Lego Marvel Super Heroes15.11.2013, Mathias Oertel
Lego Marvel Super Heroes

Im Test:

Man sollte meinen, dass Traveller's Tales mittlerweile alles, was Rang und Namen hat, zu einem Lego-Spiel verarbeitet hat. Doch ein großes Thema fehlte bislang: Das Marvel-Comicuniversum, das mit Iron-Man, den Fantastischen Vier, den X-Men oder Spider-Man geradezu danach schreit, verbauklotzt zu werden. Kann man mit Lego Marvel Super Heroes (ab 4,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) den bekannten Mechaniken eine neue Facette hinzufügen? Oder wartet doch nur Fließband-Arbeit?

Grenzenloses Heldentum

Iron Man zieht mit Mr. Fantastic los, Spider-Man und Wolverine machen gemeinsame Sache, Storm und der unglaubliche Hulk müssen einander helfen: In Lego Marvel Super Heroes (LMSH) werden die Helden aus nahezu allen bekannten Universen der mittlerweile zu Disney gehörenden Comic-Schmiede zusammengewürfelt. Das ist auch bitter nötig, denn die Bedrohung, die nicht nur dem Schauplatz New York, sondern der gesamten Welt das Licht auspusten möchte, ist nicht auf einen Bösewicht beschränkt. Loki, der Grüne Kobold, Whiplash, Doc Ock, Magneto, Dr. Doom, Red Skull - findige Spieler werden sogar Howard the Duck entdecken und bekämpfen. Alles was auf Schurkenseite Rang und Namen hat, wird sich den Gruppierungen sprengenden Heldentrupps in den Weg stellen. Es gibt über 100 spielbare Figuren, von denen nicht mal ein Drittel über die Kampagne mit 15 Kapiteln freigeschaltet wird. Alle anderen muss man in dem ab einem bestimmten Punkt in der Erzählung frei zugänglichen New York erst finden, ggf. Aufgaben für sie erledigen und/oder mit der typischen Spielwährung in Form von Lego-Steinen freischalten.

Sehr schön: Wenn man keine Lust hat, sich im offenen Big Apple herumzutreiben, kann man mit minimalem Reiseaufwand ein Kapitel der Story nach dem anderen in Angriff nehmen. Zwar entgehen einem dabei viele Kleinigkeiten und spannende Nebenmissionen, doch man hat auch so schon genug zu tun: Man sollte in etwa zehn bis zwölf Stunden für die Kampagne einrechnen. Und will man alle Geheimnisse finden, die in Lego-Tradition erst mit den Fähigkeiten entsprechender Figuren im "Freien Spiel" des Abschnitts zugänglich sind und zu denen auch ein "Stan Lee in Gefahr" (herrlich!) gehört, kann man entsprechend Zeit hinzurechnen. Will man wirklich alle Figuren, Fahrzeuge oder Aufgaben (und damit alle der 250 goldenen Steine) einheimsen, kann man sich mehrere Wochenenden mit den Superhelden beschäftigen.

Lego, wie man es kennt

Der Einstieg mit dem Kampf gegen Sandman ist gelungen.
Der Einstieg mit dem Kampf gegen Sandman ist gelungen.
Dabei sollte man allerdings keine großen Überraschungen erwarten. Im Wesentlichen spult Traveller's Tales sein bekanntes Spektrum ab: In der Kampagne wechselt man zwischen zwei oder mehreren vorgebenen Figuren hin und her, deren Fähigkeiten auf die wenig fordernden Rätsel oder Hindernisse in der Umgebung abgestimmt sind. Alternativ kann auch ein zweiter Spieler zum Pad greifen, wobei hier wieder der beispielhafte dynamische Splitscreen zum Einsatz kommt: Je nach Entfernung der Spieler zueinander zerreißt das Bild und gibt den Akteuren Raum zur freien Entfaltung. Man zertrümmert Gegenstände, sammelt Legosteinchen ein, bekämpft die Gegnermassen, erreicht den nächsten Abschnitt (ggf. durch den kooperativen Einsatz von Schaltern, bei dem auch die KI gut mitspielt) und dann geht dieser motivierende Kreislauf von vorne los. Allerdings hätte es nicht geschadet, wenn man den Schwierigkeitsgrad nach oben gesetzt hätte. Kindgerechte Unterhaltung hin oder her: Thematisch kann man auch als Spieler jenseits der zwölf Jahre etwas mit den Marvel-Helden anfangen und möchte entsprechend gefordert werden.

