Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots20.02.2008, Jörg Luibl
Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots

Vorschau:

In seinem letzten Abenteuer konnte Snake nicht restlos begeistern. Die Regie war brillant, die Bosskämpfe fulminant, der Soundtrack grandios. Aber der Schlangenfresser verfehlte 2005 unseren Gold-Award, weil unter der betörenden cineastischen Kulisse eine antiquierte Spielmechanik mit ihrer empfindlichen Steuerung schlummerte. Hideo Kojima wollte viele alte Zöpfe abschneiden. Gibt es mit Metal Gear Solid 4 den versprochenen Neuanfang?

Tanz mit dem Tod

Ein alter Held im Schatten: Metal Gear Solid 4 entführt euch in eine Zukunft, in der Konzerne das militärische Sagen haben. Neben dem Nahen Osten stehen auch Südamerika und andere Regionen auf dem Programm. Diesmal ist auch ein Online-Modus dabei - mehr dazu in dieser Vorschau!
Irgendwann in der nahen Zukunft. Irgendwo im Nahen Osten. Gaza? Beirut? Ramallah? Man weiß es nicht, aber es sieht so aus. Ein Mann kriecht durch einen Gang, robbt sich langsam vorwärts. Schwere Stiefelschritte kommen näher - er verharrt mucksmäuschenstill. Plötzlich rattern Schüsse, Projektile schlagen einen Meter vor ihm ein - er wartet gelassen ab. Schreie gellen, ein Körper bricht zusammen, zwei Maskierte schießen ihre Magazine leer, Blut sickert in den Sand - er beobachtet die Hinrichtung.

Dann ist alles still. Ein paar Sekunden später schält sich der Mann aus dem Gang, richtet sich auf und geht geduckt weiter. Er sieht nicht nur seltsam, sondern auch gefährlich aus: Ergrautes Haar, Vokuhila, Oberlippenbart und Augenklappe deuten auf schlechten Geschmack, gutes Rentenalter und halbe Sehkraft. Tarnanzug, Sturmgewehr, Zigarre und Statur deuten auf gute Ausrüstung, seriöse Coolness und volle Körperkraft.

Er bewegt sich auf den ersten Blick wie in alten Zeiten: Auf Knopfdruck wechsle ich von der aufrechten in die gebückte oder liegende Haltung; dynamische Bewegungsänderungen über den Analogstick gibt es nicht - schade. Neu sind allerdings die drei Perspektiven: Ich laufe und drehe die Kamera frei in der Schultersicht. Sobald ich eine Waffe in Anschlag nehme, zoomt die Kamera weiter ran, Kopf und Schulter kommen ins Bild und schon so kann ich theoretisch schießen. Wenn ich in dieser Position bin, kann ich aber auch komplett in die Egosicht wechseln, um Feinde genauer anzuvisieren. Man braucht ein paar Minuten, um sich an den relativ langsamen Wechsel der Sichtweisen und ihre Vorteile zu gewöhnen. Auch daran, dass ein Schütteln des Sixaxis-Controllers ausreicht, um die Perspektive wieder zu ändern.

Die Fratze des Krieges

Egal ob Architektur, Kleidung, Trümmer oder gleißendes Licht: Konami fängt das Flair des kriegsgebeutelten Nahen Ostens unheimlich gut ein. Schaut euch dieses Video mit Spielszenen an!
Für das Abtauchen in die Spielwelt braucht man hingegen nur ein paar Sekunden. Die PlayStation 3 bildet eine Kulisse aus Sand, Chaos, Vermummten und Tod ab, die man nur all zu gut aus den Nachrichten kennt. Die arabischen Schriftzeichen. Die Zerstörung. Die Trümmer. Die Autowracks. All das fühlt sich auf eine beklemmende Art schon fast vertraut an. Und es sieht verdammt authentisch aus. Okay, ein paar ausgefranste Schatten hier, einige fade Texturen da, etwas Kantenbildung in der Distanz. Ja, es gibt auch in diesem gestochen scharfen Szenario ein paar technische Peanuts, die ins Auge fallen. Aber die können nichts daran ändern, dass man in null Komma nichts mittendrin ist im Hexenkessel des Nahen Ostens, dass man die Spannung des Konfliktes fast spüren kann. Zum ersten Mal wechselt das Szenario übrigens innerhalb des Abenteuers - Südamerika ist die zweite Etappe; weitere, bisher unbekannte, sollen folgen.

