Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots12.06.2008, Jörg Luibl
Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots

Im Test:

Alles hat irgendwann ein Ende. Traditionen verschwinden, Erinnerungen verblassen und Helden sterben. Der Tod gehört genau so zum Kreislauf des Lebens wie zur Welt der Spiele. Aber nur sehr selten werden die damit verbundenen Gefühle von Trauer, Abschied und Melancholie so in das Design eines virtuellen Abenteuers eingeflochten, dass man als aktiver Spieler emotional berührt wird. Wer kann so etwas leisten? Manche Filme. Manche Bücher. Und Hideo Kojima.

Der alte Mann & die Weltrettung

Was hat Liquid vor? Der Mann mit dem schlohweißen Haar bedroht die ganze Welt und ihr müsst ihn aufhalten. Nachdem Michael im ersten Testteil auf viele Aspekte einging, folgt hier Jörgs zweiter Testteil.
Der große Japaner, der gerne Regisseur geworden wäre, spielt von Beginn an auf einer bittersüßen Klaviatur des Todes, die den Kenner der Serie sowohl wehmütig seufzen als auch ängstlich bangen lässt: Wird er etwa einen der größten Helden der Videospielgeschichte sterben lassen? Das verraten wir natürlich nicht. Aber wer in dieses grandiose Finale abtaucht, wird von Symbolen des Todes begrüßt: Da ist ein Friedhof. Da sind Gräber. Irgendwo krächzen Krähen. Und da steht ein alter Held, der trotzig seine Zigarette raucht. Warum auch nicht? Er soll immerhin die Welt retten. Mal wieder.

Alleine diese Ausgangssituation ist aus zwei Gründen einzigartig: Erstens schlüpft man zum ersten Mal in der vor jungen Helden nur so strotzenden Videospielgeschichte in die Rolle eines alten Mannes, der nicht nur tiefe Falten im Gesicht hat, sondern sich an den Rücken fasst, gefährlich hustet und schon mal kotzend zusammen bricht. Zweitens schlüpft man in die Rolle eines todgeweihten Mannes, denn dieser Solid Snake, dieser hochverdiente Veteran, leidet an einer seltsamen Krankheit, die den Alterungsprozess extrem beschleunigt - er hat nur noch wenige Monate zu leben.

Ihr seid nicht allein: Ab und zu begleitet euch Meryl samt Squad. Auch im Online-Modus seid ihr als Viererteam unterwegs - was der Multiplayer zu bieten hat, erfahrt ihr hier!
Und diese Zeit soll er in fünf großen Akten dazu nutzen, seinen Erzfeind und Zwillingsbruder Liquid Snake zu eliminieren. Er verfolgt ihn also als Auftragskiller über die halbe Welt, vom Nahen Osten über Südamerika und Osteuropa bis in den hohen Norden. Warum? Weil Liquid eine von Kriegen zerrissene Welt mit einem großen Coup unterjochen will. Auch die UN weiß von seinen Bestrebungen. Kojima beschreibt sehr gekonnt eine düstere Zukunft, in der die Menschen und Kriege von einem System kontrolliert werden, in der nicht mehr Nationen, sondern Firmen und manipulierbare Nanotechnik das militärische Sagen haben.

Der Krieg hat sich verändert

Ihr vermisst weitere Details zu Grafik, Akustik und Multiplayer oder CQC?

Dann empfiehlt sich ein Blick auf den ersten Testteil von Michael!Über Briefings, Filme mit bis zu 50 Minuten Länge und Dialoge wird ein bedrückendes Szenario erschaffen, das ein wenig an die Dystopie eines Half-Life erinnert. Winzig kleine Implantate sorgen nicht nur dafür, dass selbst unerfahrene Menschen in Killermaschinen verwandelt werden, sondern auch für die totale Kontrolle - Big Brother is watching you. Und vor allem: Big Brother is watching war! In jeder konventionellen Armee ist Nanotechnik mit ihren IDs in Menschen und Waffen aktiv, auch in jeder kleinen Rebellengruppe, und deshalb floriert die Rüstungsindustrie. Die verspricht so natürlich den "sauberen" Krieg.

