Virtua Fighter 514.03.2007, Jörg Luibl
Virtua Fighter 5

Im Test:

Was wäre der Start der PlayStation 3 ohne ein Beat 'em Up? Ohne Tritte, Blocks und Kombos? Er wäre auf jeden Fall langweiliger. Aber keine Bange: Wer an Martial Arts & Co Gefallen findet, der kann sein Wohnzimmer seit März in ein Dojo verwandeln. Das Team von AM2 will mit Virtua Fighter 5 (ab 20,39€ bei kaufen) wieder ganz großen Kampfsport servieren. Und auf der Xbox 360 sogar online!

Eine Frage des Shiki

Shaolin-Mönch Lei Fei beim Vorwärtstritt: Der Kung-Fu-Kämpfer hat eine üppige Zahl an Unterstilen zur Verfügung.

Download Lei Fei vs. AoiErst in Hai Shiki und dann in den Koko Shiki? Obwohl der Dokuritsu Shiki ja auch seine Vorteile hat. Oder doch besser aus der normalen Stellung ausweichen und dann von der Seite zum Wurf ansetzen? Zeit für eine Antwort hat man nur im Training, wenn man entweder ganz allein oder gegen KI-Bots antreten kann. Und das ist bitter nötig: Faszination und Ratlosigkeit liegen angesichts einer Palette von über 130 Bewegungen pro Kämpfer, die Stile vom Karate, Boxen, Lucha Libre, Wrestling bis hin zum Straßenkampf abbilden nah beieinander. Virtua Fighter 5 (VF5) ist das vielleicht komplexeste Beat 'em Up da draußen. Und das, obwohl es mit Schlag, Tritt und Block eigentlich nur drei Knöpfe gibt.

Aber die bilden einen riesigen Ozean an Martial Arts ab. Man kann in den Möglichkeiten versinken. Wer den Mönch Lei-Fei spielt, darf z.B. in die asiatische Welt des Kung-Fu abtauchen. Neben satten 60 normalen Bewegungen vom einfachen Tritt und Schlag bis hin zu Dreh- und Wendeattacken sowie diversen Wurf-, Rückwärts- und Sprungtechniken kann der Glatzkopf noch auf acht Stile mit ganz speziellen Manövern zugreifen - dazu gehören auch all die Shikis. Nur wer sie gezielt einsetzt und ihre Stärken kennt, wird ebenso effektive wie flüssige Kombinationen aufs Parkett legen, die den Gegner mit einem nicht enden wollenden Guss aus Treffern überziehen. Gerade diese Schlagstafetten sehen unheimlich gut aus, denn jede kleine Drehung des Handgelenks, jede Gewichtsverlagerung und jegliches Aufbauschen von Umhang, Hose oder Hemd wird dargestellt. 

Wer üben will, kann alle Kombos gegen die Quecksilber-Dummys ausprobieren. Ihr könnt ihnen Verteidigungsstellungen oder ANgriffe zuweisen.

Download Sarah vs. LauLeider weigert sich AM2 immer noch, auch Einsteiger über ein Tutorial behutsam in die Geheimnisse all dieser Techniken einzuweihen - die Trainingsmöglichkeiten sind zwar in der Quantität vorbildlich, man kann sich jede erdenkliche Situation im Dojo voreinstellen und darf alle Kombos brav wie ein Schulkind nachahmen, aber eine Einweisung in die Finessen gibt es nicht. Vielleicht könnte man mal eine Art Mentor einführen? Selbst die neuen offensiven Manöver von der Seite werden nicht vorgestellt. Hier könnt ihr euren Gegner erstmals auch geschickt von außen attackieren - unheimlich effektiv übrigens. Und die einzige wahrnehmbare Neuerung innerhalb der Kampfmechanik.

