Valkyria Chronicles07.11.2008, Benjamin Schmädig
Valkyria Chronicles

Im Test:

So eine Allergie ist furchtbar anstrengend: Taschentücher kauft man ständig und ausschließlich im Vorteils-Pack, von Pflanzen und Gräsern hält man sich besser fern und an bestimmten Dingen macht man nicht einmal die Kneifzange schmutzig - z.B. an Äpfeln, Birnen und dem ausgetrampelten "Weltkrieg im Videospiel". Umso bemerkenswerter, dass ich es kaum erwarten konnte, Valkyria Chronicles (ab 12,99€ bei kaufen) endlich in den Händen zu halten. Selbst jene, die auf den Zuruf "Rundentaktik" umgehend Ausschlag bekommen, sollten vor diesem liebevollen Gemälde innehalten...

Geschichte Alternativ

Europäische Geschichte à la Sega: Europa (das hier auch im Englischen so heißt) hatte Anfang des 20. Jahrhunderts bereits einen Welt... Verzeihung: Europäischen Krieg (EW I) zwischen dem östlichen Imperium und der westlichen Föderation überstanden und trägt nur zwanzig Jahre später den EW II aus. Auch dieser Konflikt entbrannte dabei um Ressourcen, genauer gesagt um Ragnite, das nicht nur als Treibstoff verwendet wird. Der ganze fiktive Kontinent befindet sich also im Krieg.

Ganz Europa? Nein! Denn die unbeugsamen Gallians hören nicht auf, dem Imperium Widerstand zu leisten. Scheinbar ist den finsteren Imperialen das friedliebende Land einfach ein Dorn im Auge...

Es ist bemerkenswert, wie tief die japanischen Entwickler in Mythen und Geschichtsbüchern gewühlt haben, um den ansonsten vollkommen fiktiven Kontinent aufzubauen. Da gibt es u.a. den Befehlshaber der imperialen Truppen, dessen goldener Lorbeerkranz und weiße Uniform dem alten Rom zuwinken. Da ist das Volk der

So schön sehen nicht nur die Zwischensequenzen aus, sondern jede einzelne Szene.
nordischen Valkyrur, die den Kontinent vor etwa zwei Jahrtausenden vereinten. Die Entwickler greifen sogar das Thema Rassismus auf, wenn sie die ausschließlich schwarzhaarigen Darcsens als ein verhasstes Volk darstellen.

"Wie du und ich"

Ihr Spiel ruft aber nicht "Sei ein guter Mensch!", während es den Zeigefinger nach oben richtet. Vielmehr nutzt es die Versatzstücke, um das frei erfundene Szenario sowie die zahlreichen Charaktere greifbar zu machen. Wer deshalb ein packendes Kriegsdrama erwartet, wird allerdings enttäuscht, denn erzählerisch kommt Valkyria Chronicles selten über das Niveau einer durchschnittlichen Anime-Serie hinaus. Hin und wieder wirkt der Krieg zwar bedrückend, mitunter sogar beängstigend. Meistens werden gefühlvolle Momente aber konsequent totgeplappert, bevor die einmal angerissenen Emotionen ins Herz durchsacken. Nicht zuletzt haben die Charaktere genug alberne Momente, für die ich mich selbst als unbeteiligter Beobachter schämen musste.