Kojima betreibt hier nicht nur Gesellschaftskritik auf hohem Verschwörungsniveau, indem er Geheimorganisationen wie die Patrioten ins Spiel bringt, sondern greift aktuelle Ereignisse auf und benennt die USA ganz klar als Urheber all der Probleme, die einen Tyrannen wie Liquid erst möglich machen - kein Wunder also, dass euer erster Einsatz im Nahen Osten beginnt: Es sind die Stellvertreterkriege wie im Irak, von der die Kriegswirtschaft profitiert. Gut und Böse sind also klar verteilt? Nein. Kojima zeichnet ein viel komplexeres Bild als es zu Beginn den Anschein hat.             

Charakterentwicklung

CQC in Aktion: Ihr könnt Feinde elegant ausknocken, entwaffnen oder bedrohen, um sie dann nach Gegenständen zu untersuchen.
Dass die kreativen Japaner Filme und Musik auf Hollywoodniveau inszenieren können, ist allen Serienkennern bekannt. Und Michael hat ausführlich beschrieben, auf was ihr euch freuen könnt: nicht weniger als auf einige cineastische und akustische Höhepunkte der Spielegeschichte: Darunter der coolste Heiratsantrag, den man sich vorstellen kann - vergesst Tiefseetauchtrauung oder ein Himalaya-Jawort. Eine der großen Stärken ist aber auch die Charakterentwicklung, die in dieser Form kein Teil für sich bieten konnte. Und da geht es nicht um Technik und Zwischensequenzen, sondern um Regie. Kojima hat es meisterhaft verstanden, nicht nur all die offenen Personalfragen früherer Teile zu beantworten, sondern auch überraschende Entwicklungen und Beziehungen in vermeintlich bekannte Figurenkonstellationen zu bringen.

Da ist ein kleines Mädchen, das zu Beginn wie ein scheuer Internetjunkie mit Sprechstörungen wirkt. Und dann? Wartet es ab. Da ist ein junger Söldner, der zu Beginn wie ein feiger Hosenscheißer wirkt. Und dann? Wartet es ab. Da ist ein Wissenschaftler, der nur an seinen Beruf zu denken scheint. Und dann? Wartet es ab. Da sind überraschende Romanzen, verborgene Eifersüchteleien, alte Rachegedanken und so viele menschliche Motive, dass die Rettung dieser glaubhaften Welt immer wertvoller wird. Kurzum: Ich kenne kein Spiel, das erzählerisch so stark ist.

Stealth oder Shooter?

Die Griff- und Hiebanimationen wirken im CQC elegant, aber wenn es in den Kampf mit mehreren Gegnern geht, wirken gerade das Fallen und nach hinten schupsen zu steif.
Das ist eine große Leistung. Aber die war abzusehen. Wie sieht es spielerisch aus? Wie sieht das traditionell gespannte Verhältnis von Schleichen und Action aus? Kojima lässt euch die totale Freiheit: Wenn ihr wollt, könnt ihr das Spiel wie einen Shooter in Egosicht und mit viel Krawumm angehen - inklusive des größten Waffenarsenals aller Metal Gear-Zeiten, von der Pistole über zig Granaten bis zum Raketenwerfer und der Railgun. Ihr könnt jederzeit Waffen kaufen und modifizieren, ihr seid schwerer bewaffnet als in Call of Duty 4. Und hier kann man Kojima den Vorwurf machen, dass er der stupiden Ballerei selbst keine Grenzen auferlegt.

