Uncharted: Drakes Schicksal03.12.2007, Jörg Luibl
Uncharted: Drakes Schicksal

Im Test:

Sir Francis Drake starb im Jahr 1596. Aber noch heute lässt sein Name jeden Engländer mit stolzer Brust seufzen. Gerade in diesen schweren Zeiten, mit der verpatzten EM-Qualifikation im Rücken, erinnert man sich gerne an die glorreichen Taten des Freibeuters: Kaperfahrten, Weltumseglung, Kampf gegen die Armada! Und jetzt will sein Nachfahre das Gold der Spanier suchen. El Dorado in Sicht? Konkurrenz für Lara Croft?

Tomb Raider Man

Nathan Drake, wie er kämpft und lebt: Der Nachfahre des berühmten englischen Seefahrers Sir Fancis Drake sucht in Südamerika den Schatz der Spanier. Gibt es ein Eld Dorado?
Er sieht aus wie die britische Antwort auf Ricky Martin: Ein smarter Typ, die Jeans sitzt, das schwarze Haar ist gut frisiert. Er klettert und ballert schon in den ersten Missionen wie die männliche Antwort auf Lara Croft. Hey, Naughty Dog, wolltet ihr "Tomb Raider Man" machen? Wahrscheinlich ja. Und zwar in aller plagiatfreudigen Konsequenz. Aber warum auch nicht? Das Team hat`s bekanntlich drauf: Mit Crash Bandicoot haben sie weltweit Erfolge gefeiert, bevor sie sich mit Jak and Daxter in Sachen Charakterdesign, Technik und Kulisse auf der PS2 selbst übertrafen - das Spiel ist bis heute ein kleiner Schatz für Jump`n Run-Fans.

Auch auf der PS3 blitzt das Talent der Kalifornier sehr schnell auf. Die Spielmechanik wirkt nach den ersten Missionen mit ihrem Mix aus Kampf und Kraxelei eher gewöhnlich, die Spielkulisse wirkt hingegen schon auf den ersten außergewöhnlich brillant. Wenn man an all die Kinderkrankheiten dieses schwarzen Flaggschiffs denkt, an Kanten, Flimmern und technisch schwache Umsetzungen, dann tut das Abtauchen in diese wunderbar designte Welt Südamerikas richtig gut.

Faszinierende Dschungelruinen

Blauer Himmel, strahlende Sonne, überwucherte Ruinen: Die Reste spanischer Kolonialherrschaft und indianischer Kultur sorgen für pompöse Schauplätze.
Neben Heavenly Sword gehört Uncharted nicht nur zu den schönsten Abenteuern auf Sonys Konsole - es gehört im Bereich der Oberflächen, der Architektur und der Lichteffekte zum Besten, was mir bisher plattformübergreifend begegnet ist. Und wenn man Naughty Dog glauben darf, nutzen die Kalifornier bisher nur 30% der "Cell-Power". Natürlich muss man das mit der nötigen Zurückhaltung genießen, aber diese PS3-Premiere sieht einfach außergewöhnlich gut aus. Und bis auf das gelegentliche Nachladen einiger Texturen läuft das Abenteuer sauber und butterweich, allerdings nicht in einer Auflösung bis zu 1080p.

Eigentlich bin ich kein Grafikfetischist, aber diese abrupten Wechsel der Farben, von gleißendem Sonnenschein zu kühlem Schattenblau, oder diese sanft fließenden Übergänge von Ober- und Unterwelt, sorgen für unheimlich idyllische Eindrücke. Man hat wirklich das Gefühl, diesen Dschungel Schritt für Schritt entdecken zu können. Und immer wieder ertappt man sich dabei, wie man L2 drückt, um die Kamera ganz nah über die Schulter zu ziehen und die beeindruckende Architektur zu bestaunen: Plötzlich bohrt sich irgendwo eine moosbefleckte Mauer in die Höhe, irgendwo wird eine Kuppel sichtbar und man betritt einen graugrünen Garten aus Säulen, Fenstern und Simsen. Man entdeckt feine Reliefs mit den Göttern indianischer Kulturen, überwucherte Mosaike am Boden oder fleckige, von Ranken überwucherte Statuen und Ruinen der Spanier. Kurzum: Dieses Abenteuer sieht teilweise aus "wie gemalt".

