Fischarten vom einfachen Krebs über den Koi bis hin zum Manta warten auf eure Köder. Besonders wertvoll sind die Perlen, die man nur findet, wenn man auch in entlegenen Winkeln herumstöbert. Überall locken geheime Gänge oder versteckte Schatztruhen;manchmal muss man Risse in Felswänden entdecken, um sie mit - selbstverständlich gemalten- Bomben frei zu sprengen, manchmal verräterische Henkel im Gras aufspüren, um das Verborgene mit den Pfoten auszubuddeln.
Gegen Dämonen, für Menschen
Aber mit der Befreiung des Baumes ist es nicht getan. Man muss Dämonentore vernichten und den Menschen helfen, um dasÜbel komplett zu bannen. Hier begegnet einem typisch japanischer Witz und Kitsch: Ein Händler vermisst seine Teetasse, eine Zugbrücke will nicht runter, Mauli Maulwurf lässt euch nicht vorbei und der Boss vom Spatzenclan fordert euch heraus. Die einen brauchen göttlichen Beistand, um eine Mühle in Gang zu bringen, die anderen suchen verzweifelt nach verlorenen Erbstücken. Es gibt viele kleine Aufgaben wie das Malen einer Wäscheleine, aber auch einige, die euren Kopf mit Rätseln zum Rauchen bringen oder sich irgendwann zu packenden Showdowns mit riesigen Endgegnern entwickeln.
Aber nicht nur Bosskämpfe, auch die Rätsel tragen zum Spielspaß bei: Wie besiegt man z.B. Frau Zungenschneiderin? Die alte Hexe hat selbst vor einer Wölfin keinen Respekt und jagt euch mit ihrer Schere. Erst wenn die Sonne untergeht, legt sie sich schlafen. Wer sich dann in ihr Häuschen traut, wird erfahren, dass sie von saftigem Fleisch träumt und dass manche Monster bei Mondlicht aus der Haut fahren. Aber wie bekommt man die Hexe ins Mondlicht? Grübel, grübel...
Zelda lässt grüßen
Welches Spiel ist besser? Beide Abenteuer sind herausragend. Beide haben sich Platin redlich verdient. Zelda ist sicher abwechslungsreicher, aber in seiner Spielanlage konservativer, in seiner Technik weniger inspirierend. Okami ist auf lange Sicht eintöniger, aber in seiner Spielanlage innovativer und grafisch spektakulärer. Das Schöne an Okami ist zudem, dass es auch in den Menüs nicht nur Stil zeigt, sondern auch nützliche Informationen bietet: Es gibt eine Übersicht über aktuelle Quests und bereits getroffene Monster, es gibt Kampftipps und eine Liste aller besonderen Gegenstände. Dank Logbuch, Reiseführer, Bestiarium und Co verliert man nie den Überblick und kann sich richtig ins Abenteuer reinwühlen. Verirren kann man sich auch nicht, denn die jederzeit einblendbare und auch während der Erkundung aktive Karte zeigt euch immer an, wo ihr gerade seid.
Texte & Sprache
Okami hat auch einige nervige Stellen: Man kann in den Kämpfen schon mal die optimale Sicht verlieren und es gibt die Geduld strapazierende Momente wie die rasante Flussfahrt, in denen man akribisch genau Ranken malen muss, um nicht den Wasserfall hinab zu stürzen. Aber diese Situationen sind selten, die meiste Zeit herrscht eine angenehme Spielbalance, die euch schnell in einem Fluss aus Action, Erkundung und Belohnung treiben lässt. Okami ist ähnlich wie Zelda kein schweres Spiel, sondern eines der Sorte genau richtig.
Fazit
Schön, dass dieses Meisterwerk nochmal in HD erstrahlt. Viel wichtiger als die Auflösung oder die optionale Move-Unterstützung (ist okay, aber nehmt lieber das Gamepad), ist das einzigartige Spieldesign. Okami verzaubert, weil eine kreative Vision dahinter steckt. Man wandert als Wolf durch das mythische Japan, malt Brücken, heilt Bäume, erschafft Seerosen, vertreibt die Nacht - und das alles mit Pinselstrichen. Nach erfolgreichem Kampf oder gelöstem Rätsel wird man mit einem Meer von Blumenwiesen belohnt. Hier hat man das Gefühl, dass aus einem Spiel die Seele eines Landes spricht. Okami ist Japan. Es ist eine Hommage an die Natur, ihre tausend Götter und natürlich an Videospiele. Obwohl es in so vielen Bereichen an Zelda erinnert, ist es künstlerisch wesentlich markanter, zeigt das ebenso bizarre wie zauberhafte Gesicht Nippons. Es ruht zwar auf dem klassischen Gerüst von freier Erkundung, Kampf und Belohnung, aber es ist stilistisch einzigartig, in seinem Weltdesign märchenhaft interaktiv und aufgrund der Maltechnik erfrischend innovativ. Ich war damals auf PS2 begeistert, habe es auf Wii genossen und schon nach wenigen Minuten sitze ich mit einem Grinsen vor der PS3. Einfach zauberhaft.
Wertung: ausgezeichnet
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation3
Schön, dass dieses Meisterwerk nochmal in HD erstrahlt! Okami verzaubert, weil eine kreative Vision dahinter steckt.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.