WWE 2K1505.11.2014, Mathias Oertel
WWE 2K15

Im Test: Schwanengesang im Wrestling-Ring

Viel ist im letzten Jahr in der WWE passiert. Die Firma, die die Showkämpfe des Sports Entertainment zu einem Spektakel machte, hat sich z.B. ein zeitgemäßes Logo verpasst. Doch auch im Ring gab es einige Überraschungen. Die größte davon war wohl der Sieg von Brock Lesnar über den Undertaker, der das Ende der WrestleMania-Siegesserie des Deadman markierte. WWE 2K15 (ab 20,01€ bei kaufen) ist auf PS3 oder 360 weit weniger schockierend und auch nahezu frei von Überraschungen. Mehr dazu im Test.

Das Monopol-Syndrom

Bereits zu THQ-Zeiten hatte die von Yukes Entertainment entwickelte WWE-Serie nur wenig bis gar keine Konkurrenz. Und wie ähnlich wettbewerbsarme Sportspielserien mit jährlichem Veröffentlichungsturnus (siehe auch Madden NFL) litt man immer wieder unter Stagnation. Warum sollte man sich auch die Mühe machen, Umwälzungen durchzuführen, wenn man nicht durch äußere Umstände dazu gezwungen wird? Immerhin: Mit der in einem anderen Yuke's-Studio entstehenden UFC-Undisputed-Serie gab es zumindest den Ansatz eines internen Wettbewerbs, der sich vor allem visuell positiv auf die WWE-Spiele auswirkte. Und wenn es in der einen oder anderen Ausgabe mechanisch nur wenig Fortschritt gab, konnte man sich darauf verlassen, dass inhaltlich aufgestockt wird, so dass in dieser Dekade schließlich ein Rundum-Glücklich-Paket entstand, das mit umfangreichen Editoren punkten konnte und den Spieler letztes Jahr eindrucksvoll durch 30 Jahre Sports-Entertainment-Geschichte führte.

Mit über 60 Athleten ist die Auswahl zwar üppig, aber dennoch deutlich kleiner als in den letzten Jahren.
Und bei WWE 2K15? Der zweite Wrestling-Titel unter dem 2K-Sports-Banner führt diese Tradition fort - leider erstmalig in negativer Hinsicht. Denn hier findet man in allen Bereichen  im Bestfall Stagnation auf bekannt gutem Niveau, in manchen Momenten sogar fatale Rückschritte. Im Vorfeld war viel von einem neuen Karrieremodus (unter Leitung der NBA-Meister von Visual Concepts) die Rede, von einer überarbeiteten Kulisse sowie einem frischen Kampfsystem. Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass man damit die später im Monat erscheinenden Versionen für PS4 und Xbox One meint. Das wiederum hätte bei mir zu der logischen Schlussfolgerung führen müssen, dass die Past-Gen-Fassungen mehr oder minder stiefmütterlich behandelt würden. Wobei es "mehr" eher trifft.

Bekannt und weniger

Zwar gibt es beim bewährten Kampfsystem, das in den letzten Jahren den Wrestling-Zirkus als Timing-basierten Prügler inszenierte, nur rudimentäre und für das Spielgefühl nur unerhebliche Fortschritte. Doch der Wechsel zwischen Schlägen, Griffen und Würfen ist nach wie vor gelungen und wird von einer ordentlichen Konter-Mechanik ergänzt, von der auch die KI vernünftig Gebrauch macht. Ebenfalls bekannt sind die Moveschleifen, die weiterhin gar nicht oder nur höchst selten unterbrochen werden können und die sowohl offline gegen die KI oder menschliche Kontrahenten als auch online zu

In Ansätzen ist Shawn Michaels erkennbar, dennoch braucht man viel Fantasie, um den WWE-Hall-of-Famer zu identifizieren. Andere Athleten sind deutlich besser getroffen.
leichtem Frust führen können, wenn man darin gefangen wird. Doch im Normalfall kommt es zu spannenden und zumindest gegen die KI hin und her wogenden Kämpfen, die das Wrestlinggeschehen gut einfangen, ohne überraschen zu können. Bei den zur Verfügung stehenden Matchtypen gibt es ebenfalls keine Überraschungen: Identisch zur letztjährigen Ausgabe kann man auf ein breites Spektrum zurückgreifen, das nahezu alle wichtigen (und unwichtigen) Gimmick-Matches der WWE beinhaltet.

