Max Payne 316.05.2012, Jörg Luibl
Max Payne 3

Im Test: Bullet-Time ja, Film Noir nein

Als das Klavier aufspielt, entsteht fast so etwas wie Wehmut. Die traurigen Klänge und Max‘ Stimme versprechen nach all den Jahren endlich wieder einen morbiden Blues der tanzenden Projektile. Als der Mann laut über seine beschissene Situation philosophiert, werden Erinnerungen an einen der besten Shooter aller Zeiten wach.  An einen tragischen Helden, der die schnöde Action mit seinen düsteren Untertönen bereichert hat. Max Payne hatte Ideen, Charakter und vor allem Stil.

Gewitter im Großraumbüro

Ich hocke in einer Deckung, die bald keine mehr ist - schon jetzt fliegen mir zig Holz- und Glassplitter um die Ohren, außerdem werde ich von huschenden Schatten flankiert. Das Großraumbüro wird zwar erst seit fünf Minuten gestürmt, aber es sieht bereits aus wie ein Schlachtfeld. Max kann sich neuerdings auf Knopfdruck verschanzen und sowohl gezielt als auch blind aus der geschützten Position heraus feuern, aber die agilen Feinde erlauben keine langen Sitzungen, sondern verlangen spontane Bewegungen. Also raus aus der Hocke, rein in den akrobatischen Hechtsprung und die Bullet Time aktiviert: Die Zeit verlangsamt und ich kann den Zielpunkt vielleicht zwischen den Augen von zwei oder drei Feinden platzieren. Der Analogstick dreht sich, der Revolver kracht, das Blut spritzt – sehr elegant.

Max Payne war der erste Shooter, der Stilelemente des Film Noir aufgriff - davon ist nicht mehr viel zu spüren
Mittlerweile allerdings auch sehr bekannt, denn Zeitlupe, Deckung & Co bieten heutzutage fast alle Shooter. Schön ist, dass er nicht beliebig viele Waffen mitnehmen darf, sondern dass er sich für drei entscheiden muss; er hat Platz für zwei Pistolen und ein Gewehr, wobei er Erstere auch doppelt abfeuern kann. Dass sich Max im Sprung und am Boden um 360 Grad drehen und die volle Rundumsicht für die nächste Ladung Schrot nutzen kann, ist eine technische Entwicklung, aber nur eine marginale Ergänzung, die das Spielgefühl nicht wesentlich bereichert – Max fühlt sich fast genauso gut an wie 2001. Die Action in Zeitlupe macht nach all den Jahren und Nachahmern auf Anhieb Laune. Zumal
Multiplayer-Modus für bis zu 16 Spieler:

Neben zig Deathmatch-Arten gibt es auch eine dynamische Team-Variante namens Gang Wars, bei der man die Handlung und Ziele der nächsten Runden beeinflussen kann - die Story greift dabei Ereignisse aus der Kampagne auf; es gibt zwölf Missionsarten von Gefecht über Raubzug bis Attentat. Man kann online im Rang aufsteigen, Waffen & Goodies freischalten sowie in der Lobby gezielt nach Spieltypen suchen und Voreinstellungen wie Zielhilfen filtern. heutzutage alles noch realistischer in sich zusammen geschossen wird, vom im Bleihagel zuckenden Gangster bis hin zur berstenden Wandhalterung.

Wenig authentisch reagieren die Feinde allerdings, wenn sie eng beieinander stehen und ich einfach mit genug Bullet Time in sie hinein springe: Dann kann ich sie zu einfach nacheinander ausknocken und erschießen, da gewöhnliche Feinde seinen immer gleichen Nahkampf nicht kontern können - selbst im Tumult hat man alle Zeit der Welt für die Exekution. Die Physik-Engine simuliert Einschüsse ähnlich wie in Killzone 3 an jedem Körperteil anders – man kann auch Helme von Köpfen schießen. Ärgerlich ist, dass es beim Feuern aus der Deckung heraus manchmal Fehler gibt: Man visiert einen Feind mit einem Gewehr klar an, aber in der Animation schießt man nach oben und trifft die Decke? Und warum wird nach einer Zwischensequenz meist die aktive Waffe gewechselt?