Hier geht es mir aber nicht alleine um die Auseinandersetzungen mit den Standardgegnern. Vor allem die Bosse sind es, die mich auf hohem Niveau enttäuschen. Abseits des ersten mehrstufigen Kampfes mit Sandman, der mit seinem Partikelwahn und gelungenen Effekten auch beispielhaft für den visuellen Fortschritt der neuesten Legospiel-Generation ist, schöpfen die Endgegner ihr Potenzial nicht aus.

Die zumeist in drei Abschnitten ablaufenden Auseinandersetzungen fordern nur in der ersten Phase, bis man die Angriffsschemata des Gegners und das Zeitfenster für eigene Attacken erkannt hat. In den folgenden zwei Phasen wird nur noch minimal variiert - schade! Bei den Rätseln ist man mir auch zu einsteigerfreundlich.

Die Sprünge vom Heli-Carrier ins Zentrum von New York City sind immer wieder erlebenswert.
Die Sprünge vom Heli-Carrier ins Zentrum von New York City sind immer wieder erlebenswert.
Dass bei bestimmten Schaltern usw. die Figur per Bild angezeigt wird, mit der man den Knopf betätigen muss, nehme ich noch hin, da dies ein Überbleibsel aus älteren Lego-Spielen ist. Dass allerdings selbst die "Sektoren", in denen der siebte Sinn von z.B. Spider-Man oder Wolverine eingesetzt werden kann, überdeutlich markiert werden, ist vor allem im kooperativen Spiel störend, kann aber auch im Solospiel ab und an nerven. Wieso werde ich derart an die Hand genommen? Lasst mich doch im Zweifelsfall erst einmal alleine überlegen und wenn ich zu lange benötige, schuppst mich erst in die richtige Richtung und wenn ich dann immer noch wie der Ochs vorm Berg stehe, stoßt mich direkt mit der Nase drauf. Möglichkeiten, die integrierten Schalter- oder Umgebungsrätsel mit nur minimalen Änderungen aufzuwerten und damit anspruchsvoller zu machen, sind vorhanden.

Offene Welt und leerer Humor

Etwas anders sieht es in der offenen Welt aus: Hier wird man nicht immer angeleitet, was zu tun ist, sondern kann seiner Fantasie bei der Rätsellösung oder Wegfindung (trotz Hilfestellungen) freien Lauf lassen. Dennoch bleibt natürlich festzustellen, dass eine frei zugängliche Stadt oder ein offenes Areal nichts Neues für ein Lego-Spiel ist.

Mit der Freiheitsstatue gegen Dr. Doom kämpfen? Kein Problem!
Mit der Freiheitsstatue gegen Dr. Doom kämpfen? Kein Problem!
Spätestens mit Lego Batman 2 DC Super Heroes oder dem Wii-U-exklusiven Lego City Undercover war dieses Element auch in den Bauklotzwelten ein fester Bestandteil der Mechanik. Doch so viel zu entdecken wie hier bei gleichzeitigem minimalen Zwang sich durch die Häuserschluchten New York Citys zu bewegen zu müssen, um die Geschichte genießen zu können, gab es bislang noch nicht. Der Spagat, interessierten Marvel-Fans mehr Inhalte zu bieten, ohne die Spieler vor den Kopf zu stoßen, die sich nur um die Geschichte kümmern wollen, ist Traveller’s Tales hier gut gelungen.  

Weniger gelungen ist der Humor. Dieses Element, das vor allem dann zündete, wenn man sich an Filmvorlagen orientierte (Star Wars, Indiana Jones, Der Herr der Ringe), kommt hier etwas kurz - zumindest zünden bei mir gefühlte 80 Prozent der wohl gut gemeinten, aber letztlich am Ziel vorbei schießenden Gags nicht. Dabei kann es eigentlich nicht daran liegen, dass man hier keine Vorlagen  hatte: Sowohl die Comics als auch die populären Marvel-Filme der letzten Jahre hätten trotz einer komplett eigenständigen Geschichte genügend Raum für Anspielungen gegeben. Zumal man sich bei der Charakterisierung der Figuren ohnehin nicht entscheiden konnte, ob man nun den Comicbüchern oder den Zelluloidwerken folgt. Während Tony Stark oder auch Nick Fury eher an Robert Downey Jr. und Samuel Jackson erinnern, scheinen Wolverine oder auch Mr. Fantastic eher aus den Bildergeschichten zu kommen.