Die Magie der Kombo

Zurück zu den Stilen: Wie geht das? In der Praxis funktioniert das so, dass man aus der normalen Position heraus mit einer einfachen Kombination in einen der Unterstile wechseln kann - übrigens ganz ähnlich wie im Schwertkampfspiel Kengo . Entweder liegen diese Befehle schon bequem auf den Schultertasten oder man führt sie manuell aus: Steuerkreuz nach oben, Schlag-, Tritt- und Blocktaste sorgen für den Stellungswechsel. Der Mönch Lei Fei steht dann z.B. wie ein Kranich mit angezogenem Knie und weit erhobenen Armen ganz still. Aus dieser Position heraus kann er zwar nicht mehr zum Wurf ansetzen, aber besonders wuchtige Tritte initiieren oder, wenn diese gelingen, weitere Manöver wie wirbelnde Fäuste im halben Sprung einleiten. Schön ist auch, dass sich der Weg des Kranichs über einen Druck auf die Blocktaste komfortabel beenden lässt - das ist hilfreich, wenn sich der Gegner an die Schlagfolgen gewöhnt hat und z.B. einen Fußfeger erwartet: Einfach umschalten und den Wurf nutzen!

wer ganz cool ist, kann in dieser Vogelstarre ohne Regung auf seinen Gegner warten und seinem Schlag blitzschnell ausweichen, um ihn dann von hinten zu erwischen - am besten mit einem Griff inklusive Faustschlag auf den Solar Plexus. Wenn so etwas klappt, verströmt VF5 eine Faszination wie kein anderes Beat'em Up da draußen. Blöd ist nur, dass man bis zu dieser Klasse verdammt viel Zeit und Übung investieren muss. Natürlich

Idylle im Kirschbaumgarten: Sieht gut aus, Blätter rieseln. Aber leider wird diese Arena von schlechtem Techno unterlegt.

Download Wolf vs. Eileengehören auch eine Portion Glück und gute Reflexe dazu, aber wer die Bewegungen seines Kämpfers nicht schon im Geiste abrufen kann, wird sich gegen versierte Gegner wie ein Blinder vorkommen.

Die auf Knopfdruck abrufbaren Stile besitzen zwar nicht alle der siebzehn Virtua Fighter in der Anzahl eines Lei-Fei, Brad Burns oder Shun-Di: Die Chinesin Pai Chan hat z.B. gerade mal einen und Kraftprotz Jeffry McWild kennt zusätzlich zu Kopfnuss, Rückenbrecher und Ellbogenkracher nur die Bedrohungsstellung, aus der er wiederum schwere Knietritte einleiten kann - er ist etwas beschränkter in seinen Möglichkeiten. Aber die Stile sind einer der Unterschiede zu Tekken 5 oder Dead or Alive 4 , wo es nicht eine dermaßen große Variation innerhalb der Möglichkeiten eines Kämpfers gibt. Natürlich gleicht sich das in reinen Schlagtechniken wieder aus: Auch in Tekken gibt es über hundert pro Kämpfer, sind Fünf-, Acht- und Zehnfachketten möglich, die eine perfekte Koordination von Hand und Steuerkreuz verlangen.

                                   

Steuerung & Sixaxis

Nichts gegen das gute alte Steuerkreuz. Aber ich finde es sehr schade, dass man immer noch nicht die Analogsticks nutzen kann. Warum bietet man diese Alternative nicht endlich mal an? Ich nutze sie in Pro Evolution Soccer 6 , in Soul Calibur III , einfach überall. Für mich wäre diese Variante einfach intuitiver zu handhaben. Natürlich haben wir auch in der Redaktion Steuerkreuz-only-

Neuling Nr. 1: Der mexikanische Kämpfer El Blaze setzt in seinem Luch Libre-Stil auf mächtige Sprünge und flinke Würfe am Mann.

Download El Blaze vs. Wolf HawkfieldFetischisten, die fast schon mit religiösem Eifer die Vorteile der digitalen Erlösung anpreisen (hallo Paul!), natürlich hat es Tradition, aber es geht ja nur um einen Zusatz, nicht um eine Streichung. Auch eine Einbindung von Sixaxis sucht man vergeblich. VF5 bleibt in Sachen Steuerung sehr konservativ, AM2 geht kein Risiko ein, wenn es um das Auslösen der magischen Kombos geht.

Diese Kombinationen haben es in sich, denn sie verlangen nicht nur das gleichzeitige Drücken von mehreren Knöpfen, sondern für besonders elegante Manöver auch schon mal das lange Halten einer Richtungstaste, gefolgt von einem kurzen Diagonaldruck inklusive anschließender Tritt-Schlag-Folge. Ist euch schwindelig? Dann wisst ihr, was ein Veteran aus euch im Dojo macht. Vor allem in Japan ist die im Dutzendpack auswendig gelernte und in null Komma nichts abrufbare Kombo das Maß aller Dinge. Und hier regiert der Automat: Als ich in Tokio einfach mal in eine Spielhalle ging, um VF 5 zu zocken (da übrigens mit kleinerem Bildausschnitt und nicht ganz so detailliert wie auf der PS3), habe ich Bekanntschaft mit der Kombokunst der Asiaten gemacht. Ich hab mir eingebildet, das Spiel gut zu kennen. Ich lag mit dieser Erkenntnis entweder am Boden oder im Ringaus. Und weil ich nicht aufgeben wollte, gleich in Serie.