Bezahlter Urlaub in Brasilien

Warum rasiert sich Max eine Glatze? Die Wandlung wird von der Story nicht glaubwürdig inszeniert und lässt keine Charakterentwicklung folgen.
Es macht immer noch Spaß, mit diesem Mann zu kämpfen, seine Projektile wie Todesküsse abzufeuern. Er trinkt seinen Whiskey pur, er hat das hektische Ballern vor elf Jahren in einen langsamen Blues verwandelt und er hockt mal wieder knietief in der Scheiße. Er fühlt sich dabei nicht wie ein Held, sondern wie ein versoffener Idiot, der schon viel zu lange gelebt hat – darüber sinniert er genau so in inneren Monologen wie anno dazumal. Nur mit einem Unterschied: Nach mehreren Stunden mutiert Max zum zynischen Laberhannes, dessen Sprüche sich einfach abnutzen. Als Charakter erinnert er ein wenig an Bruce Willis in der Rolle von Detectice Jack Mosley in 16 Blocks. Warum ist er jetzt in Südamerika? Der Schmerz über den Verlust seiner Frau und Tochter zerreißt ihn so sehr, dass er sich in New Jersey komplett gehen lässt. Aber ein Ex-Kollege lockt ihn mehr oder weniger nach Brasilien, wo angeblich das leicht verdiente Geld als Bodyguard einer reichen Familie wartet – vielleicht sogar ein Neuanfang.

Natürlich kommt alles anders. Egal ob Hafen, Favelas, Fußballstadion oder Großraumbüro: Leicht ist im Lande des Samba, das hinter Edelnutten, Partys und Koks bald seine hässliche Fratze offenbart, gar nichts. Das liegt weniger daran, dass Max kein Wort Portugiesisch spricht, was die Regie angenehm babylonisch ohne Übersetzungen vermittelt, sondern an der grassierenden Gewalt und der Überzahl feindlicher Projektile. Denn obwohl ich zwei Kopfschüsse platziere und weitere drei Feinde über den Haufen schieße, verliere ich erstens die Energie für die Zeitlupe und zweitens hab ich nur noch ein Schmerzmittel – und meine Lebenspunktefigur ist schon fast bis unter den Hals rot gefärbt. Damit könnte ich Max ein wenig heilen, aber das letzte Schmerzmittel sollte ich aus taktischen Gründen aufbewahren.

Todesschütze als Joker

Eine neue Funktion sorgt nämlich gleichzeitig für eine visuelle Dramatisierung als auch inhaltliche Vereinfachung: Sobald Max zu sterben droht, färbt sich die Kulisse rotbraun und ein kleines Zeitfenster öffnet sich, in dem ich  mich in Zeitlupe umschauen und den potenziellen Todesschützen treffen kann. Gelingt mir das, konsumiert Max automatisch eine Schmerztablette und wird so quasi gerettet. Außerdem zieht dieses Rettungsmanöver meist den sofortigen Tod des Schützen nach sich, auch wenn man ihn nicht zwischen den Augen trifft. Wer sich voll Blei pumpen lässt, hat also einen taktischen Vorteil? Manchmal, denn wer mehrere Schmerztabletten besitzt, kann dieses Manöver wiederholen.

Ein zynischer Säufer, der in inneren Monologen über die Scheiße philosophiert, in der er mal wieder steckt.
Und es gibt Situationen, darunter leider auch der finale Kampf, in denen man genau das ausnutzen kann bzw. muss, um zu überleben. Das Spiel ist aber alles andere als zu leicht. Veteranen werden bereits auf dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden ohne Zielhilfe (Einsteiger können eine leichte oder gar volle aktivieren) richtig gefordert, wobei es auch einige unfaire Stellen gegen eine erdrückende und extrem zielgenaue Übermacht gibt, die nur nach zig Wiederholungen zu meistern sind. Da kann schon mal Frust entstehen, denn die zu Beginn fairen Rücksetzpunkte werden später immer seltener – man muss also des Öfteren sehr lange Passagen wiederkäuen. Das ist auch deshalb ärgerlich, weil es streng linear geradeaus geht und man eine Gegnerwelle nach der anderen abfangen muss. Dass man die Flinte nicht ins Korn wirft, verdankt man auch einem helfenden Automatismus: Wer häufiger scheitert, bekommt automatisch mehr Schmerzmittel. Und nicht nur das ist ein Problem des monotonen Spieldesigns.

Keine Erkundung, immer geradeaus

Bullet Time, Shoot-Dodging - alles dabei. Neuerdings auch ein Deckungssystem und 360-Grad-Hüftdrehungen.
Bullet Time, Shoot-Dodging - alles dabei. Neuerdings auch ein Deckungssystem und 360-Grad-Hüftdrehungen.
Es gibt eine Szene am Hafen, in der eine labyrinthische Landschaft aus kleinen Booten wartet – sieht übrigens klasse aus. Aber was nach freier Erkundung und Taktik mit zig Möglichkeiten der Deckung aussieht, ist mal wieder ein vorgegebener Pfad. Und das, obwohl sich dort so viele alternative Routen anbieten würden. Aber Max kann nicht einmal 30 Zentimeter überspringen, um seine Feinde zu umgehen. Dort, wo er gerade noch vier, fünf Gangster erschossen hat, darf er selbst nicht hin. Warum nicht? Er muss meist einem Pfad folgen und auf die nächsten Skripte warten, die in bester Actionfilmmanier inszeniert werden, wenn er sich in die Tiefe stürzt oder an einem Helikopter hängt.

