NBA 0812.02.2008, Benjamin Schmädig
NBA 08

Im Test:

Sonys Sportabteilung präsentiert ein Basketballspiel, das sich zwischen NBA 2K8 und NBA Live 08 beweisen muss. Doch anstatt neue Akzente zu setzen, versinkt die Korbjagd im Niemandsland der Belanglosigkeit. Wir haben uns in die Hochglanzarenen begeben, erfolgreich nach Punkten - aber vergeblich nach Spielspaß gejagt. Warum lässt das Spiel so kalt? Warum kommt keine Begeisterung mit Shaq & Nowitzki auf?

Angetan oder abgeturnt?

Das Parkett erstrahlt auf PS3 in vollem HD (1080p), die Umgebung spiegelt sich im lackierten Holz, das Publikum sieht trotz Klonfaktor gut aus, das Menü hat mehr Stil als die von EA und 2K zusammen, Sony bietet jede Woche fünf neue Herausforderungen zum Download an und die Steuerung ist auf beiden Konsolen wohltuend eingängig. Der Soundtrack hat's mir sogar richtig angetan,

NBA 08 (ab 11,57€ bei kaufen) will ganz oben mitmischen. Gelingt Sony ein großer Wurf? (PS3)
weil sanfter bis harter Rock dem Hip Hop-Klischee trotzen. Und dann steht man plötzlich auf dem Court - wo Sony anscheinend die Zeitmaschine zurückdreht, denn Basketball in dieser Form war vor etlichen Jahren mal modern.

Daran sind zum einen die behäbigen Reaktionen der Profis Schuld, denn schnelle Richtungswechsel mögen die Athleten nicht. Stattdessen traben sie ähnlich wie ihre EA-Kollegen so lange in ihre Richtung, bis sie den aktuellen Move beendet haben. Falls der kurz vor der Seitenlinie beginnt, hat man also Pech gehabt. So wird's auch vor dem gegnerischen Korb schwierig; zumal flotte Angriffe schon deshalb selten glücken, weil sich die trägen Sportler gerne buchstäblich in der Abwehr festlaufen, ohne dass man sie noch steuern könnte. Tatsächlich "springen" Verteidiger, die nicht direkt an ihrem Mann stehen, wie von Geisterhand in dessen Laufbahn, sobald er den Pass fängt - eine ärgerliche Alternative zum intelligenten Gegnerverhalten. Gelingt trotzdem mal ein Dunk, verdankt man ihn meist dem selbstständig zum Ziel ziehenden Automatismus nach Antippen der Korblegertaste.

O'Neal ohne Rumms

Dummerweise freut man sich sogar über diese "Zielautomatik", weil sich selten mal ein Teamkamerad von sich aus freiläuft. Seltsam: Bei gehaltenem Alley-Hoop-Knopf schneiden sie plötzlich durch die Abwehr wie ein heißes Messer durch die sprichwörtliche Butter... Taktisch geht's bei 2K zu, mit Einschränkungen auch bei EA, Sony bringt hingegen die Spielhalle ins Wohnzimmer: Man findet sich schnell zurecht, nimmt dafür aber weniger Tiefgang in Kauf. Per Digipad gibt man vier Spielzüge vor und im Menü darf der Trainer drei unterschiedliche Aufstellungen fordern - das war's. Zudem fehlen Finessen wie jene, die man wie bei 2K8 mit dem rechten Stick einleitet: Es gibt zwar Finte, Crossover,

Ob PS2 (Bild) oder PS3: Das Spiel fühlt sich ernüchternd altmodisch an.
Drehung sowie Seitwärtsschritt, abgesehen davon bleibt die Trickkiste der Sony-Profis aber ernüchternd übersichtlich. Auf PS3 darf man zudem per Sixaxis-Gefuchtel tricksen; das Controller-Rütteln und -Kippen unterbricht allerdings eher das Spiel als dass es unterstützt.

