Star Wars: The Force Unleashed18.09.2008, Paul Kautz
Star Wars: The Force Unleashed

Im Test:

Als Jedi hat man's schon nicht leicht: Ständig dieser Moralkodex, immer diese Harmonie mit der Macht und allem Leben, Vorschriften, Vorschriften, nix als Vorschriften. Als Sith ist das Leben angenehmer: Okay, man kriegt mit der Zeit ein Hautproblem, aber sonst kann man mit der Macht und dem Laserschwert fuchteln, wie man gerade lustig ist. Und die coolste Sau von allen steckt im neuen Star Wars-Spiel mit dem bezeichnenden Namen »The Force Unleashed«!

A Sith Lord will walk but never run

 

The Force Unleashed hat nichts mehr mit der gemütlichen Macht der ersten Trilogie zu tun - hier geht's kompromisslos zur Sache!Kashyyyk, 13 Uhr - der Helm sitzt: Darth Vader zückt sein rotes Laserschwert und läuft gemütlich drauflos. Eile hat der dunkelste aller Sith-Lords nicht nötig, seine pelzigen Gegner, Wookies und größere Wookies, kommen ihm ohnehin entgegen gerannt. Ein paar herumstehende Sturmtruppler werden per  Machtstoß auch noch in nahe gelegene Abgründe geschleudert - man will ja nicht aus der Übung kommen. Ein paar Laufminuten sowie einige zerborstene Tore später steht der Röchelatmer einem der letzten Jedi gegenüber, der sich auf Kashyyyk sicher wähnte - einen kurzen, aber intensiven Kampf später dürfte er seine Meinung geändert haben. Doch was ist das? Wo ist auf ein Mal Vaders Lichtschwert hin? Wie konnte ihm dieses doch so harmlos aussehende Kind gerade seine Waffe aus den mächtigen Händen reißen?

Einen Übergang später ist der Junge einige Jahre gealtert: Galen Marek, genannt »Starkiller« (keine Power Play-Witze bitte), ist Vaders geheimer Schüler. Und der mächtigste seiner Art, denn er hat mehr Midichlorianer als Erythrocyten im Blut. Aber wie alle fuchtelfreudigen Jung-Siths ist auch er ein Heißsporn, der von seinem Meister hauptsächlich als Auftragskiller genutzt wird - immer wieder ist es seine Aufgabe, die letzten der Jedi aufzuspüren und zur Strecke zu bringen. Aber im Leben eines Teenagers muss es doch noch mehr geben, selbst wenn er mit einem Fingerschnipsen ganze Sternenzerstörer vom Himmel pflücken kann...

Manchmal möchte ich ein Böser sein

Das Spiel heißt nicht umsonst »The Force Unleashed« (TFU): Hier geht es nicht darum, bedächtig X-Wings aus Tümpeln zu hieven oder vereinzelte Sturmtruppler zu Boden zu werfen. Nein, hier werden Blitzgewitter im Akkord verteilt, AT-STs werden zu handlichen Paketen 

Starkiller hat die Macht - und zwar die Macht, seine Feinde wunderbar rabiat aus dem Weg zu räumen!
komprimiert, Laserschwerter mit Elektroschocks angeheizt und damit nach kreischenden Feinden geschmissen, Rancor-Monster fallen wie übergroße Fliegen, es regnet Kombos, es regnet Gegner, es regnet Macht - und zwar pausenlos auf die bedauernswerten Widersacher herab. Schon die vorherigen Jedi Knight-Teile von Lucas Arts haben die durchsetzungsfreudige Seite des Star Wars-Universums in den Vordergrund gestellt, aber TFU ist all das plus sieben Tonnen Rambo - hier werden mittels der Macht ordentlich Ärsche gekickt!

Lucas Arts setzt auf Mischung aus Nah- und Fernkampf: Für Ersteres ist euer treues Lichtschwert zuständig, welches ihr im Laufe der Zeit über Attribut-Kristalle verstärken und dessen Farbe verändern könnt. Normales Knöpfchendrücken schwingt den bedrohlich brummenden Leuchtsäbel hin und her, wilde Tastenkombinationen führen zu durchschlagskräftigen Kombos - von denen ihr immer mehr freischalten könnt. Für den Fernkampf ist dagegen die Macht zuständig: Ihr könnt Gegner greifen und würgen, die mit geballter Kraft fortschleudern, mit Blitzen um euch werfen oder ein schützendes Druckfeld um euch herum aufbauen. Darüber hinaus steht es euch frei, einen bemerkenswert großen Teil der Umgebung als Waffe zu nutzen: Steine, Kisten, Pflanzen, zappelnde Feinde oder ganze TIE Fighter eignen sich prima als Wurfgeschosse. Außerhalb des Kampfes wird den Machtspielchen 