Liebe auf den zweiten Blick

Wechseln wir das Thema: VF5 mag auf den ersten Blick spröde wirken. Es fühlt sich ein wenig kantiger an als ein wesentlich schneller zu akrobatischen Höhepunkten kommendes Dead or Alive 4 . Wer mit Akira beginnt könnte es nahezu unspektakulär empfinden. Die Manöver haben auf den ersten Blick etwas Langsames, fast schon Gemächliches an sich. Aber der Schein trügt nur dann, wenn man einfache Schläge oder gerade mal die ersten gestaffelten Attacken ausführt. Auf den zweiten Blick bietet auch VF5 einen eleganten Rhythmus aus Bewegungen, den man nur zur richtigen Zeit einleiten muss. Diese Kombos fließen zwar nie so weich und schnell ineinander wie etwa in Soul Calibur III , aber sie sind in ihrer Vielzahl und Akrobatik üppiger und die Kampfemachnik ist insgesamt komplexer als bei allen Konkurrenten.

Neuling Nr. 2: Die Chinesin Eileen setzt im Kou-Ken-Stil auf schnelle Attacken. Manchmal sitzt wie wie ein Affe auf euren Schultern und trommelt euch den Nacken weich.

Download Eileen vs. El BlazeWenn Lei-Fei z.B. einen Griff nutzt, um dann wie ein Tänzer an seinem Gegner hinauf zu tippeln, dann aber mitten in der Bewegung, in halbhoher Stellung gekontert und weggeschubst wird, dann weht der Wind der guten alten Hongkongfilme. Dieses Hin und Her ist natürlich schwer zu meistern, denn nur der Reflex des Konters, also der rechtzeitige Druck auf den Block- bzw. Wurfbutton oder das Ausweichen und schnelle in den Rücken gelangen kann Gegenaktionen einleiten. Aber genau hier entsteht diese Taktik, die VF5 so auszeichnet. Dazu gehört auch, dass ihr bei einem Dauerblock immer weiter vom Aggressor nach hinten gedrückt werdet und vielleicht im Ringaus landet - die sture Defensive bringt auch nichts. Es sind ohnehin die ebenso spektakulären wie seltenen Moves, die das Spiel auch für Zuschauer attraktiv machen oder das Aufnehmen von Duellen rechtfertigen - ihr könnt euch besonders coole Kämpfe dann noch mal im VF.TV anschauen. Seltsam nur, dass man diese Möglichkeit nur im Vs.-Modus hat.

Konservativ oder kreativ?

Das Spielgefühl? Auch wenn AM2 unterstreicht, dass die neuen offensiven Manöver für mehr Unberechenbarkeit sorgen und dass man die allgemeine Kampfgeschwindigkeit bereits etwas erhöht hat: VF5 spielt sich wie VF4: Evolution, das sich wie VF4 spielte und in gewisser Weise schon VF3 ähnelte, das wiederum auf VF2 beruhte, welches VF enstsprang. Das liest sich langweilig, ist aber so. Ich könnte jetzt kulturpessimistisch von der ewigen Wiederkehr des Gleichen sprechen, aber aus schöpferischer Sicht handelt es sich in diesem Fall um eine fruchtbare Evolution. Das in der Wurzel gute wurde über mehrere Jahre immer weiter verfeinert, bis es schließlich als etwas sehr gutes am 23. März gepflückt werden kann. Spiele ohne Tiefe gehen an diesem Konzept zugrunde. Spiele mit Tiefe wachsen daran immer wieder zu neuen Höhen. So geht es auch Pro Evolution Soccer.

Pai Chan in der Großaufnahme: Vor und nach den Kämpfen fährt die Kamera richtig nah ran. Hier sieht VF5 richtig gut aus.

