Resistance: Fall of Man23.03.2007, Mathias Oertel
Resistance: Fall of Man

Im Test:

Einst wurde Resistance als Heilsbringer und legitimer Killzone-Ersatz gehandelt. Dann drohte nach den ersten Präsentationen der Absturz: Vieles sah so ganz und gar nicht nach PlayStation 3-Grafikmacht aus und hätte mit viel bösem Willen auch als PS2-Shooter durchgehen können. Doch wie so häufig liegt Schönheit im Auge des Betrachters, alles kommt sowieso ganz anders und erst jetzt ist Testzeit!

Call of Alien-Duty 2.5

Die Ratchet & Clank-Macher von Insomniac Games hatten eine undankbare Aufgabe: Einem neuen System einen Exklusiv-Shooter zu verpassen. Und das in Zeiten, in denen auf einer Xbox 360 Spiele wie das mittlerweile indizierte Gears of War für "Aaahs" und "Ooohs" sorgen.

Doch abgesehen vom Szenario macht das Team seine Sache gar nicht schlecht. Und selbst hier schaffen es die Briten, einem ausgelutschten Thema neue Facetten hinzuzufügen.

"Damn Yankee": Die Hauptfigur Nathan Hale kämpft als Amerikaner in England nicht nur gegen Aliens, sondern auch gegen Viren und Vorurteile...
Denn anstatt einfach einen Zweitweltkriegs-Shooter à la CoD auf die Beine zu stellen, bekommt ihr hier ein Alternativ-Szenario angeboten: Statt einer Nazimacht ist eine abgrundtief böse Alienrasse über russische Umwege in das Europa der vierziger Jahre eingefallen und versklavt die Menschheit - zumindest den Teil, der ohnehin nicht von einem gefährlichen Virus dahin gerafft und zwangsmutiert wurde.

Doch in England rührt sich die letzte Bastion des Widerstands, in die sich zur alles entscheidenden Schlacht auch amerikanische Soldaten einschalten. 

Es liegt an euch als amerikanischer (und infizierter) Soldat Nathan Hale, euch in der gut zwölf bis 15 Stunden dauernden Kampagne von der englischen Provinz über Städte wie Manchester bis ins zerstörte London zu kämpfen, um dort den vieräugigen scharfzahnigen Außerirdischen den extraterrestrischen Hintern aufzureißen, eine Granate einzupflanzen und schnell in Deckung zu gehen&

Auf den ersten Blick bietet die Geschichte nur eine weitere Variante der allseits bekannten Thematik: Man tausche Nazi-Schergen mit Aliens, wandele ein paar Jahreszahlen um und das war´s. Das bleibt leider auch beim zweiten Blick so. Erst nach dem dritten Blick (und einigen Stunden Spielzeit) nimmt die Geschichte Fahrt auf, ihr erfahrt mehr und mehr über eure Figur und die Unausweichlichkeit eurer Mission. Hilfreich, um die Stimmung aufzubauen, ist dabei der Erzählstil: Ihr erfahrt von einer angenehmen Frauenstimme quasi vorneweg, was passiert, wodurch die absolute Unabwendbarkeit geschickt eingeflochten wird. Und so ganz nebenbei haben die Entwickler damit einen Kniff gefunden, die Linearität zu rechtfertigen, die euch auch in vergleichsweise offenen Abschnitten begegnet.

Denn egal, ob ihr euch durch unterirdische Tunnelsysteme kämpft, zerbombte Dörfer durchquert oder durchs winterliche London stapft: Möglichkeiten, sich rechts und links vom vorgegebenen Pfad umzuschauen, gibt es nahezu keine.

Nur in den Sequenzen, in denen ihr mit Fahrzeugen unterwegs seid, habt ihr etwas mehr Freiraum, um von A nach B zu kommen. Aber dennoch bleibt euch Alternative C versagt. Dadurch wird zwar der erzählerische Faden gut zusammen gehalten, aber auch gleichzeitig die Möglichkeit verschenkt, sich von ähnlichen Spielen abzusetzen.

Die Standard-Aliens stellen nur in großen Gruppen ein Problem dar...
Konventionell?

Wie man es von einem Shooter von der Stange (und trotz allem guten Willens ist Resistance nicht viel mehr als das) erwarten kann, sind überall in den Abschnitten Munitionsvorräte und (viel wichtiger) Gesundheitspacks zu finden. Natürlich an strategisch günstigen Stellen, natürlich so, dass der Frust so gering wie möglich gehalten wird.

