Haze18.04.2008, Mathias Oertel
Haze

Vorschau:

Lange Zeit wurde bei Free Radicals neuem Shooter Haze (ab 23,59€ bei kaufen) mehr über Exklusivität diskutiert als über das Spiel an sich. Kommt es für 360? Wann? Falls nicht, kommt es wenigstens für PC? Darüber geriet fast in Vergessenheit, dass der Release immer näher rückt. Ende Mai soll es vorerst exklusiv für die PS3 so weit sein. Wir verraten euch, ob der martialische Dschungel-Ausflug das Zeug zum Hit hat.

Gefilterte Realität

Bereits bei den letzten Präsentationen hat Haze einen guten Eindruck auf mich gemacht. Die Story um den Elite-Soldaten Shane Carpenter der dank seines Gewissens zwischen alle Fronten gerät, scheint zwar anfänglich etwas platt zu sein.

Aber Free Radical hat bereits mit Titeln wie der TimeSplitters-Serie sowie dem leider weitestgehend unbeachteten Second Sight vor allem eines bewiesen: Sie können Geschichten erzählen.

Und das schaffen sie auch in Haze. Das Geheimnis liegt hier im so genannten Nektar. Dabei handelt es sich um eine

Verzerrte Wahrnehmung: Free Radical setzt wie bei anderen Titeln aus gleichem Hause auf eine spannende Geschichte.
Bewusstsein schärfende Droge, die ein mächtiger Konzern seinen Soldaten einflößt, um im Kampf den Vorteil auf seine Seite zu ziehen.

Denn wie sich sehr schnell herausstellt, gibt es unerwünschte Nebenwirkungen. Und als Shane durch einen unglücklichen Zufall die Welt plötzlich ungefiltert und ohne Nektar-Einfluss sieht und sich schließlich auf Rebellen-Seite schlägt, bekommt die bis dahin verdammt stereotype Supersoldaten-Mär endlich den erzählerischen Kick: Was hat der Megakonzern zu verbergen? Was ist gut? Was ist böse? Es liegt an euch, dies herauszufinden. Aber Vorsicht: Die Welt von Haze ist eine Welt voller moralischer Grauzonen.

Konventionell mit Highlights

Diese Grauzonen scheint Free Radical immer im richtigen Moment zu nutzen, um den Shooter-Alltag überraschend in eine neue Richtung zu lenken. Allerdings habe ich Bedenken, dass Free Radical diese Technik bis zum Ende durchziehen kann. Denn irgendwann scheint jede Wendungsmöglichkeit ausgereizt zu sein. Wenn es wider Erwarten doch gelingen sollte, ziehe ich meinen Hut.

Andererseits kann ich der Balleraction trotz der Anflüge von Herkömmlichkeit weder Intensität noch Spannung absprechen: Die Gebiete sind ansprechend groß, mit interessanten, Aufgaben gespickt und natürlich kommen auch angreifende Gegnermassen nicht zu kurz.

Waffen können übrigens aufgenommen bzw. zu Munition für eure Schießprügel konvertiert werden. Ein besonderes Highlight ist die Nektar-Granate, mit der ihr bei den Mantel-Soldaten für eine Überdosis sorgen könnt, so dass diese nun ungeachtet Freund oder Feind auf alles ballern, was sich bewegt.  Weiterhin gibt es Fahrzeuge, die sich ansprechend steuern lassen und

Es gibt in der Haze'schen Shooter-Welt auch Platz für zahlreiche Fahrzeuge...
häufig seid ihr auch mit Mitläufern unterwegs. Eine Möglichkeit, Befehle zu geben, scheint aber nicht vorgesehen. Dafür agieren eure Kumpel wie nahezu alle CPU-gesteuerten Kämpfer (auch auf Gegnerseite) durchaus intelligent und gehen auch mal in Deckung. Auf Aktionen, die darauf schließen lassen, dass die KI auch als Team gut funktioniert, sind wir allerdings bislang nicht gestoßen. Für sich allein reagieren die Figuren gut, wenngleich nicht herausragend.

Dass menschliche Mitstreiter natürlich im Normalfall schlauer sind, hat auch Free Radical eingesehen und die Möglichkeit eingebaut, mit bis zu vier Recken vor dem Bildschirm bzw. über das PSN kooperativ gegen Mantel vorzugehen. Wir sind gespannt, wie sich die Performance in diesen Fällen gestaltet. Doch darauf sowie auf alle weiteren Mehrspieler-Modi werden wir erst in der finalen Version eingehen.

       

Der PS3-Dschungel?