Sobald das Gamepad die ersten Bewegungen auslöst, öffnet sich der Vorhang zu Konamis Agentendrama. Ähnlich wie in Call of Duty 4 rattert und rumst es an allen Ecken und Enden: Soldaten schreien, Salven schlagen ein und Bomber zerpflügen mal eben eine Straße. Aber ganz anders als in Infinity Wards Shooter gibt es hier überraschende Emotionen, als wir in einen der vielen lebendigen Schusswechsel geraten: Rebellen zittern vor Angst, Männer machen sich in die Hosen oder können nicht mehr schießen. Dieses Bild von schwer bewaffneten Nervenbündeln hat man bisher nicht in Spielen gesehen. Und gerade diese Schattenseiten des Krieges scheinen aus dem Abenteuer mehr zu machen als den üblichen heroischen Waffenporno. Pathos und coole Sprüche gibt es auch hier, vor allem in den Zwischensequenzen, aber dieses Spiel schmeckt wesentlich erwachsener als der zugeballerte Einheitsbrei von der Actionstange.

                     

Der alte Schleicher

Auch in der Egosicht geht es zur Sache: Ihr könnt mit jeder Waffe in diese Shooter-Perspektive wechseln, um eure Feinde besser anzuvisieren.
Was will der bis an die Zähne bewaffnete, scheinbar in den 80ern hängen gebliebene Opa in diesem Kriegsgebiet? Er ist Spezialagent. Er kennt sich aus. Er soll Dinge zurechtrücken. Die Motivation des Helden bleibt noch nebulös, die Story ebenso - Konami muss viele Fäden zusammen bringen, Altes und Neues in diesem Finale verschmelzen. Vor allem deshalb, weil ein Oberbösewicht ein alter Bekannter ist: Liquid. Warum steckte der eigentlich am Ende von Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty  im Körper von Revolver Ocelot? Und was hat es mit dem Söldnerparadies "Outer Heaven" auf sich, das dieser gründen wollte?

Fest steht, dass es um einen weltweiten Konflikt geht, in dem Konzerne mit ihren Privatarmeen (PMCs) bereits mächtiger sind als ganze Nationen. Sie bestimmen mit ihren erbarmungslosen Söldnern, wer in welchem Gebiet das Sagen hat: Rebellen werden vernichtet, Widerstand wird gebrochen. Und weil diese Konsortien in größenwahnsinniger Tradition auch gleich das politische Schicksal der Welt bestimmen wollen, muss man militärisch antworten. Da scheinbar weder die USA noch die Sowjetunion mächtig genug sind, werden alte Organisationen wie Foxhound aktiv.  Deshalb kriecht der durchtrainierte Senior durch den Nahen Osten. Er hat mehr Erfahrung als Sam Fisher und eine bessere Ausrüstung als 007. Und warum reagiert er dann nicht? Warum schießt er nicht? Weil seine Befehle im spielbaren Level eindeutig sind:

"Avoid unnecessary combat!"

Diese Ansage über den Codec tut richtig gut, denn sie beamt mich sofort zurück zu den Anfängen des Agenten. Die Kommunikationstechnik ist jetzt allerdings interaktiver: Ihr könnt während der Funkübertragungen die Kamera schwenken, zoomen und Meldungen vorspulen. Das Ganze erinnert jetzt an eine dreidimensionale Videoübertragung und wirkt dadurch wesentlich moderner. Euer Berater Otacon punktet sogar mit lippensynchroner Mimik. Noch ein Wort zu den Menüs und Optionen: Ihr könnt alles anpassen. Wirklich alles. Egal ob Menüfarbe, Kamerasensibilität oder Drehgeschwindigkeit.