Wobei das leicht an Halo erinnernde System der Gesundheitsleiste sich ohnehin als sehr fair herausstellt: Insgesamt besteht die Linie aus vier Vierteln. Werdet ihr getroffen und habt die Möglichkeit in Deckung zu gehen, bevor eines dieser Viertel "runter geschossen" wurde, füllt sich eure Gesundheit automatisch wieder auf - ebenfalls bedingt durch die Tatsache, dass ihr als Nathan Hale infiziert wurdet. Geht die Leiste unter die Viertelgrenze muss hingegen ein Erste-Hilfe-Pack eingesammelt werden, um wieder zu voller Energie zu kommen. Diese Methode ist einfach, effektiv und gibt einem als Spieler die Möglichkeit, sowohl für vorsichtiges Agieren belohnt zu werden als auch im Zweifelsfall größere Gegnerstürme (und diesen werdet ihr zwangsläufig begegnen) zu überleben.

           

So konventionell sich Resistance bis hierhin fast in jeder Beziehung gezeigt hat, so sehr lässt Insomniac Games bei der umfangreichen Waffenauswahl die Kreativmuskeln spielen. Hier zahlt sich - vor allem auch hinsichtlich der Mehrspieler-Duelle - die Erfahrung und der Ruf aus, den die Briten mit Spielen wie der Ratchet & Clank-Serie aufgebaut haben. Natürlich findet sich im reichhaltigen Repertoire auch das Standard-MG mit Granatwerfer als Sekundärfeuer.

Doch zielsuchende Leuchtspurgeschosse, Projektile, die an soliden Hindernissen wie Mauern etc. kurz halt machen, bevor sie sich quasi durchbohren und weiterhin eine Gefahr darstellen oder Sniper-Gewehre, bei denen ihr kurzzeitig Bullet-Time aktivieren könnt, findet man nicht in jedem Action-Titel.

Die weitestgehend lineare Welt von Resistance wird von Grau- und Brauntönen dominiert...
Und so gut und interessant viele der Waffen auch sind und so sehr sich Resistance auch bemüht, die zahlreichen Gegnertypen mit Anfälligkeiten für die eine oder andere Wumme auszustatten, kommt man auch mit den Waffen der ersten Stunden sehr weit.

Bei den Bosskämpfen sieht es wieder etwas anders aus, doch für die Standardgegner, die euch über einen Großteil der Solo-Spielzeit bzw. im möglichen Splitscreen-Koop-Modus begegnen werden, reichen Standardwaffen vollkommen aus. Einen "ad hoc"-Online-Koop wie z.B. im indizierten 360-Action-Primus gibt es nicht.

Zu den Gegnern: Deren KI befindet sich im Großen und Ganzen auf üblichen Genre-Standards. Soll heißen, das Spieler, die schon einmal mit einer virtuellen Knarre über sagen wir mal irgendwelche Call of Duty-Schlachtfelder gelaufen sind, kaum Schwierigkeiten haben werden. Kollektives Verhalten findet man nur selten. Die meiste Zeit geht es für die Aliens nur darum, euch so effektiv wie möglich unter Beschuss zu nehmen. Selbst wenn ihr die Flucht ergreift, verfolgen die Aliens euch meist nur bis zu einem bestimmten Punkt und machen dann kehrt. Das ist gut für die Spielbalance und die Fairness, aber sehr schlecht für die Spannung.

Halo 2 hat sie, Gears of War hat sie auch und Resistance bietet sie ebenfalls: Eingestreute Fahrsequenzen. Dabei fallen vor allem zwei Sachen auf: A) die Fahrzeuge werden direkt gesteuert (im Gegensatz zur "Kamerasteuerung" à la Halo) - das ist gut! B) Sitze ich z.B. im Jeep und werde beschossen, nimmt das Fahrzeug keinen Schaden, sondern meine Gesundheitsleiste - das ist schlecht! Denn obwohl Insomniac ein gar nicht mal schlechtes Physiksystem integriert hat (vor allem sichtbar, wenn man mit Granaten Ketten-Explosionen auslöst), ist dies nur ein weiteres Zeichen dafür, dass Interaktion mit der Umgebung im Allgmeinen sehr klein geschrieben wird. Ein paar Einschusslöcher, ein paar zerstörbare Kisten - das war´s im Wesentlichen. Hier wäre definitiv mehr möglich gewesen und ist für Resistance einer der Hauptpunkte, an denen man das Next-Gen-Versprechen definitiv nicht einlösen kann.