Dabei hat diese Freiheit durchaus Vorteile: Ich werde nicht in ein Korsett gezwungen! Wenn ich in meinem Versteck liege und beobachte, wie ein Unschuldiger abgeführt und dann exekutiert wird, steigt die Wut auf. Am liebsten würde ich das ganze Lager befreien. Scheiß auf den Auftrag! Wenn ich will, kann ich jetzt zum Granatwerfer greifen, die Menschenrechtsverletzungen sühnen und all diese Killer in einem Amoklauf vernichten. Wenn ich will, kann ich mein Spiel also jederzeit umstellen.

Aber hätte er als Spieldesigner dem billigen Weg nicht Steine in den Weg legen müssen? Hat er nicht mal gesagt: This is MGS, no FPS? Hätte er für den letzten Teil, indem es auch um den Konflikt zwischen industrieller Kriegführung und den alten Soldateninstinkten geht, nicht Letzteren fördern sollen? Das Spieldesign ist so offen ausgelegt, dass man sich ohne moralische oder inhaltliche Konsequenzen wie ein Rambo ins Finale bomben kann. Waffen und Munition gibt es genug. Aber wenn man das tut, macht man sich als Spieler zur Hure derselben Kriegswirtschaft, die in der Story angeprangert wird!

Ob Kojima diese Rolle, die Snake zum Opportunisten des Krieges macht, bewusst offen halten wollte? Ich weiß es nicht. Aber es wäre geschickter gewesen, wenn man reinen Ballerorgien über deutliche Konsequenzen Einhalt geboten hätte - vielleicht, indem Otacon über den Funk zur Besinnung aufruft; vielleicht, indem man nach drei ausgelösten Alarmen das Game Over einblendet. Aber im Gegensatz zu einem GTA IV, wo mein Charakter trotz seiner Skepsis irgendwann gezwungen wird, den Ballerweg zu gehen, kann ich hier einen ganz anderen einschlagen. Wenn ich keinen Bock auf Krawumm habe, kann ich wie in alten Zeiten schleichen. Und genau das war mein Weg.

         

Durch den Krieg schleichen

Ihr könnt dieses Abenteuer ohne große Feuergefechte in guter alter Stealthmanier erleben, indem ihr euch tarnt, versteckt und Wachen lautlos ausschaltet; entweder mit Betäubungspfeilen oder mit Knockout-Techniken im Nahkampf (Close-Quarters-Combat). Ich habe es im Gegensatz zu Metal Gear Solid 3 wieder genossen, in den großen Abschnitten endlich mehr Möglichkeiten zum Kriechen und Verstecken zu haben. Außerdem gibt es spannende Abschnitte, in denen die alten Instinkte gefordert werden: Mal müsst ihr wie ein Pfadfinder Spuren im Sand verfolgen, um zum Ziel zu gelangen - und das

Solid greift auf ein riesiges Arsenal an konventionellen Waffen zurück - schade nur, dass das Deckungssystem nicht an Rainbow 6 & Co anknüpfen kann.
in einem riesigen Abschnitt voller Weggabelungen! Mal müsst ihr in einer Stadt unbemerkt einem Rebellen folgen, um seinen Schlupfwinkel auszumachen - und das, indem ihr geschickt Wachen ablenkt und den Funk abhört! Das sind Momente, in denen dieses Spiel viel von seinen Tugenden zeigt.

Und selbst wenn man mal entdeckt wird und einen Alarm auslöst, findet man Bereiche, in die man sich zurückziehen kann - man wird also nicht durch räumliche Enge in die Action gezwungen. Und wenn alles nichts hilft, kann man sich unter einem Karton, in einem Fass oder einem Müllcontainer verstecken, dessen Abdeckung man über sanfte Sixaxisbewegungen sogar zum Herausspähen anheben kann.

