Genji: Days of the Blade31.03.2007, Benjamin Schmädig
Genji: Days of the Blade

Im Test:

Egal, was ihr über Genji: Days of the Blade (ab 11,36€ bei kaufen) lesen werdet, eins muss man dem Spiel lassen: Es bringt das Adrenalin zum Kochen. Es weckt echte Emotionen, die man nicht für sich behalten kann. Was genau sich in mir regt, wenn ich durch das Mittelalter eines mythologischen Japan reise? Wie das aussieht? Fragt lieber, wie es klingt. Gestern bin ich jedenfalls so ins Büro gestürmt: "Be******enes M***spiel!" Und da fing mein Wutausbruch erst an...

Bin ich zu blöd?

Keine Angst, ich will meine Ausfälligkeiten nicht unkommentiert stehen lassen. Da stehe ich nun, in einer Traube von Schwerter schwingenden, mit Speeren stochernden und Pfeile pfeffernden Gegnern. Allesamt keine harten Brocken - im Gegenteil. Die Brotbirnen warten, warten und warten und machen... nichts. Was natürlich kein Problem wäre - die Kritik an den nicht existenten grauen Next-Gen-Zellen mal kulant beiseite geschoben. Die Klingen meines Helden (der aus dem Vorgänger bekannte Yoshitsune) fliegen also wie frisch geschliffene Messer durch die heißen Butterstatuen und ich freue mich über halbwegs cool aussehende Kombinations-Schnitte. Blöd nur, dass Galilei recht hatte. Denn: Sie bewegen sich doch! Gerne dann, wenn Yoshitsune gerade mitten in einer Bewegung ist. Oder wenn er doch mal am Boden liegt. Oder wenn es seine Zeit braucht, bis er den Befehl zum Blocken ausführt. Dann

Drei eurer Charaktere und ein Dauerstirnrunzler.
macht die Butter einen Ausfallschritt und mein Lebenssaft versiegt im Ausfluss. Fehlen mir einfach die Skill0rz? Bin ich zu blöd, die zähen Bewegungen meiner Helden (ihr steuert abwechselnd vier Charaktere) in den Griff zu bekommen? Oder hätte ich die Attacke aus dem Nichts ahnen sollen?

Vielleicht. Vielleicht sollte ich einfach stehen bleiben, in der grenzenlosen Buttermasse untergehen und Dauerblocken. Dann wäre es nämlich kein Problem, wenn ein Gegner von nirgendwoher auf einmal in meinem Rücken landet. Nichts, nirgendwoher: Das ist wörtlich gemeint. Ihr seht eure Ziele einfach nicht! Sie lauern außerhalb der Brennweite der Kamera. Sie verschwinden hinter (HINTER!) dem Blickfeld der Linse. Selbst Zwischengegner - große, fette, potentielle Bildschirmfüller - sind oft nur ein Pfeil auf der Übersichtskarte. Auch wenn ich der eSports-König in Sachen 3rd-Person-Action wäre: Gegen dieses Gewaltverbrechen in Sachen Kameraführung ist selbst ein Kaiser machtlos!

Massenschlachten? Korsettzwang!

Aber immerhin gibt es diese kleine Karte am Bildschirmrand, so dass Genji-Abenteurer irgendwann mehr oder weniger erfolgreich ihren blauen Pfeil in Richtung der kleinen roten drehen, attackieren

Und so sieht Genji 2 in Bewegung aus:

Video der Tokyo Game Show 2006und meist sogar etwas treffen. Irgendwann finden sie sich damit ab, dass die PS3-Fortsetzung kein flottes Action-Spektakel ist, sondern sich  wie Marathon-Laufen auf frisch geteerter Straße anfühlt. Irgendwann stört es sie auch nicht mehr, dass das Vernichten der an vielen Stellen ständig neu auftauchenden Widersacher gar nicht ihr Ziel ist, sondern... irgendetwas anderes, das nie klar beschrieben wird. Ich erinnere mich an eine Szene ganz zu Beginn: Der Weg ist versperrt, ich konnte (im Gegensatz zum Abschnitt direkt davor) nicht auf die Dächer springen und habe erst nach dem 20-minütigen Abgrasen von nur einem Hof entdeckt, dass eine der vielen dort liegenden Leichen als einzige im Spiel etwas bei sich trägt...