Umso erstaunlicher ist es, dass mir die Figuren und die Verteidigung ihres Landes trotzdem ans Herz gewachsen sind! Es hat u.a. damit zu tun, dass ich hier keinen einzigen namenlosen Infanteristen in den Kampf schicke, sondern wichtige Vorlieben und Abneigungen von Alex, Edy oder Marina kennenlerne. Es hat auch damit zu tun, dass sich die Kameraden kurz von mir verabschieden, wenn ich sie aus dem Team schmeiße und mich grüßen, wenn ich sie zurückhole. Dass die Kamera für jeden Spielzug von der unpersönlichen Übersichtskarte nahtlos auf die gewählte Einheit zoomt, spielt ebenfalls eine Rolle - genau wie die Tatsache, dass eure Männer und Frauen sogar sterben können, nachdem ihr sie drei Runden lang habt bewusstlos liegen lassen. Es hat damit zu tun, dass ein lebendiger Funkverkehr fast immer zu der aktuellen Situation passt. Und es hat auch damit zu tun,  dass die Autoren ihre Figuren sehr liebevoll zeichnen. Denn Welkin, Isara, Rosie, Alicia und wie sie alle heißen bleiben stets "Einer wie du und ich" - einschließlich ganz normaler Träume und liebenswerter Macken wie Largoswitzige Vernarrtheit in frisches Gemüse. Schade nur, dass vielen deutschen Spielern die Feinheiten der

Sega zeichnet ein naives Bild des Krieges, inszeniert aber fordernde Rundentaktik.
Erzählung verborgen bleiben, weil Sega auf eine Lokalisierung komplett verzichtet: Nicht einmal deutsche Untertitel oder Menütexte war der Titel den Japanern wert, lediglich das Handbuch wurde übersetzt. O-Ton-Fans freuen sich immerhin über die optionale japanische Sprachausgabe.

Bebilderte Schönheit

Vor allem sind es aber die scheinbar handgefertigten Malereien, die aus der trockenen Rundentaktik eine impressionistische Liebeserklärung machen. Denn jedes Bild, von der Karte des Schlachtfeldes über die Filmszenen bis hin zum unmittelbaren Zoom aufs Schlachtfeld, könnte ein bewegtes Gemälde sein. Selbst das Menü, in dem ihr wie in einem alten Wälzer die Seiten umblättert, hält den ehrwürdigen Stil aufrecht. Im Hauptmenü stellt ihr eine Truppe aus bis zu 20 Soldaten zusammen, wertet eure Einheiten im Training auf, schaltet Stück für Stück die wie in einem Sammelband angeordneten Filmsequenzen frei, kauft bessere Ausrüstung oder wühlt im ausführlichen Glossar. Zwischen zwei Missionen vergeht so im Handumdrehen eine halbe Stunde und mehr - was eine Idee zu lange sein kann, wenn man heiß auf den nächsten Kampf ist. Die Gefechte selbst dauern allerdings noch einmal bedeutend länger: Wer nicht gerade darauf aus ist, so schnell wie möglich das gegnerische Lager einzunehmen (was leider eine bessere Bewertung bringt), darf viel Zeit auf dem Schlachtfeld einplanen. Und auch das trägt dazu bei, dass Valkyria Chronicles greifbarer wirkt als das flotte Verschieben weit entfernter Spielfiguren.

Etwa zehn Soldaten müsst ihr zu Beginn an den Startgebieten platzieren, wobei ihr diese Einheiten aus den 20 wählt, für die ihr euch zuvor im Hauptmenü entschieden habt. Nur Welkin, Sohn eines legendären Panzer-Generals und Befehlshaber eures Regiments, führt mit dem Panzer seines Vaters  jedes eurer Gefechte an. Alle anderen Charaktere dürft ihr nach Belieben aufstellen. Veteranen am Schaltpult müssen übrigens umdenken, weil das Platzieren von möglichst vielen schlagkräftigen MG-Trägern oder Scharfschützen selten den gewünschten Erfolg bringt - "Schuld" daran ist der ungewöhnliche Ablauf der Scharmützel.

Des Kommandanten Punkte

Denn obwohl Valkyria Chronicles sehr stark auf den Mechanismen herkömmlicher Rundentaktik aufbaut, hat ein frischer Wind meine gewohnten Vorgehensweisen ordentlich durcheinander gewirbelt. Hier kann ich nämlich jede Einheit beliebig oft ziehen. Sie darf sich zwar wie üblich nur so weit bewegen, wie es ihre Aktionspunkte zulassen und nur eine Aktion (Schießen oder Heilen) pro Runde ausführen - das kann sie allerdings so oft tun, wie man es für nötig befindet. Die einzige Einschränkung, auf die ihr ein Auge haben müsst, ist die Anzahl so genannter Kommandopunkte: Jeder Zug kostet einen solchen Punkt. Und damit wird es eben knifflig.