Auch das Solid Eye hilft euch bei der Erkundung, denn neben der Nachtsicht bietet es euch einen kleinen Radar mit Bewegungs- und Gefühlsmeldung: Ihr erkennt also, wo sich Feinde befinden und wie sie drauf sind - das kann zwischen wütend, freundlich, ängstlich und trauernd schwanken. Es kann z.B. passieren, dass ihr Rebellen begegnet, die um ihre Gefallenen trauern oder einfach die Nerven verlieren. Und wenn ihr ihnen helft, indem ihr zu Panzerfaust oder Mörser greift, wirkt sich das aktiv auf das Kriegsgeschehen aus: Sie brechen durch die Feindstellungen und öffnen auch eurer Infiltration damit neue Wege - das ist eine angenehme Dynamik, in der der Wechsel vom passiven Schleichen zum aktiven Schießen spielerisch belohnt wird.

Tarnung, Roboter, Rückenrolle & Tod stellen

Außerdem werten vier kleine Neuerungen den Schleichaspekt gegenüber dem Vorgänger auf: Da ist einmal der Tarnanzug, der nach wenigen Sekunden die Konturen der Umgebung annimmt - egal ob Wand oder Boden, egal ob Kacheln oder Beton. Es macht einfach Spaß, sich wie ein Chamäleon nur wenige Zentimeter an einer Wache vorbei zu schleichen. Später bekommt man sogar eine Gesichtsmaske, die aus Alt und bartlos wieder Jung und bärtig macht.

Authentisch, beklemmed und spannend: Die Welt der zukünftigen Kriege. Hier seid ihr im Nahen Osten unterwegs.
Und spätestens, wenn man den kleinen Roboter MK II bekommt, kann man die Gegend auch noch wunderbar auskundschaften: Snake steuert das kleine Hightechwunder aus der Entfernung und kann so das Vorfeld inspizieren, den Roboter nahezu unsichtbar machen, Wachen gezielt mit einem Stromstoß betäuben oder sie über das geschickte Klopfen an Wänden in die falsche Richtung lotsen. Außerdem kann der Kleine nicht nur Fallen entschärfen, sondern auch an für Snake unzugänglichen Orten kleine Extras aufsammeln - selbst in den Briefings ist er steuerbar! Seine Animationen beim Treppen hoch flattern sind erstklassige Beispiele dafür, wie genial das Figurendesign der Japaner ist.

Ein weiterer Punkt, der den Schleichaspekt aufwertet, ist zum einen das elegante Rollen auf den Rücken: Wenn man sich auf den Boden legt, um sich zu tarnen, kann es passieren, dass eine Wache in die Nähe kommt. Auf einen Knopfdruck wälzt sich Solid mit gezückter Pistole auf den Rücken, um den potenziellen Gegner aus der Tarnung heraus anzuvisieren - so kann man sich selber klasse Herzklopfsituationen schaffen. Insbesondere dann, wenn man sich nicht nur einfach hinlegt, sondern Tod stellt! Diese Neuerung sorgt für viele spannende Szenen, denn die Wachen reagieren je nach Situation und Gebiet ganz unterschiedlich darauf: Mal fallen sie drauf rein und lassen euch wie ein weiteres Opfer liegen, mal riechen sie den Braten und treten euch mit Schmackes in den Hintern!

Deckungs- & Klettersystem

So sehr man diese Szenen loben muss, so sehr fallen einige Schwächen in der Spielmechanik ins Auge: Das Deckungssystem kann nicht mit aktuellen Titeln mithalten, denn es lässt mich nicht aus der Deckung heraus über hüfthohe Hindernisse schießen, seitlich kann ich mit der Pistole um eine Mauer herum zielen, aber nicht über sie hinweg - Michael ist bereits ausführlich in seinem Test darauf eingegangen. Hinzu kommt, dass diese kleinen Hindernisse nicht immer überwindbar sind - sprich: Ich kann nur an bestimmten Stellen über hüfthohe Mauern springen, ein paar Meter weiter nicht. Diese Willkür kontextsensitiver Sprünge ist genau so unverständlich wie die Tatsache, dass Snake sich nicht an Mauern hochziehen kann. Obwohl man erkennt, dass es dahinter weiter geht, kann er keinen einfach Klimmzug machen. Auch das Auftauchen von neuen Soldaten aus dem Nichts steht einem Metal Gear nicht gut zu Gesicht; wenn schon Respawnen, dann muss es besser kaschiert werden!