Mit der Macht könnt ihr nicht nur beliebig mit Gegenständen um euch werfen, sondern auch ganze Gegnerhorden auf ein Mal loswerden.
aber erstaunlich wenig Beachtung geschenkt. Das Leveldesign ist strikt linear, nur gelegentlich, viel zu selten, müsst ihr eure Kräfte kreativ nutzen, um z.B. an ein verstecktes Extra zu gelangen. Mit denen könnt ihr eure Eigenschaften verbessern; es gibt mehr Lebensenergie, das Lichtschwert macht mehr Schaden oder die Macht-Energie regeneriert sich schneller. Und es warten viele, viele Kombos auf ihre Freischaltung, die aber schlussendlich doch meist auf wildes Buttonmashing hinauslaufen. Und warum sollten sie auch nicht, schließlich sind die Standard-Gegner, vom Standard-Sturmtruppler über Jawas, Wookies und Ferucian-Krieger bis hin zum Rancor und AT-ST, alle anderes als Leuchten - und das trotz der Euphoria-KI-Engine, die für cleveres und individuelles Verhalten sorgen soll. Besonders im Falle der Sturmtruppen erinnert das Geschehen meist an ein Star Wars-Moorhuhn, erst die dicker gepanzerten Kaliber liefern zumindest eine gewisse Herausforderung.

            

Interessant wird's erst bei den Bossgegnern, die am Ende der meisten der neun langen Levels warten: Die unterschiedlich starken Jedis, ganz nebenbei sehr kreativ designt, liefern euch Kämpfe, die über mehrere Instanzen gehen, und die allein mit ausdauerndem Knöpfchendrücken nicht zu gewinnen sind. Stattdessen müsst ihr

Die Bossfights sind größtenteils aufregend und actionreich - in jedem Fall aber von vielen Knöpchendrück-Reaktiontests durchzogen.
auf wiederkehrende Angriffsmuster achten, an der richtigen Stelle die Macht einsetzen und natürlich kompetent den Säbel schwingen. Und weil es gerade so in ist, konnte auch Lucas Arts nicht der Versuchung widerstehen, jede Menge Reaktionstests einzubauen, bei denen ein Button angezeigt wird, den ihr schnellstmöglich drücken müsst - zwar ganz nett, aber dadurch achtet man zu sehr auf die Eingabe und weniger auf die eigentliche Boss-nach-allen-Regeln-der-Kunst-verdresch-Animation. Die Reaktionstests sind ziemlich einfach, lassen sie euch doch ziemlich viel Zeit - falls ihr trotzdem einen vermasseln solltet, ist das kein Beinbruch, wird er doch sofort von vorne gestartet. Und falls euch ein Obermotz doch überlegen sein sollte, werdet ihr dankbar dafür sein, dass es innerhalb der Bossfights automatische Checkpunkte gibt. Und falls auch das noch nicht reichen sollte, könnt ihr innerhalb des Spiels jederzeit den Schwierigkeitsgrad wechseln.

Reaktiviert die Knieschoner!

So durchdacht das Speichersystem bei den Übelwutz-Kämpfen auch ist, so nervend kann es im eigentlichen Spiel sein: Freies Speichern ist in Serientradition nicht gestattet, stattdessen seid ihr auf Checkpunkte angewiesen - die meist eklig weit auseinander liegen. Das wäre an sich noch nicht so ein Problem, wären da nicht die unheimlich auf den Geist gehenden, da unerklärlich langen Ladezeiten: Die Levels laden eine halbe Ewigkeit, der letzte Checkpunkt lädt eine halbe Ewigkeit, selbst wenn man im

Bratz den Rancor: Diese Bestien laufen euch immer wieder über den Weg, haben aber einem gut ausgerüsteten Sith kaum etwas entgegen zu setzen.
Pausenmenü zu den Macht-Upgrades wechseln oder frisch freigespielte Klamotten überwerfen will, wartet man ungewöhnlich lang. Doppelt ärgerlich für PS3-Spieler: Das Spiel knapst ihnen knapp drei Gigabyte des wertvollen Festplatten-Speicherplatzes ab, aber die Ladezeiten werden dadurch nicht verkürzt. Immerhin wird durch das dauernde Warten die Spielzeit von durchschnittlich sieben Stunden etwas gestreckt - zumal es keinen Mehrspielermodus gibt, der nachhaltig an Spiels binden könnte. Schade, der indirekte Vorgänger Jedi Academy hatte noch einen - und zwar einen sehr guten!

Einen Trost gibt es: Die Story ist wirklich toll! Und das nicht nur aufgrund des wunderbar zynischen Formwandler-Roboters Proxy. Die Figuren, teils altbekannt, teils neu, sind gut gezeichnet, die Geschichte ist super inszeniert und wird von hervorragender englischer Sprachausgabe begleitet - wobei im Falle vertrauter Star Wars-Figuren leider nicht die Originalsprecher zum Zuge kommen. Die deutsche Fassung ist auch nicht übel, allerdings fehlt ihr das kernige der Ursprungsversion. Und natürlich kommt kein Test eines Star Wars-Spiels ohne auf Knien vorgetragene Lobpreisungen des Soundtracks aus: John Williams' göttliches Thema ist natürlich ebenso vertreten wie weitere populäre Stücke aus den Filmen. Aber auch die Teile des Soundtracks, die nicht aus den begnadeten Händen des Altmeisters stammen, sind jede einzelne Note wert - die sich dynamisch der Action anpassenden Stücke rechtfertigen ebenso ein Aufdrehen der Stereo-Anlage wie die fantastischen Surround-Soundeffekte!

     

Sturmtruppen-Bowling

Die Levels sind ideenreich und inspiriert designt - aber sehr schlauchförmig, außerdem wird die Macht fürs Fortkommen kaum genutzt.
 Optisch ist TFU ein zweischneidiges Lichtschwert: Auf der einen Seite sind die großen Levels wirklich kreativ und inspiriert designt; ob imperialer Sternenzerstörer, gigantischer Schrottplanet oder lebendig wabernde Pilzwelt - der Aufwand und die Liebe zum Detail sind beeindruckend. Auch die Effektfraktion kommt nicht zu kurz, genauso wenig die die Abteilung, die auf cool inszenierte Zwischensequenzen steht - kein Grund zur Klage hier. Und man kann einen beeindruckend große Teil der Umgebung richtig schön machtvoll zerschmettern: Wenn Holztore splitternd bersten und massive Metallwände lässig einfach wie Büroklammern verbogen werden, dann entfaltet TFU ein herrlich dreckiges Machtgefühl - werft einfach mal eine solide Kiste in eine Scheibe eines Sternenzerstörers, wenn ein paar Sturmtruppen daneben stehen: Der Sog ins Vakuum ist herrlich befriedigend! Oder andersrum: Ladet den Machtstoß bis zum Maximum auf und entladet diese Wut in eine Gruppe Weißpanzer - die poltern daraufhin wie tollwütige Flipperkugeln durch die Gänge.

Auf der anderen Seite verschwindet alles Kaputte und Leblose nach wenigen Sekunden ins Nirvana: Tote Gegner und zerbrochene Levelteile lösen sich in Wohlgefallen aus, was das Sekunden zuvor entstandene Chaos-Gefühl erfolgreich zunichte macht. Okay, große Teile blockieren den Weg und die Sicht, von daher ist das schon (nicht zuletzt aus Rechenzeitgründen) sinnvoll. Aber allein der Spieleinstieg demonstriert deutlich die Nachteile dieses Systems: Die Kamera schwenkt auf Vaders Rücken, zu seinen Füßen liegen tote Sturmtruppler - und sobald man den dunklen Lord selber steuert, verschwinden sie wie durch Geisterhand. Das hat übrigens nichts mit einer geschnittenen deutschen Version zu tun, denn das passiert in allen Fassungen.

