Die Sims 329.10.2010, Benjamin Schmädig
Die Sims 3

Im Test:

Ich bin ein Dussel! Wieso verheirate ich das Fräulein auch, ohne ihren Partner richtig kennenzulernen? Jetzt ist sie nicht nur schwanger, denn der Adoptivsohn soll ein Geschwisterkind haben, und plötzlich muss sie auch seinen pubertierenden Nachwuchs ernähren! Gut, dass die Hochzeit einen Batzen Geld ins Haus gespült hat; damit finanzieren wir ein zweites Stockwerk. Ihre Karriere muss jetzt jedenfalls warten - so eine Familie jongliert man ja nicht mit links. Wobei... mit dem Gamepad in der Hand geht jetzt sogar das!

Digitale Lebensfreude

Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Meetings und Testläufe es bei Maxis gegeben hat, bevor das zu EA gehörende Studio die Steuerung dieser Konsolenversion durchgewunken hat. Nicht, weil sie wie holpriges Stückwerk wirkt, wohl gemerkt - sondern weil ich meinen Hut davor ziehe, wie clever die Entwickler die vielfältige Menüstruktur auf die Gamepad-Systeme übertragen haben! Völlig mühelos drückt man sich durch Unterhaltungen, die Jobsuche oder den Hausbau. Selbst den Boden des Grundstücks hebt, senkt und pflastert man ohne Mühe. Maxis beweist, dass selbst klickintensive Managerspiele auf Konsole funktionieren können. Natürlich sind Analogsticks selten so flott wie ein schneller Mausklick. Aber wer sich in Ruhe zurücklehnen will, um seine Sims-Familie mit allem Drum und Dran durchs Leben zu leiten - bitte sehr!

»Die Sims« - nie gehört? Familienplanung, Jobsuche, Haus putzen, Hobbys pflegen, Freundschaften aufbauen, Begabungen zu Geld machen, Nachwuchs großziehen und schließlich das Zepter auf dem  Sterbebett weitergeben - das ist alles neu? So ging es mir jedenfalls. Ich fand die angebliche »Frauenspiel«-Reihe immer interessant, habe mich aus Zeitmangel aber nie damit beschäftigt.

Video. Die neuen alten Sims im Trailer.Es war höchste Zeit, das zu ändern. »Simsen« ist nämlich keineswegs nur für Mädchen; Simsen ist digitale Lebensfreude!

Wer spielt mit?

Zum einen muss man ja nicht die Hausfrau spielen. Stattdessen könnte man gleich zum Start eine ganze Familie erschaffen. Oder eine WG gründen. Oder einen Kleptomanen mit kriminellen Ambitionen aus dem Editor entlassen. Ein Klick und schon wird aus dem Gelegenheitsdieb später ein professioneller Mafiosi. Genauso gut kann man als Rockstar, Politiker oder Sportler Karriere machen. Fünf Charaktereigenschaften besitzt jeder Sim - klingt nicht viel, bringt in Verbindung mit unterschiedlichen Karrierezielen und Vorlieben aber etliche charakterliche Unikate hervor!

Zum anderen kann man sich dem faszinierenden Lebenlenken kaum entziehen. Wenn man einmal damit anfängt, sich um die Bedürfnisse seiner Sims zu kümmern (es werden später ja meist immer mehr), will man sich hier noch schnell unterhalten, da noch den Chef beeindrucken, dort noch auf eine Partie und muss gerädert irgendwie den nächsten Arbeitstag überstehen. Zwischendurch sollte man Rechungen bezahlen und darf natürlich nicht nur an-, sondern das Haus auch fleißig ausbauen, seine eigenen Designs für Tapeten und Klamotten gestalten und, und, und, und, und. Man kann es Bemuttern nennen - man sollte es aber besser als cleveres Mikromanagement bezeichnen.

Party mit Poltergeist

Das Treiben der Sims ist ja nicht nur fordernd und irgendwie putzig; es ist vor allem ausgesprochen unterhaltsam und sogar witzig. Denn Sims knuddeln nicht nur mit Babys, sie prügeln sich auch (nicht mit den Babys), haben Sex, gehen fremd, übergeben sich, werden von einem schlechten Gewissen geplagt und von Lebensträumen angetrieben. Immer wieder erwischt man sie dabei, wie sie Unsinn anstellen oder plötzlich unerwartet viel Fürsorge zeigen. Nichts, wirklich gar nichts, ist unmöglich! Nicht einmal Poltergeister, die auf einer Fete plötzlich mit dem Geburtstagskind feiern, anstatt die Gäste zu vertreiben!

Zur Erinnerung: Satte 89% konnte das Vorbild auf PC absahnen - hier geht's zu unserem Test.