Angenehm knifflig, wohl gemerkt, denn das Prinzip erlaubt taktische Varianten, die mit der herkömmlichen Begrenzung nicht möglich sind. So könntet ihr z.B. einen eurer Soldaten über die halte Karte schicken - taktischen Sinn und Unsinn mal außen vor gelassen. Zumal die Truppen nach jedem Zug so viele Aktionspunkte verlieren, dass sie nach spätestens vier Zügen kaum noch zehn Meter weit kommen. Es kann zwar sinnvoll sein, mit möglichst wenigen Einheiten möglichst schnell zum Ziel vorzurücken - was dem Spiel nicht gut tut - im Allgemeinen ist der Verlust von Aktionspunkten aber eine wirkungsvolle Einschränkung. So wenig also der

Wer Alicia mit in den Kampf mit, freut sich über einen zusätzlichen Aktionspunkt.
Ansturm mit nur einem Soldaten wäre, umso effektiver kann dass jeweils zwei- oder dreimalige Schießen mit wenigen, gut platzierten Einheiten sein. Ein beschränkter Munitionsvorrat schiebt auch hier dem Ausbeuten dieser Möglichkeit einen Riegel vor.

Er liebt mich, er liebt mich nicht...

Solche Überlegungen sowie das Abwägen, ob man nicht lieber einen schwach geschützten Infanteristen in Sicherheit bringt, anstatt den Kommandopunkt für einen fast sicheren Treffer zu opfern, lassen die Scharmützel ungewöhnlich lebendig und dynamisch wirken. Hinzu kommt das Wissen, dass euch nicht verwendete Befehlspunkte für die nächste Runde gutgeschrieben werden und dass ihr sie auch nutzen könntet, um besonders mächtige Attacken auszuführen oder für eine Runde die Fähigkeiten eurer Soldaten zu steigern. Und nicht zuletzt gibt es da noch Welkin: Wenn die schweren Ketten seines "Edelweiss" getauften Stahlrosses durch Stadt, Wald und Wüste donnern, bietet er seinen Kameraden Schutz, nimmt mit einem Schuss Verteidigungswälle auseinander und lehrt jedem Feind das Fürchten - von den ebenso schweren, später sogar deutlich mächtigeren Panzern seiner Widersacher einmal abgesehen. Doch der Preis für einen solchen Vorstoß ist hoch: Jeder Zug der Edelweiss kostet zwei der meist etwa zehn Kommandopunkte...

Richtig: Damit steht euch für jeden Soldaten im Schnitt ein Zug zur Verfügung. Ihr solltet zudem bedenken, dass Alicia, Largo und Rosie als zentrale Figuren nicht nur am Leben bleiben müssen; ihr erhaltet pro Person auch einen zusätzlichen Befehlspunkt, falls ihr sie im Feld einsetzt. Und selbst dann müsst ihr noch überlegen. Denn was, wenn einer eurer besten MG-Schützen ein "Alicia-Hasser" ist? Und was, wenn der dafür in Frage kommende Ersatz keine Freunde im Team hat? Es klingt vielleicht banal, aber wenn ihr zwei befreundete Kameraden Seite an Seite in den Kampf schickt, steigert ihr deren Kampfkraft nämlich deutlich. Stehen die beiden nebeneinander, erhalten sie nicht nur einen Boost im Angriff oder in der Verteidigung; einige Partner feuern auch automatisch auf das Ziel ihrer Kumpels. Ich habe oft genug einem besten Freund beim Namen genannt und ihm

Das Spiel hat zwar Schwächen, ist aber durchgehend taktisch fordernd.
kameradschaftlich auf die Schulter geklopft. Im Gegenzug sinkt die Moral solcher Einheiten, die neben verhassten Kameraden stehen müssen. Die Charaktere erhalten nicht nur Profil; ich habe das ungewohnt gute Gefühl, einige von ihnen richtig kennenzulernen!