Nun stinkt mir das Arcade-Spielgefühl weder im Allgemeinen noch bei NBA 08 im Besonderen! Das Problem ist nur, dass es mich hier absolut kalt lässt. Der Ball wird von rechts nach links gedribbelt, jemand schießt gen Korb, ein anderer dribbelt von links nach rechts, man registriert das im letzten Jahr noch fehlende, halbwegs unterhaltsame Kommentatoren-Duo, nimmt das Fehlen einer schick inszenierten Halbzeitbilanz zur Kenntnis und irgendwann ist die Partie vorbei. Das Blöde ist: Die Entwickler verzichten nicht nur auf eine ausgewachsene Simulation - sie inszenieren nicht einmal ihr Arcade-Basketball so krachig, dass es RUMMS macht, wenn O'Neals Direktanlieferung den Korb penetriert. Selbst wenn ein Dunk per Zeitlupe zelebriert wird, sieht man zu, nickt ab und drückt den Langweiler weg. Von Vorteil ist die lasche Regie nur dann, wenn sie wohl wissend auf ausführliche Nahaufnahmen der starren Gesichter verzichtet. Man rennt, man dribbelt, man schießt - dem Sony-Dribbling fehlt jedwede eigenständige Note.     

Der Oldie dankt ab

Selbstverständlich darf man auch hier einzelne Partien austragen, eine komplette oder gekürzte Saison erleben, mit bis zu drei Kumpels etliche Minispiele zocken (die unglücklicherweise alle aufs Gleiche hinauslaufen: Körbe schießen) und Karrieren starten. Wobei sich Letztere auf PS2 und PS3 deutlich voneinander unterscheiden. Denn wo man auf Sonys betagtem Bestseller exklusiv eine in professionell inszenierten Filmen erzählte Handlung erlebt, steht in der aktuellen Generation die Entwicklung des hier wie da selbst kreierten Spielers im Vordergrund. Auf der alten Konsole

Der Trainer eures Teams kündigt seinen Ausstand zum Ende dieser Saison an. (PS2)
marschiert dieser dabei nicht nur von einem Match zum nächsten: Man besteht Prüfungen, Testspiele sowie Trainingseinheiten, für die der Trainer Ziele diktiert - mal soll ein bestimmter Profi eine bestimmte Anzahl Punkte machen, mal müssen Assists zugespielt werden. Interessant ist dabei der rote Faden, denn besagter Trainer kündigt seinen Rücktritt zum Ende der laufenden Saison an. Ist das Sonys Abschied von der alten Generation?

PS3-Athleten erleben keine solche Karriere; dafür ernten sie mit jedem Spiel - egal ob im Rahmen der Meisterschaft, während separater Partien, im Minispiel oder online - Punkte, welche sie in Werte und Ausrüstung ihres Alter Ego investieren. Dabei gelangt man mit einem der Druck auf die Starttaste von jedem Punkt aus zu jenem Menü, in dem die Fähigkeiten erweitert und das Aussehen angepasst werden. Außerdem kann man dort sehen, welche speziellen Vorgaben man für besonders viele Punkte erfüllen könnte. Darunter fallen z.B. der Sieg in mehreren Online-Partien, der Gewinn des Saisonpokals und ein paar Dutzend weitere Herausforderungen. Das erinnert an The Crown auf PSP (NBA Live 08) und mir gefällt's. Ich werde nicht zum sturen Abklappern der Ziele gezwungen, heimse quasi nebenbei Erfolge ein und stelle den so aufgebauten Athleten schließlich im von mir bevorzugten Team auf - egal, ob offline oder online.

Physiklos

Die Sache hat allerdings einen Haken, denn mit einem guten 3-Punkte-Werfer versenkt man das runde Orange beinahe todsicher im Korb; das gilt selbst dann, wenn der Werfer gedeckt wird. Nun gibt es unter den lizenzierten Namen nur wenige, die enorme Vorteile jenseits der 6,25m-Linie hätten - dem selbst erstellten Charakter lassen sich gottgleiche Werferkünste allerdings schon nach einer Hand voll Spiele

Als Foto durchaus brauchbar. In Bewegung fallen die starren Gesichter allerdings negativ auf. (PS3)
zuweisen. In Onlinepartien hört man somit verdammt häufig Bemerkungen wie: "Number (Nummer des selbst erstellten Athleten) hits for three." Kein katastrophaler Fehler, aber ein blödes Ärgernis!