»Game Over« gibt es nicht. Es kann, muss aber nichts Drastisches sein - doch ein Sim muss immer mit den Konsequenzen seines Handelns leben. Wie sehr und ob man überhaupt ins virtuelle Schicksal eingreift, bleibt hier jedem selbst überlassen. Selbst als Kontrollfreak musste ich allerdings spätestens mit sechs Köpfen unter einem Dach einsehen, dass ich nicht jeden Abwasch und jedes Abendessen selbst anweisen kann. Gut, dass meine Pappenheimer auch ohne mein Zutun einem sinnvollen Tagesplan folgen.           

Starke Kunstmenschen

Wie am PC, wo die dritte Generation der Sims bereits seit anderthalb Jahren wuselt, ist die künstliche Intelligenz dabei einer der Glanzpunkte des vergnügten Alltags - auch wenn sich die Digimenschen auf allen Systemen gelegentliche Aussetzer leisten, weil sie mal wieder grundlos am Fleck stehen bleiben. Mir gefällt es zudem nicht, dass ich mich hier wie da mit wenigen Klicks vom Unbekannten zum Ehemann unterhalten kann. Ein Prozess einschließlich Kino, Stadtpark und Candlelight-Dinner würde der Lebenssimulation ebenso gut stehen wie automatische Unterhaltungen, in denen ich zwar die Grundhaltung vorgeben, aber nicht jeden Satz bestimmen müsste. Letzteres würde besonders dem Spielfluss beim Lenken mehrerer Sims oft gut tun.

Echtzeit adé?

Auch sonst muss man die Unterschiede schon mit der Lupe suchen, denn im Grunde erleben Schicksalbestimmer auf Xbox 360 und PS3 genau das Gleiche wie am PC. Als Einstieg empfehle ich deshalb unseren ausführlichen Test der PC-Version. Lediglich eine entscheidende Kürzung müssen Konsolenbesitzer in Kauf nehmen:

Familie oder Karriere? Krimineller oder guter Nachbar? Die Sims 3 (ab 19,95€ bei kaufen) bietet eine gigantische Spielewiese - sowohl für Zuschauer als auch für Kontrollfreaks.
Sie können weder Videos noch Screenshots aufnehmen, was für eifrige Regisseure natürlich bitter ist.

Die restlichen Änderungen sind entweder technische Einschränkungen oder Zusätze, die aber keins der bekannten Elemente verdrängen. So sind die Stadtviertel des Moonlight  Bay auf Konsolen durch einen Ladebildschirm verbunden, während sich PC-Sims frei in ihrem Sunset Valley bewegen können. Die Orte unterschieden sich übrigens nur im Namen und der Anordnung der Gebäude. In beiden Städten findet man aber die gleichen Lokalitäten. Um dorthin zu gelangen, klickt man auf einer gezeichneten Übersichtskarte zum Ziel und einige Sekunden später ist man da. Zugegeben: Müsste man sich stets zum Ort einer gewünschten Handlung laden, um einem Sim eine Anweisung zu erteilen, wäre komfortables Familienmanagement kaum vorstellbar. Weil man aber schon auf der Übersichtskarte die entsprechende Anordnung erteilen kann und der Sim anschließend selbstständig agiert, wirken sich die unangenehmen Ladepausen nur verhalten auf den Spielfluss aus. Selbst Einkäufe kann man per »Fernsteuerung« erledigen, sobald der Sim im Supermarkt oder Buchladen ankommt. Tipp: Eine Installation auf Xbox 360 reduziert die Pausen um wichtige Sekunden.

Als ärgerlicher empfand ich die fehlenden Statusanzeigen auf der Übersichtskarte. Warum darf ich ausgerechnet dann nicht die Bedürfnisse meines Sims einsehen, wenn ich ihm den Weg zeigen will? Weniger auffällig sind dagegen technische Schwächen: Befinden sich viele Figuren in einem Viertel, wird das Geschehen schon mal für ein paar Sekunden verlangsamt. Aufs Spielgefühl wirkt sich das aber kaum aus. Außerdem dauert es unheimlich lange, bis in der Online-Tauschbörse die nächsten neun Objekte geladen sind. Immerhin kann man wie am PC Sims, Anwesen, Klamotten - eigentlich alles! - selbst kreieren und im Internet zur Verfügung stellen. Das Stöbern ist mit den häufigen und langen Ladezeiten allerdings kein Vergnügen. Merkwürdig auch, dass Sims mit manchem Wunsch etwas kaufen wollen, das sie längst besitzen. Das sind auffällige Unannehmlichkeiten - von denen aber keine zum Stolperstein wird.

Übrigens: Sind die PS3- und 360-Versionen »nur« ein Abziehbild des PC-Vorbilds, geht die Wii-Fassung einen Schritt weiter. In dieser wird es immerhin eine offene Welt wie am PC sowie Mehrspieler-Möglichkeiten geben. Alle Infos findet ihr in unseren First Facts.

