Mugen Souls19.10.2012, Benjamin Schmädig
Mugen Souls

Im Test:

Grüne Wiesen, kleine Häuser, ein mittelalterliches Schloss: klassische Fantasy. Da taucht ein adretter junger Mann auf, zerdrischt einfach alle Vasen, geht ins Haus, klaut was er tragen kann und verschwindet wieder. Die Bewohner richten sogar noch ihren Dank aus. "Was ist das denn für ein Rüpel?!" "Das ist der Held. Helden machen das so." Bruha! Ein Jammer, dass dieser Held hier nur die Nebenrolle spielt...

Nippon-Quark

Ein bisschen wurde ich an Hyperdimension Neptunia erinnert: Zwischen taktischen Rundenkämpfen werfen sich maßlos alberne Comicfiguren blöde Sprüche an die Köpfe und verballhornen die Klischees der Spielewelt. So beschwert sich der Held später noch, dass Chou-Chou keinen wertvollen Schatz in ihrem Schreibtisch aufbewahrt – zum Looten eben. Kein Wunder: Neptunia und Mugen Souls (ab 17,94€ bei kaufen) stammen aus demselben Entwicklerhaus. Und darin liegt vermutlich der Kern des Problems – des Problems des mittelprächtigen Spiels. Eins, das mit seinen Anspielungen bemüht nah am Spieler sein will, inhaltlich aber nie dort ankommt.

Dabei fängt alles so wunderbar bescheuert an. Sieben Welten gibt es im Universum und... Chou-Chou, die unangefochtene Königin der Galaxie, wird sie sich alle untertan machen! Dann tanzt Chou-Chou mit ihrer engsten Vertrauten: ein Dämon, der als Engel wiedergeborener wurde, weil alles Böse, das er tun will, zu etwas Gutem führt. Schlimmster J-Pop dröhnt da – großartig! Auch über das erste Schaumbad, bei dem sich Chou-Chous zweitengster Vertrauter beim Anblick der jungen Damen kaum im Zaum halten kann, konnte ich mich köstlich amüsieren.

Zwei Stunden später bin ich die x-te Wiederholung des ewig gleich Albernen schon mächtig

Eine Zeitlang sind die Anspielungen auf die Welt der Videospiele richtig unterhaltsam. Recht bald verlieren sich die langen Unterhaltungen aber in bemühtem Gerede.
Die Anspielungen auf die Welt der Videospiele sind unterhaltsam. Irgendwann verlieren sich die langen Unterhaltungen aber in bemühtem Gerede.
leid. Selbst stark auf Nippon gepolte Spieler werden mit den abgedroschenen Langzeitunterhaltungen dermaßen überlastet, dass sie den Quark bald satt haben. Die nett gemeinten Klischeeattacken in allen Ehren: Irgendwann ist der Klick zum Überspringen der Redefenster die angenehmere Alternative.

Kopfschmerzen

Andererseits gibt es hier abseits der Unterhaltungen nicht viel zu tun, denn ähnlich wie Neptunia ist Mugen Souls mehr Quassel-Adventure als Rollenspiel. Eine schnurgerade Terrasse auf Chou-Chous Raumschiff dient als einziger Anlaufpunkt – hier kaufe ich Rüstung, Waffen, Zauber, erschaffe neue Soldaten und trainiere meine Recken in speziellen Herausforderungen.

Das ist bis kurz vor Schluss zwar kaum nötig, weil mein Trüppchen in den meisten Gefechten deutlich  überlegen ist. Zumindest ist es aber eine Abwechslung in der geradlinigen Welteroberung. Für Letztere trabe ich nämlich durch einfallslose Welten, auf denen hier und da Wachen patrouillieren. Dabei ärgere ich mich über eine Bildrate im Bereich leichter Kopfschmerzen, blinzle in eine völlig übertriebene Unschärfe und wundere mich über eine Kamera, die am Rand des Weges plötzlich über meiner Figur direkt nach unten zeigt. Glück im Unglück: Zu sehen gibt es ohnehin nichts, denn die Wanderwelten sind nur eine Entschuldigung für zahlreiche Scharmützel, in denen Chou-Chou die Feinde glatt zu ihren Sklaven macht.