Wenn die Mehrspieler-Schießereien sich allerdings als so schnell und bar jeglichen Schluckaufs oder sonstiger Geschwindigkeitsprobleme präsentieren wie die Solo-Action, muss man Free Radical ein Lob aussprechen. Sobald Haze ein Effektspektakel mit imposanten Explosionen und farbrauschender Nektar-Dosis abfackelt, während man durch den dicht bewachsenen Dschungel lauft und aus allen Rohren feuert, lässt man sich schnell und gern beeindruckenden. Auch die Wechsel vom Nektar-Einfluss bis hin zum Entzug sind gut gelungen, zitieren dabei sogar das eine oder andere Schockelement aus einschlägig bekanntem Survival-Horror und ziehen mich in den Bann der Geschichte.

Die Gebiete sind großräumig und bieten für einen linearen Shooter erstaunlich viel Freiraum. Doch das kann natürlich nicht

Das Nektar-Abenteuer ist intensiv und dürfte nicht nur in der Koop-Kampagne für vier Spieler ein Highlight für Multiplayer-Unterhaltung auf der PS3 werden. 
darüber hinweg täuschen, dass die Levelschläuche nach wie vor vorhanden sind und sich lediglich als voluminöser präsentieren. Aber das kann ich Haze nur minimal übel nehmen: Angesichts des bislang überzeugenden Erzähltempos ist das ein Manko, das ich gerne akzeptiere. Das Fehlen eines aktiven Deckungssystems gehört zwar in die Kategorie "Nice to have", allerdings verpasst man hier die Chance, um sich von Standard-Shootern abzusetzen.

Doch zurück zur Technik: Hat man die erste beeindruckende Phase hinter sich, zu der auch gute sowie glaubhafte Mimik gehört, zeigen sich erste Risse: Bodentexturen fallen als verwaschen auf, im Detail lassen auch Felswände, Bäume, Mauern usw. zu wünschen übrig. So wird der anfangs imposante Gesamteindruck etwas geschmälert.

Doch auch in anderer Hinsicht ist man weit vom grafischen Dschungel-Highlight Crysis entfernt: Es gibt weder Interaktion mit der Vegetation noch auffällige Bewegung derselben. Da war z.B. auch das Action-Adventure Uncharted schon einen Schritt weiter.

Andererseits haben sich ja auch die vorherigen Projekte von Free Radical eher durch das stimmige Gesamtbild ausgezeichnet. Diesem Prinzip bleibt man sich auch hier treu: Unter dem Strich gibt der Grafikmotor in der derzeitigen Form vor allem hinsichtlich Geschwindigkeit und Action einiges her, zahlt im Gegenzug aber den Preis der Detailschwäche.

Ob sich das bis zur finalen Version noch in großem Umfang ändern wird, ist zu bezweifeln. Zeit für kleine Änderungen hier und da ist auf jeden Fall noch vorhanden. Und zum anderen sieht Haze auch in dieser Form wahrlich nicht schlecht aus.     

Ausblick

Ich hoffe, Free Radical kriegt die Kurve. Dass die Briten sich mit Shootern auskennen, haben sie in der Vergangenheit bewiesen und sie zeigen es auch hier. Schnelle, kompromisslose Action ist an der Tagesordnung. Wie auch bei anderen Titeln aus gleichem Hause. Aber: Sie zeigt auch einen Hang zum Gewöhnlichen und Konventionellen – trotz Nektar. Und auch damit hat sie etwas gemeinsam mit früheren Free Radical-Spielen. Doch egal ob TimeSplitters oder Second Sight: Die clevere Einflechtung der Geschichte konnte immer für den Kick sorgen. Wenn dies auch bei Haze gelingt, naht hier das erste größere Shooter-Vergnügen des Jahres für die PS3, das seinen Reiz auch aus dem Koop-Modus für bis zu vier Spieler beziehen dürfte. Technisch hinterließ die vorliegende Version einen zwiespältigen Eindruck: Was die eigens entwickelte Engine an Geschwindigkeit und Effekten bietet, kann sich sehen lassen – ebenso das sehr geschickte Kaschieren der Ladezeiten sowie die starke Einbindung des Spielers ins beinahe filmreife Geschehen. Doch viele Schwächen im Texturdetail der großräumig angelegten Abschnitte reißen mich momentan immer wieder aus der Welt heraus. Das Potenzial, das in Haze steckt, ist spürbar. Und ich habe großes Vertrauen in das britische Team. Dennoch schrammt der Nektar-Shooter in der derzeitigen Form an einer sehr guten Einschätzung vorbei.

 

Ersteindruck: gut

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