Tarnung ist Trumpf

Snake als Statue: Der Tarnanzug nimmt nach wenigen Sekunden die Oberflächenstruktur der Umgebung an - ihr könnt erstarren wie ein Chamäleon.
Zurück zum Einsatz: "Avoid unnecessary combat!" Deshalb achtet Snake bei jedem Schritt auf das Gelände und den grauen Kreis, der um seine Hüfte wabert - jede Ausstülpung zeigt ihm an, wo ein Gegner lauert. Ich schlüpfe gerne in seinen Tarnanzug, denn der Mann hat Videospielgeschichte geschrieben. Jetzt ist er zurück. Und zwar topfit. Allerdings frage ich mich, wie sein Comeback ausfallen wird: Ist er der alte Schleicher oder jetzt doch eher ein Shooter? Das, was ich bisher spielen konnte, deutet eher auf Ersteres. Und das freut mich.

Vor allem das Tot stellen wird genial, weil herrlich unberechenbar inszeniert: Wenn ihr umzingelt seid oder nicht mehr weiter wisst, könnt ihr euch flach auf den Boden legen und einen Toten mimen. Die Wachen kommen und können ganz unterschiedlich reagieren: Entweder sie fallen sofort darauf rein und registrieren euch gar nicht. Oder sie beugen sich zu euch runter, vergewissern sich sogar mit ihrer ausgestreckten Waffe über eurem Rücken und verschwinden dann doch noch mit einer "Confirmed kill"-Durchsage. Oder sie durchschauen das Theater und feuern sofort. Diese Momente sind unheimlich spannend, weil man in jeder Sekunde selbst die Waffe zücken kann, um sich zu retten.

Nicht gerade elegant, aber nützlich: Neben dem Pappkarton kann Snake auch eine Tonne nutzen. Entweder, um sich zu verstecken oder um seine Feinde nieder zu rollen...
Auch sonst ist Tarnung Trumpf: Snake kann nicht nur wie zu besten PSone-Zeiten unter einem Pappkarton verschwinden, sondern sich auch unter einer Tonne verstecken. Sieht verdammt blöd aus, wenn er sie aus dem Nichts plötzlich über sich stülpt, aber ist nicht nur nützlich, sondern auch als Waffe zu gebrauchen - man kann sie tatsächlich auf die Seite drehen und dann in ihr nach unten rollen. Stylisch und lautlos ist das allerdings nicht. Und Snakes Magen rebelliert schon mal nach der Rollattacke. 

Das Verstecken ist jetzt auch in Abfallcontainern möglich: Einfach reinspringen und warten. Allerdings nimmt Solid den Geruch an, wenn er sich zu lange darin aufhält. Also muss er den Deckel immer wieder anheben - übrigens geschickt gelöst über die bewegungssensitive Sixaxis-Steuerung - um nach Feinden Ausschau zu halten. Im Notfall kann er auch sitzend aus dem Container heraus zielen. An dieser Stelle wirkt das Spiel ungeheuer durchdacht und intuitiv.

           

Getarnt, getarnter, OctaCamo

Was hat es mit diesen bizarren Kreaturen auf sich? In unserem Probelevel konnten wir keine Bekanntschaft mit den Beauty and the Beast-Einheiten machen. Wir sind gespannt, wie Konami diese Wesen integriert.
Erinnert ihr euch an das letzte Metal Gear? Dort konntet ihr eure Kleidung wechseln, um euch der Gegend anzupassen und so den Tarnungsgrad von 1 bis 100 zu erhöhen. Das ist jetzt nicht mehr nötig, denn mit eurem Kampfanzug seid ihr quasi ein Chamäleon: Der "OctoCamo" verwandelt sich in wenigen Sekunden in eine gestreifte Tapete, ein zackiges Fliesenmuster oder in stahlgraue Panzerfarbe. Auch hier bekommt ihr den Grad der Tarnung angezeigt. Egal, wo ihr euch befindet, ob ihr steht, kniet oder flach auf dem Boden liegt - die Texturen eures Anzugs passen sich in null Komma nichts der Umgebung an. Das geht so weit, dass sich Snake auf die Reste einer Säule knien kann, um nach einer beigen Einfärbung seines Anzugs die fehlende dritte Männerstatue zu mimen - eine köstliche Szene, denn die patrouillierenden Wachen ignorieren ihn.