Konnte man im Vorgänger 30 Jahre WrestleMania-Geschichte miterleben und in WWE 13 die Faszination der Attitude-Ära nachempfinden, während man in den einzelnen Matches bestimmte Aufgaben erfüllte, ist der diesjährige "2K Showcase" ein Rückschritt. Hinsichtlich Aufbau (Mischung aus Videos der echten Events, Nachspielen bestimmter Situation in den Matches, besondere Aufgabenstellungen) sind die zwei realen Storylines, denen man hier folgt, identisch. Doch sowohl die Geschehnisse rund um Triple H und Shawn Michaels als auch die Fehde zwischen CM Punk und John Cena können nicht mehr so mitreißen. Vielleicht liegt es daran, dass beide Erzählstränge in der eher jüngeren Vergangenheit liegen und austauschbarer sind als die historisch wichtigeren Ereignisse der Vorgänger. Denn letztlich hätte es hier keinen Unterschied gemacht, wenn man den "Bruder"-Duellen zwischen Undertaker und Kane ähnlich viel Raum gegeben hätte. Oder sich einer der anderen zahlreich vorhandenen Fehden aus den WWE-Archiven verschrieben hätte. Das Besondere fehlt, auch wenn die mittlerweile zu Kultstatus erhobenen Interviews mit CM Punk sicherlich die Ehre der Software-Verewigung verdient haben. Doch das hätte man auch als DLC anbieten können.

Weniger ist mehr?

Der auf den "alten" Systemen exklusive "Who-got-NXT"-Modus, der einen mit fünf Nachwuchs-Athleten der WWE bekannt macht und sie schließlich als spielbare Figuren freischaltet, kann ebenfalls nicht für Euphorie sorgen. Im Aufbau eine erzählerisch stark verkürzte Variante der bekannten Storylines von Attitude bis Showcase, liegt die Qualität der Inszenierung noch eine Stufe drunter. So bleibt der Eindruck eines Lückenfüllers. Apropos Lücken: Bei der Athleten-Auswahl muss man sich vor allem im Bereich der Legenden auf diese einstellen. Die Anzahl an zur Verfügung stehenden Superstars, Manager und Diven wurde von beinahe 90 auf knapp über 60 zurück gestuft. Da aber viele aktuelle Wrestler darunter sind, leidet der bekannte WWE-Welt-Modus (im Original WWE Universe) mit seinen dynamischen Storylines und Rivalitäten, auf die man Einfluss nehmen oder sie sogar komplett umschreiben kann, in keiner Form. Tatsächlich habe ich in diesem Jahr mehr Spaß an diesen Matches als zuvor. Was allerdings eher am vergleichsweise biederen Showcase liegt. Und daran, dass ich keine Möglichkeit mehr habe, mir von der Community erstellte Stories herunterzuladen. Denn auch in den nach wie vor üppigen Editoren wurde der Rotstift angesetzt.

Das Kampfsystem hat sich nicht geändert. Das Hinzufügen einer Adrenalin-Leiste zeigt nur minimale Auswirkungen.
Ihm zum Opfer gefallen sind der "Create-a-Finisher" sowie "Create-a-Story". Schade. Denn mit dem einen konnte man seinen selbst erstellten Figuren den letzten Schliff geben. Und mit dem anderen durfte man seine Kreationen ins richtige Licht "inszenieren" sowie die Drehbücher der Community genießen, die von trashig bis cool und ambitioniert reichten. Dass eine Franchise gegen beim Übergang von Konsolengenerationen oder dem Ende einer System-Ära vernachlässigt werden, ist normal. Doch THQ hat den Wechsel von PS2 und Xbox auf die Nachfolgersysteme würdevoller hinbekommen. Man ist hier nicht mehr weit von den Legacy Editionen der FIFA-Serie entfernt, mit der EA seit geraumer Zeit auf Vita oder 3DS auf sich aufmerksam macht.

Papa, wer ist der Mann da?

Wenn man schon sparsam mit den Inhalten umgeht und sogar wichtige Teile bei Community-Kreationen streicht, ist doch bestimmt Zeit da, um der Kulisse einen neuen oder zumindest überarbeiteten Anstrich zu geben, oder? Das war meine letzte Hoffnung. Doch auch die wurde zunichte gemacht. Die Figuren haben nur minimale Fortschritte gemacht. Zwar gab es abseits der Moveschleifen und ein paar unsauberer Animationen wenig am

Weder der "2K Showcase" noch der ähnlich aufgebaute, aber rudimentäre NXT-Modus können die gleiche Faszination aufbauen wie das Nacherleben der WrestleMania-Geschichte oder der Attitude-Ära in den Vorgängern.
Fundament der Vorgänger zu mäkeln. Und auch die Mimik ist nach wie vor gut. Doch in gleichem Maße gibt es weiterhin Probleme mit der Ringseil-Physik, mit der Darstellung von langen Haaren und die Clipping-Probleme beim Aufeinandertreffen der Athleten sind auch noch vorhanden.