Download Pai vs. VanessaAber das sehr Gute ist auch der größte Feind des Ausgezeichneten. VF5 wird ganz locker unseren Goldward erobern, aber auch klar an der höchsten Auszeichnung scheitern. Dass quasi 90% der Kampfmanöver aus dem Vorgänger übernommen wurden und das Spielgefühl damit nahezu identisch ist, ist dabei nur ein kleiner Punkt. Immerhin ist das Gerüst eines der besten auf dem Markt. Trotzdem ruht sich das Team von AM2 diesmal vielleicht etwas zu sehr mit konservativer Sicherung aus. Die Spielbalance zu garantieren ist wichtig, kostet Zeit und zwei neue Kämpfer haben auch ihr Gutes: Die Chinesin Eileen mag zwar nicht die attraktivste Figur sein, aber ihr schneller Kou-Ken-Stil, der an die Bewegungen eines Affen erinnert, dürfte so manchen Gegner ins Schwitzen bringen. Und mit dem Mexikaner El Blaze ist AM2 sicher ein Glücksgriff gelungen, denn sein mittelamerikanischer Catchstil sieht nicht nur verdammt cool aus, sondern sorgt endlich für eine Verbindung von wuchtigen Sprüngen und eleganten Hebeln.

Aber wir vermissen z.B. etwas frischen Wind in der defensiven Bewegung im Raum: Gerade bei den Schritten in die Tiefe, wenn man den Kämpfer nach oben oder unten ausweichen lassen möchte, wünscht man sich etwas mehr Schwung. Es ist unheimlich schwer, seinen Gegner ohne Block einfach ins Leere springen oder schlagen zu lassen - das ist natürlich auch Sinn der Sache, aber der einfache Doppeldruck auf das Steuerkreuz könnte vielleicht mal von variableren Ausweichmanövern ergänzt werden, die noch etwas mehr Dynamik in die Beinarbeit bringen - das schnelle Zurückziehen nach hinten sieht übrigens immer noch viel zu ruckartig aus; wie wär's mal mit einem flüssigen Tänzeln, AM2?

                 

Eine Frage der Arena

VF5 sieht trotzdem richtig gut aus: Der Rock von Lei-Fei bauscht sich bei jedem Sprung auf, Schmetterlinge tanzen ihm um die Füße und das auf Hochglanz polierte Parkett spiegelt seine Bewegungen. Und wer sich nur ein wenig für all die Griffe,

Ringelpietz mit Anfassen im Schnee: Leider überzeugen nicht alle Arenen mit prächtigen Partikeleffekten - das Gestöber sieht hier recht mager aus.
Würfe, Schlag- und Tritt-Techniken der Martial Arts interessiert, wird hier von einer Fülle an wirklich sauberen Bewegungsabläufen belohnt. Die Figuren wirken angenehm natürlich, nicht ganz so künstlich oder plastisch wie in anderen Spielen, aber sie haben noch lange nicht diese Lebendigkeit in Sachen Muskeltanz und Mimik erreicht wie etwa in Fight Night Round 3 . Hier wird niemand von der nächsten Generation der Beat' em Ups verblüfft. Ihr werdet kein Schwitzen, kein Blut, kein Muskelpumpen, keine Verletzungen sehen. Schweiß und Knochenbrüche gehören immer noch nicht in die Welt der Arcadekämpfe. Warum eigentlich nicht? Könnte man das Genre über diesen Schritt nicht aufwerten?

Diese Wünsche bilden natürlich keine grundlegende Kritik, sie sind eher eine Anregung für die Zukunft. Trotzdem hätte man auch ohne sie mehr aus VF5 rausholen können. Denn wenn man im Vergleich z.B. das exzellent designte Soul Calibur 3 auf dem GameCube laufen lässt, gerät die PlayStation 3 in Sachen Animationen oder Landschaft manchmal sogar ins Hintertreffen. Wer zauberhafte Hintergründe und klasse Partikeleffekte braucht, wird mit Dead or Alive auf der Xbox 360 besser bedient.