Eine kleine, aber feine Randerscheinung: Euer letztes aktives Tarnmuster wird auch in der kommenden Zwischensequenz angezeigt. Wer als graue Zickzacktapete den Level beendete, wird auch als solche im nächsten Film auftauchen. Wenn ihr den Standardlook bevorzugt, schüttelt ihr einfach den Sixaxis-Controller. Ihr könnt die Muster übrigens in der finalen Version speichern und später wieder aufrufen - laut Konami soll es hunderte Variationen geben.

Schwachpunkt: Deckungssystem

Das Deckungssystem ist noch nicht optimal: Snake könnte z.B. nicht in geduckter Deckungsstellung über dieses Hindernis feuern - er müsste seitlich daran vorbei schießen.
Theoretisch könnt ihr auch auf alles und jeden schießen. Man kann sogar richtig laut sein: Panzerfaust raus, kurz einen Stahlkoloss anvisiert und ab geht die brachiale Post - it`s Shooter-Time! Allerdings fühlt sich das Spiel in dieser Actionvariante seltsam an - Sandsackgeballer, Projektilgerotze und Panzerexplosionen erinnern eher an Call of Duty 4 & Co. Und das Spiel hat in dieser Variante seine Steuerungstücken, denn das Deckungssystem kann noch nicht mit aktuellen Taktik-Shootern mithalten.

Das steife Auftreten von Solid in Kampfsituationen ist ein Kritikpunkt, den Konami bis zum Release ausmerzen sollte, denn er betrifft auch den Online-Modus, den wir ausführlich in dieser Vorschau besprechen. Worum geht's? Man vermisst eine komfortable Deckungsdynamik à la Gears of War ,  Uncharted oder Rainbow Six: Vegas . Man kann bisher auch nicht vertikal über Deckungen zielen. Sprich: Ihr steht vor einem hüfthohen Hindernis wie z.B. einer Mauer und geht dort über die Deckungstaste in die Hocke. Jetzt könnt ihr nur nach links oder rechts schleichen, um dann seitlich an ihr vorbei zu zielen. Ihr könnt aber nicht vorsichtig über die Mauer hinweg zielen. Auch das blinde Feuern über Hindernisse gehört leider nicht zu Snakes Repertoire.

Ihr wollt eure Waffe modifizieren? Kein Problem: Ihr könnt diverse Aufsätze montieren und jede Wumme anpassen.
Kommt ihr in die Nähe einer Wand, könnt ihr euch frontal an sie lehnen, um in ihrer Deckung seitwärts weiter zu pirschen. Allerdings ist es nicht möglich, sich komplett mit dem Rücken an sie zu schmiegen. Auch in Bewegung gibt es keine Hindernisse, denn ein Knopf zeigt an, ob man über Mauern hechten oder in Gebäude springen kann. Das funktioniert ähnlich wie in Gears of War auch noch sehr komfortabel auf Knopfdruck.

Im Gegensatz zur Deckungssuche gibt es beim Waffenbasteln vollen Komfort. Egal ob Pistole, Gewehr oder Uzi - ihr könnt nicht nur alle Waffen der Feinde aufnehmen, sondern auch modifizieren. Einfach das Menü aufrufen, Knarre auswählen und z.B. einen Schalldämpfer, ein Zielfernrohr, einen Schrotflintenaufsatz oder Granatwerfer aufschrauben. Neu ist auch der sekundäre Feuermodus, den ihr über R2 auslösen könnt. Selbst das Messer hat noch eine weitere Funktion: den betäubenden Stromschlag.

             