            

ICO lässt grüßen

Ich schwärme sehr ausführlich von der Kulisse? Ja. Ich hätte auch nicht gedacht, dass mich ein Spiel noch mal an die

Enorme Sichtweite, famose Architektur, waghalsige Sprünge: Uncharted serviert euch Kletterpassagen in atemberaubender Kulisse.
schönsten Szenen aus ICO erinnern könnte, an diese monumentale Pracht und dieses herrliche Spiel mit dem Licht. Wenn man mit Drake klettert, kann man sich der Ähnlichkeiten hinsichtlich der Sprungtechnik, der Kulisse und Perspektivwechsel nicht entziehen: Da ist diese mächtige Steilwand. Die Kamera fährt fast zurück an den Horizont, die Sonne brennt sich in den kalkweißen Putz einer mächtigen Festung. Ihre Ausmaße? Gigantisch. Wie ein Monument längst vergangener spanischer Macht ragt sie an der Küste empor. Man bekommt ein Gefühl von der fremden Größe und der eigenen Mickrigkeit - und das wesentlich intensiver als im letzten Tomb Raider .

Da ist dieser kleine Drake, der gefühlte hundert Meter über den weiß umschäumten Klippen taumelt. Er hangelt sich an schmalen Simsen entlang, bevor er mit einem gewagten Schwung den nächsten Vorsprung ergreift. Er schnappt sich eine Liane, um mit ihr akrobatisch à la Prince of Persia an der Wand entlang zu laufen, Tempo zu gewinnen und eine weit entfernte Kante zu erreichen. Steine bröckeln, Drake flucht und er zieht sich in letzter Sekunde ächzend die rettende Mauerkante hinauf - zwei Möwen lassen ihre Beute liegen, heben ab und kreischen ihren Ärger in die Stille hinein. Drake rappelt sich auf, die Musik hebt an, die Kamera schwenkt und man genießt die atemberaubende Aussicht auf das azurblaue Meer - Idylle pur, reif für die Postkarte, fast wie Urlaub.

Wasser & Jetski

Drake ist zwar die einzige spielbare Figur, aber nicht allein unterwegs: Sein mysteriöser Seniorkumpel und eine schlagfertige Reporterin begleiten ihn.
Okay, Drake kann tatsächlich nicht tauchen (Hey Naughty Dog, warum zeigt ihr mir dieses fantastische Wasser und lasst mich nicht rein?) und es gibt keine offene Spielwelt à la Crysis oder The Elder Scrolls IV: Oblivion , sondern begrenzte Levelstrukturen. Dort, wo man so gerne weiter in das wilde Grün vordringen würde, wird man leider von unsichtbaren Grenzen und geschickt platzierten Büschen aufgehalten. Aber dafür sieht der Dschungel hier selbst in entfernten, vollkommen unwichtigenn Ecken klasse aus! Man bewegt sich ganz nah ran an einen Felsen und erkennt unheimlich körnige Oberflächen - selbst im voll aufgedrehten Crysis oder einem Call of Duty 4 sieht das nicht besser aus. Man läuft durch tropische Farne und die Blätter bewegen sich mit - in Mass Effect blieb alles steif.

Man brettert auf einem Jetski einen Fluss hinauf, schießt zwischendurch auf bedrohlich schwappende Dynamitfässer sowie lästige Banditen, staunt dabei über smaragdgrünes Wasser und Stromschnellen in einer fast fotorealistisch wirkenden Schlucht - ich sage selten Wow, aber hier rutscht es immer wieder raus. Das Majestätische wird hier fast greifbar, wenn beindicke Wurzeln im Weg liegen oder Bäume hoch wie Türme in den Himmel ragen. Level für Level begegnen euch noch mehr tiefe Schluchten, verlassene Ruinen, Katakomben und dunkle Grüfte. Man vermisst allerdings Leben am Boden - also Schlangen, Krebse, Spinnen. Aber dafür fliegen immer mal wieder Vögel auf oder ein knallbunter Tucan gleitet plötzlich ein paar Meter über Drakes Kopf hinweg.