         

Die Frage der Technik

Der beste Roboter aller Zeiten: Ihr könnt den MK II aus der Distanz bewegen und zur Erkundung einsetzen.
Zum ersten Mal schickt euch ein Metal Gear-Teil um die halbe Welt - und damit ist dieses Finale der abwechslungsreichste Teil der Serie. Die Kulissen im Nahen Osten, Südamerika, Osteuropa und dem hohen Norden wirken alle durch die Bank sehr glaubwürdig - die architektonischen Besonderheiten der Regionen wurden akribisch recherchiert und sehr markant ins Leveldesign eingebunden. Schon die ersten Schritte im Nahen Osten lassen ein beklemmendes Mittendringefühl des Krieges entstehen, das locker mit einem Call of Duty 4 mithalten kann: Da krümmen sich Verwundete am Straßenrand, da laufen aktive Gefechte und der Sand weht durch die Gassen.

Trotzdem kann man die Power der PlayStation 3 nicht kitzeln - schon gar nicht im Texturbereich, der zusammen mit dem Flackern der Schatten zu den technischen Enttäuschungen gehört; auch 1080p wird nicht unterstützt. Ein Uncharted sieht deutlich besser aus und letztlich ist Metal Gear Solid 4 (MGS4) vieles, aber sicher kein Grafikmonster. Und dass man tatsächlich nach der achtminütigen Grundinstallation noch mal jedes Kapitel zwei Minuten installieren sowie nach dem ersten Durchspielen all das erneut über sich ergehen lassen muss, ist ein verdammt ärgerliches Novum im BluRay-Zeitalter.

Allerdings sind das Probleme, die das große Ganze der stimmungsvollen Kulissen nicht schmälern können. Es sind nicht nur die vielen lebendigen Kleinigkeiten wie etwa das bewegte Gras, die Fußspuren, die dichten Schneestürme oder auch die Meerschweinchen in Südamerika, die die Texturschwächen relativieren. Auch das Auftreten der Feinde kann sich in Sachen Animationen sehen lassen: Vor allem die riesigen Zweibeiner stampfen imposant durch die Gegend. Und spätestens wenn die Beauty & Beast-Einheiten auftauchen, erreicht die futuristische Inszenierung auch grafisch ihren Höhepunkt.

Beauty & Beast

Diese mächtigen Zweibeiner werden euch öfter verfolgen oder im Weg stehen. Ihr könnt sie zerstören, aber auch umgehen.
Denn plötzlich bekommt dieses Metal Gear gleichzeitig eine beklemmende, fast schon beängstigende, sowie eine delikate erotische Note: Das Kreischen, Fauchen und Wüten dieser weiblichen SciFi-Monster sorgt zunächst für kleine Momente der unwirklichen Angst. Die eine kann sich wie ein Octopus tarnen, die andere wittert euch wie ein Wolf, eine weitere verfolgt euch aus der Luft wie ein Todesrabe und ihre Meisterin kann ihre Opfer wie eine Puppenspielerin mit Gedanken bewegen.

Wenn man diese Biester dann in einem Bosskampf besiegt hat, verwandeln sich die mörderischen Frauenmutationen plötzlich in verführerische Ladys. Gerade eben noch erschreckend aggressiv, nähern sich die Damen dann langsam und lasziv. Was macht ihr jetzt? Glaubt ihr ihren Versprechungen? Nur so viel sei verraten: Es wirkt sich später aus, auf welche Art und Weise ihr auf diese unmoralischen Angebote reagiert.