Nur ein taktisches Leichtgewicht?

Abgesehen davon hat jeder Soldat eine Vielzahl von Vorlieben, Abneigungen oder besonderen Fähigkeiten, die sein Vermögen in bestimmten Situationen beeinflussen. Wer einen "Pollenallergiker" im Wald einsetzt, ist jedenfalls selbst schuld; wer eine Mission im Dunkeln ohne einen Scharfschützen mit "Nachtsicht" angeht, sowieso. Und wenn ein Soldat sich im Schützengraben Angst bekommt, müsst ihr ihn eben woanders postieren. Auch das unkomplizierte Training von Welkins Regiment nützt euch am ehesten, wenn ihr die Eigenschaften eurer Soldaten richtig einzusetzen wisst. Zielgenauigkeit, Schussstärke oder Ausweichverhalten ändern sich nämlich auch dann kaum, wenn ihr etliche Erfahrungspunkte in den Stufenaufstieg gepumpt habt. Stattdessen erhalten eure Kameraden mit jedem zweiten Level eine neue Fähigkeit. Müsst ihr also jeden der zahlreichen Charaktere mühsam aufpäppeln, bis ihr endlich eine schlagkräftige Truppe führen dürft?

Mitnichten, denn - auch das ist ungewöhnlich - ihr trainiert nur die jeweilige der fünf Charakterklassen. Sprich: Selbst wenn ihr erst spät einen bestimmten Scout erhaltet, befindet sich dieser von Beginn auf der Stufe aller anderen Scouts. Fünf Klassen (Scout, MG-Schütze, Raketenwerfer, Scharfschütze sowie Mechaniker) klingt dabei nicht viel; in der Tat beschränkt sich Valkyria Chronicles in allen Belangen auf das Wesentliche, anstatt mit den endlosen Möglichkeiten eines Disgaea zu punkten. Es ist aber trotzdem kein taktisches Leichtgewicht. Im Gegenteil: Wegen der verschiedenen Eigenschaften gleicht kein Scharfschütze dem nächsten und die fünf Einheitentypen werden eure grauen Zellen schon deshalb auf Trab halten, weil ihr in Versorgungslager so lange Verstärkung rufen dürft, bis ihr die maximale Truppenzahl erreicht. Ist ein schwacher, dafür doppelt so schneller Scout besser als der behäbige Kamerad mit dem Raketenwerfer oder braucht ihr gar einen Mechaniker, weil Edelweiss Schaden nimmt? Mehr noch: Ihr ruft nicht nur die Reserve in den Einsatz, ihr könnt die Soldaten in den Lagern auch vorübergehend aus dem Kampf zurückziehen - was selbstverständlich Platz für Verstärkung macht.

Schulterblick statt Schiebung

Das Verwalten der Einheiten bietet in Valkyria Chronicles vielfältige Möglichkeiten - hier machen die Entwickler nahezu alles richtig. Und auch in Bezug auf herkömmliche Taktiken funktioniert ihr Spiel nahezu reibungslos. So nehmen Charaktere, die sich ins hohe Gras legen oder hinter Sandsäcken in Deckung gehen, weniger Schaden. Scharfschützen können ungedeckte Feinde hingegen oft mit nur einem Kopfschuss ausschalten. Wer einen Gegner von hinten angreift, richtet außerdem bedeutend mehr Schaden an und Aussichtspunkte erhöhen die Übersicht. Am Prinzip ändert sich nichts, obwohl ihr eure Einheiten per Schulterblick selbst steuert, anstatt Kästchen- oder Hexfeld-Inhalte zu verschieben.