   

Historisches Erbe

Genug von der Kulisse geschwärmt, hinein in die Story und Spielmechanik: Dieser Drake stammt tatsächlich vom berühmten

Immer mitten rein: Drake schießt nicht nur, sondern schlägt auch kräftig zu - die Nahkämpfe sind elegant und werden sehr gut choreografiert.
Sir Francis Drake ab - jedenfalls trägt er nicht nur dessen Ring mit geheimen Koordinaten an seinem Hals, sondern auch dessen Tagebuch in der Hose. Er wirkt aber trotz seiner historisch beachtlichen Herkunft und Spanischkenntnisse weniger wie ein archäologischer Haudegen der Marke Indiana Jones, sondern eher wie ein forscher Glücksritter der Marke Terence Hill. Er kann ähnlich hart zuschlagen und ähnlich viele Feinde über den Jordan schicken - inklusive trockenem britischen Humor. Er ist ein wenig tollpatschig und die deutsche Stimme überträgt so manche peinliche Momente richtig gut: Er stößt sich den Kopf, taumelt an einem Abgrund oder kracht durch morsches Holz. All das lässt ihn wie einen Helden zum Anfassen wirken.

Dabei wird er zu Beginn von einem alten Freund und einer Reporterin begleitet. Sie helfen ihm automatisch beim Öffnen von schweren Türen oder im Kampf - allerdings agieren sie komplett unabhängig; Drake kann ihnen keine taktischen Befehle geben. Beide sorgen immerhin für einige Überraschungen in der Story und geben ab und zu Hinweise. Trotzdem wirken sie jederzeit eher wie begleitende Sidekicks denn echte Charaktere, weil man viel zu wenig über ihre Biographien erfährt und sie nicht gezielt ansprechen kann. Die Mimik befindet sich zwar nicht auf dem Niveau eines Mass Effect, aber sie wirkt sehr natürlich. Und die Gestik sowie die Bewegungen wurden dank Motion Capturing sehr gut eingefangen: Selbst kleinste Szenen wie das Ansehen einer Truhe oder das Schwenken einer Zigarre wirken lebendig.

Nicht nur Dschungel, Ruinen und Katakomben - auch ein altes deutsches U-Boot dient als Schauplatz.
Im Zentrum steht allerdings nur einer und das ist Drake. Und der hat richtig viel Halsbrecherisches und Schussgewaltiges zu tun. All das macht er nur, um einem magischen Ziel näher zu kommen, das so viele Abenteurer bereits in den Wahnsinn trieb: Dem Schatz. Dem sagenumwobenen El Dorado. Diesem goldenen Mythos der Spanier, der versunkenen Stadt irgendwo im wilden Dschungel Südamerikas. Nicht nur Schriftsteller und Glücksritter zieht die Aussicht auf unermesslichen Reichtum an, auch Gangster und Kriminelle wollen die Früchte der vergoldeten Frührente genießen. Leider verpasst es Naughty Dog trotz gut inszenierter Zwischensequenzen, hier wirklich charismatische Antagonisten aufzubauen. Die zwei Typen, die einem begegnen, übernehmen quasi ohne Biographie einfach so die Feindbildrolle. Also streckt Drake die vielen Namenlosen nach allen Regeln der ballistischen Kunst nieder...und das immer wieder...

Wildwest in Südamerika

Erinnert ihr euch an die Schusswechsel in Tomb Raider? Grausames Akrobatiksaltogeballer. Erinnert ihr euch an die in Gears of War? Aktive Deckungsaction! Und genau das gibt's auch hier: Drake schmiegt sich an die Felswand, bei jedem Treffer zuckt er sichtbar zusammen. Wenn er sich weiter nach rechts bewegt, bleibt er selbst dann in Deckung, wenn aus der haushohen Wand eine hüfthohe Mauer wird; er geht also auch in Bewegung automatisch in die Knie - sehr schön! Es gibt keine Heilpakete: Bei einem Treffer verschwindet erst etwas und dann komplett die Farbe aus dem Spiel, was auf den baldigen Tod hindeutet. Wartet Drake ein paar Sekunden, dann erholt er sich und das Bild wird wieder prächtig bunt. 

    

Geschossen wird komfortabel aus geschützten Position heraus. Das Ziel müsst ihr selbst anvisieren, wobei sich das Fadenkreuz angenehm punktgenau bewegen lässt. Selbst wenn ihr nur die Schulter eures Feindes in 50 Metern Entfernung seht, könnt ihr sie sehr schnell aufs Korn nehmen. Physikalisch unrealistisch, aber besonders ansehnlich und dazu nützlich ist das Anvisieren im Moment des Hängens: Drake baumelt an einem Abgrund, über ihm schlagen die ersten Projektile ein und er kann die Feinde aus sicherer Stellung ins Fadenkreuz nehmen.