So gelungen die Inszenierung und Verwandlung der Biester ist, so ernüchternd sind die Kämpfe gegen sie, was Anspruch und Vielseitigkeit angeht. Michael hatte es schon in seinem Test angesprochen, ich kann dem zustimmen: Spannung ist zwar da, aber die Konfliktlösung ist gerade im Vergleich zu früheren Teilen sehr eingleisig. Lediglich der letzte Bosskampf weicht erfrischend vom Schema F ab und lässt mich ein wenig knobeln, wie ich das Biest erlegen kann - bei allen anderen reicht es, auszuweichen und draufzuhalten. Außerdem wird das Schicksal der Schönheiten nur über anschließende Dialoge erklärt, sie werden aber nicht wirklich erzählerisch in die Welt eingebunden.

Peinliche deutsche Texte

Völlig unverständlich sind die vielen Rechtschreibfehler in den Untertiteln. Dass es keine deutsche Sprachausgabe gibt, ist angesichts der hervorragenden Qualität der englischen Originalstimmen nur ein kleiner Minuspunkt. Aber dass die deutschen Texte eines so großen Spiels dermaßen schlampig übersetzt wurden, ist peinlich. Wenn jemand Solid "anstarrt" wird das zweite "r" einfach vergessen. Konami? Wer hat das hier gegengelesen? "Die Disc zu beschädigen, führt zur Funktionalitätsverlust."; "Haben Sie Rücksicht auf andere, wenn Sie Rauchen möchten."; "Ein gefühlsgeladener Magazin."; "(...)dass automatisch auf Feinde gezielen werden können."; "(...)beim Töten eines Feinde(...)"; "(...)damit wir für unere Sünden(...)".

         

Fazit

Was für ein Finale. Nach 26 Stunden, fünf Minuten, 26 Sekunden ist es vorbei. Wirklich vorbei? Nein. Selbst jetzt geistern Snake, Kojima und Metal Gear noch durch die Redaktionsflure. Selbst jetzt ist die Begeisterung bei denen, die durch sind, spürbar. Man spricht drüber, man flüstert drüber, man tauscht Erfahrungen aus - jeder hat den Abschluss dieser Saga je nach Spielweise etwas anders erlebt. Eines verbindet alle: Das Gefühl, etwas Großartiges hinter sich zu haben. Die Lust, angesichts der vielen Geheimnisse gleich wieder abzutauchen. Kein anderes Spiel hat uns selbst nach dem Abspann so lange beschäftigt wie dieses. Michael und ich haben intensiv diskutiert: Über die große Regieleistung, über die unheimliche Kunst, nicht nur all die erzählerischen Fäden vergangener Teile zu verweben, sondern auch die Charaktere dermaßen gekonnt, dermaßen menschlich zu entwickeln. Natürlich auch über all die emotionalen und witzigen Momente, an die man sich noch in Jahren erinnert wird. Aber auch über all die Schwächen im Bereich Deckung, Klettern und Bosskämpfe, die sicher vermeidbar gewesen wären, wenn Kojima etwas mehr von seiner Genialität als Regisseur in das Spieldesign hätte fließen lassen. Wichtig für mich war, dass die Schleichkultur, die ich im dritten Teil vermisst habe, dank Tarnanzug, Tod stellen, ferngesteuertem Roboter und größerer Gebiete deutlich verbessert wurde - hier hatte ich wieder richtig Spaß dabei, mich von hinten anzuschleichen und lautlos vorwärts zu kommen. Deshalb ist dieser Teil für mich nach dem grandiosen Urvater eindeutig der beste, den Kojima entwickelt hat - zumal der Online-Modus sehr reizvoll ist. Aber dieses Metal Gear Solid 4 hatte das Zeug, unsere Wertungsgrenze zu überschreiten, das beste Videospiel aller Zeiten zu werden. Diesen historischen Superlativ hat es aufgrund ein paar alter Schwächen sowie des spürbaren Kniefalls vor der stupiden Shootermechanik zwar nicht erreicht, aber erzählerisch eindrucksvoller hätte man diese Saga nicht beenden können. Bei aller berechtigten Kritik muss man sich einfach vor diesem Finale verbeugen. Die beeindruckenden Saurier unter den Spielen sterben angesichts billiger Casualgames und Zielgruppenanalysen langsam aus. Umso wertvoller ist es, einen dieser epischen Giganten live zu erleben.