Man hat allerdings keine Freiheiten, sich diese Szenen selbst zu erschaffen. Man kann zwar nahezu alles in der Umgebung zu Kleinholz schießen, aber nicht selbst entscheiden, ob man sich jetzt durch dieses Fenster stürzt, um an dem Schrägdach darunter hinab zu gleiten und in Zeitlupe auf die Feinde darunter zu feuern. Zwar ist das auch als Skript immer noch cool, aber viel cooler wäre es, wenn man selbst mit der umgebenden Architektur experimentieren könnte, wenn man selbst Extremsituationen einleiten könnte. So fühlt man sich wie an einer starren Leine, hängt dabei auch schon mal ballernd an Helikoptern oder Seilwinden, während man bei aktivierter Bullet Time fünf, sechs oder sieben Treffer landen muss, bevor die Szene abbricht oder man den Boden erreicht.

Wenn es mal Abzweigungen gibt, wenn es mal irgendwo um eine Ecke oder in einen anderen Raum geht, dann kann man sicher sein, dass man dort lediglich goldene Waffenteile findet. Es gibt an die 25 Schießprügel von der Pistole bis zum Granatwerfer, die jeweils in drei Bruchstücken zu finden sind und irgendwann ein komplettes Set ergeben. Dann ballert Max mit der goldenen und effizienteren Variante weiter – das wäre im Arcade-Modus okay, sieht aber im Story-Modus denkbar bescheuert aus. Zwischendurch blinken neben den normalen Trophäen und Achievements überflüssigerweise weitere Medaillen auf, wenn man den x-ten Feind erledigt oder die x-te Minute in Zeitlupe verbracht hat. Wie weit man bei der Jagd ist, kann man in den so genannten „Story-Grinds“ nachlesen – eine Statistiksammlung mit Klunker. Mehr Informationen über Charaktere, Gangs oder Spezialeinheiten? Fehlanzeige.

Keine freie Wahl

Was an spielerischer Abwechslung geboten wird, ist leider nicht viel und lediglich das, was man aus jedem Wald-und-Wiesen-Shooter kennt. Als Scharfschütze muss man seinen Partner oder eine Geisel schützen, auf einem Schnellboot muss Max die Verfolger ausschalten und jagt wie 007 auf eine Rampe für den Megasprung. Selbst steuert er keine Fahrzeuge, aber er gibt Feuerschutz, später auch aus einem wild umher rasenden Bus. Schön ist, dass man wenigstens in ein, zwei Situationen cleverer oder mit weniger Lärm vorgehen kann: Hier einen Bremsklotz wegschießen, da die schallgedämpfte Pistole für die Kopfschüsse nutzen. Natürlich ist Max kein Leisetreter und alles andere als elegant, was er in einem der besseren Momente selbstironisch  zu bedenken gibt. Deshalb habe ich von

Das Äußere stimmt: Die Figuren bewegen sich authentisch, die Dialoge sind knackig.
dieser Art der subtilen Abwechslung auch nicht mehr erwartet. Aber wenn man mal Schalter bedienen oder tatsächlich Indizien finden muss, liegen sie auch noch direkt auf dem linearen Pfad. Die größte Herausforderung des Spiels: Sprengsätze an rot markierten Säulen in zwei Etagen anbringen.

Rockstar zwängt Max nicht nur in ein viel zu enges Level-Korsett: Er wird zu oft regelrecht festgenagelt, indem die Tür hinter ihm plötzlich und völlig unlogisch nicht mehr aufgeht und vor ihm dutzende Feinde erscheinen. Er kann bis auf wenige Ausnahmen quasi keine Entscheidungen treffen, weder routentaktisch noch erzählerisch. Warum hat sich das Spieldesign hier nicht mal mutig entwickelt? Denn es gibt Momente, in denen sich Letzteres fast aufzwingt: Erschießt man den Zivilisten, der in den Favelas in die Schusslinie gerät, die wimmernde Prostituierte in der Strip-Bar oder den Polizisten, der auf die Knie geht? In der amerikanischen Version ist das theoretisch möglich, in der

Es gibt spielbare Rückblicke, in denen man in New Jersey unterwegs ist.
Es gibt spielbare Rückblicke, in denen man in New Jersey unterwegs ist.
deutschen Version hat die Kugel einfach keine Auswirkungen. Viel gravierender als diese Schnitte ist, dass es aber auch im Original vollkommen egal ist, ob man die „Unschuldigen“ abknallt.

Rockstar hätte dem Spieler trotz der Levelschläuche ein paar dramatische Schlüsselszenen mit freier Wahl anbieten können, damit man diesem Max vielleicht eine eigene Note verpassen, ihn auf dem Weg zum Ziel eher läutern oder dämonisieren könnte – am besten mit zwei Enden. Das ist nicht die Kernkritik an diesem Shooter, aber an der Mutlosigkeit der Entwickler, die immerhin einen von Selbstzweifeln geplagten Charakter anbieten, der innerlich zerrissen ist, aber den man über die Art des Spielens weder retten noch tragisch enden lassen kann. All das wäre kein Problem, denn ein Drama kann man auch streng linear inszenieren. Also ist man auf der Suche nach etwas Besonderem, das die Tradition der Reihe markant fortführt, auf das Drehbuch angewiesen – und das ist genauso schwach wie die Präsentation trotz ihrer technischen Klasse stilistisch austauschbar ist.

Filmische Inszenierung

Das grelle Verzerren und Flackern veranschaulicht zwar gut die Abhängigkeit von Max, aber es wird nicht variiert oder mal ins Extreme verstärkt – es wird einfach nur permanent eingestreut, genauso wie manche Wörter aus den Dialogen plötzlich im Bild auftauchen. Auf Schwarzweiß-Comics hat man verzichtet, stattdessen nutzt die Regie eine modernere Art des grafischen Patchworks, wenn Szenen eingefroren und als Bilder à la 24 zu Mosaiken am Bildrand werden, während das Geschehen in der Mitte weiter läuft. Dem Spiel fehlt in der Präsentation ansonsten jegliche Rätselhaftigkeit oder gewollte Düsternis. Man hat auf mythologische Anspielungen bei den Charakteren oder Schauplätzen ebenso verzichtet wie auf ein prägendes Stilmittel wie etwa das Wetter. Nur in wenigen Momenten blitzt

Gerade im letzten Viertel hat man es mit endlosen Gegnerwellen zu tun - leider sind die Rücksetzpunkte manchmal zu weit entfernt.
eine Skurrilität auf, von der es mehr hätte geben müssen: Wenn in New Jersey plötzlich ein Irrer auf dem Flur auftaucht und Max wie ein Feuerteufel beisteht oder wenn ein fetter amerikanischer Cop auf der Toilette über seine Familie erzählt. Aber ansonsten geht es in Brasilien um den knallharten Alltag ohne doppelten symbolischen Boden, man geht eher Richtung akribisch recherchierte Dokumentation als künstlerisch experimentellen Film oder gar Film noir - schade drum.

Max Payne 3 (ab 7,00€ bei kaufen) lässt seine Engine genauso posen wie die vollbusigen Strip-Tänzerinnen: Die Favelas sehen verdammt gut aus, weil man Sao Paulo quasi in Polygone gegossen hat. Max läuft an Fußball spielenden Kids und misstrauischen Bewohnern vorbei, die Armut ist in den engen, aber bunten Gassen genauso greifbar wie die Feindseligkeit gegenüber Gringos, die nicht mal Portugiesisch sprechen. Max schleppt sich wie einer dieser versoffenen Urlauber durch herunter gekommene Hinterhöfe und versiffte Strip-Bars. In diesen Situationen, in denen er als Fremder und Zuschauer durch die Straßen schlurft, fühlt man sich fast an Uncharted 2 erinnert, als der Held staunend durch ein tibetisches Dorf wandert. Vielleicht wird es irgendwann Spiele geben, die aus so einer Stille heraus nicht so plump in die nächste Ballerszene überleiten. Das habe ich nicht von diesem dritten Max Payne erwartet, aber eine bessere Geschichte schon.

Schwache Geschichte

Zu den grafischen Highlights gehören die verwinkelten Favelas in Sao Paulo.
Zu den grafischen Highlights gehören die verwinkelten Favelas in Sao Paulo.
Die Story ist strukturell zwar gut arrangiert, legt einige Köder aus und arbeitet sich mit Rückblicken nach New Jersey oder auch frühere Aufträge langsam an die Aufklärung einiger Fragen heran. Aber inhaltlich sind alle Antworten so plump wie die Geschichte nach dem Abspann enttäuschend ist. Es gelingt dem Drehbuch weder die Entwicklung von Max glaubhaft darzustellen noch das Finale intensiv zu gestalten. Die größte erzählerische Enttäuschung ist der Moment, in dem Max plötzlich sein Leben in den Griff kriegen will und sich die Haare rasiert. Das Motiv der Verantwortung ist zwar da, aber es ist zu diesem Zeitpunkt viel zu schwach, weil absolut keine emotionale Bindung aufgebaut wird. Und mit dieser äußeren Verwandlung geht innerlich und auch spielerisch keine Veränderung einher. Warum hat man die Glatze nicht genutzt, um dem Spiel frische Impulse zu geben?