Schicksalsschläge

Im Gegenzug haben die die Entwickler nicht nur das komplette Spiel des Lebens auf die großen Konsolen übertragen - sie ergänzen es auch um Anreize und Erleichterungen, die vor allem Gelegenheitssimulanten helfen könnten: Die neuen »Herausforderungen« und das hinzugekommene »Karma« dienen als eine Art Wegweiser bzw. Stütze. Herausforderungen sind dabei ganz normale, kleine und große Erledigungen wie das Zeugen von Nachwuchs, das Lesen eines Buches oder auch das Schmeißen einer Partie - von den dafür erhaltenen Punkten darf man besondere Gegenstände kaufen. Ähnlich wie an den Wünschen könnte man sich also an den Herausforderungen orientieren, falls man sich kein eigenes Ziel setzen will.

Karma erhält man dagegen für das Erfüllen der Wünsche - so stelle ich meine Sims nicht nur wie am PC zufrieden, sondern erhöhe nebenbei ein Punktekonto, über das ich gemeine Schicksalsschläge auslösen und Wunder wirken darf. Sollten mir selbst die einfachen Wünsche nicht gelingen, erhalte ich außerdem mit jedem Tageswechsel ein wenig Karma. Im Austausch dafür könnte ich dann das ganze Haus mit einem Wimpernschlag reinigen, einen Toten wiederauferstehen lassen, einem Sim jedweden romantischen Erfolg verweigern oder die erwähnten Party... Verzeihung: Poltergeister rufen. Gut, dass die Punkte für Karma und Herausforderungen dabei unabhängig von der eigentlichen Währung gezählt werden. So kann man sich stets frei entscheiden, ob man die Hilfen nutzen möchte oder nicht.      

Fazit

Gut, dass Mathias schon das ganze Spiel beschrieben hat, denn ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll! Das auf den ersten Blick unscheinbare Sims-Terrarium entpuppt sich nämlich schnell als gewaltig facettenreiche Charaktersimulation, die auch nach etlichen Stunden immer wieder neue Gesichter zeigt - auf Konsolen ebenso wie am PC. Denn geändert hat sich im besten Sinne sehr wenig. Der Wegfall der Videoaufzeichnungen ist natürlich ärgerlich; über kleine technische Zicken kann ich aber hinwegsehen, über den unangenehmen Ladebildschirm gerade so. Zumal mich die praktische »Fernsteuerung« selten dazu zwingt, das Stadtviertel zu wechseln. Ich verneige mich vor einem Studio, das die Navigation enorm umfangreicher Menüs mit einer verblüffenden Eleganz aufs Gamepad überträgt! Leider bedeutet die Inhaltsgleichheit zum PC auch, dass die Konsolensims noch immer gelegentlich tatenlos am Fleck stehen. Ich bin zudem auch auf PS3 und Xbox 360 kein Freund der allzu mechanischen und klickintensiven Konversationen. Aber das sind Kleinigkeiten, für die man im Gegenzug Motivationsschübe erhält, wenn man neuerdings mit dem schicksalhaften Karma Erdbeben auslöst oder mit den Früchten erledigter Aufgaben einkaufen geht. Über PSN oder Xbox Live tauscht man außerdem wie auf PC selbst erstellte Charaktere und Gegenstände mit den Simologen der realen Welt. Ihr wollt eure Beziehung zu den Sims auffrischen oder wolltet wie ich schon immer mal ihre Bekanntschaft machen? Zurücklehnen und genießen!

Pro

hervorragende Umsetzung der PC-Steuerung
Belohnungen durch Erfüllen von Herausforderungen
Karmakräfte sorgen für unterhaltsame Aufregung
Austauschen von Inhalten über Xbox Live und PSN
umfangreiche Editoren für Figuren und Gegenstände
lebendiger Austausch zwischen Sims-Freunden & -Feinden
detaillierte farbenfrohe Umgebungen
nahezu alles kann, muss aber nicht beeinflusst werden
faszinierendes Beobachten des künstlichen Lebensraums
vielfältige, immer wieder überraschende Ereignisse
riesiger Variantenreichtum bei Persönlichkeiten und Lebensläufen
Lebensspanne und andere Einstellungen nach Belieben wählbar
hilfreiche Lektionen zum Erlernen aller Spielelemente

Kontra

Unterbrechungen durch Ladepausen
keine Video
oder Screenshotaufzeichnungen
Anweisungen können nicht nachträglich sortiert werden
keine Automatismen für wiederkehrende Handlungen
Gespräche sind vorhersehbar und sehr klickintensiv
öffentliche Gebäude nicht begehbar

Wertung

360

Bis auf technische Kleinigkeiten eine einwandfreie Umsetzung, die sich vor allem durch eine hervorragende Steuerung auszeichnet.

PlayStation3

Bis auf technische Kleinigkeiten eine einwandfreie Umsetzung, die sich vor allem durch eine hervorragende Steuerung auszeichnet.

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