Ebenfalls nach wie vor problematisch sind die Diskrepanzen bei der Wiedererkennung der Figuren. Während der virtuelle Triple H ein akkurates Abbild des echten „King of Kings“ darstellt, ist sein Buddy Shawn Michaels nur mit viel Fantasie als solcher zu erkennen. Und das ist bei einem Fokus auf eine Fehde zwischen den beiden im Showcase natürlich suboptimal. Mitunter sind es nur Kleinigkeiten, die fehlen, um den gelungenen Eindruck der digitalen Ebenbilder der Superstars zu vervollkommnen. Mitunter weiß man nicht, ob Yukes beim Digitalisieren der Vorlagen einen Unschärfefilter darüber gelegt hat oder ob sich bei den Designern jemand einen Spaß erlaubt hat und Augenhöhlen etc. in der Größe verändert hat. Wenigstens hier hätte man die Lizenz bis zum Letzten ausnutzen müssen. Jetzt ruhen alle Hoffnungen auf den Fassungen für die aktuellen Konsolen.

Fazit

Der Fokus liegt hoffentlich dieses Jahr auf den Versionen für PS4 und Xbox One. Denn anders lässt sich die stiefmütterliche Behandlung von WWE 2K15 auf PS3 und 360 kaum erklären. Man hat nicht nur bei den spielbaren Superstars gespart -obwohl immerhin noch über 60 angeboten werden-, sondern vor allem bei den Editoren den Rotstift angesetzt; besonders der Story-Editor wird schmerzlich vermisst. Mechanisch hat man nur Details verändert, die neuen Modi können trotz frappierend ähnlichen Aufbaus nicht die gleiche Faszination erreichen, wie die traditionsschwangeren 30 Jahre WrestleMania-Geschichte, die man in der letzten Ausgabe nacherleben durfte. Dazu kommt, dass der Wiedererkennungswert der Figuren von sehr realitätsnah bis hin zu "Wer soll das sein?" reicht. Immerhin wurden die Kommentare auf einen ordentlichen Stand gebracht: Jerry Lawler und Michael Cole wirken als Duo so lebendig wie schon lange nicht mehr, werden aber auch hier irgendwann Opfer der Abnutzung durch Wiederholung. Doch selbst die zwei Mikrofon-Haudegen können nicht verhindern, dass WWE 2K15 es unter dem Strich nicht einmal  ansatzweise schafft, seinen fast in jeder Hinsicht überlegenen Vorgänger aus dem Ring zu werfen. Das hier ist das Gegenstück zu Vince McMahons Montreal Screw Job – irgendwo unterhaltsam und seinen Zweck erfüllend, aber auch einen bitteren Geschmack zurücklassend.

Pro

2K Showcase mit zwei nachspielbaren Fehden...
Roster mit über 60 Superstars...
Kommentatoren zeigen sich stark verbessert...
exklusiver "Who-got-NXT"-Modus...
authentische Einmärsche
gute Steuerung mit gelungener Konter-Mechanik
haufenweise Matchtypen inkl. Konfigurierungs-Optionen
umfangreiche Editoren
passabler Online-Modus
Austausch von Community-Inhalten
viel freischaltbares Material

Kontra

... die allerdings nicht die Faszination der letzten Jahre erreichen (WrestleMania, Attitude)
... aber deutlich kleiner als in den letzten Jahren
... werden aber dennoch vergleichsweise schnell von Wiederholungen eingeholt
... der allerdings nur wenig mehr als ein Lückenfüller ist
zwei wichtige Editoren fehlen (Story, Finisher)
technische Macken (Clipping, lange Haare) immer noch präsent
"Welt" und Editoren mitunter umständlich zu bedienen
es gibt immer noch nicht unterbrechenbare Moveschleifen
visuell schwache Zuschauerkulisse
einige Wrestler mit geringem Wiedererkennungswert

Wertung

360

Mechanisch baugleich zum letzten Jahr, wird die Faszination des WrestleMania-Modus nicht erreicht. Geringerer Umfang und gestrichene Editoren machen sich deutlich bemerkbar.

PlayStation3

Mechanisch baugleich zum letzten Jahr, wird die Faszination des WrestleMania-Modus nicht erreicht. Geringerer Umfang und gestrichene Editoren machen sich deutlich bemerkbar.

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