Auch Spidey tobt ausgelassen zwischen den Wolkenkratzern.
Auch Spidey tobt ausgelassen zwischen den Wolkenkratzern.
Und dass man es bei Traveller’s Tales auch punktuell versteht, eine Story mit Wort- und Situationskomik zu stricken, die keiner direkten Vorlage folgen muss und diese veralbert, hat man bei Lego City Undercover bewiesen.

Bauklotz-Unterschiede

Man sollte nicht glauben, dass eine Parallelentwicklung auf Systemen, die visuell zumindest theoretisch weitgehend identische Ergebnisse abliefern könnten, derart unterschiedlich ausfallen könnte wie hier. Während sowohl auf PS3 als auch auf 360 als auch Wii U bei dem grandiosen Sprung vom S.H.I.E.L.D.-Heli-Carrier, den ich jederzeit dem komfortablen Teleport bevorzugen würde, in den Big Apple zu keinen wesentlichen Problemen kommt und man auch hinsichtlich der Effekte keine großen Unterschiede bemerkt, sieht es in den Missionen sowie in New York City anders aus. Wobei sich PS3 und Xbox 360 nicht viel schenken. Beide haben mit leichtem Kantenflimmern und Tearing zu kämpfen, wobei Letzteres vor allem in der frei begehbaren Großstadt auffällt.

Das Schöne: Auf der Wii U zerreißt das Bild nicht. Aber dafür flimmert es hier stärker und die Bildrate geht mitunter gewaltig in die Knie. Insofern hätte man hier vielleicht auch den Schalter für die vertikale Synchronisation wieder auf „Aus“ stellen sollen und stattdessen sicherstellen, dass man jederzeit ohne Grafikschluckauf durch die Stadt streunen kann.

Fazit

Sobald sich Traveller's Tales nicht an filmischen Vorlagen entlanghangeln kann, bekommen die Lego-Spiele meist Probleme - vor allem hinsichtlich des Humors. Der Abstecher ins prall gefüllte Marvel-Universum macht da keine Ausnahme. Die Geschichte ist zwar gut konstruiert und führt zu einem gigantischen Crossover-Stelldichein von Helden und Bösewichten, doch der hier eingestreute Humor zündet bei mir nur selten - hier hatte man bei Lego City Undercover auf Wii U ein glücklicheres Händchen. Technisch schwanken die Superhelden auf dieser Generation zwischen beeindruckenden Szenen wie der Partikelschlacht gegen Sandman und Unzulänglichkeiten wie Tearing auf PS3 oder 360 sowie fiesen Bildratenproblemen in Tateinheit mit Kantenflimmern auf Wii U - alles Mankos, die in den Versionen für PS4 und Xbox One hoffentlich behoben sind. Das spielerische Umfeld bietet all das, was man von einem Lego-Spiel erwartet: Die Mischung aus stringenten Story-Missionen sowie offener Welt mit vielen Nebenaufgaben hält einen auch nach der etwa zwölf Stunden langen Erzählung beschäftigt. Der dynamische Splitscreen macht das kooperative Heldendasein zu einem unkomplizierten Vergnügen. Es gibt Unmengen an Figuren und Fahrzeugen freizuschalten. Einzig bei den Bossen und den zu offensichtlichen Rätseln hätte man eine Schippe draufpacken können.

Pro

über 100 spielbare Figuren
Kampagne über 15 Kapitel
offene Welt mit haufenweise optionalen Aufgaben
dynamischer Splitscreen-Koop
gute Sprachausgabe
interessante Story über alle Marvel-Universen hinweg
Stan Lee mit Gastauftritt
eingängige Steuerung
Wii-U-Gamepad kann für Koop-Spiel mit separatem Bildschirm genutzt werden

Kontra

schwache Bosskämpfe
typischer Humor scheint nur selten durch
wenig Herausforderung
Puzzle-Lösungen zu offensichtlich
Tearing (PS3, 360)
mitunter heftige Bildraten-Probleme, Kanten (Wii U)
Wii-U-Gamepad wird nur rudimentär genutzt

Wertung

360

Unterhaltsames Zusammentreffen der Marvel-Helden im Bauklotz-Stil, das allerdings durch technische Mankos und einen zu niedrigen Schwierigkeitsgrad getrübt wird.

Wii_U

Inhaltlich identisch zu PS3 und 360 sorgen Bildratenprobleme für einen reduzierten Unterhaltungswert.

PlayStation3

Unterhaltsames Zusammentreffen der Marvel-Helden im Bauklotz-Stil, das allerdings durch technische Mankos und einen zu niedrigen Schwierigkeitsgrad getrübt wird.

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