Klassisch gut?

Macht sie wirklich! Sie stellt sich vor einen Gegner und quatscht ihn so lange zu, bis er sich entweder in einen Gegenstand oder einen Lustsklaven verwandelt. Je mehr so davon sammelt, desto größer der Wert, welcher die Stärke eines besonders mächtigen Angriffs

Für jede Aktion gibt es einen Konter: Im Kampf der Luftschiffe zählt Schere-Stein-Papier.
Für jede Aktion gibt es einen Konter: Im Kampf der Luftschiffe greift das Prinzip "Schere-Stein-Papier".
bestimmt. Zusätzliche Sklaven stärken außerdem die Kampfkraft von Chou-Chous Raumschiff. Die Reise von einer Welt zur nächsten wird nämlich von Gefechten gegen andere Schiffe unterbrochen, in denen ich mich bei jedem Zug getreu "Schere-Stein-Papier" für Angriff oder Verteidigung entscheiden muss – eine nette Abwechslung.

In den normalen Gefechten mache ich ebenfalls einen Zug nach dem nächsten. Dort bestimmen allerdings die Bewegungswerte von Freund und Feind, wann eine Figur handeln darf. Chou-Chou und Mitstreiter sind dabei meist im Vorteil, zumal sie die Gegner mit Spezialattacken umher schubsen können, was die Zugreihenfolge meist zu ihren Gunsten verschiebt. Sie können die Widersacher auch in Kristalle schieben, um Schaden anzurichten sowie zusätzliche Erfahrungspunkte oder Währung einzuheimsen. Das Stellungsspiel folgt also konventionellen Regeln, erfahrene Befehlshaber freuen sich aber über eine angenehme Vielfalt taktischer Möglichkeiten. Schade nur, dass mich Mugen Souls auf ein recht enges Feld drängt: Wenn ich meine Krieger schon frei bewegen darf, anstatt sie in altmodische Rechtecke zu klemmen, würde ich den Raum gerne besser nutzen. Und ich hätte gerne mehr Überblick, denn in einigen Situationen muten Figuren und Symbole wie ein bunt zusammengeworfener Haufen an.

Peitsche oder Zuckerbrot?

Im Mittelpunkt steht aber ohnehin nicht das martialische Figurenschieben, sondern das Versklaven der In-den-Weg-Steller. Und das hat es in sich, auf dem Papier zumindest.

Was könnte es wohl sein, das den Gegner auf die Seite der unwiderstehlichen Chou-Chou zieht?
Welches Wort könnte den Gegner wohl auf die Seite der unwiderstehlichen Chou-Chou ziehen?
Immerhin muss ich zunächst darauf achten, dass der zukünftige Untertan einem ähnlichen Schlag Men... Wesen angehört wie Chou-Chou. Sie soll die Gegner ja nicht besiegen, sondern bezirzen – auf dass sie ihre Meisterin so anhimmeln wie ihr erröteter Vertrauter beim Schaumbad. Zu diesem Zweck verwandle ich die "Unangefochtene Göttin" in eine egoistische, masochistische oder schüchterne Dame. Sieben solcher Eigenheiten gibt es und wenn sich die Charaktere gleichen, fällt es einfacher, einen Feind zu überzeugen.

Das Überzeugen ist eine zusätzliche Aktion, die ausschließlich Chou-Chou ausführen darf. Ich wähle dafür aus einer Reihe Wörter das zum Charakter meines Opfers passende: Ein Masochist freut sich z.B. über Beleidigungen und Schläge. Zusätzlich spielt der von Runde zu Runde wechselnde Gemütszustand des Gegners eine Rolle, denn einen traurigen Masochisten muss Chou-Chou schon mal gefühlvoll besänftigen. Meist dauert es ein paar Züge, in denen ich auf den zukünftigen Sklaven einrede und in denen sonst wenig passiert: Will ich viele Sklaven, dürfen sie die anderen Kämpfer ja nicht besiegen.

