Killzone 211.07.2007, Jörg Luibl
Killzone 2

Vorschau:

Irgendwo im Herzen Amsterdams sitzen 130 Mann aus zwanzig Nationen an Killzone. Lange war es still um den Shooter, viele Fragen sind offen: Kann Guerrilla Games mit seinem düsteren Baby an das technisch beeindruckende Gears of War herankommen oder es gar toppen? Kann das Team diesen einen wichtigen Shooter entwickeln, der endlich das Potenzial der PlayStation 3 zeigt? Auf der E3 wollte Sony diese Fragen in kleinem Kreis beantworten - wir waren dabei.

Frisches Fleisch

Ein japanisches Sushi-Restaurant in Santa Monica und 150 hungrige Journalisten. Fisch gibt es zwar auch satt, aber es geht hier weniger darum, sich den Bauch vollzuschlagen, sondern um die möglichst hochprozentige Fütterung der PlayStation 3. Auf der Speisekarte steht die erste große Präsentation von Killzone 2 (ab 6,86€ bei kaufen)  seit der E3 2005. Es knistert unter den Kollegen, alle sind gespannt auf das, was Sony hier von 21:30 Uhr Ortszeit an zeigen will. Um die Spannung nachzuvollziehen, ist ein Blick zurück hilfreich, ein Blick auf den Entwickler, das Spiel und den Hype.

Im Dezember 2004 wurde Killzone auf der PlayStation 2 als "Halo-Killer" angepriesen. Der Hype begann schon, als die PS3 und Gears of War noch weit weg waren. (PS2)
Guerrilla Games wurde Anfang 2000 aus drei kleinen Teams gebildet. Spätestens, seitdem das Studio von Sony gekauft wurde, haben die  Niederländer Großes vor - nur hat es bisher nicht ganz für Superlative auf Platin-Niveau gereicht. Trotzdem haben sie mehr als nur Talent bewiesen: Auf der PSP konnte man mit Killzone: Liberation (4P-Test: 86%) erst kürzlich packende Action servieren. Und schon Killzone war auf der PlayStation 2 ein sehr guter Shooter mit einem einzigartig düsteren, vom Anime Jin-Roh inspirierten Grafikdesign (4P-Test: 87%). Allerdings konnte der Befreiungskampf gegen die faschistoiden Invasoren der Helghast nicht den Rang eines Halo einnehmen - die Atmosphäre war klasse, aber Spielmechanik und Missionsdesign wirkten noch nicht ganz ausgereift.

Killzone 2005: Der Hype, der Trailer

Trotzdem avancierte der Nachfolger Killzone 2 sehr schnell zum Actionzugpferd für die PlayStation 3, das mit reichlich Säbelgerassel schon zur E3 2005 ins Rennen geschickt wurde. Das sollte der Kaufgrund für die neue Konsole sein, der magische Triple A-Titel, das pompöse Technikmonster. Der Trailer war für Sony allerdings ein Bumerang: Das Gezeigte sah fantastisch aus und sorgte für Jubel unter den anwesenden Journalisten. Allerdings hatte man sich mit der vorschnellen Aussage, dass Spielszenen gezeigt wurden, in eine Sackgasse manövriert. Guerrilla Games musste zurückrudern und bestätigte nach der Messe, dass es sich beim Video nur um das "Look & Feel" handelte. Phil Harrison räumte dann ein, dass das Video aus einem Mix aus Echtzeit- und Rendermaterial bestand.

Juli 2007: Das erste Bild seit Jahren tauchte einen Tag vor der E3 in der amerikanischen Tageszeitung USA Today auf. Aber wie wird das Ganze in Bewegung aussehen?
Lange Zeit war es still um Killzone. Im November 2006 betonte Phil Harrison dann selbstbewusst, dass das Spiel live noch besser aussehen würde als im Trailer. Und in Amsterdam dürfte man seitdem unter Hochdruck daran arbeiten, dieses Versprechen einzulösen.

Nicht umsonst rekrutiert man immer noch fleißig für diesen "Flagship PS3 Title". Hier geht es also um mehr als packende Action; hier geht es darum, ob Sony den technisch beeindruckenden Angriff von Epic Games kontern kann. Hier geht es um Killzone vs. Gears of War. Der Fehdehandschuh der Grafikschlacht liegt seit der E3 2005 auf dem Tisch, was hat Sony also hier in Santa Monica zu bieten? Was gibt es abseits von Sushi & Bier? Wir haben in einem kleinen Kino Platz genommen, wo ein kompletter Level live vorgespielt wurde - das PS3-Menü war zu sehen, das Gamepad in der Hand, also alles ganz solide in Echtzeit. Und dann hat Sony endlich die Power des Cell-Chips gezeigt...