Mehr zu Metal Gear Online, Grafik und Akustik in Michaels erstem Testteil!


Ich verneige mich vor Hideo Kojima! Nicht etwa, weil er die PlayStation 3 zu technischen Höchstleistungen treibt oder spielerisch ein Feuerwerk kreativer Ideen abfackelt. Nein, in diesen Punkten ist Metal Gear Solid 4 - Guns of the Patriots sogar ein wenig ernüchternd: Die Texturen sehen teilweise erschreckend fade aus und die Schattendarstellung könnte oft gröber nicht sein. Auch spielerisch geht Snake kaum neue Wege, sondern bewegt sich überwiegend auf Pfaden, auf denen bekannte Elemente der Vorgänger recycelt oder variiert werden. Das muss nicht schlecht sein, immerhin hatte die Serie diesbezüglich immer enorm viel zu bieten. Und der neue Tarnanzug ist neben der riesigen Waffen- und Gadget-Auswahl eine große Bereicherung, auch wenn die Spielmechanik gerade im CQC und dem Deckungssystem immer noch an alten Schwächen leidet und das Verhalten der KI keine großen Fortschritte erkennen lässt. Trotzdem vermisste ich manchmal diese gewissen Wow-Momente, die einen in den Jahren zuvor noch vom Hocker gehauen haben. Vor allem die Bosskämpfe gegen die Beauty & Beast-Unit sind für mich eine Enttäuschung auf hohem Niveau, denn den aggressiven Schönheiten fehlt neben einer anspruchsvollen taktischen Herausforderung einfach das Charisma eines Psycho Mantis oder Vamp - zudem wurden sie mir zu wenig in die Story eingebunden. Doch unabhängig davon ist die Hintergrundgeschichte der große Trumpf, mit dem Kojima all seine emotionalen, packenden und erzählerisch überwältigenden Register zieht. Ich kann mir inhaltlich keinen perfekteren Abschluss der Serie rund um Solid Snake vorstellen als das, was ihr Schöpfer hier auffährt, um all die Fäden zum bombastischen Finale zusammen zu führen! Die Story ist einfach nur der Hammer und wird in den extrem langen, aber genial inszenierten und keinesfalls langweiligen Videosequenzen packend erzählt. Zusammen mit dem grenzgenialen Soundtrack von Harry Gregson-Williams, krachenden Soundeffekten und authentischen Sprechern verblasst selbst mancher Hollywood-Blockbuster vor dem, was Konami hier auf den Bildschirm zaubert. Vor allem die vielen Referenzen an die Vorgänger haben mir als Kenner der Serie sehr gut gefallen und mich emotional sehr bewegt. Deshalb wird man den Abschluss nur dann richtig genießen können, wenn man bereits mit den anderen Teilen vertraut ist. Wer noch nie etwas von Metal Gear gehört hat, wird dagegen schnell den Durchblick verlieren. Deshalb sollten Neueinsteiger besser die Finger davon lassen und sich stattdessen nach dem ersten Teil oder dem gelungenen GameCube-Remake von Silicon Knights umsehen, um in die faszinierende Welt von Kojimas Tactical Espionage Action einzutauchen. Denn an die Genialität der PlayStation-Premiere vor zehn Jahren, kommt auch der vierte Teil nicht heran. Wer dagegen als eingefleischter Metal Gear-Fan noch keine PS3 besitzt und nach einem Anschaffungsgrund sucht: Hier ist er!