"Was bisher geschah"

Das ist aber nicht das einzige Problem. Die größte Schwierigkeit ist die gefühlte Willkür bei der Wortwahl. Was genau bedeutet eigentlich "bipolar" und wen spreche ich damit an?

Die Möglichkeiten sind vielfältig, die rundentaktischen Kämpfe trotzdem leidlich spannend.
Trotz vielfältiger Aktionsmöglichkeiten sind die rundentaktischen Kämpfe leidlich spannend.
Eine bipolare Person, klar – aber sonst? Auch wann Chou-Chou "verzweifelt" auftreten oder etwas "gestehen" soll, lässt sich keineswegs mit Logik aus Charakter und Gemütszustand ablesen. Umso schlimmer, dass sich die sehr wenigen Worte immer und immer wiederholen.

Noch schlimmer, dass nicht nur normale Widersacher Überzeugungsarbeit verlangen, sondern auch Kristalle, die sämtliche Gegner auf dem Spielfeld schwächen und so genannte Master Points, deren Versklavung das Tor ins nächste Level öffnet. Nein, das Überzeugen entpuppt sich leider nicht als clevere taktische Finesse. Vielmehr fühlt sich ausgerechnet das zentrale Element wie das "Was bisher geschah" einer langweiligen TV-Folge an, die man erst vor ein paar Sekunden gesehen hat.

Fazit

Eigentlich hat Mugen Souls alles, was ein taktisches Abenteuer fernöstlicher Schule haben muss: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Stellungsspiel sowie den Ablauf der Rundenkämpfe zu beeinflussen. Ich kann neue Kämpfer erschaffen, alte verschmelzen, Klassen wechseln und Fähigkeiten auf unterschiedliche Weise steigern. Ich darf meine ärgsten Feinde sogar versklaven, auf dass sie mir im Kampf zur Seite stehen. Eigentlich eine großartige Idee – geschenkt, dass sie nicht neu ist. Doch das dröge, nie ganz durchschaubare Prinzip hält das Spiel mehr auf, als dass es die zähe Mühe lohnt. Der wichtigste Baustein ist leider ein maroder Lückenfüller. Hinzu kommen technische Schwächen und ein Erzählfluss, der selbst Nippon-gestählte Mangafreunde in den Schlaf wiegt. Ein paar Stunden kann man mit der albernen Chou-Chou und ihren unterhaltsamen Anspielungen auf gängige Klischees schon mal verbringen. Von mehr sollte man Abstand halten.

Pro

Übernehmen von Gegnern als zentrales Element im Kampf...
beeinflussen von Zugfolge und Positionen im Rundenkampf
Fusionieren von Charakteren, Klassenwechsel u.a. Entwicklungsmöglichkeiten
witzige Anspielungen auf Videospiel-Klischees
rundentaktischer Raumschiffkampf als unterhaltsame Abwechslung
wahlweise japanische Sprache

Kontra

... das überladen und zu keiner Zeit voll durchschaubar ist
unübersichtliche Darstellung der Kämpfe
komplett uninteressante Außenwelt
übermäßig ausführliche Unterhaltungen ohne Unterhaltungswert
über weite Strecken viel zu einfach
ständige stotternde Darstellung, unsinnig übertriebene Unschärfe, Kameraprobleme
lange Ladezeiten trotz optionaler Installation
dröge Geräusche und entnervende Musik
deutsche Texte nur im Handbuch

Wertung

PlayStation3

Bemüht witziges, spielerisch dröges Abklappern vergleichsweise unansehnlicher Rundenkämpfe.

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