SEGA Rally28.06.2007, Michael Krosta
SEGA Rally

Vorschau:

Eine Kultserie meldet sich zurück: Obwohl dem Debüt im Jahr 1995 nur eine Fortsetzung folgte, gilt Sega Rally (ab 9,97€ bei kaufen) bis heute als ein Paradebeispiel erstklassiger Spielbarkeit. Kein Wunder, dass die Münzautomaten trotz ihres Alters immer noch besser laufen als so manche aktuellen Geräte. Im Herbst bringt das neu gegründete Racing Studio Sega Rally auf eure Bildschirme. Kann das Debüt der Engländer an die Qualitäten des Klassikers anknüpfen?

Keine Kompromisse

Colin McRae: Dirt ist das jüngste Beispiel, das einem aktuellen Trend folgt: Videospiele werden nicht mehr in erster Linie für die Hardcore-Zocker, sondern

Vor allem bei Schneerennen müsst ihr euch auf wechselnde Grip-Verhältnisse einstellen.
auch für den Massenmarkt konzipiert. Dabei müssen Kompromisse eingegangen werden, um möglichst beide Gruppen anzusprechen. Im Fall von Dirt wurde die Fahrphysik stärker, aber nicht vollkommen auf Arcade getrimmt - die vielfältigen Setup-Möglichkeiten erinnerten dagegen mehr an eine reine Simulation. Das Ergebnis war ein Mischmasch, der weder die Arcade- noch die Simulationsfront vollkommen zufrieden stellen konnte.

Und das neue Sega Rally? Es geht keine Kompromisse ein! Man bleibt der Tradition treu und konzentriert sich auf die gnadenlos gute Spielbarkeit nach Arcade-Vorbild. Einsteigen, Gas geben, Spaß haben - so lautet die Devise. Wer eine Simulation im Stil von Richard Burns Rally sucht, liegt hier so falsch wie ein Sébastien Loeb im Formel 1-Boliden: Hier geht es sofort schnell und dreckig zur Sache.

Verformbare Oberflächen

Trotzdem wird die Physik auf den matschigen Pisten nicht ignoriert: Das Zauberwort lautet verformbare Oberflächen. Das heißt, dass sich die Strecke von Runde zu Runde verändert - nicht nur grafisch, sondern auch physikalisch. Die Reifenspuren, die sich in Sand, Matsch oder Kies graben, haben Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Gerade wenn die Furchen im Boden bereits sehr tief sind, hoppelt eurer Flitzer deutlich heftiger über die Unebenheiten. Das Fahrgefühl von Sega Rally ist schlichtweg phänomenal - vor allem mit einem Force-Feedback-Lenkrad, mit dem ihr noch schöner durch die Kurven driftet und

Dreck wie Matsch oder Schnee bleibt an der Karosserie haften und besteht aus echten Polygonen. 
über die holprigen Pisten brettert. Dabei spürt ihr nicht nur den Wechsel der Bodenbeläge, sondern auch die Veränderungen der Strecke.

Wo ihr in der ersten Runde noch locker die Kurve nehmen konntet, ist in der dritten Runde kräftiges Gegenlenken angesagt, wenn ihr mit den tiefen Spurrillen konfrontiert werdet. Schade nur, dass es vom Gefühl her noch keine großen Unterschiede zwischen dem Fahren auf Sand oder Matsch gibt. Dennoch wird Sega Rally dem Anspruch eines Arcade-Rennspiels gerecht und bietet zumindest am Lenkrad ein ähnlich traumhaftes Fahrgefühl wie der brillante Vorgänger. Das Schöne: Ich rede hier nicht von der 360-Fassung, sondern von der PS3-Version, die - man mag es kaum glauben - eine erstklassiges Force Feedback-Vorstellung abliefert! Spielt ihr mit dem Controller, müsst ihr euch umgewöhnen, denn hier reagieren die Boliden direkter auf Lenkbewegungen. Außerdem wirkt die Steuerung im Gegensatz zur Innenansicht in den Außenperspektiven noch leicht schwammig. Schade ist außerdem, dass ihr die detailverliebten Kulissen, die euch nicht nur in tropische Regenwälder, vorbei an idyllischen Küsten, in Canyons und schneebedeckte Gebirge entführen, nicht zusätzlich aus einer Cockpit-Perspektive bewundern könnt. Ein großes Fragezeichen steht auch noch hinter der Abwechslung, denn sechs thematische Umgebungen (NICHT Strecken!) klingen auf den ersten Blick nicht nach sonderlich viel. Hier muss Segas Racing Studio noch beweisen, dass man auch mit einer begrenzten Anzahl an Kulissen die Rallye-Fahrer bei der Stange halten kann.

      

Schöner als Colin?

Ihr denkt, dass Colin McRae: Dirt schon super aussieht? Dann wird euch Sega Rally erst recht vom Hocker hauen! Obwohl die Bildrate bei 30 Frames festgesetzt wird, rauschen Objekte wie kleine Holzhäuser, bedrohliche Felsen und sommerliche Palmen sehr flott und durchweg flüssig an euch vorbei. Auch die lizenzierten Fahrzeuge, zu denen die üblichen Verdächtigen wie der Subaru Impreza, Citroen C4 oder Rallye-Boliden aus dem Hause Peugeot und VW zählen, glänzen mit beeindruckenden Spiegelungen sowie einer aufwendigen Modellierung. Vor allem die Dreckschicht, die sich mit Matsch und Schnee zunehmend an den Autos festsetzt, ist ein echter Hingucker. Netter Nebeneffekt: Fahrt ihr durch eine der zahlreichen Pfützen, wird der Schmutz kurzzeitig wieder abgewaschen. Ebenfalls klasse sind die winterlichen Kurse, bei denen ihr zunächst auf trockenem Asphalt startet. Mit zunehmender Höhe vereist die Strecke jedoch zunehmend, bis ihr euch letztlich durch tiefen Schnee kämpfen müsst. Das sieht nicht nur klasse aus, sondern fühlt sich auch prima an, wenn ihr nach und nach mehr an Bodenhaftung verliert. Die grafische Pracht der Arcade-Raserei kommt nicht von ungefähr - immerhin verzichtet Sega Rally komplett auf ein Schadensmodell und auch die Zerstörung der Umgebung hält sich in Grenzen. Hinzu kommt, dass die Kurse in ein enges Korsett geschnürt werden, sprich: Ihr werdet euch niemals weit abseits der Strecke

Spannende Duelle sorgen vor allem im Mehrspielermodus für Rallye-Spaß.
wiederfinden, da sie rechts und links von undurchdringlichen Leitplanken, Bäumen und anderen Objekten eingegrenzt werden. Grafische Unterschiede zwischen der PS3- und Xbox 360-Version gibt es nicht, so dass sich beide Konsolenfassungen auf dem gleichen, hohen Niveau bewegen.      

Die Frage der Langzeitmotivation

Neben dem Zeitfahren, bei dem ihr alleine die Strecke unsicher macht und eure Rundenzeiten optimiert, wird Sega Rally auch Einzelrennen mit bis zu fünf KI-Fahrern, einen Mehrspielermodus für bis zu sechs Teilnehmer sowie eine Karriere bieten. Leider gibt es zu Letzterer noch keine genauen Informationen, so dass sich die Frage stellt, wie man die Motivation und Abwechslung hoch halten will. Wird hier nur ein Rennen ans andere gereiht, um neue Fahrzeuge und Strecken freizuschalten, könnte die Luft schnell raus sein. Reine Drift-Rennen, Special Stages mit 1-gegen-1-Herausforderungen oder Bergrennen wie man sie aus Colin McRae: Dirt und RalliSport Challenge kennt, könnten eine Bereicherung darstellen - genau wie Preisgelder zur Anschaffung neuer Boliden. Während die Karriere noch viele Fragen offen lässt, kann der Mehrspielermodus bereits jetzt überzeugen: Wenn ihr euch mit sechs Mann in aufregende Positionskämpfe stürzt, fleißig Punkte in aufeinander folgenden Rennen sammelt und auf der deformierbaren Oberfläche die Fahrfehler der Konkurrenten anhand ihrer Reifenspuren analysiert, kommt Freude auf. Allerdings hoffe ich, dass Sega noch mehr Modi als die einfachen Rennen in petto hat. Es wäre z.B. auch schön, sich im Stil von PGR 3 Teamkämpfe um die besten Sektorenzeiten zu liefern.   

Ausblick

Keine Kompromisse, schnell und dreckig: Sega Rally macht richtig Spaß! Ich kann mir schon jetzt kaum einen besseres Spiel für ein kleines Rennen zwischendurch vorstellen: Grandioses Fahrgefühl. Aufwendig designte Kulissen. Packender Mehrspielermodus. Intensive Arcade-Action. In diesen Punkten wird Sega Rally ein Meisterschaftskandidat! Sorgen mache ich mir nur bezüglich der Langzeitmotivation: Wird es die Karriere schaffen, mich für mehrere Stunden ans Lenkrad zu fesseln? Diese Frage wird erst der Test beantworten können. Keine Bedenken habe ich bei der Fahrphysik: Anstatt eine halbgare Mischung aus Simulation und Spiel zu wagen, fährt Sega voll auf der Arcade-Schiene – und das ist gut so! Trotzdem würde es mich interessieren, wie sich coole Features wie die deformierbaren Oberflächen in einer Hardcore Rallye-Sim im Stil von Richard Burns Rally machen würden. Vielleicht wagt sich das Racing Studio ja als nächstes an ein solches Projekt…   

Ersteindruck: sehr gut

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