Pro

grandioser Abschluss einer Saga
erstklassige Regie & Dramaturgie
hervorragendes Art & Design
coole Bild-in-Bild-Interaktion
phänomenaler Soundtrack
sehr gute Sprecher
bombastische Mehrkanal-Soundkulisse
überraschende Charakterentwicklung
angenehm große Spielabschnitte
mehr Schleich- & Versteckmöglichkeiten
neu: Chamäleon-Tarnanzug nimmt Konturen an
neu: aktives Verbündetensystem
neu: auf den Rücken rollen & schießen
grafisch packende Bosskämpfe
neu: Miniroboter mit nützlichen Fähigkeiten
neu: akustische Erinnerungsfetzen an vergangene Teile
neu: Waffen komplett modifizierbar
neu: Feinde mit manipulierbaren Emotionen
üppige Spielzeit (25 - 30 Stunden)
interessanter <A href="http://www.4players.de/4players.php/dispbericht/PlayStation3/Test/6820/59018/8/Metal_Gear_Solid_4_Guns_of_the_Patriots.html" target="_blank">Online-Modus</A>
vier Schwierigkeitsgrade
geniales Finale
insgesamt gute KI

Kontra

schwaches Deckungssystem
simples Shooterverhalten wird nicht bestraft
KI hat einige grobe Aussetzer
taktisch eindimensionale Bosskämpfe
Beauty &amp; Beast-Einheiten ohne gute Storyverbindung
Gegner tauchen aus dem Nichts auf (Respawnen)
Texturmatsch &amp; Flackerschatten
Kapitel werden einzeln installiert, auch beim zweiten Spielen (!)
viele peinliche Rechtschreibfehler
nervig lange Online-Registrierung

Wertung

PlayStation3

Episch. Emotional. Erstklassig. Besser hätte man das Finale nicht inszenieren können.

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Kommentare

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No Cars Go

Im Juni 2008 für die Fatboy-PS3 (mit dem schrecklichen Spiderman-Font) gekauft und nach Akt 2 zur Seite gelegt, weil ich seinerzeit noch einen Röhrenfernseher hatte und mir das nicht länger in 480i über Composite antun wollte.
Knapp 12 Jahre später nun auf einem ordentlich HDTV-Gerät mit einer Superslim-PS3 und dem dankbaren "Install all acts at once"-Patch nun endlich nachgeholt.
Und naja: It's a total effin mess. Man merkt die meiste Zeit über deutlich, dass Kojima sich die Geschichte für dieses Spiel, das er gar nicht mehr machen wollte, aus dem Allerwertesten ziehen musste. Wie sehr dabei auf die Entwicklung der Charaktere gerade des ersten Teils für dieses Sequel gejissen wurde, ist phänomenal. Das Spiel will von oben bis unten, gerade ab Akt 3, ein einziger gigantischer Fan-Service sein – und teils gelingt das meines Erachtens auch ganz gut, wie z. B. auf Shadow Moses Island – aber verstrickt sich dabei zu oft in rein selbstzweckhafter Eigenreferenz ohne ausreichenden memetischen Spannungsaufbau. Besonders schlimm zum Tragen kommt es bei den in ihren Einzelteilen aus Bossen der ersten drei Ableger zusammengewürfelten B&B-Corps-Bossen, die durch die Bank nicht den Witz vergangener Boss-Duelle versprühen können.
Unter'm Strich bereue ich es aber nicht, die Quadrilogie für mich zu einem Abschluss gebracht zu haben – wer Metal Gear Solid spielt, muss eben einen B-Movie mit Double-A-Grafik und Solo-A-Gameplay erwarten, bekommt dafür aber Triple A in Sachen Liebe zum Detail, voller naschhafter Verschrobenheit. MGS4 wartet nur leider mit der Abstand größten Menge an Plotholes und einem generell überladenen Drehbuch auf.
Und dann wird aufgrund eines Plagiatvorwurfs nicht einmal das originale MGS-Theme von Tappi Iwase zitiert ... :(

Ich fühle eine 74/100.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren