Vorschau: White Knight Chronicles (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Sony
Release:
26.02.2010
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ab 14,22€
Spielinfo Bilder Videos
Charaktereditor 3.0

Die Kämpfe laufen in Echtzeit ab: Gegner wählen, Angriff wählen, Hieb aufladen und fertig. Gefährten können über Verhaltensmuster oder direkt nach Anwahl gesteuert werden.
Wer "ich" eigentlich bin? Gute Frage. Scheinbar erstellt man sich zu Beginn nur eine Nebenfigur, denn der eigentliche Held ist Blondschopf Leonard. Ob sich das noch ändert? Wie soll man da eine Beziehung aufbauen? Immerhin kann man für seinen Mitläufer den Augapfel, die Schuhgröße, den Bauchumfang, die Hautoberfläche und den Winkel der Augenbrauen einstellen. Außerdem Nasenbreite, Kieferlänge, Irisfarbe, Frisur und Stimme. Das Spiel setzt bei der Charaktererschaffung komplexe Zeichen - hier im Video. Allerdings gilt das nur für das Äußere, denn weder ein Volk noch eine Klasse stehen zur Wahl; schade.

Das ist ja oberflächlich? Moment - hier ist Level 5 (Dark Cloud , Rogue Galaxy ) am Werk. Und wo diese Japaner drauf stehen, ist meist viel Rollenspiel drin. Und natürlich gehört dazu eine komplexe Karriere inklusive Lebens- und Magiepunkte, Erfahrung und Spezialisierungen, Items und Heiltränken: Anstatt klassischen Berufungen zu folgen, kann man jeden der bis zu vier Charaktere in der Party frei entwickeln. Wer aufsteigt, darf Punkte auf acht Kampffähigkeiten verteilen, darunter Einhänder, Zweihänder, Bogen, Stab und zwei Magietypen. Später kommen allerdings auch knapp ein Dutzend Attribute wie Agilität oder Stärke hinzu, die man steigern kann.

Investiert man seine Punkte in den Bereich Einhänder, schaltet man zunächst Talente wie den "Rückwärtshieb", den "Helmknaller" oder den "Flammenhieb" frei. Wer auf den Bogen setzt, bekommt irgendwann "Bull's Eye" oder den "Doppelpfeil". Die deutsche Version bietet übrigens englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln. Die Texte sind bis auf einer paar kleine Dreher sauber übersetzt worden.

Kämpfen im Team

Der sylvanische Troll ist der erste große Gegner: Man hat mehrere Trefferzonen zur Auswahl. Wie viele Bestien sind da im Anmarsch?
Zurück auf die Straße: Jetzt zieht gerade ein mammutähnliches Tier unseren schwer beladenen Karren mit Dutzenden Fässern, so dass wir zu langsamer Eskorte auf der befestigten Straße gezwungen sind. Schön ist, dass man an leuchtenden Steinen in der Landschaft seine Gruppe heilen und speichern kann. Auch so feiern wir zunächst überraschend leichte Siege mit dem interessanten Echtzeitkampfsystem: Sobald ein Feind sichtbar wird, kann man ihn per L1 anvisieren und sich für eine der Dutzenden Angriffsarten wie einfacher Schlag oder Pfeilschuss entscheiden - diese werden dann in einem Kreis aufgeladen, danach muss man nur noch in die benötigte Reichweite kommen und schlägt zu. Stärkere Angriffe wie der Flammenhieb dauern länger und kosten Aktions-Chips, die man durch aktives Kämpfen gewinnt.

Hat man die Lebenspunkte des Feindes auf den Nullpunkt gebracht, löst er sich auf. Da es keine Pausefunktion gibt und die Zeit selbst beim Aufrufen des Charaktermenüs weiter läuft, muss man theoretisch immer auf der Hut sein. In der Praxis wurde es aber nur in Unterzahl gefährlich. Man kann zwar auch aktiv verteidigen, indem man zur richtigen Zeit die R1-Taste betätigt (danach wird der Schaden des Feindes entweder abgemildert oder abgefangen), aber ein Mittendringefühlgefühl à la Demon's Souls  mit hitzigem Konter und gejubeltem Todesstoß.  Etwas verstörend wirken zudem die viel zu großen Texteinblendungen auf der linken Seite, die wie in klassischen Rollenspielen alter Schule über den verursachten Schaden informieren und fast ein Viertel des Bildschirms benötigen; dieses Feedback hätte man eleganter und kleiner integrieren müssen.

Effiziente Kombinationen

Große Städte, weite Landschaften und exotische Höhlen warten auf euch - später kann man über das "GeoNet" auch online mit Freunden Quests lösen und eine eigene Stadt bauen. Da hat Level 5 wohl Elemente des eingestellten Xbox-Titels True Fantasy Live Online integriert.
Das Besondere an den Gefechten sind die effizienten Kombinationen: Man kann ein Repertoire an Kombos anlegen, indem man Angriffe derselben Art (Hieb, Stoß, Schlag) aneinander reiht - z.B. erst den einfachen Hieb, dann den Rückwärtshieb, dann den Kopfhieb etc. Diese werden im Gefecht dann nicht einfach so ausgelöst, sondern man muss jeden Teil der Kombo mit dem richtigen Timing per Knopfdruck bestätigen, damit sie wirkt und nicht unterbrochen wird. Wer das bis zu fünfmal schafft, verursacht natürlich wesentlich mehr Schaden als mit einfachen Schlägen. Es gibt aufgrund der Vielzahl der Waffen und Schlagarten eine schier unendliche Vielfalt an Verknüpfungen.

Man steuert zwar immer nur einen Charakter direkt, kann aber jederzeit zu Leonard oder Yulie wechseln. Man kann die Gruppe aber auch im Vorfeld mit Verhaltensmustern organisieren: Wer einen Gefährten auf "kompromisslos" einstellt, wird ihn immer an vorderster Front kämpfen sehen. Wer es defensiver an seiner Seite mag, kann auch auf "einsparen" oder "sichern" und "vorrangig heilen" wechseln. So gewinnen die Kämpfe eine taktische Komponente, die zwar bei den kleinen Monstern auf den Ebenen noch nicht nötig war, aber schon bald an Relevanz gewinnt, denn einige Feinde müssen gezielt im Team vernichtet werden. Genau so wie jetzt...

Im Angesicht der Bestie

Irgendwann kann sich Leonard in den weißen Ritter verwandeln und auf Augenhöhe gegen Riesen kämpfen. Allerdings muss er damit haushalten...
...als plötzlich die Erde bebt: Ein sylvanischer Troll stampft auf die Straße und lässt den Boden zittern. Ist der fünf Meter groß? Und hat er den Wein etwa gerochen? Egal, denn jetzt gilt es die Bestie im Team zu besiegen. Im Gegensatz zu einfachen Monstern hat dieser Koloss mehrere Trefferzonen, die man anvisieren kann - Kopf, Unterleib, rechtes Bein, linkes Bein. Und je nachdem mit welcher Angriffsart ich auf welchen Körperteil schlage, ergeben sich andere Konsequenzen: Nachdem ich eine 5-Fach-Schlag-Kombo auf das linke Bein durchbringen konnte, verliert der Troll das Gleichgewicht und sackt zusammen, weil er sich stützen muss. Das ist der ideale Zeitpunkt, um mit allen Gefährten seinen Kopf zu attackieren!

In den Gefechten gegen diese übergroßen Kreaturen kommt wesentlich mehr Spannung auf als in den normalen Scharmützeln. Und Übergröße wird auch das zentrale Thema für den Haupthelden Leonard: Denn auch wenn er mit meiner und Yulies Hilfe den Troll besiegen und den Wein nach Hause bringen kann, erwartet ihn dort weder ein Fest noch Frieden. In den Straßen der Stadt tobt schon bald das Feuer, angeheizt durch eine dämonische Bestie. Was geht da vor? Wo ist der König? Die heile Märchenwelt bricht in einem Chaos zusammen und als Leonard die hilflose Prinzessin durch die Kellergewölbe Balantors führt, um sie in Sicherheit zu bringen, trifft er auf ein uraltes Geheimnis: Die Rüstung des weißen Ritters, genannt "Incorruptus"!

Wie durch ein Wunder kann er diese alte Waffe aktivieren und sich für kurze Zeit in diese ebenso legendäre wie riesenhafte Gestalt verwandeln. Jetzt hat er Zugriff auf mächtige Angriffe und kann sich gegen diesen Dämonen stellen, vor dem die Palastwachen schon verzweifeln. Leonard erscheint hier nach seinem Sieg wie ein Held ex machina, wie ein Glück im Unglück: Kein Wunder, dass man ihn damit beauftragt, die Prinzessin zu finden - denn das schweigsame Mädchen wurde während des Chaos entführt. Allerdings wird der weiße Ritter nicht einfach so erscheinen: Leonard muss während normaler Kämpfe mind. sieben Aktions-Chips sammeln, um ihn beschwören zu können - spart er sich das für zwölf oder gar fünfzehn auf, ist er als weißer Ritter noch mächtiger.