Mitten im Krieg

Kleine Transporter brummen wie Hummeln aus den Wolken, überall schießen Raketen in den Himmel und am Boden flackern die Lichter von zig Detonationen. In einem der Landungsschiffe sitzt eine kleine Truppe einer Spezialeinheit, dicke Wummen im Anschlag, finstere Minen im Gesicht. Granateinschläge, dichte Wolken und ein Orchester sorgen sofort für ein D-Day-Gefühl - nur dass hier auf dem Planeten Helghan alles noch düsterer, noch grauer und deprimierender wirkt als an der Atlantikküste.

Killzone 2 demonstriert als erstes Spiel wirklich, welche Power in der PS3 steckt.
Als der Transporter zur Landung aufsetzt, springen die Soldaten raus und gehen sofort in Deckung. Überall wird geschossen, überall blitzen Mündungsfeuer - keine Kanten, dichte Partikeleffekte, Blitze am Himmel. Schon hier zeigt dieses Spiel eine Power, die man bisher nicht auf der PlayStation 3 gesehen hat.

Und die Story? Ihr seid als Mitglied eines Spezialkommandos dafür verantwortlich, die feindlichen Helghast zu bekämpfen - das sind die menschlich wirkenden, aber aufgrund von totalitärer Ideologie und Mutation pervertierten Leuchtaugenmänner, die schon im ersten Teil auf euch trafen. Allerdings wird diesmal nicht auf der Erde, sondern auf deren Planeten Helghan gekämpft.

Aber ist das Gezeigte besser als Gears of War? Hier ist natürlich Vorsicht angesagt, wir konnten nicht selbst spielen. Und man muss genau hinschauen und vergleichen: Irgendwo wartet ein Offizier mit einer Karte, hält ein Briefing mitten auf dem Schlachtfeld ab, als man ihn erreicht dreht er sich um und zeigt eine Mimik, die mindestens auf par ist mit dem, was euch in Epics Vorzeigeshooter an Gesichtern begegnete. Die Soldaten wirken markant, menschlich und natürlich - Typen zum Anfassen, die sich sehr flüssig bewegen; nicht ganz so bizepsübermächtig wie bei der Konkurrenz. Der erste Auftrag lautet: Zerstöre den Arc Tower! Die Helghast nutzen die Energie aus Blitzen, um ihre Superwaffen zu füttern. Also muss man die antennenartigen Türme zerstören. Der Offizier empfiehlt uns, den Weg durch die Betonbauten zu nehmen, während seine Jungs im Vorfeld kämpfen. Ein Mann platziert über den x-Button eine Bombe an der Tür, sie explodiert und der Weg ist frei. Ansonsten beschränkt sich die Interaktion auf das Öffnen von Türen, das Nachladen und Aufnehmen von Waffen.

Die Power des Cell-Chips

Auch dieses Killzone 2 ist nichts weiter als ein Shooter. Aber in dieser Form ein verdammt guter: Plötzlich geht es durch enge Gänge, nur spärlich beleuchtet, Treppen hinauf, an Geländern vorbei und überall lauern Helghast.

Die Gegner verhalten sich relativ intelligent, und nutzen vorhandene Deckung effektiv.
Die Lichteffekte sind fantastisch und zwei Klassen besser als in Resistance. Einzelne Kabel schwanken an Decken, Putz bröckelt bei Beschuss ab. Neben den ständigen Explosionen sorgen Durchsagen der Helghastanführer für ein beklemmendes Gefühl. Im Gegensatz zu Killzone  gibt es hier relativ schnell verschiedene Typen und an einer Stelle taucht ein übergroßer Bossgegner auf, der behäbig aufs Schlachtfeld stampft - schön eingeleitet von einer Kamerasicht auf Stiefelhöhe. Diesen Schergen kann man am einfachsten besiegen, wenn man seine Tanks auf dem Rücken beschießt. Die Steuerung zeigt Altbekanntes: Man kann an Gegner heranzoomen, Granaten werfen, blind über die Deckung schießen und über Hindernisse springen - allerdings ist noch nicht ersichtlich, inwiefern man sich aus der Deckung in eine Schussposition begeben kann. Bietet Killzone 2 hier ähnliche Manöver wie Gears of War? Einen Wechsel zur  Schulterperspektive gibt es scheinbar nicht; leider konnte man während und nach der Präsentation keine Fragen stellen. Auch der Releasetermin wurde nicht genannt.