Ungewöhnlich fühlt es sich trotzdem an, wenn man vom gemütlichen Blick auf die Übersichtskarte direkt ins Gefecht gesogen wird und dort aktiv Entscheidungen treffen muss. Entfernungen lassen sich hier unten z.B. schlecht abschätzen; diese kleine Ungewissheit, ab wann der Gegner (ebenfalls in Echtzeit) das Feuer eröffnet, macht das Vortasten spannend. Außerdem entscheidet ihr nicht über trockene Menüpunkte, ob ihr auf Kopf oder Körper schießt, sondern zielt unmittelbar mit dem Analogstick. An dafür vorgesehenen Stellen geht euer Soldat schließlich per Knopfdruck in Deckung oder sucht Schutz im hohen im Gras. Das bedeutet leider auch,

Die Protagonisten entspannen sich auf Welkins Edelweiss.
dass ihr ausschließlich an den vorgesehenen Punkten in Deckung gehen dürft - und das, obwohl sich die Einheiten hin und wieder sehr wohl auf den Boden schmeißen, falls sie während des gegnerischen Zugs unter Beschuss geraten.

Abgesehen davon hat Sega die automatische Verteidigung aber vorbildlich gelöst, denn auch eure Truppen feuern selbstständig zurück, sobald ihnen ein Feind vor die Flinte springt. Denkbar unglücklich sind nur Situationen, in denen ein Soldat einen in Deckung hockenden Gegner umgeht. Letzterer genießt nämlich selbst dann den kompletten Schutz seines Verstecks, wenn ihm der Feind aus unmittelbarer Nähe von hinten in den Kopf schießt. In solchen Momenten wünsche ich mir für einen Nachfolger, dass die Entwickler das direkte Eingreifen in den Kampf konsequenter umsetzen und sich die Werte für Tarnung, Deckung oder Treffsicherheit aus der tatsächlichen Situation ergeben. So merkt man Valkyria Chronicles manchmal zu sehr an, wie stark es trotz des persönlichen Blickwinkels mit den herkömmlichen Mechanismen verwurzelt ist. Auch schlecht markierte oder unsichtbare Levelgrenzen sind ein Ärgernis, wenn unverschuldete Fehltritte wertvolle Aktionspunkte kosten.

Sichtsperren

Und so schön die Übersichtskarte mit ihren dreidimensionalen Strukturen auch ist, so schlecht kann man zu Beginn eines Gefechts die Größenverhältnisse ablesen. Den Zoom aufs Schlachtfeld gibt es immerhin erst, wenn man die erste Einheit bereits setzen will - dann fehlt allerdings der Überblick über die Gesamtsituation einschließlich der noch vorhandenen Kommandopunkte. Informationen über Höhenunterschiede lassen sich zudem so schlecht ablesen, dass man von oben erst mit ausführlicher Kenntnis vom Einsatzgebiet vollkommen sinnvolle Entscheidungen treffen kann. Der wichtigen Übersicht kommt das wunderschöne Gemälde leider etwas in die Quere. Die ebenfalls schönen, wenn auch mit sinistren Kanten gezeichneten imperialen Truppen, stellen sich der perfekten Illusion zusätzlich in den Weg, denn der Feind nutzt selten seine kompletten Kommandopunkte, wodurch ihm etliche sichere Abschüsse entgehen. Genau so wenig darf es passieren, dass

Ungewöhnlich für Rundentaktik: manuelles Zielen.
ein halbtoter Gegner nichts Besseres zu tun hat, als frohen Mutes vor das MG meiner Edelweiss zu rennen. So sehr es den dynamischen Scharmützeln gelingt, Personen statt Material in den Vordergrund zu stellen, so sehr haben viele meiner Siege den faden Beigeschmack, dass ich nur aufgrund offensichtlicher Fehler den Sieg davontragen konnte.