Wie gesagt: Irgendwann habt ihr euch damit abgefunden und dann passiert etwas, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gerechnet hatte. Auf einmal merkt man, wie sich das Auge in einigen der malerischen Außenarealen zur Ruhe legt. Vor allem die satten Farben hauchen den Schauplätzen Leben ein. Plötzlich findet das andere Auge die Muße, die schön gezeichneten Figuren zu würdigen. Auch wenn sie nur zu rudimentärer Mimik fähig sind (einer der Darsteller hat seine Stirn in seltsame Dauerfalten gelegt), bewegen sie ihre detaillierten Körper elegant durch das Abenteuer. Und die Ohren entspannen sich bei einem selbst in großen Schlachten oftmals meditativen Soundtrack, der stellenweise das grandiose Thema aus Ghost in

Massenschlachten? Nicht für euch. Genji 2 hält euch in engen Arealen gefangen.
the Shell (ich rede vom Kinofilm) zitiert. Massenschlachten... nun gut: Im Hintergrund geben sich Gut und Böse den Rest, während ihr euch in ausgesprochen engen Zonen gegen ständig neu auftauchende Monster zur Wehr setzt. Dabei weiß ich nicht, was bei den Levelgrenzen mehr stört. Sind es unsichtbare Wände oder ohne ersichtlichen Grund auftauchende magische Barrieren. Letztere lösen sich oft dann auf, wenn ihr alle Gegner aus dem Weg räumt, einen Zauber findet oder Artefakte zerstört. Erde an Game Republic: Das ist SO PSone! Unglaublich. Wenn euch Sony schon erzählt, den ursprünglich für PS2 entwickelten Nachfolger in die nächste Generation zu hieven, dann macht das doch richtig. Weg mit den Mauern, rein in ein Meer aus Feinden und wenn das Chef-Monster auftaucht, fegt es die restlichen Kleinganoven aus dem Weg, um sich ganz dem Spieler zu widmen. Dazu eine frei drehbare Kamera und mir wäre zumindest mal ein "Hey, cool!" entfahren. Stattdessen dient der rechte Analogstick wie in God of War zum Ausweichen - wie übrigens auch die Sixaxis-Funktion. Nur dass ihr Letztere besser ausschaltet. Sie wirkt nämlich fehleranfällig, wenn eigentlich nur grobe Gamepad-Bewegungen euren Helden zum Sprung verhelfen, diese aber schon beim normalen Festhalten des Controllers oft in eine der vier Richtungen hüpfen.                             

Farbenfrohe Lichtblicke

Abgesehen davon gehorchen alle vier Charaktere ohne zickige Aussetzer, legen vor allem später ausgesprochen lässige Attacken aufs Parkett und als ich mich einmal dran gewöhnt hatte, dass sie sich im Vergleich zu anderen Helden eher behäbig durch den Butterberg arbeiten, lernte ich sogar die taktischen Möglichkeiten zu schätzen. Da blitzen auf einmal - nicht immer, aber immer wieder mal - Finessen durch, die ich Days of the Blade an diesem Punkt nicht mehr zugetraut hätte. Ihr erhaltet z.B. regelmäßig neue Waffen, die nicht einfach schärfer als die alten sind, sondern mit denen ihr andere Attacken ausführt.

Vor allem in den Zwischensequenzen sieht Days of the Blade mitunter malerisch schön aus.
Zwei davon, zwischen denen ihr per Knopfdruck wechseln könnt, darf jeder Charakter mit sich führen. Und es sieht schon klasse aus, wenn meine Heldin ihre "Harpune" in einen Unhold spickt, sich an ihn heran zieht und ihm noch im Flug Saures verpasst. Zusätzlich verleiht ihr euren Favoriten mit im Kampf erworbenen Punkten mehr Durchschlagskraft.

Ohnehin kämpft jeder Held anders: Der träge Benkei (euer zweiter Charakter im ersten Genji) verarbeitet mit seinen riesigen Pfosten Barrieren zu Kleinholz, Shizuka zieht sich mit ihrem Messer-Lasso über Abgründe und Buson schwingt seinen Stock wie einen Propellor gegen Angreifer, während Yoshitsune an senkrechten Wänden über Felsspalten sprintet. Falls nicht gerade eine bestimmte Fähigkeit zum Lösen von Rätseln benötigt wird, ist es allerdings egal, mit wem ihr kämpft, denn die vier Lebensbalken dienen quasi als gemeinschaftliche Gesundheitsleiste. Segnet ein Charakter fast das Zeitliche, wechselt ihr einfach zum nächsten usw.

Und dann ist da noch das Kamui; ein Zustand der Konzentration, mit dem eure Figur in eine höhere Ebene wechselt. Alle Gegner in eurer Nähe sind dort im Kreis angeordnet und Shizuka, Benkei oder wen ihr auch begleitet, bewegt sich automatisch von einem zum nächsten. Ihr müsst lediglich im richtigen Moment eine der angezeigten Tasten drücken, damit der Widersacher nach einer mächtigen Kombo den Weg alles Irdischen geht. Vorsicht: Manche Bösewichter beherrschen die meditativen Kriegsführung ebenso. Dann ist es an euch, mit den richtigen Tasten zu blocken und zurückzuschlagen.