Das liegt daran, dass die Power der Konsole von den Designern noch nicht ausgenutzt wird und dass sie ihre Kulissen nicht brillant genug darstellen. Eigentlich müsste man für jede Stage eine eigene Bewertung abgeben, so unterschiedlich präsentieren sich die Kampfschauplätze hinsichtlich ihrer Qualität. Es gibt auf der einen Seite hervorragende Kulissen wie z.B. den Kampf in einer Bruchbude bei einem tosenden Unwetter oder die Floßfahrt mit langsam rotierender Kamera. Aber auf der anderen Seite enttäuschen Gebiete wie das viel zu künstlich wirkende Kopfsteinpflaster in der Hochhausarena, das an die übertriebenen Spiegeleffekte von Perfect Dark Zero erinnert, den wirklich mager aufstiebenden Schnee oder die platte statische Malerei hinter bewegten Bäumen. Nein, das ist noch nicht das wahre Gesicht der PS3.

Pai Chan zeigt El Blaze, was eine Handkante ist: Die karibische Arena gehört zu den schöneren. Es gibt große Qualitätsunterschiede in der Kulisse.
Immerhin hat VF5 nicht in dem Maße mit der Kantenglättung zu kämpfen wie andere Titel. Ja, es gibt Treppchen, aber es hält sich doch in Grenzen - die meisten Horizontalen werden glatt dargestellt. Interaktion mit der Arena ist nur ganz selten möglich: Ihr könnt euch nicht Treppen oder Balkone hinunter werfen oder auf Simse springen, aber euren Gegner mit Schmackes gegen eine Wand schmeißen bis der Putz bröckelt. Auch diese Kollisionen sehen nicht immer so realistisch aus wie sie sein könnten, vor allem wenn es gegen Holz kracht vermisst man auch mal spektakuläre Brüche. Trotzdem: Wer in die Ecke gedrängt wird, ist sehr schnell abgefertigt. Es gibt allerdings pro Kämpfer ein, zwei spektakuläre Wandbewegungen, die euch retten können.

Aufs Ohr

Warum in einem japanischen Kirschblütengarten Techno laufen muss, ist mir nicht ganz klar. Das ist so ein Stilbruch, dass man sich sofort ins Menü rettet. Die Musik lässt sich immerhin leiser stellen oder ganz abschalten - und das ist gut so. Akustisch hinterlässt VF5 ähnlich gemischte Eindrücke wie in Sachen Grafik: Einmal pfeift einem der Wind realistisch um die Ohren, ein anderes mal scheppert es beim Aufprall auf dem Boden wie in einem billigen Blecheimer. Das Anwenden von Chi-Kräften wird wuchtig inszeniert, so manches Publikumgemurmel im Hintergrund hört sich an wie eine lieblose Endlosschleife. Die Soundeffekte sind mal stimmig, mal unpassend und hätten eine finale Qualitätsprüfung nötig gehabt. Außerdem sollte AM2 überlegen, ob nicht auch ein Beat'em Up eine dynamische Fankulisse vertragen könnte: Warum nicht den Dojoherren frenetisch feiern und den Außenseiter auspfeifen? Hier ist atmosphärisch noch viel Luft nach oben - das gilt allerdings auch für die Konkurrenz.               

 Karriere in der Spielhalle

Die Arcade-Tradition der Serie wird spätestens im Quest-Modus deutlich. Es gibt hier keine Story, keine speziellen Aufgaben, sondern einfach nur eine freie Stadtkarte mit diversen Zockertempeln. Eure Aufgabe? Ihr erobert als Newcomer Spielhalle für Spielhalle, stellt euch in lokalen und nationalen Turnieren und gewinnt Pokale, Preise und Geld. Hinzu kommen bernsteinfarbene Perlen, die euer zu Beginn leeres Emblem füllen - habt ihr alle sieben, erwartet euch eine besondere Belohnung: ein neues Outfit. Insgesamt hat jeder Kämpfer zwei von Beginn an, ein weiteres wird bei Erreichen des ersten Dan überreicht, macht insgesamt vier Kostüme.

Sonnenbrille gefällig? Ihr könnt im Quest-Modus zig Accessoires und Kleidung freispielen, um euren Kämpfer individuell auszurüsten.
Jede Spielhalle hat ihr eigenes Publikum und damit ihren speziellen Schwierigkeitsgrad. Finden sich im "Club Sega" z.B. eher Anfänger, die man ohne große Kombo-Überlegung im Dutzendpack auf die Bretter schicken kann, begegnen einem in der "Sega World" schon einige Veteranen, die besser blocken und so manches komplexe Manöver abrufen. Hier wird es kniffliger; trotzdem kann man auch sie - gerade als VF-Kenner - relativ schnell durchschauen und besiegen. Manchmal kann es auch zu einem Kampf um einen Gegenstand kommen; dann blinkt kurz eine Schatzkiste auf, deren Inhalt auf den Sieger wartet.