Die nächste Generation?

Ich erinnere mich noch gut an Phil Harrisons Aussage, dass die nächste Generation erst dann beginnt, wenn Sony es sagt. Ich hoffe für ihn, dass er angesichts von Resistance bereit ist, den Next-Gen-Start etwas zurück zu halten. Er täte besser daran.

Auch wenn das Next-Gen-Versprechen nicht vollends eingelöst wird: Resistance sieht nicht schlecht aus.
Denn auf den ersten Blick und vor allem in den ersten Abschnitten erinnert Resistance eher an einen leicht aufgewerteten PS2-Titel: Die im Detail aufgeweichten Umgebungs-Texturen sind in etwa so weit von Next-Gen entfernt wie das Grafikdesign der meisten Virtual Console-Titel.

Dieser Eindruck ändert sich aber relativ schnell: Die Texturen werden besser -ohne allerdings irgendwo auch nur ansatzweise in Gears of War-Bereiche zu kommen- und die Areale insgesamt abwechslungsreicher. Gewisse Anleihen bei den üblichen Verdächtigen, angefangen bei den Call of Dutys oder Medal of Honors bis hin zu Prey mit seinen organisch-metallischen Ansätzen, lassen sich zwar auch hier feststellen, doch Insomniac schafft es, sich eine gewisse Eigenständigkeit zu erarbeiten. 

Die Erdtöne, die man von Anfang bis Ende in den verschiedensten Variationen vorfindet, gingen mir persönlich zwar nach einiger Zeit auf den Keks - zumal gewisse Farbtupfer hier und da meiner Meinung nach durchaus auflockernd hätten wirken können, bevor die nächste Bedrohung einsetzt. Doch unter dem Strich erreichen sie ihr Ziel: das Schaffen von Atmosphäre. Und was Resistance hinsichtlich der Texturen und dem Next-Gen-Anspruch vermissen lässt, macht das Gegnerdesign zumindest ansatzweise wieder wett. 

        

Von den "Allerweltsaliens", die ihr dutzendweise in die ewigen Jagdgründe befördert bis hin zu Bildschirm füllenden Bossen lässt Insomniac die Fantasie und in Grundzügen auch die Grafikmuskeln spielen.

Dabei kommt das Variationskarussell für meinen Geschmack zwar etwas zu spät ins Rotieren - doch zu spät, um mich wieder zu packen, war es definitiv nicht.

Keine Angst vor großen Aliens: Mit der richtigen Wumme ist jeder Gegner zu erledigen.
Und in einem Punkt ist Insomniac absolut King of the Hill, der Obermotz, das Maß aller Dinge: Anti-Aliasing. Kaum für möglich gehalten (zumal viele Entwickler es ja grandios versiebt haben) ist Resistance ein Spiel, dessen Grafikmotor nur bei Oberleitungen und hängenden Seilen in extremer Zoomstufe harte Kante zeigt. Der Rest von Resistance zeigt sich angenehm kantengeglättet und gibt Hoffnung für die Zukunft.

Überhaupt deutet sich trotz nicht kompletter Next-Gen-Kulisse das Potenzial der PS3 immer wieder zaghaft an. Gegnermassen zeitgleich mit den teils aufwändigen Waffeneffekten und Explosionen - und das alles ohne spürbare Geschwindigkeitseinbußen. Es geht doch!

Nicht so sehr, dass Phil Harrisons Ansage mit Gewicht versehen wird, aber immerhin...

Rettungsanker Multiplayer?

Bis hierhin ist Resistance nicht mehr (aber auch nicht weniger) als ein guter solider Shooter mit netten Waffen und einem ebenso netten Alternativ-Szenario. Doch um in Award-Bereiche vorstoßen zu können, bleibt die Technik letztlich zu blass und das Spielprinzip zu konventionell. Und dass, obwohl es Insomniac sogar geschafft hat, ein Gamerscore-ähnliches Prinzip zu integrieren: Sowohl für globale als auch für levelspezifische Sonderaktionen könnt ihr "Sonderstatuspunkte" kassieren. Im Gegensatz zum Gamerscore bekommt ihr sogar Belohnungen für Erreichtes: So könnt ihr z.B. Artwork oder eine besondere Skin für den Multiplayer-Modus freischalten. Doch all das kann nicht verhindern, dass Resistance unter der ohnehin nicht auf Hochglanz polierten Oberfläche nicht mehr als ein weiterer Action-Titel ist.