Verbündete & Stress

Ihr solltet nicht jeden ins Visier nehmen: Wer klug ist, kämpft sich auf die Seite der Rebellen und genießt die Vorteile des Tauschhandels.
Je nachdem, wo ihr mit Snake unterwegs seid, könnt ihr euch auch diversen lokalen Widerstandsgruppen anschließen, indem ihr ihnen helft, eine Stellung zu halten oder Feinde zu vernichten. Wenn ihr einen gewissen Sympathielevel erreicht habt, könnt ihr mit den neuen Verbündeten auch Gegenstände tauschen - über das alberne Herzchensymbol bei Erfolg kann man allerdings streiten. Auch sonst ist Feuer frei nicht immer der beste Weg: Was bringt es mir, wenn Wachen bewusstlos und nicht tot sind? Weniger Stress: Wird ein ausgeknockter Kamerad von den Patrouillen entdeckt, schlagen diese nicht sofort Alarm. Vielleicht bekommt der Schlafende sogar einen Anschiss, weil er im Dienst pennt. Wer seine Feinde tötet, hinterlässt jedoch eine blutige Alarmspur, die euch ganze Horden an Special Forces auf den Hals hetzt. Das bisher gesehen Feindverhalten wirkte sehr authentisch, denn ein Offizier übernimmt die Ausschwärmbefehle für die anderen; außerdem suchen sie gezielt dort, wo ihr Geräusche verursacht habt - allerdings gab es im Probelevel auch ab und zu einen Aussetzer, wenn eine Wache etwa sehr spät auf euch reagiert, obwohl ihr klar im Sichtfeld unterwegs seid.

Neben der Gesundheit und Ausdauer wird es auch einen Balken für euren Stresslevel geben. Immer, wenn geschossen oder Alarm ausgelöst wird, wächst die Anzeige. Laut Konami soll das zu einer Verminderung der Zielgenauigkeit sowie Ermüdung führen. Das wären realistische Konsequenzen. Leider konnten wir diese im Spiel noch nicht spüren - selbst bei einem Stresslevel von 60% schien nichts zu passieren. Erst bei 100% soll Snake in eine Art Blutrausch verfallen und kurzfristig besser kämpfen, bevor er dann vor Schwäche fast zusammen bricht. Noch bleibt das alles Theorie. Wir sind gespannt, wie sich der Stress im finalen Spiel auswirkt.

Nahkampf & Akrobatik

Keine Bewegung: Während Snake den Feind in Schach hält, untersucht er ihn nach nützlichen Dingen.
Unheimlich authentisch wirken schon jetzt die Entwaffnungs- und Verhörmanöver: Wenn sich Snake mit gezückter Waffe einem Feind nähert, kann er ihn bedrohen. Er zischt ein kurzes "Freeze" und der Gegner hebt nicht nur die Arme, sondern beginnt sogar leicht zu zittern. Jetzt kann man ihn entwaffnen oder seine Ausrüstung durchsuchen - all das Abklopfen wird wunderbar dargestellt.

Wer es handgreiflicher mag, kann Feinde aus nächster Nähe mit der authentischen CQC-Technik (Close-Quarter-Combat) attackieren, die in Metal Gear Solid 3: Snake Eater Premiere feierte: Je nach Waffe wählt der ergraute Agent andere Schläge und Tritte. Noch musste man jedoch sehr genau vor oder hinter einem Gegner stehen, um diese Manöver erfolgreich einzuleiten; hier sollte Konami noch die Toleranzgrenze erhöhen - vor allem im Multiplayermodus war es kaum möglich, einen Feind auf diese Art und Weise zu attackieren. Das ist schade, denn konventionelles Geballer können alle Spiele, außergewöhnliche Entwaffnungen und Nahkämpfe kann nur Snake.  Aufgrund der lebensechten Animationen macht es aber jetzt schon Spaß, diverse Kombinationen zu probieren; auch Würgegriffe und Ringtechniken am Boden sind möglich. Eine kleine negative Randnotiz für Kenner: Snake läuft relativ plump durch Feinde am Boden, obwohl er im zweiten Teil schon elegant automatisiert ausgewichen ist - liegt vielleicht am Alter.

Was hat der alte Agent akrobatisch drauf? Immer noch kann er sich aufrecht, geduckt oder liegend vorwärts bewegen. Richtig cool ist das Rollen und Anvisieren in der liegenden Position: Während Solid auf dem Rücken liegt, kann er seine Waffe ziehen, in alle Richtungen zielen und kämpfen - so kann man sich ganz eigene, unheimlich coole Situationen schaffen. Im Lauf legt er zudem eine Hechtrolle aufs Parkett, um z.B. schmale Spalten zu überspringen oder Feinden auszuweichen. Ansonsten hält sich das sportive Repertoire in Grenzen: Kein Spagat à la Sam Fisher, keine Kraxelei à la Drake - jedenfalls nicht bisher. Vor Abgründen kann sich der ergraut Agent elegant nach unten bewegen, indem er langsam heran kriecht und dann an beiden

Klein, informativ und schlagfertig: Der Mk.II ist ein Erkundungsroboter, den ihr fernsteuern könnt. Snake nutzt dafür übrigens einen PS3-Controller...
Händen hängt - das funktionierte im Testlevel allerdings recht hakelig. Wir brauchten hier mehrere Anläufe, bevor die Animation richtig eingeleitet wurde. Diese Steuerungstücken erinnerten an die Empfindlichkeit im letzten Abenteuer.