Mit der Zeit steigt ihr im Rang auf: Gestartet wird ganz unten im zehnten Kju, dann geht es aufwärts bis zum ersten Kju, dem dann irgendwann auch der erste, der zweite Dan etc. folgt. All das geht vielleicht ein bisschen zu schnell, hätte hier und da vielleicht ausgebremst werden müssen. Die ersten dreißig Kämpfe in den Anfängerarenen gewinnt man selbst als Einsteiger ohne Probleme, da dort selten geblockt wird. Hier trifft man auf Leute mit höchstens einem paar dutzend Fights auf dem Buckel. Erst wenn eure Kontrahenten einen Dan innehaben und mehrere Tausend (!) Fights in den Knochen, wird die Sache anspruchsvoller. Praktisch: Sollte irgendwo ein wichtiges Turnier stattfinden, werdet ihr sofort informiert.

Sonnenbrille, Haarteil & Kette

Akrobatisch: Sarah glänzt nicht nur in Sachen Leder, sondern auch Tritt-Technik. Die Amerikanerin besitzt sehr viele gemeine Beintechniken.

Download: Vanessa vs. SarahInsgesamt kann es die KI natürlich nicht mit einem versierten menschlichen Gegner aufnehmen, aber hier kann man seinen Stil sehr gut trainieren und nebenbei Goodies abräumen. Was kann man abstauben? Jede Menge Schnickschnack von der Frisur über Accessoires wie Brillen, Ketten und Handgelenkschmuck bis hin zu Strümpfen und Schuhen. Entweder wird der Klunker erobert oder im Shop gegen Gold gekauft: Das fängt bei einfachen Strickmützen für 1000 an, geht bei Haarknoten oder Drachenschwertern für die Hüfte zum Preis von 5000 weiter und erreicht bei roten Kontaktlinsen für 10000 erste finanzielle Höhepunkte.

Nachdem der Online-Modus gestrichen wurde hat sich AM2 dazu entschieden, das Spiel mit allem vollzustopfen, was je am Reißbrett entstanden ist. Der Individualisierung sind also keine Grenzen gesetzt: Ihr könnt aus einem einfachen Karateka einen knallbunten Hippie mit Freakfisur machen oder im schnöden Trainingsanzug antreten. Auch persönliche Textkommentare oder Wappen gehören zum Programm. Allerdings fragt man sich irgendwann, wozu man sich all den Kram freispielen soll - schließlich hat er wie auch in Tekken oder Dead or Alive keine Auswirkungen auf eure Kampftechnik wie etwa die Waffen in Soul Calibur. Insgesamt ist der Quest-Modus in dieser Variante auch deshalb auf lange Sicht etwas reizlos, weil man seine Statistiken nicht ins Internet laden kann. Ob das auf der Xbox 360 gehen wird?

Offline. Offline. Offline.

Es gibt auf der PS3 im Gegensatz zur Xbox 360 keinen Online-Modus! Keine Matches, kein Ranking, gar nichts. Das ist eine bittere Pille für alle Beat' em Up-Fans, die

Zum Abschluss noch mal ein Kampf zwischen Lei Fei und Shun-Di: Kung-Fu gegen Drunken Kung-Fu.
mit der Next-Generation der PlayStation 3 auch das komfortable Spiel übers Internet verbinden. Natürlich lebt das Spiel immer noch davon, dass man sich mit Freunden vor einem Bildschirm die Visage polieren kann; und genau diese Geselligkeit kommt aus der Tradition der Spielhalle. Aber dieses Fehlen ist auch deshalb ärgerlich, weil Konkurrent Dead or Alive 4 auf der Xbox 360 online zum Kämpfen einlädt - wenn auch nicht so reibungslos, wie man es sich wünschen würde.

Warum hat AM2 auf die größte Arena der Welt verzichtet? Ganz einfach: Aufgrund der Technik. VF5 wäre demnach derzeit nicht flüssig realisierbar. Die Entwickler haben immer wieder betont, dass VF5 für beide Kämpfer sauber in 60 fps laufen muss, um schnelle Reaktionen und Konter zu ermöglichen. Bisher scheint man keinen Weg gefunden zu haben, die aktuelle Netzwerkbeschaffenheit so auszunutzen, dass das Spiel nicht einbricht oder von Lags belastet wird. Allerdings scheint AM2 hier vor allem die Nachfragesituation in Japan im Auge zu haben, denn dort spielt das Internet als Spieleplattform eher eine untergeordnete Rolle.