"Vorteil" für PS2-Besitzer: Sie gehen gar nicht erst online. Zwar dürfen auch PS3-Profis ausschließlich separate Partien austragen - das Fehlen ist trotzdem ärgerlich. Zudem können die Anhänger des älteren Systems auch nicht die fünf wöchentlichen Herausforderungen herunterladen, mit denen Spieler der aktuellen Generation die besten Momente der laufenden Saison nachspielen. Nicht zuletzt krankt ihre Version an einer selbst für PS2-Verhältnisse mäßigen Kulisse. So kommt viel deutlicher als auf PS3 zum Vorschein, dass sich der Ball ohne das physikalisch korrekte Anschubsen des Werfers bewegt und dass Letzterer gerne mal seinen Arm durch das Brett bewegt, an dem der Korb hängt. Von der deutlich unspektakuläreren Benutzerführung mal ganz abgesehen: Wo die PS3 schon beim Einschalten Lust aufs Spiel macht, führt die PS2 durch herkömmliche Menüpunkte. Warum eigentlich? So reißt die "kleinere" Variante nicht nur ähnlich wenig vom Hocker wie ihr großer Bruder - sie wirkt regelrecht ernüchternd. Falls Sony die Serie auf seiner alten Konsole tatsächlich einstellt: Gut so.     

Fazit

Schrecklich! Nicht das Spiel, wohl gemerkt, sondern der Text dazu. Was soll man schon sagen, wenn die Entwickler kaum etwas falsch machen, aber sich ebenso wenig hervortun? Das gilt zumindest für die PS3-Version, wo NBA 08 dank Online-Partien und der motivierenden Entwicklung des selbst erstellten Profis sehr rund wirkt. Der wie aus dem Parkett geschnitzte Stern, um den sich die Menüpunkte drehen, macht Lust auf Basketball - egal ob Arcade oder Simulation. Doch Sony bietet weder noch. Die Konkurrenz zu Live 08 und 2K8 liegt zwar gut in der Hand, bietet aber weder Tiefgang noch herrlich überzeichnete Dunks oder Emotionen. Passt schon, geht aber deutlich besser! Unangenehme Schnitzer wären zudem vermeidbar gewesen, z.B. die bereits im letzten Jahr ärgerlichen, fast bombensicheren 3-Punkte-Werfer. Was umso mehr für die noch älteren PS2-Basketballer gilt. Die erleben zwar mit The Life Vol. 3 eine halbwegs gut erzählte Geschichte, ärgern sich allerdings über die fehlende Onlineanbindung, eine Kulisse von vorgestern sowie lange Ladezeiten. Wie bewertet man ein Spiel, das weder begeistert noch überrascht oder enttäuscht? Man hakt das ernüchternde Mittelmaß ab und freut sich auf NBA 2K9.

Pro

sehr schickes Menü (PS3)
motivierende Spielerentwicklung (PS3)
wöchentliche, "reale" Herausforderungen (PS3)
gute Team-Verteidigung
abwechslungsreicher Soundtrack
unterhaltsame "The Life"-Karriere (PS2)

Kontra

Steuerung reagiert zu träge
Spieler ziehen oft selbstständig in eine Richtung
behäbiges Angriffszüge und Offensiv-KI
Dreier-Würfe zu einfach
steife Bewegungen, Clippingfehler
"Überprofi" ist viel zu schnell gebastelt (PS3)
keine Online-Turniere (PS3)
kein Onlinespiel (PS2)

Wertung

PlayStation3

Eingängige Steuerung, schicke Präsentation - aber ein durchweg ernüchterndes Spiel.

PlayStation2

Hoffentlich Sonys letzter Auftritt in dieser Form. Dieses NBA ist grafisch und spielerisch überholt.

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