Mit dem Granatwerfer in die Vollen: Drake kann sich hinter Mauern, Fässern und Bänken verstecken und geschickt aus Deckung heraus feuern.
Die Schusswechsel laufen sehr dynamisch ab, das Krachen von Schrot und Desert Eagle sorgt schnell für Lust am gut getimten Headshot - eure Erfolge in dieser Disziplin werden übrigens genau so gezählt wie Knockouts. Jeder Kugeleinschlag hinterlässt je nach Trefferzone klasse animiertes Zurückzucken, Feinde brechen seitlich ein oder überschlagen sich im Fall von schwerem Kaliber auch mal in der Luft. Manchmal fühlt man sich wie im Wilden Westen und ärgert sich im Projektilrausch darüber, dass man neben den Granaten nur zwei Waffen tragen darf - einen Pistolentyp, einen Gewehrtyp. Da man jederzeit genug Munition und Alternativen findet, kann man aber immer auf andere Schießprügel wechseln; vom Colt über die Ak-47 bis zum Granatwerfer ist alles dabei.

Gegnerwellen & Anspruch

Allerdings nutzen sich die explosiven Scharmützel auf Dauer etwas ab. Sie werden nicht langweilig, aber es fehlt ihnen an Variation. Erstens streckt man Welle für Welle an Gangstern nieder, ohne dass mal ein besonders mächtiger Gegner auftauchen würde - man vermisst angesichts der Masse so etwas wie Bosskampfstimmung. Naughty Dog hätte hier vielleicht ein, zwei schlagfertige Typen aufbauen müssen, die etwas mehr Taktik verlangen. Zweitens stellt sich die KI der normalen Feinde trotz überraschend lebendiger Stellungswechsel in den ersten zehn Kapiteln etwas zu plump an - meist verharren sie taktisch unklug und manchmal schießen sie aus weiter Distanz sinnlos in Wände.

Die Kämpfe beginnen eher harmlos, aber spätestens, wenn euch Spezialeinheiten mit Scharfschützen ins Visier nehmen, wird es knifflig.
Trotzdem bleibt die Action auf dem normalen Schwierigkeitsgrad eine Herausforderung, weil man keinerlei automatische Zielhilfe bekommt und bei stupiden Frontalattacken auch schnell das Zeitliche segnet. Eines machen die Gegner nämlich richtig gut: Drake auf Trab halten. Sie werfen Granaten gezielt in eure Richtung, schießen aus der Distanz mit Granatwerfern und Scharfschützengewehren, während sie weiter vorne von Deckung zu Deckung huschen, um euch näher zu kommen. Zwar sind sie nicht so aggressiv beim Stürmen wie die Feinde in Gears of War, aber diese Aktionen bringen frischen Wind in die Schusswechsel.

Spezialeinheiten & Nahkämpfe

Und später, vor allem im letzten Drittel, wird es dank der Spezialeinheiten endlich kniffliger - hier hatte ich mehr Shooterspaß als in Call of Duty 4 ! Ein Treffer und Drake ist tot. Man muss über geschicktes Ausweichen und elegantes Abrollen ihren Infrarotstrahlen entkommen, bevor man sie aufs Korn

Auch Drake darf ab und zu weit entfernte Feinde aufs Korn nehmen. Aber Vorsicht: Meist hat er dafür nurdrei, vier Kugeln zur Verfügung.
nehmen kann. Da sie besser geschützt sind, vertragen sie manchmal drei, bis vier Treffer. Da lohnt es sich auch, auf den letzten Metern in den Nahkampf zu gehen.

Der wird übrigens überraschend kernig inszeniert: Neben einfachen Fausthieben kann Drake dahin treten, wo es richtig weh tut, und richtig akrobatisch zulangen. Es gibt einige Schlagkombinationen, die nicht nur sehr gut animierte Boxszenen zeigen, sondern auch fast an Wrestling erinnernde Sprungangriffe, wenn der Brite mit zwei Beinen an den Hals seines Opfers springt, um es über eine wuchtige Drehung zu Boden zu reißen. Insgesamt macht Drake im Kampf eine sehr elegante gute Figur. Kurzum: Das Kampfsystem erinnert in Ansätzen an Gears of War, ist weitaus dynamischer als in Kane & Lynch und eine Welt besser umgesetzt als im letzten Tomb Raider, nur auf lange Sicht etwas zu redundant.  

