Guitar Hero: World Tour29.08.2008, Paul Kautz
Guitar Hero: World Tour

Vorschau:

Am Anfang war das Wort - und es lautete »Plastikgitarre«! Mehr brauchte es nicht, um aus einem eher simplen Rhythmusgame ein Massenphänomen zu machen, das unter dem Namen »Guitar Hero« ein Welterfolg wurde. Okay, ganz so einfach war es nun auch nicht; das tolle Design, die gute Songauswahl und die perfekte Spielbarkeit trugen wohl auch ihren Teil zu Erfolg bei, der schnell Nachahmer auf den Plan rief. Zuletzt stapelte Electronic Arts bei Rock Band nicht nur beim Preis, sondern auch bei der Ausstattung hoch. Kann die vierte Guitar Hero-Instanz da noch einen drauf setzen?

Berühr mich!

Guitar Hero: World Tour (ab 24,99€ bei kaufen) (GHWT) bietet keine offensichtlichen Überraschungen, so viel kann vorweg genommen werden. Wer einen der vorherigen Teile gespielt hat, kann sofort zur Gitarre greifen und problemlos loslegen: Euch erwarten zum Start satte 85 Songs, jeder einzelne davon ein Mastertrack, also keine Coverversion, sondern von der Originalband eingespielt. Für hiesige Breitengrade soll es auch wieder spezielle Versionen geben, wobei allerdings noch keine Titel genannt werden - kennt man unser Glück, wird es LaFee feat. BroSis sein. Da sich das

Ich kann, was Rock Band kann: Auf den ersten Blick zeigt Guitar Hero: World Tour keine Revolutionen - aber ein zweiter Blick lohnt sich!
Geschäft  mit Download Content mittlerweile als ein sehr potentes herausgestellt hat, wird es auch künftig Nachschub geben: Activision verspricht regelmäßig neue Songs, und zwar in Form von Singles, spezialisierten Trackpacks sowie ganzen Alben. Die Gitarre selbst ist etwas massiver als zuvor, aber nach wie vor am Hals zerlegbar, um sie leichter transportieren zu können. Entwickler Neversoft verspricht, das Kontaktproblem der Vorgänger-Klampfe mittlerweile im Griff zu haben: Baute man die ein paar Mal zu oft auseinander, gab es Verbindungsschwierigkeiten, die so weit gingen, dass vernünftiges Spielen gar nicht mehr möglich war. Das soll nun der Vergangenheit angehören - wir werden sehen.

Was wir ebenfalls sehen, allerdings jetzt schon, ist das brandneue Touchpad, das sich in der Mitte des Halses tummelt. »Touchpad an der Gitarre?«, wundert ihr euch mit gutem Grund, »Was soll'n der Scheiß?« - ganz einfach: Neuerdings tummeln sich auf höheren Schwierigkeitsgraden selbst für Hammer-On-Pull-Off-Profis schwer erreichbare Soli auf dem Notenfeld, die mit violetten Linien miteinander verbunden sind. Hier kommt das Touchpad ins Spiel: Diese fiesen Töne lassen sich gleitend ganz wunderbar erreichen, das Spielgefühl soll an die Profi-Technik »Tapping« erinnern, die einst Eddy van Halen berühmt machte. Darüber hinaus kann das Touchpad auch als ganz normaler Ersatz für die Fret-Buttons genutzt werden, da zum Anschlagen der normale Hebel nicht benötigt wird. Apropos: In seiner Nähe gibt es auch eine Neuerung, nämlich den langen, dicken Knopf zum Auslösen der Starpower, der sich genau auf Höhe des rockenden Handballens befindet - sehr, sehr gut für Leute wie mich, die das Hochziehen der Gitarre in erster Linie dazu nutzen, die Noten-Kombo zu ruinieren. Bass-Spieler, die sonst auch auf der höchsten Schwierigkeitsstufe mit dem Sekundenschlaf zu kämpfen hatten, werden sich außerdem über eine künstliche Erhöhung des Schwierigkeitsgrades freuen: Ähnlich wie beim Kickdrum erscheint immer wieder mitten im Notenfeld ein violetter Streifen - den müsst ihr ganz ohne Fret-Buttons anschlagen, was das Bass-Erlebnis spürbar anspruchsvoller macht.

Mein Rocker, meine Band, meine Klampfe

Das neue Drumkit ist nicht nur kabellos, es bietet auch hängende Becken, die zum Draufdreschen einladen. Die berührungssensitiven Drumpads lassen außerdem ein feineres Spiel zu.
 Spiel bekannt, Gitarre ein bisschen verbessert - und das war's? Mitnichten, geschätzter Leser, denn an dieser Stelle packt Activision die Katzenarmee aus den Säcken! Guitar Hero: World Tour bietet gleich vier Neuerungen, die auch Rock Band-Fans hibbelig machen sollten. Die erste, am wenigsten spektakulärste, ist das Mikrofon - juhu, man kann jetzt auch singen. Ui. Das Mikro von Logitech ruht schwer und erdig in der Hand, sehr viel mehr lässt sich darüber nicht sagen - kabellos ist es nicht, dafür ist die Strippe mehr als drei Meter lang. Der nächste, etwas interessantere Punkt, ist das Drumkit: »Okayokay«, mag man sagen, »Rock Band hat's vorgemacht, jetzt muss Guitar Hero dem Namensparadoxon zum Trotz nachziehen«. Mag sein, aber die Drums sind ihren EA-Brüdern gleich in mehrerer Hinsicht überlegen: Zum einen sind die Drumpads weich, wodurch das Rock Band-typische Stick-Klackern vermieden wird. Außerdem sind sie drucksensitiv, so dass die Lautstärke und Tonalität des Schlages davon abhängt, wie sehr ihr auf das Fell einprügelt. Nicht zu vergessen: Das ganze Ding ist kabellos, ein echter Vorteil gegenüber seinem Cousin. Profis wird außerdem der MIDI-Port freuen, mit dem man das Drumkit an sein Heimstudio anschließen und wie ein »echtes« Drum benutzen kann. Aber der wichtigste Punkt ist dieser: Die hängenden Becken und Hihats. Ja, es war schön, bei Rock Band auf das grüne Fell zu kloppen, aber nichts geht über das Mit-Schmackes-Druffhauen-Gefühl, das die hängenden Scheiben vermitteln - sehr, sehr befriedigend!    

Neuerung Nummer Drei ist der »RockStar Creator« - ja, auch hier hatte Rock Band ursprünglich die Nase vorn. Aber die Möglichkeiten, die euch GHWT bietet, sind schlicht unfassbar. Ihr könnt alles, aber auch wirklich alles ganz nach Belieben einstellen, verändern, personalisieren: Männlein, Weiblein, vordefinierte Kleidungsstile von

Der »Rockstar Creator« lässt euch freie Hand: Vom Pop-Engel bis zum Metal-Teufel ist alles drin.
Punk über Gothic bis Glamrock und Metal, Frisuren, Falten im Gesicht, Piercings, eigens designbare Tattoos, die Kopfform, Elfenohren, Schweinenasen, Froschmäuler, Feueraugen, Schmierlippen - irre! Ihr könnt Logos für eure Figuren und Bands selbst malen oder aus bis zu 40 vorgefertigten Grafik-Layern selbst zusammenstellen, ihr könnt euren Protagonisten fertige Animationen für Einstieg, Sieg oder Niederlage verpassen - auch die einzelnen Instrumente lassen sich im Detail den eigenen Wünschen anpassen, selbst die Textur vom »Highway« (das ist das auf euch zuscrollende Band, auf dem die Noten dargestellt werden) könnt ihr nach Lust und Laune selbst pinseln. Kurz gesagt: Allein im Rockstar Creator kann man problemlos Stunden verbringen! Falls ihr darauf keine Lust habt, warten natürlich jede Menge fertige Rocker auf ihren Einsatz, von denen der größte Teil aus der Serie bekannt ist. Allerdings gibt es auch ein paar Neuzugänge wie Ozzy Osbourne (der auch sein eigenes Motion Capturing gemacht hat) oder Jimi Hendrix. Eure eigenen Kreationen könnt ihr logischerweise nicht nur im Solo-Modus, sondern auch online verwenden. Apropos: Neuerdings können ganze Bands gegeneinander antreten.

The Whole Shebang

Bis hierhin zuckt der Rock Band-Jünger verächtlich mit den Schultern. »Kenne ich alles schon!« - dann pass mal schön auf: Falls euch die Songmassen nicht ausreichen, gibt euch Neversoft die Möglichkeit, im integrierten Songstudio mal eben eigenes Zeug aufzunehmen! Die Bedienoberfläche erinnert leicht an Logic oder Pro Tools, ist aber natürlich erheblich abgespeckt - aber trotzdem nur für die fortgeschrittenen Guitar Hero-Spieler gedacht. Denn ihr habt unfassbar viele Möglichkeiten, eigene Sounds aufzunehmen, und alles kann mit der Gitarre bedient werden: Ihr könnt die Klampfe beliebig umstimmen, aus massig Gitarrenstilen (von Rock über Blues bis Pop) wählen und Effektgeräte dazuschalten. Auch die Drums können wahlweise mit dem Plastikinstrument eingespielt werden, wobei das Kippen der Gitarre die Anschlagsgeschwindigkeit regelt - und auch hier reichen euch die Entwickler etliche Schlagzeug-Stile, die deutlich hörbar anders klingen. Bizarrerweise wird sogar ein Keyboard mit mehr als 80 Synthie-Sounds simuliert; in diesem Fall regelt der Gitarrentilt die Oktavenhöhe. Kurz gesagt:

Das Songstudio ist der perfekte Spielplatz für angehende Rockstars: Ihr habt verdammt viele Möglichkeiten, und könnt fertige Stücke mit der ganzen GH-Welt teilen.
Ihr könnt prinzipiell einspielen, was ihr wollt, eurer Kreativität sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Bis auf eine - maximal 1.200 Noten pro Instrument! DragonForce nachspielen dürfte also eher knifflig werden, aber das Tool ist ohnehin nicht dazu gedacht, bekannte Songs nachzuklappern. Das wird natürlich unvermeidlich sein, insofern wird es interessant sein, zu sehen, wie sich Neversoft um die rechtlichen Belange kümmern wird. Auf jeden Fall könnt ihr eure Meisterwerke abspeichern, auf Guitar Hero-Server laden, und sie andere Leute spielen sowie bewerten lassen - ein Meldesystem soll dafür sorgen, dass »kopiergeschütztes« Material schnell gelöscht wird, bevor erboste Musikkonzerne ihre Anwaltshorden ausschwärmen lassen.

Jeder Song, den ihr im »GHMix« getauften Mastering Studio vollendet, wird automatisch als Expert-Version gespeichert - das Programm rechnet niedrigere Schwierigkeitsgrade danach automatisch runter. Ihr könnt eigene Cover designen, die Songs taufen und auch ein paar Zeilen zur Entstehung verlieren. Was allerdings leider nicht geht, ist, das Meisterwerk per USB-Kabel auf den eigenen MP3-Player zu ziehen.  

Ausblick

Guitar Hero 3 war super, Rock Band war besser - was in so einer Zugzwang-Situation passiert, sieht man wunderbar an World Tour: Die bewährte Qualität wird im Detail verbessert, in Sachen Peripherie mit der Konkurrenz gleich- und vorbeigezogen - und das Ganze mit Editoren gekrönt, die mir den Sabber im Mund zusammen laufen lassen. Allein der Rockstar Creator verspricht Instant-Spaß für mehrere Stunden, aber das Sound-Studio dürfte alle Dämme bersten lassen! Jedes Instrument ist einzeln einspielbar, Profi-Späße wie umstimmbare Saiten, Effektgeräte, Synthie-Sounds und abschließendes Mastering im Produktionsstudio, gefolgt von einer kompletten Community-Infrastruktur klingen eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Stimmt auch: Denn ich kann den Song, auf den ich stolz bin wie eine Tüte Mücken, nicht auf meinen iPod ziehen. Grmbl! Aber gut, das wird sich sicherlich irgendwie regeln lassen. Bis dahin bleiben eigentlich nur zwei wichtige Fragen: Wann kommt's endlich, und wie viel wird's kosten?

Ersteindruck: ausgezeichnet

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