Die Macht ist nicht mit dem Zielsystem: Theoretisch könnt ihr die halbe Umgebung als Waffe nutzen, praktisch macht genau das die Funktion zunichte - bis das richtige Objekt in Starkillers Sichtbereich ist, vergeht oftmals unnötig viel Zeit mit Kamerafummelei.
Viel ärgerlicher wirken da noch die offensichtlichen Grafikmacken: Wer kein Tearing verträgt, sollt TFU gänzlich meiden, denn das nachziehende Bild ist vielmehr Regel als Ausnahme - genau wie kleinere Ruckler oder ein merkwürdiger Grafik-Schluckauf, der das Bild immer wieder für einen kurzen Moment stocken lässt. Das Ruckeln ist auf der PS3 übrigens noch etwas ausgeprägter als auf der 360, wobei beide Varianten ansonsten identisch sind. Das betrifft auch die Kameraführung, die auf weitem Feld keinerlei Probleme macht, innerhalb enger Räume (wie den Höhlen auf Ferucian oder den Gängen eines Sternenzerstörers) platziert sich die automatische Ansicht oft unpassend, manchmal sogar mitten in ein Hindernis hinein - dann ist man damit beschäftigt, die Perspektive zu korrigieren statt die Gegner zu zerschnetzeln. Dazu passend ist das Zielsystem oftmals ein Stolperstein: In der Theorie könnt ihr die meisten Objekte manipulieren; sobald sie in Starkillers Sichtfeld geraten (das wohlgemerkt nicht der Perspektive des Spielers entsprechen muss) und blau leuchten, können sie per Machtgriff geschnappt werden. Das Problem dabei: Es gibt verdammt viele Objekte. Eines davon ganz gezielt anzuvisieren ist unheimlich schwer und inmitten eines Kampfes überhaupt nicht zu machen. Und wenn ihr es dann mal habt, ist die 3D-Steuerung relativ krampfig und schlecht abzuschätzen - selbst nach den vielen Tutorials fühlt sich die freie Kontrolle von Objekten niemals flüssig an. Genauso wenig übrigens wie der Doppelsprung, bei dem man immer das Gefühl hat, dass Starkiller in der Luft stolpert.

    

Fazit

The Force Unleashed ist der Anakin Skywalker unter den Star Wars-Spielen: Es hat ebenso viele dunkle wie helle Seiten! Die Präsentation ist toll, von den inspiriert designten Levels über die kraftvollen Effekte bis hin zu den wunderbar brachial zerberstenden Objekte ist der optische Eindruck ein Genuss. Die Bossfights: Meist ein Riesenspaß. Die grundsätzlichen Kämpfe: Ein wunderbar auf den Punkt gebrachtes Actionfest - es geht einfach nichts über das Gefühl, mit einem von Elektroschocks aufgeheizten Laserschwert innerhalb einer Gruppe Sturmtruppler für Panik zu sorgen. Der Soundtrack: Ein Traum! Und doch zücke ich nicht wild dreistellige Wertungen, denn das Spiel hat einige wahnsinnig ärgerliche Macken: Die mistige Kameraführung, die innerhalb enger Räume völlig versagt, war oft genug Grund für Fehlsprünge oder unerwartete Bildschirmtode - die wiederum lange Ladepausen nach sich zogen. Das vermasselte Zielsystem sorgt in Kombination mit der fummeligen 3D-Steuerung dafür, dass man die an sich faszinierenden Möglichkeiten der Macht-Manipulation nach kurzer Zeit links liegen lässt, weil sie im Sith-Alltag einfach viel zu unpraktisch sind. Von technischen Macken wie dem ständigen Tearing, dem Ruckeln oder den frappierend lange ladenden Menüs fange ich gar nicht erst an - dass man allerdings nach dem famosen Jedi Academy auf einen Mehrspielermodus verzichtet hat, tut wirklich weh. Am Ende bleibt eines der besten Star Wars-Games der letzten Jahre, das ein würdiger Nachfolger der ruhmreichen Jedi Knight-Reihe geworden wäre, wenn es sich nicht selbst das Leben unnötig schwer machen würde.

Pro

dichte Star Wars-Atmosphäre
interessante Story
brillanter Soundtrack
sehr gute Sprachausgabe
gute Grafik
inspiriertes Leveldesign
tolle Animationen
herrlich rabiate Physiknutzung
exzellenter Surround-Sound

Kontra

fieses Tearing
gelegentliches Ruckeln (auf PS3 noch ausgeprägter)
unpräzises Zielsystem
merkwürdiger Grafik-Schluckauf
oftmals kontraproduktive Kameraführung
unnötig komplizierte 3D-Macht-Steuerung
keinerlei Mehrspielermodi

Wertung

360

Atmosphärisches und wunderbar brachiales Star Wars-Actionfest - das an ärgerlichen technischen Macken krankt.

PlayStation3

Die PS3-Fassung hat etwas stärker unter dem Ruckeln zu leiden, entspricht aber sonst der 360-Version.

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