Und wenn schon keinen Online-Modus: Warum sorgt man dann nicht für den best möglichen Komfort in Sachen Offline-Multiplayer? Da baut AM2 zig Tonnen an Kleidung und Accessoires ein, aber ich kann meinen persönlichen Kämpfer nicht mit zu einem Freund nehmen! Sprich: Ich kann nur mit den vorgefertigten Figuren gegen den heimischen, aufgemotzten Matador antreten. Das ist heutzutage einfach anachronistisch.

                

Virtua Fighter auf Xbox 360

Nur auf der Xbox 360 geht online die Post ab: Freut euch auf flüssige Duelle mit euren Karriere-Kämpfern!Seit Mitte Oktober darf auch auf Microsofts Konsole gekickt und geboxt werden: Dabei bemerken wir schnell, dass auf der Xbox 360 etwas weniger Kanten um den kämpfenden Glatzkopf oder die Brückenpfeiler im Hintergrund auftauchen - das Team von AM2 hat die Zeit für eine grafische Politur genutzt. Auch so manche Farbe wirkt satter: Das Rot der Wandvorhänge, das Licht der Kronleuchter. Sind das Peanuts? Ja! Sieht die Fassung deutlich besser aus als auf der PS3? Nein! Aber sie wirkt im direkten Vergleich einfach einen Tick durchgestylter.

Hinzu kommt ein aufgestockter Inhalt: Es gibt mehr Kleidung, mehr Gegenstände und mehr Frisuren. Das freut genau so wie die Tatsache, dass es mehr CPU-Gegner im Questmodus oder erweiterte Trainingsmanöver, Wurf- und Ausweichübungen sowie Positionsverschiebungen eurer Kontrahenten im Dojo-Modus gibt. Schön ist auch, dass so manche KI-Routinen jetzt für eine etwas anspruchsvollere Karriere sorgen. Zwar kämpft man sich immer noch etwas zu leicht die Ränge durch die Arcadebuden hoch, aber es gibt öfter mal kluge Konter der Gegner. AM2 aktualisiert die Kampfroutinen bekanntlich ständig für die japanischen Spielhallenautomaten; auf der Xbox 360 sind ab sofort die aktuellen Berechnungen aktiv - sehr schön!

Sega hat eine weitere Neuerung anzubieten: Der Analogstick wird unterstützt. Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Bewegungen in die Tiefe auch über den Knüppel gut laufen. Zwar muss man sich nach langer Digikreuzerfahrung erstmal daran gewöhnen, aber schon Soul Calibur hat gezeigt, dass diese Steuerung sinnvoll sein kann - und immerhin hat man die Wahl. All das hätte jedoch noch nicht für eine deutliche Aufwertung gereicht...

Online! Online! Online!

Die Xbox 360-Fassung ist eindeutig der Gewinner im direkten Vergleich: Ansehnlicher, umfangreicher, bessere KI und Online-Modus!
Viel wichtiger als all der Feinschliff ist: Es gibt einen Online-Versus-Modus! DAS ist wirklich eine Neuerung, die das ohnehin schon sehr gute Kampfsportspiel in der Wertung nach oben bringt. Scheinbar hat das Team von AM2 keine Bedenken mehr, dass man im Onlinekampf aufgrund von Rucklern benachteiligt werden könnte - das war bisher die Ausrede der Japaner. Doch jetzt stehen die Server und wir konnten uns erste Matches über Xbox Live liefern, die uns allen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben, denn: Der Handkantenaustausch läuft sauber! Wir waren gespannt, ob das Beat'em Up auf dem Weg ins Internet an technischer Substanz verliert und wurden positiv überrascht.

Ihr könnt sogar mit eurem modifizierten Kämpfer aus der Karriere antreten, also inkl. all der freigespielten Accessoires von der Sonnenbrille über Lederjacken bis hin zum Krummschwert. So kann man individuell auftreten und die Erfolge nach außen tragen. Leider hält sich der Komfort in Sachen Spielmodi in Grenzen: Es gibt lediglich Freundschafts- und Ranglistenspiele, aber keine Turniere. Und selbst die aktuelle Weltrangliste oder einen Vergleich mit Freunden konnten wir über die Lobby nicht erreichen - schade. Der einzige Hinweis auf den aktuellen Status ist der Rang: Wie in der Karriere startet ihr mit dem zehnten Kju und steigt dann langsam in die Dan-Ränge auf.