Erst viel später, nachdem Max ohne Haare genauso wie mit Haaren weiter dutzende Feinde ins Jenseits befördert, taucht ein stärkeres Motiv auf, das Max als Menschen innerlich aufwühlt, richtig sauer macht und für die Verwandlung seines Charakters wesentlich besser geeignet wäre. Warum hat man das nicht genutzt? Rockstar setzt den Spannungsbogen viel zu früh und zu schwach an. Und leider verpasst man auch den Treffer für das Finale: Die letzten zwei der dreizehn Stunden ziehen sich wie Kaugummi, weil man einfach kein Ende findet, immer mehr Spezialeinheiten auflaufen lässt. Und selbiges ist dann auch noch eine komplette Trial&Error-Farce in der Inszenierung - man wird auf freiem Flughafengelände auf ein paar Quadratmeter eingepfercht und muss wie blöde Tabletten einschmeißen und ballern, um überhaupt mal Luft zu bekommen. Wie man eine Unterzahl- und Umzingelungssituation sowohl fordernd als auch fair darstellt, hat schon Resident Evil 4 demonstriert.

Fazit

Was ist los Rockstar, habt ihr keine Eier mehr? Warum ist die Story so schwach, die Inszenierung so gewöhnlich? Traut ihr euch nicht, ein anspruchsvolleres Spiel noir für Action-Veteranen zu machen? Und ich dachte, ihr Amerikaner versteht was von Kapitalismus? Wenn auf einem Produkt Max Payne drauf steht, dann sollte auch einer drin sein! Ich habe Max geliebt, weil er Charakter und Stil hatte – wie ein guter Whiskey. Das hier schmeckt wie ein bunter Cocktail, spielt sich wie ein explosiver Military-Shooter, nur dass nebenbei Latinas in String-Tangas tanzen. Von der Symbolik und Düsternis der ersten Teile ist nichts zu spüren und der erhoffte Dramaturgiewechsel nach der äußeren Veränderung des Helden findet nicht statt -  das Drehbuch kann die Entwicklung nicht mal plausibel erklären. Trotzdem wird man solide unterhalten: Auch wenn Max auf Dauer zu viel zynisches Einerlei von sich gibt, passen seine Kommentare in den besten Momenten wie die Kugel zwischen die Augen, man erlebt knallhartes Actionkino ohne Kompromisse. Die Schauspieler bewegen sich natürlich und die technische Leistung besteht in der akribischen Recherche vor Ort: Die Kulisse in Sao Paulo, egal ob Fußballstadion oder Favela, wirkt unheimlich realistisch. Aber Max wurde in ein so enges Leveldesign-Korsett geschnürt, dass er keine Luft zur freien Erkundung hat. Er darf weder erzählerisch noch taktisch etwas beeinflussen, läuft wie ein Hund an der Leine und muss viele frustrierende Wiederholungen in einem teilweise unfairen Spieldesign ertragen. Und irgendwann nuschelt Max sogar so wie Sylvester Stallone. Vor allem im letzten Viertel, nach der sechsten oder siebten Welle immer gleicher Spezialeinheiten, hab ich mir gedacht: Killing is as easy, aber auch as boring as breathing. Ein stilistisches Meisterwerk mit Ecken und Kanten wird zur Action für die Masse mit klasse Motion und Capturing. Der Finalkampf ist übrigens ein überaus lang anhaltender Trial&Error-Schmerz im Arsch. Aber hey, sieht bis dahin geil aus, rumst satte dreizehn Stunden und hat einen Multiplayer mit zig Modi, Aufrüstungen & Freischaltbarem. Also das ideale Spiel für die Generation Call of Duty.

Wertung

360

Klasse Technik, tolle Zeitlupen, schwache Dramaturgie und monotones Spieldesign - früher ein Meilenstein, heute Mainstream.

PlayStation3

Einer der besten Shooter aller Zeiten verliert seine Ecken un Kanten. Das ist Max Payne für die Call of Duty-Generation - sieht auch geil aus.

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Kommentare

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vor 12 Jahren