Doch vielleicht schafft es der Mehrspieler-Modus ja die letzten Prozente zu knacken, die zwischen "gut" und "sehr gut" liegen? Mit maximal vierzig Spielern, einer reichen Auswahl an Karten, einem Belohnungs-, Rang- und Medaillensystem ist der Anfang auf jeden Fall gemacht.

Bei unseren Testspielen auf den US-Servern war es auch kein Problem, Server zu finden. Einloggen verlief ebenfalls ohne Schwierigkeiten. Und das Spiel selbst? Lief selbst mit voller Besetzung absolut butterweich - was allerdings angesichts der bereits erwähnten Texturschwächen auch der Fall sein sollte...

Die KI von Mitläufernd und Gegnern ist auf Genre-Standard.
Die Karten sind ausreichend groß, mit gut platzierten Waffen-Punkten versehen und allesamt mit zu wenigen Respawn-Punkten ausgerüstet - an denen meist sowieso irgendwelche Camper auf euch warten. Eventuell wäre es hilfreich gewesen, dem Spieler freizustellen, wo er als nächstes auftauchen möchte.

Auch hinsichtlich der Spielmodi-Wahl wird Konvention der Innovation vorgezogent: Deathmatch, Team-Deathmatch, Flaggenjagd, eine Assault-Variante und Last Man Standing. Hier wäre ebenfalls mehr möglich gewesen.

Ein Punkt, in dem Insomniac sowohl on- als auch offline versäumt hat, Atmosphäre zu schaffen, ist die Soundkulisse. Nur selten werde ich durch die Akustik ins Geschehen gezogen - online sogar fast gar nicht. Alles plätschert irgendwie vor sich hin und ist bar jeglicher Höhepunkte. Selbst bei Kämpfen gegen scheinbar übermächtige Feinde wird Spannung eher durch die Bedrohung an sich als durch gezielt eingesetzte Akustik gebildet.         

Fazit

Ist Resistance ein Shooter der nächsten Generation? Nicht wirklich! Spielerisch mit Ausnahme der fantasievollen Waffen ebenso konventionell wie grafisch über einen Großteil der Zeit spröde, stehen Action-Fans mit Hang zu Solo-Gefechten vor der Wahl zwischen Call of Duty 3 (optisch anspruchsvoller) und der exklusiven PS3-Premiere der Ratchet & Clank-Macher. Wer jedoch vornehmlich Mehrspieler-Fragfesten frönt, wird mit Resistance so glücklich wie mit fast keinem anderen Titel: Mit bis zu 40 Spielern, einem Haufen Modi sowie Rang- und Belohnungssystem geht gehörig der Punk ab. Und hier wird die vermeintlich schwache Kulisse zur geheimen Stärke der außerirdischen Schlachten - denn was in der Kampagne als nicht eingelöstes Next-Gen-Versprechen durchgeht, sorgt dafür, dass auch mit vollem Haus der Grafikmotor online nicht in die Knie geht. Und auch wenn die Geschichte etwas zu spät in Fahrt kommt, man etwas zu spät (aber dann richtig) mit Gegner-Varianten konfrontiert wird und die Waffenauswahl auf lange Sicht trotzdem nicht davon abhält, meist mit den Standard-Wummen den Aliens das Licht auszublasen: Unter dem Strich bietet Resistance auch solo mit seinen gut 15 Stunden Spielzeit gute Unterhaltung. Denn vergessen wir eines nicht: Nicht eingehaltene Sony-Versprechen hin, Gears of War her. Resistance ist ein Starttitel. Grundsolide, saubere, harte Arbeit. Nicht mehr, aber auch wahrlich nicht weniger...

Pro

interessanter Alternativ-Weltkriegs-Shooter
fantasievolle Waffenauswahl
lagfreier Mehrspieler-Modus für bis zu 40 Spieler
Online-Ränge und –Belohnungen
spannende Bosskämpfe

Kontra

grafisch insgesamt unspektakulär
unzureichende Umgebungsinteraktion
kaum fordernde KI
Story kommt etwas spät in Fahrt

Wertung

PlayStation3

Kein optischer Next-Gen-Hammer, aber ein durch und durch solider Shooter!

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