           
 

AUSBLICK



Das kurze Reinschnuppern in dieses Abenteuer macht mich neugierig - zumal tatsächlich erst nach der Beschwörung des weißen Ritters, also nach drei Stunden (!), der Prolog mit den Namen der Entwickler über den Bildschirm flimmert. Ist das ein Introrekord? Ich hatte schon den Abspann befürchtet, aber Level 5 hat hier ganz gemütlich ausgeholt, um die Bühne für seine Fantasy-Welt zu zimmern - eigentlich fängt das Spiel erst an, wenn Leonard die sagenhafte Gabe der Riesenverwandlung einsetzen kann. Die veraltet anmutende Kulisse kann zwar nicht im technischen Detail begeistern, hat aber ihre idyllischen Momente und wirkt ebenso märchenhaft wie exotisch: Man begegnet Rittern in schimmernden Plattenrüstungen, gnomenhaften Wesen mit Hasenohren oder gigantischen Bestien à la Shadow of the Colossus - im Artdesign eine Mischung aus europäischen und fast schon disneyhaften Motiven. Die Story bemüht zwar bisher einiges an vorhersehbarem Kitsch, die charakterlose Mitläuferrolle des eigenen Helden wirkt befremdlich und manche Außenareale versprühen eher den generischen Charme bekannter Online-Rollenspiele als das Gefühl gefährlicher Wildnis. Aber das Echtzeitkampfsystem mit seinem Kombo-Timing sowie die freie Karriere machen genau so Hoffnung wie die spektakulären Gefechte gegen die Bestien. Und es gibt keine nervigen Zufallskämpfe! Trotzdem bleiben noch so viele Fragen: Wie entwickelt sich die Geschichte? Welche Qualität haben die Quests? Wie frei kann man die Welt erforschen? Wie lebendig sind die Städte? Welche Gefährten kommen hinzu? Können die Kämpfe auf Dauer mit Taktik fordern? Und wie präsentiert sich die Multiplayer-Komponente? Schließlich kann man sich online mit Freunden verbünden, sie in selbst errichtete Städte einladen und als Gruppe an die 50 Quests bestreiten. Ich bin gespannt, wie sich Leonard auf lange Sicht als weißer Ritter schlägt.

Ersteindruck: gut
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Kommentare

Predint schrieb am
das spiel wurde gestern in gameone getestet und ist anscheinend nicht so der bringer.
08/15 rpg halt und dann haben sie noch sowas gesagt wie, "wer so ein spiel kurz vor ff13 veröffentlicht ist selber schuld :)"
scorpion or monkey schrieb am
Das was das neue FF sein sollte, ein märchenhaftes, fantasievolles japanisches RPG.
LordBen schrieb am
Hab heute die US Version von WKC bekommen, macht nach den ersten paar Stunden einen ziemlich guten Eindruck.
Hat sonst noch jemand das Spiel? Suche Verbündete um ein paar Quests zu erledigen. ;)
KingDingeLing87 schrieb am
WOW...
Hört sich wirklich interessant an.
Wird aufjedenfall im Auge behalten. :D
$tranger schrieb am
@Jörg:
/Klugscheiß:
Man kann zwar auch aktiv verteidigen, indem man zur richtigen Zeit die R1-Taste betätigt (danach wird der Schaden des Feindes entweder abgemildert oder abgefangen), aber ein Mittendringefühlgefühl à la Demon's Souls mit hitzigem Konter und gejubeltem Todesstoß ___. Etwas verstörend...
Da fehlt was nach Todesstoß :)
/Klugscheiß aus
Ansonsten zu der Diskussion, ob's jetzt gut ist oder nicht:
Ich lasse mich einfach mal überraschen. Das Spiel gibt's zwar schon länger, aber wenn's hierzulande rauskommt, werde ich mal schauen, ob ich's nicht irgendwo ausgeliehen bekomme.
Die Idee mit Mecha in einem RPG gefällt mir jedenfalls und generell bin ich jRPGs gegenüber ja ziemlich aufgeschlossen.
Bringt doch nix sich hier drüber zu echauffieren, ob/warum Fehler im Spiel sind - am Ende ist es jedem selbst überlassen, ob er damit leben kann oder nicht.
Fast jeder von uns hat sicher schon Spiele sehr gemocht, die Andere "gurkig" fanden ;)
schrieb am