Ähnlich unausgereift wirken auch optionale Geplänkeln, die ihr abseits der Handlung schlagt, sei es zur Übung oder zum Sammeln von Erfahrungspunkten. Eine gute Idee, auf die ich mich normalerweise dankend stürze - weil ich hier jedoch nur einige der bereits gewonnenen Kämpfe beliebig oft wiederholen darf, treibt mich ausschließlich die Pflicht des Stufenaufstiegs noch einmal in den Kampf. Immerhin lockern wenige Gefechte, die sich um eine Nebenhandlung der Geschichte um Welkin und sein Team drehen, den militärischen Alltag etwas auf. Ungeduldige dürfen sogar die Filmszenen überspringen oder die Nebenhandlungen auslassen. Trotzdem kann die Zeit im Hauptmenü etwas lang werden, weil der Plot in zahlreichen Anime-Sequenzen erzählt wird, das Trainieren sowie Aufrüsten von Soldaten und Edelweiss Zeit kostet und sich regelmäßig neue Rekruten zur Wahl stellen. Ich wünschte deshalb, dass ich die immer gleichen Handgriffe etwas schneller erledigen könnte - schließlich sehne ich mich danach, so schnell wie möglich zurück zu meinen Leuten zu kommen, um an der Seite meiner Kameraden das Imperium aus unserem bildschönen Gallia zu vertreiben!

Fazit

Valkyria Chronicles läutet mit Sicherheit keine neue Ära des Geschichtenerzählens  ein - dazu bedient es sich viel zu oft bei herkömmlichen, manchmal sogar albernen Klischees. Im Gegenzug wirkt dafür jede Szene des liebvoll gezeichneten Comics, egal ob im Menü oder mitten auf dem Schlachtfeld, wie ein zum Leben erwecktes Gemälde. Und Sega kümmert sich nicht nur um das Äußere: Mich beeindruckt vor allem, wie lebendig die Figuren dieses Kriegsdramas scheinen. Zum ersten Mal nehme ich in diesem Genre nicht nur Einheiten wahr, die in Zwischensequenzen auftreten, sondern ziehe mit bekannten Kameraden in den Kampf. Die vor allem auf dem Schlachtfeld wichtigen Charaktereigenschaften bauen die Persönlichkeiten sogar noch weiter aus. Gerade wegen der ungewöhnlichen, teilweise in Echtzeit ablaufenden Gefechte, ist es allerdings umso auffälliger, dass sich die Entwickler zu stark an den für sie nicht mehr zeitgemäßen Mechanismen festhalten. Die eingeschränkte Übersicht sowie einige taktische Ungereimtheiten, besonders auf Seiten der imperialen Truppen, versäuern zudem so manchen Sieg. Trotzdem: Der packende Freiheitskampf macht schnell vergessen, dass der Zweite Europäische Krieg im Grunde nur die romantische Verklärung des trockenen Zweiten Weltkriegs ist. Selbst mit Allergie gegen das gemeine Weltkriegs-Szenario sehne ich jedenfalls den Tag herbei, an dem Sega die Tore in dieses Europa erneut aufstößt!

Pro

ungewöhnlich dynamischer Ablauf
forderndes Verwalten der Kommandopunkte
Wechselspiel zwischen Rundentaktik und Echtzeit-Entscheidungen
wunderschöne "von Hand gezeichnete" Bilder
meist lange Missionen statt kurzer, belangloser Gefechte
übersichtliche, taktisch sinnvolle Truppen-Typen
glaubwürdiger, situationsbezogener Funkverkehr
greifbare Figuren mit interessanten Charakterzügen
einfaches Verteilen von Erfahrungspunkten
zusätzliche optionale Gefechte und Handlungsstränge

Kontra

KI macht blöde Fehler und nutzt nicht alle taktischen Möglichkeiten
Übersichtskarte schwer lesbar
größtenteils sehr klischeehafte, teils sogar alberne Story
Schutz durch Deckung unabhängig von Position des Gegners
mitunter zähes Menü-Abgrasen zwischen den Einsätzen
Erfahrungs-Training wirkt mitunter nutzlos
keine Lokalisierung, Deutsch existiert nur im Handbuch
nur bereits bekannte unabhängige Geplänkel

Wertung

PlayStation3

Sega zeichnet ein wunderschönes, verklärtes Gemälde mit ungewöhnlich lebendigen Charakteren!

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