  

Fazit

Obwohl ich dieses Spiel eindeutig einem Dead or Alive 4 oder Tekken 5 vorziehe: Für unsere höchste Auszeichnung hat es auf der PS3 nicht gereicht. Das hat aber weniger mit der Überlegenheit der Konkurrenz zu tun, sondern mehr mit der Stagnation innerhalb dieser faszinierenden Kampfsportreihe. Virtua Fighter 5 besticht auf der einen Seite mit all seinen alten Qualitäten: Das Kampfsystem ist enorm komplex und auf lange Sicht unheimlich interessant. Dieses Spiel braucht Zeit, verdammt viel Zeit, wenn man alle taktischen Kniffe und eleganten Kombos meistern will. Wer sich einmal in die Liste der Schläge, Tritte und Würfe wagt, wird sich in einem Wald aus offensiven und defensiven Stilen verirren. Langzeitmotivation? Ohne Ende. Auf der anderen Seite vermisst man angesichts der Power der PS3 den Feinschliff im Arena-, Sound- und Animationsbereich. Virtua Fighter 5 sieht richtig gut aus, aber es lässt technisch noch deutlich Luft nach oben. Und ganz besonders vermisst man im Jahr 2007 einen Online-Modus! Und wenn schon kein Internetgekloppe: Warum kann ich meinen mühsam ausstaffierten Helden nicht zu einem Freund mitnehmen? Man spürt irgendwie, dass das Team von AM2 bei seiner Next-Generation-Premiere eher konservativ als kreativ zu Werke gegangen ist. Dem Spielgefühl hätten eine ausgefeiltere Ki und mutigere Zusätze als nur zwei Kämpfer sicher gut getan. Trotzdem muss man unterm Strich gratulieren: Das ist wieder ganz großer Kampfsport. Die Balance der Kontrahenten ist perfekt, die Steuerung ist intuitiv und das Hin und Her aus Block, Konter und Attacke einfach klasse. Bei aller Kritik bietet dieses Spiel wie kein zweites unheimlich spannende, auf gute Reflexe und versierte Taktik ausgelegte Duelle. Wer auf Martial Arts steht, muss sich Virtua Fighter 5 und ein paar Kumpels ins Wohnzimmer holen!

Fazit zur Xbox 360-Fassung, 29. Oktober 2007:

Virtua Fighter 5 endlich mit Online-Modus! Dazu eine Analogstick-Steuerung, verbesserte KI-Routinen und eine Kulisse, die etwas weniger Kanten und dazu einen Tick mehr Farbkraft bietet. Man darf hier natürlich keinen großen Grafiksprung erwarten, aber alleine die Tatsache, dass ich mir endlich online mit Freunden über Xbox Live die Handkante geben kann, ist für mich ein Grund, dieses Spiel noch mal auf der Xbox 360 zu zocken und den Platin-Award zu zücken. Die Online-Performance kann sich sehen lassen und bisher laufen die Live-Duelle so flüssig, dass keiner entscheidende Nachteile hat. Das Team von AM2 serviert allen Microsoft-Kämpfern eindeutig die Königsfassung!

Pro

flüssiger Online-Modus (360)
taktisch anspruchsvoll
sehr gute Steuerung
siebzehn Kämpfer
zwei neue Kämpfer
viele interessante Stile
Karriere im Quest-Modus
etwas dynamischer im Angriff
elegante Martial Arts-Manöver
unheimlich komplexes Kampfsystem
ausgezeichnet mit Freunden
enorme Langzeitmotivation
hervorragende Spielbalance
vorbildliche Trainingsmöglichkeiten

Kontra

kein Online-Modus (PS3)
zu lethargische KI
eigene Kämpfer nicht transportfähig
kaum spürbare Neuerungen zu VF4

Wertung

360

Ganz klar die beste Fassung: Einen Tick schöner, umfangreicher und mit Online-Modus!

PlayStation3

Das ist wieder ganz großer Kampfsport. Für Martial Arts-Freunde trotz Offline-Wüste ein taktisches Fest.

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