Der Schwierigkeitsgrad beim Klettern ist zwar nicht besonders hoch, liegt aber eindeutig über dem der letzten Larasprünge, die man ohne einen einzigen Sturz meistern konnte. Hier sind die ergreifbaren Simse zwar sichtbar, werden aber nicht noch

Sehr oft wird Drake von seinen Gegnern umzingelt - dann heißt es: Schnell sein, abrollen, in Deckung springen, feuern! Die Gefechte sind angenehm dynamisch und werden hervorragend inszeniert. 
für Blinde zum Glitzern gebracht - deshalb springt man hier auch mal in den Tod. Und in den späteren Levels gibt es auch in den weitläufigen Kathedralen und Gemäuern einige anspruchsvolle Kletter- und Sprungpassagen, die gutes Timing verlangen. Allerdings nie so viel wie in einem waschechten Jump`n Run alter Schule - die Toleranzen für den letzten rettenden Griff sind hier immer spürbar. Trotzdem freut man sich über die automatischen Speicherpunkte, die manchmal nur wenige Meter vor dem letzten Ableben liegen. Das ist ein Komfort, den alle Spiele bieten sollten.

Und Sixaxis? Man braucht die bewegungssensitive Steuerung nur in ein paar Situationen. Einmal beim Balancieren über Baumstämme, wobei man Drakes Gleichgewicht durch das Kippen halten muss - das ist sinnvoll, macht Spaß, wird aber nur ein, zwei mal wirklich gebraucht. Außerdem kann man den Wurfwinkel der Granaten über Sixaxis steuern - das ist in der Praxis selten notwendig, da der Analogstick quasi dasselbe leisten kann. Und schließlich braucht man Sixaxis noch zum Abschütteln von Feinden, falls diese sich auf Drake gestürzt haben. Unterm Strich gibt es also nur eine sanfte Einbindung der umstrittenen Steuerung, die weder besonders gut noch schlecht ausgefallen ist.

Tagebuch & Schätze

Hell un Dunkel, innen und außen, Licht und Schatten: Die Palette an farblichen und atmosphärischen Eindrücken ist eine reiche. Uncharted setzt auch plattformübergreifend technische Zeichen.
So genial das Szenario inszeniert wird, so schade ist es, dass Naughty Dog das interessante historische Potenzial etwas verschenkt. Oder gibt der Charakter einfach nicht mehr her? Ja, ich will auch Action und Abenteuer. Nein, ich will kein kulturhistorisches Seminar. Aber hätte man das Erbe von Sir Francis Drake nicht etwas deutlicher machen und den Mythos um El Dorada nicht wenigstens in Ansätzen mit den Rätseln und Schätzen verknüpfen können? Ich werde so verdammt neugierig gemacht, ich werde von der Grafik-Engine so verwöhnt, kann aber so wenig unter der karibischen Oberfläche nach Erkenntnissen tauchen. Uncharted hätte mit einem besseren erzählerischen Rahmen weitaus mehr sein können als ein spannendes Action-Adventure.

Für das Tagebuch interessiert sich Drake z.B. nur an ganz bestimmten Stellen des Spiels - man kann aber nicht frei darin blättern! Warum nicht? Ich will wühlen, stöbern und neugierig gemacht werden! Das ist für Hobbyschatzsucher ebenso oberflächlich und schade wie die Tatsache, dass all die Kostbarkeiten der Ureinwohner und Konquistadoren so lieblos in den Levels verteilt werden. Lieblos deshalb, weil sie einfach irgendwo funkeln und eingesammelt werden können, um später Boni freizuschalten - das ist zwar für mich interessanter als ein blödes 360-Achievement, das mir nur mehr Gamerscore bringt. Aber mal ehrlich: Ich will kein zweites "Kostüm" jagen, hinter dem sich bloß ein schnödes Langarm-T-Shirt von Naughty Dog verbirgt, ich will auch nicht Schwarz-Weiß zocken oder spiegelverkehrt, ich will mehr Interaktion im Abenteuer! All die herrlich designten und frei drehbaren Figuren, Statuetten und Kostbarkeiten haben keinerlei erzählerische Anbindung an das Szenario - es gibt null Text, null Verknüpfung, diese 60 Schätze sind einfach da. Ist das nicht ein wenig Design vor die Säue werfen? Hätte man mit diesen Schätzen nicht auch mal ein Rätsel verknüpfen können?

    

Historisch oberflächlich

Natürlich ist das nur ein Action-Adventure, aber gerade die Kulturen Südamerikas hätten so leicht, so viele Ansatzpunkte

Der fiese Granatwerfer hat ausgeschossen: Manchmal hilft es, sich schnell aus der Deckung heraus auf Feinde zu stürzen.
bieten können, um das Ganze wenigstens etwas zu vertiefen oder noch bessere Rätsel einzubauen. Gerade die nur sporadisch auftauchenden Knobeleien hätten eine nachvollziehbare Einbindung in die Spielwelt gebrauchen können. Drake muss zwar keine Kisten verschieben wie anno dazumal Lara, aber dafür Hebel und Schalter bedienen. Auch das ist theoretisch eine willkommene Abwechslung, aber nur ganz selten kommt es mal zu einem Logikrätsel mit Symbolen - und dann ist es entweder stupide einfach oder so abstrus zu entziffern, dass man die Designer verfluchen will. Insgesamt sorgen diese ruhigen Passagen ja dennoch für Abwechslung vom Actionalltag. Doch so gut Naughty Dog in Sachen Kulisse, Kraxelei, Leveldesign und Kampfdynamik auch ist, so unterdurchschnittlich sind sie letztlich in Sachen Rätseldesign. Es gibt einige Kopfnüsse, man freut sich darüber, aber das geht weitaus besser!

Und warum hat man die Reaktionsspielchen so selten genutzt? Wenn schon Quick-Time-Reactions, dann bitte anspruchsvoller! Resident Evil 4 hat gezeigt, wie man es machen muss. Ab und zu gibt es eine Szene, in der man schnell

Drake erkundet verschachtelte Katakomben, in denen diverse Tür- und Druckmechanismen warten. Diese Rätselelemente sorgen für angenehme Abwechslung.
eine Taste drücken muss, um z.B. einem herunter fallenden Gegenstand auszuweichen - es gibt kurz Herzklopfen, dazu eine Cutscene, sehr schön. Aber erstens kommt das viel zu selten vor, wird dazu nicht über weitere Tastenkombinationen vertieft und zweitens wird das auch für so langweilige Aktionen wie das schnelle Betätigen eines Rades benutzt, damit sich irgendwo eine Tür öffnet. Dafür hätte man sich die Reaktionsspielchen auch sparen können. Erst im finalen Kampf nutzt man diese Herzklopf-Mechanik gezielter, dann aber leider in nervender Trial&Error-Manier...

Versöhnende Joker

Aber Naughty Dog kann diese Schwächen im Adventure-Bereich des Spiels im letzten Drittel ausgleichen. Da wird endlich mal die komplette Umgebung in eine Art Rätselspielplatz verwandelt: Drake muss Zahlenplatten folgen und nacheinander bestimmte Mechanismen in Gang bringen, um vom Startpunkt zum Ziel zu gelangen. Das Leveldesign ist hervorragend, der Schwierigkeitsgrad ist angenehm und man fühlt sich angesichts all der Apparaturen und Räderwerke fast an Myst erinnert. Außerdem durchbricht man hier endlich den Wechsel von Ballerei und Rätselei, den man bis dahin fast immer vorausahnen konnte, indem man Drake schon während des Knobelns attackiert - sehr gut!

Im letzten Drittel wird es nochmal richtig düster: Aus dem hellen karibischen Flair wird langsam eine schattige Dunkelheit. Lauert dort noch etwas anderes als Banditen? Dieser Hauch von Horror tut dem Spiel richtig gut...
Auch die Dramaturgie kann letztlich noch einen versöhnenden Joker zücken: Es gibt etwa nach der Hälfte der Spielzeit endlich eine kleine atmosphärische Überraschung, die das andeutet, als Drake & Co einen aufgespießten Banditen finden. Aus der karibischen Helligkeit wird dann langsam eine leicht gruselige Dunkelheit. Das liegt an den immer düsteren Katakomben und Grüften und dem Hauch von Horror, den man plötzlich zu spüren glaubt: Wer hat diesen Mann auf bestialische Art und Weise getötet? Was sind das für seltsame Fußspuren? Und ist noch etwas anderes in diesem Dschungel unterwegs als Schatzjäger? Mit diesen Fragen sorgt Naughty Dog für eine angenehme Wendung, die die Hoffnung auf Survival-Horror aufkeimen lässt - und die wird nicht enttäuscht. Ohne zu viel verraten zu wollen: Die Monotonie der Gegner wird in den letzten Kapiteln ebenso aufgebrochen wie die scheinbar durchschaute Story.

Vielleicht hat Naughty Dog diese wohltuende Wendung etwas zu spät und etwas zu plötzlich in das Finale des Abenteuers eingeflochten. Vielleicht hätte man schon vorher ein paar mysteriöse Spuren auslegen sollen, die misstrauisch und neugierig machen. Und hier kommen wieder all die Schätze ins Spiel, die man so findet: Gerade über diese Kostbarkeiten oder alte Notizen oder seltsame Geräusche hätte man wunderbar erste Indizien auf das Unheil streuen können, das euch im Finale übermannt. Wie dem auch sei: Unterm Strich sichert sich Uncharted gerade aufgrund dieses angenehm bösen Stimmungswechsels letztlich den verdienten Gold-Award.     

Fazit

Endlich wieder ein exklusives Highlight für die schwarze Kiste! Seit 2001 entwickelt Naughty Dog mittlerweile für Sony und dieses Uncharted tut der PlayStation 3 richtig gut: Dieses fantastische Licht. Diese beeindruckende Architektur. Diese monumentale Pracht. Das einsame Kreischen der Möwen. Eigentlich habe ich nicht mit mehr als einem "Tomb Raider Man" gerechnet. Und das ist es unterm Strich auch. Aber diese intensiven Farbwechsel und diese wie gemalt wirkenden Schauplätze wecken wohlige Erinnerungen an die Atmosphäre eines ICO. Hinzu kommen halsbrecherische Klettereien und knackige Kämpfe, die sich aufgrund des dynamischen Deckungssystems zwei Klassen besser anfühlen als bei Lady Croft - wenn die Desert Eagle kracht, dann kommt richtig Spaß auf. Leider stellt sich nach gewisser Zeit trotz des karibischen Panoramas eine leichte Monotonie ein, wenn sich Welle um Welle an Banditen aus dem Dschungel ergießt. Die Regie ist gut, die Musik ist heroisch, die deutsche Sprachausgabe ist gelungen, aber man vermisst charismatischere Antagonisten und so etwas wie ein Bosskampfgefühl. Außerdem werden sowohl die historischen Bezüge zu Francis Drake als auch die Reaktionstests und das Rätseldesign viel zu oberflächlich mit dem Spielerlebnis verknüpft. Man will tiefer abtauchen, mehr erfahren, anspruchsvoller knobeln, kann das aber nicht! Das Spiel hätte mit mehr erzählerischen Schliffen und innovativeren Rätseln noch kostbarer funkeln können. Es ist eben ein Action-Adventure mit starker Betonung auf dem ersten Teil. In technischer Hinsicht ist Drakes Odyssee nach El Dorado ein kleines Juwel. Und im letzten Drittel zücken die Kalifornier noch einen Joker, der für eine angenehme dramaturgische Überraschung sorgt: Aus der Schatzjagd im gleißenden Sonnenlicht wird plötzlich ein Kampf ums Überleben in düsteren Katakomben - inklusive Taschenlampe und Horrorstimmung. Dieser atmosphärische Wechsel tut dem Abenteuer an der richtigen Stelle richtig gut. Unterm Strich erstklassige Unterhaltung in ausgezeichneter Kulisse. Naughty Dog? Ich will einen Nachfolger!

Pro

karibische Prachtkulisse
überraschend dynamische Schusswechsel
dramaturgisch gelungener Stimmungswechsel im letzten Drittel
spannende Kletterpassagen
einige Schalter- & Symbolrätsel
lebendige Mimik & Gestik
klasse Architektur & Lichteffekte
sehr plastische Oberflächen
einige pompöse Steilwandszenen
coole Nahkämpfe+ sehr gutes Deckungssystem
gute deutsche Lokalisierung
sehr gute Animationen
epische Musikuntermalung
intuitive Steuerung

Kontra

recht lineare Wege
kaum erzählerische Hintergründe
auf Dauer etwas eintönige Kämpfe ( man vermisst Bosskampf-Spannung)
zu wenige gute Rätsel
Drakes Tagebuch nicht immer einsehbar

Wertung

PlayStation3

Besser als Tomb Raider und eine monumentale Kulisse, die an Ico erinnert. Das bisher schönste Spiel auf der PS3.

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