Game Over!

Im Gegensatz zu den ersten, langweiligen Kamui-Szenen gefallen mir die Reaktionsspiele inzwischen. Die Attacken sehen lässig aus, jeder Charakter bringt sein eigenes Repertoire ein und sie sind eine willkommene Abwechslung zu den stupiden Normal-Duellen. Auch die Inszenierung stimmt: Ein ruhiger Soundtrack begleitet die mächtigen Hiebe in der "Traumwelt". Kamui und auch Gesundheit dürft ihr natürlich ebenfalls aufwerten: Setzt dafür

Mir haben es vor allem die coolen "Lasso-Manäver" von Shizuka angetan. Die Angriffe sehen cool aus.
einfach mehrere der zahlreichen versteckten Amahagane-Steine bei dem gewünschten Helden ein. Wobei ihr die Steine an wirklich unmöglichen Orten findet: Wenn die Anzeige ein nahes Amahagane anzeigt, kloppt ihr einfach an einen Fels oder in die Wand und schon taucht das Extra auf - wie sinnig...

Überhaupt: Da freue ich mich gerade noch über die nett gemeinten Details - und schimpfe Sekunden später dann doch wieder in Richtung Fernseher. Warum? Weil die schöne, aber unspektakuläre Kulisse ins Stocken gerät. Weil Game Republic die Havok-Physik lizenziert hat - um irrelevante Kisten und Barrieren zu zerlegen, die meisten Hindernisse aber als kratzfeste Objekte definiert. Weil das Spiel nicht einmal meinen Fortschritt festhält, so dass ich den "Spielfluss" an den (sozial verträglich positionierten) Speicherpunkten unterbrechen muss und mitunter über zu wenig Rücksetzpunkte fluche. Weil uns Sony nicht einmal deutsche Sprachausgabe gönnt. Oder weil ich nur dann auf Heiltränke sowie Extras im Menü zugreifen darf, wenn mein Charakter sicher steht. Falls er zehn Minuten nach dem letzten Speicherpunkt am Boden liegt und ein Unhold in aller Ruhe zum tödlichen Stoß ansetzt... "Game Over - Letzten Spielstand laden?" Nein, verdammt, ich hab' die Nase voll! Deshalb:            

Fazit

Finger weg! Ja, nachdem ich mir diesen Riesenbatzen Frust von der Seele geschrieben hatte, ging es mir besser. Ich sehe in Genji: Days of the Blade einen Schimmer Next-Gen-Kulisse. Ich nicke die gelungenen taktischen Möglichkeiten ab. Ich mag die vielen lässigen Angriffe und die coolen Kamui-Kombos. Und mir gefällt vor allem die eigenwillige meditative Musik. Aber man muss es ganz deutlich sagen: Die Kameraführung ist in Verbindung mit den nicht enden wollenden Kämpfen gegen strohdoofe Dumpfbacken ein Verbrechen! Der Hauch von Next-Gen ruckelt und wird in ausgesprochen engen Schauplätzen gefangen. Die magere KI verschluckt die taktischen Möglichkeiten, anstatt durch sie zu wachsen. Es ist schon toll, dass die verhunzte Spielmechanik wenigstens dem Soundtrack nichts anhaben kann. Genau deshalb kommt für mich unterm Strich nur eins raus: Dass ich in Genjis lichten Momenten den Daumen von der Steil-nach-unten-Senkrechten in die Waagerechte drehe, ist das Ergebnis eines bemühten Rundumblicks. In meinem Herzen bleibe ich bei den Flüchen, die mir die dämlichen Monster vor, hinter und neben der Kamera entlocken. Denn selbst wenn die Zutaten stimmen: Sobald der Koch in den Topf spuckt, schmeckt die Suppe einfach nicht.

Pro

ruhige, fast meditative Musik
schöne gezeichnete Charaktere
schicke Angriffe
einige Urlaubs-Kulissen
viele taktische Möglichkeiten...
cool aussehendes Kamui-Reaktionsspiel

Kontra

Todesstrafe für die Kameraführung!
übertrieben enge Levelgrenzen
kein automatisches Speichern
wenig Checkpoints
... die ihr gegen die strunzdummen Gegner nicht braucht
Ziele oft nicht klar ersichtlich
zähe Bewegungen bringen Feinden unfaire Vorteile
Menü-Zugriff nur in bestimmten Situationen
regelmäßiger Grafik-Schluckauf
lächerlicher Havok-Einsatz

Wertung

PlayStation3

Katastrophale Kameraführung und stupides Monster-Hauen vernichten die taktischen Möglichkeiten in der malerischen Kulisse.

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