Mk.II - Dein Freund, der Roboter

Dafür funktioniert die Steuerung des Sidekicks bereits wunderbar. Diesmal bekommt Snake Hightech-Unterstützung bei der Erkundung: Und zwar nicht nur diverse Sichtfilter, sondern einen kleinen Roboter! Der Mk.II dient als mobile Kommunikationsplattform und kann ferngesteuert werden, während man selbst in Deckung verharrt. So kann er in einem bestimmten Radius die Gegend untersuchen oder Schalter bedienen. Gerade Letzteres hört sich klasse an und deutet auf Rätselelemente, die wir im spielbaren Level jedoch nicht zu Gesicht bekamen.  Außerdem kann der Kleine Wachen über Geräusche weglocken, indem er an die Wand klopft, oder mit einem Stromschlag Feinde betäuben - das funktionierte bereits sehr gut: Einfach den Kabelarm ausfahren, den Feind anvisieren und peitschen! Sollte es brenzlig werden, kann man den Roboter auf Knopfdruck fast unsichtbar werden lassen; aber man sollte auf seinen Batteriestatus achten. Nur eines kann er nicht: Feinde töten. Aber das übernimmt im Ernstfall Snake.

           

Klima & Karte

Aber Vorsicht: Der Mk.II hat nur einen begrenzten Batterie-Vorrat und kann nur in einem bestimmten Radius von euch aus aktiv werden.
Noch kann man nicht einschätzen, ob die Klimadaten relevant sind: Was bringt mir die Anzeige von Temperatur und Wind? Sehr hilfreich ist jetzt schon die Karte, die euch das komplette Krisengebiet samt Zielpunkt zeigt. Auf Wunsch könnt ihr auch ein dreidimensionales Modell abbilden lassen, zoomen und drehen. Allerdings zeigte sich in unserem Level die Begrenztheit der Levelschlaucharchitektur - man konnte nicht überall rein, nicht überall abkürzen oder beliebige Routen wählen. Wir sind gespannt, ob Konami später noch überzeugendere Illusionen offener Kriegsgebiete erschaffen kann.

Hollywood auf Blu-ray?

Art & Design sind schon jetzt vom Feinsten, vor allem die weiblichen Biester wurden fantastisch animiert: Zwar konnten wir nicht gegen die Beauty and the Beast-Einheiten kämpfen, aber die weiblichen Reize der bizarren Kreaturen waren schon im Trailer unverkennbar - etwa wenn Crying Wolf erst einen Soldaten auffrisst und dann ihre Flanke streckt oder wenn Laughing Octopus ihre Tentakel ausfährt, während sie auf einem Gebäude posiert. Kein Wunder: Hideo Kojima hat für diese Kreaturen extra Top-Models als Vorlagen genommen und zig weibliche Haltungen studiert.

Was die filmische Präsentation angeht, braucht man sich auch keine Sorgen machen. Die Zwischensequenzen sehen nicht nur klasse aus, sondern sind immer dramatisch inszeniert - mit der kleinen Portion Humor und Sarkasmus an der richtigen Stelle: Schlüpfrige Männermagazine senken zur rechten Zeit den Stresslevel und als ein Soldat vor Solid zusammen bricht, lässt er neben seinem Gejammer über Magenschmerzen gleich noch einen fahren. Was lustig aussieht, hat jedoch bedrohliche erzählerische Ursachen.