Aber zurück aufs Schlachtfeld: Man kann Deckung aus Holz Stück für Stück wegschießen, man kann Glocken von der Decke ballern und explosive Fässer zur Detonation bringen - allerdings hat der Vorspieler nie auf Lampen geschossen. Und zum Grafikvergleich: Dieses Killzone 2 schlägt Gears of War vielleicht nicht im direkten Texturvergleich, hier ist man manchmal auf Par, manchmal gibt es jedoch Deckungssituationen mit einigen recht schwachen Betontapeten; okay, das hier ist alles noch nicht final. Aber als der Trupp das freie Gelände der Stadt erreicht, mit ihren verwinkelten Gassen und mehreren Etagen, wo überall Kämpfe stattfinden, wo in jedem Stockwerk geballert wird, erreicht Killzone 2 bereits eine atmosphärische Dichte und klaustrophobische Dimension, die Gears of War nicht hatte. Und vor allem die vertikale Komponente spielt hier ihre Joker aus, denn nicht nur vorne und hinten, auch oben und unten herrscht Häuserkampf pur.

Überall ist etwas los, in Killzone 2 wird an allen Ecken gleichzeitig gekämpft!
Auch die Animationen können sich sehen lassen: Je nachdem, wo ihr einen Gegner trefft, zuckt er anders zusammen. Die Helghast vertragen aufgrund ihrer Panzerung manchmal fünf, sechs Schüsse auf den Körper und jeder Einschlag hinterlässt eine andere Wirkung. Blut gibt es auch, aber alles nicht so überzogen wie bei der Konkurrenz; der Gore-Faktor ist deutlich niedriger, zumal es keine Nahkampfsequenz zu sehen gab. Kann man mit dem Kolben zuschlagen oder ein Messer nutzen? All das bleibt offen. Nach einer Odyssee durch einen Betonbautenkomplex, nach vielen Treppen rauf und runter erreicht der Trupp endlich die große Plattform mit dem Waffenturm. Hier müsst ihr einen Schalter drücken, damit sich die Schutzschilde der Antenne öffnen - in die ungeschützten Bereiche müsst ihr feuern, während euch Helghast-Stoßtrupps attackieren. Das sieht knifflig aus und wenn man getroffen wird, verwandelt sich die ohnehin fast farblose Welt in eine schwarz-weiße. Ähnlich wie in Gears of War reicht ein Ausruhen, um die klare Sicht wieder zu erlangen. Hat man zwei oder drei Teile des Turms zerstört, detoniert das Ganze in einer riesigen Explosion - die Show ist vorbei, Beifall im kleinen Raum; nicht übermäßig ekstatisch, aber euphorisch. Die Jungs von Guerilla Games haben technisch überzeugt.

Ausblick

Meine Herren: Wenn die Qualität des Levels, den uns die Jungs von Guerrilla Games in Santa Monica vorgespielt haben, zum Release von Killzone 2 gehalten wird, dann hat die PlayStation 3 endlich ihren exklusiven Waffenporno, ihr qualmendes Grafikmonster. Keine Kanten, kein Flimmern, sondern sehr plastische Bilder des Krieges. Dieses Spiel entführt in ein unheimlich düsteres, unheimlich beklemmendes Szenario, das vor allem mit seinen verblüffend lebensechten Bewegungen, einer genialen Mimik der Hauptakteure, sehr feinen Lichteffekten und vor allem einer Höhendimension punkten kann, die Gears of War in dieser Art nicht hatte. Sprich: Es geht nicht nur rechts und links, sondern auch oben und unten zur Sache. Dadurch entsteht ein allgegenwärtiges Bedrohungsgefühl, denn die Helghast tauchen plötzlich überall auf - jedenfalls in diesem Level. Aber Vorsicht: Man schlägt Epics Vorzeigeshooter hier nicht KO. Das Team von Guerrilla Games zeigt viel Gleichwertiges, ist hier und da unterlegen, hier und da überlegen. Man muss für einen finalen Vergleich noch mehr sehen. Und es bleiben nach nur einem Level viele Fragen offen: Gibt es Squad-Befehle? Bisher bewegten sich die Mitstreiter komplett autark, ohne Einfluss des Spielers. Gibt es dynamische Deckungspositionen? Teilweise konnte man das sehen. Wie viele Gegnervarianten gibt es? Welche Waffensysteme gibt es außer Gewehr, Panzerfaust & Co? Gibt es Fahrzeuge? Bisher wirkte der Shooteralltag noch sehr gewöhnlich. Aber abseits all dieser inhaltlichen Fragen steht fest: Sony hat hier eine technisch beeindruckende Duftmarke hinterlassen. Und die PlayStation 3 nimmt endlich Fahrt auf.

 

Ersteindruck: sehr gut

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