Bombengleiter zerpflügen die Innenstadt: Snake muss sich geschickt von Deckung zu Deckung begeben. Das Mittendringefühl ist vergleichbar mit Call of Duty 4, das Spielgefühl ist komplett anders.
Fans der Vorgänger freuen sich auf die Flashbackfunktion, die auf Wunsch Szenen aus früheren Teilen zeigt. Das ist eine klasse Idee, die das komplexe Universum mit all seinen Charakteren auch für Einsteiger nachvollziehbarer machen könnte. In unserem Probelevel war dieser Ausflug in die Vergangenheit allerdings so kurz, dass man ihn kaum erzählerisch einordnen konnte - hoffentlich bietet Konami in der finalen Version längere Varianten oder eine Art Archivfunktion für die kleinen Filmchen.

Freuen kann man sich jetzt schon auf die großen: Alleine für das Intro hat das Studio von LOGAN eineinhalb Jahre gebraucht; Konami hat es zusammen mit 30 Leuten in Hollywood produziert. Auch der Soundtrack und die Dialoge sollen erneut Zeichen setzen. Konami wird sie fast unkomprimiert auf die Blu-ray-Scheibe packen, so dass jede kleine Tonabweichung, jeder Hauch zu hören sein soll - es gibt also keine Stauchung in ein mp3-Format. Drei Monate hat man alleine für die Aufnahme der englischen Stimmen gebraucht; Big Mama wird übrigens von Ex-Miss America Lee Meriwether gesprochen.

        

Ausblick

Das, was ich bisher spielen konnte, riecht bereits angenehm nach den taktischen Wurzeln der Serie - nach Kampf, Täuschung und Versteckspiel. Es macht unheimlich Spaß, sich wie ein Chamäleon durch die engen Gassen zu bewegen. Hideo Kojima hat theoretisch die besten Voraussetzungen geschaffen, das stark vernachlässigte Schleichgenre wach zu küssen: Der geniale Tarnanzug, das Totstellen, der Erkundungsroboter, das Betäubungsmesser, die Entwaffnungen, der Stresslevel. Konami will jedoch ein Erlebnis in Wellen servieren: Das Auf und Ab soll durch einen Wechsel von Schleich- und Actionpassagen simuliert werden. Wie stark sich diese Bereiche unterscheiden, lässt sich noch nicht absehen. Der Wechsel von ruhigen und krachenden Phasen ist theoretisch nichts Schlechtes. Aber dann muss Solid in den Shooterszenen mit der Konkurrenz gleichziehen. Und da sehe ich noch ein Problem in der Steuerung: Das Deckungssystem ist noch zu steif und nicht so nützlich, wie man es sich wünschen würde: Warum kann ich z.B. nur seitlich, aber nicht über hüfthohe Hindernisse anvisieren? Warum dauert das so lange? Das scheinen Peanuts angesichts der weltpolitischen Bühne zu sein, die die Japaner hier mit all ihrer filmischen und technischen Brillanz aufbauen: Man spürt den angenehmen Hauch einer erschreckend realistischen fiktiven Gesellschaft, wenn Konzerne mit Privatarmeen aufmarschieren und ihre Söldner gleichschalten. Man spürt den angenehmen Hauch eines Antikriegsspiels, wenn Männer vor Angst nicht schießen können und sinnloses Zeug stammeln. Schon in einem gespielten Abschnitt steckt hier mehr Kritik an aktuellen Konflikten und mehr Dramaturgie als in all diesen projektilgeilen Ottonormalshootern. Die wichtigen Fragen können wir allerdings noch nicht beantworten: Wird dieses Abenteuer abseits der cineastischen Brillanz wichtige spielerische Zeichen setzen? Und wenn ja: Wird eher das Schleichen perfektioniert oder die gewöhnliche Action unnötig hofiert? Kein anderes Spiel macht mich derzeit so neugierig, denn dieses Metal Gear könnte nach all den belanglosen und pubertären Waffenpornos der letzten Wochen endlich wieder ein Hardcore-Erlebnis für Erwachsene bieten. Und genau soetwas braucht die Branche: das ganz große Kino, die epischen Spiele. Im Designpaper heißt es: "The ending of the game will be epic. It will be the talk of the town." Daran habe ich keinen Zweifel. Aber hoffentlich wird es die Spielmechanik auch.

Ersteindruck: sehr gut


Was hat der Online-Modus zu bieten? Auch den konnten wir ausführlich anspielen. Mehr dazu in der separaten
Vorschau von Metal Gear Online!

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