Nicht mehr so doof?
Bevor ich in die erste Mission von Sniper Elite 4 einsteigen konnte, ergab sich die Gelegenheit zu einem kleinen Gespräch mit Lead Designer Paul Wright von Rebellion. Was mir am Vorgänger gefallen habe, wollte er wissen - und vor allem, was nicht. Und die Antwort darauf fiel mir nicht schwer. Denn es war vor allem die KI, die in
Sniper Elite 3 für Sorgenfalten verantwortlich war. Es schien, als ob die Routinen der Gegner in den linearen Schlauch-Levels der Vorgänger stecken geblieben waren und nicht für die in Teil 3 neuen offenen sowie großräumigen Gebiete optimiert wurden. Auf meine Frage, ob man in dieser Hinsicht etwas getan habe, sagte er zuerst nur lapidar "Ja", ergänzte aber schließlich: "Wir haben basierend auf dem Feedback der Spieler an vielem gearbeitet, u.a. an der KI. Mach dir am besten selbst ein Bild und sag mir später deine Meinung."
Die hauseigene Engine von Rebellion zeichnet stimmungsvolle Gebiete, die zum Schleichen, Snipern und Häuserkampf einladen.
Gesagt, getan. Nachdem ich etwas mehr als eine Stunde durch ein von der Toskana inspiriertes Gebiet geschlichen, gelaufen und gesnipert bin, blieb ein positiver Eindruck zurück. So ganz war die spielbare Version, die allerdings schon einige Wochen alt ist, zwar nicht von Fehlern der Gegner-KI gefeit, doch die Momente, in denen man wie beim Vorgänger über störendes und aus der Spielwelt reißenden Verhalten stolperte, wurden deutlich reduziert. Und Situationen, in denen man ohne Reaktion der Feinde einen nur etwa zwei Meter von seinen Kameraden stehenden Soldaten per Scharfschützengewehr ausschalten konnte, können und sollen bis zum Release noch berichtigt werden.
Alles neu
Sniper Elite 4 setzt quasi genau dort an, wo Teil 3 aufhörte: Die große Nazi-Gefahr in Nordafrika ist abgewendet. Karl Fairburne, amerikanischer Geheimagent und Meister-Scharfschütze in Personalunion, kann sich aber nicht auf die faule Haut legen. In Italien wartet der nächste Auftrag, der ihn über insgesamt acht Missionen auf großräumigen Karten in den Kampf gegen die deutschen Invasoren und ihre neue Geheimwaffe schickt. Rebellion hat dabei die Chance genutzt, nur für die aktuelle Generation entwickeln zu müssen und an der Kulisse der hauseigenen Engine geschraubt, die mit ihren an die Toskana erinnernden Feldern, Felslandschaften und Gemeinden bereits im ersten Abschnitt der hier spielbaren Version einen guten Eindruck hinterlässt, bei dem auch die Weitsicht eine große Rolle spielt. Auf Hakenkreuze und ähnliche hierzulande verfassungsfeindliche Darstellungen wird übrigens nicht nur in der deutschen Version verzichtet. Da Rebellion weder das Personal noch die finanziellen Mittel hat, um wie noch bei der Zombie Army Trilogy
Die Uniformen der Gegner tragen nicht nur hierzulande keine NS-Insignien: Es gibt nur eine Fassung für alle Terrotorien.
unterschiedliche Fassungen für Deutschland und den Rest der Welt herzustellen, hat man komplett auf NS-Symbolik verzichtet. Die sei trotz des historischen Hintergrundes nicht wichtig, wie mir der Lead Designer erklärte. Es wäre ihnen wichtiger gewesen, Sniper Elite 4 hinsichtlich der Inhalte und spielerischen Möglichkeiten zu optimieren anstatt sich mit Versions-Unterschieden herumschlagen zu müssen.
Und das zahlt sich aus: Denn man hat in vielerlei Hinsicht an den richtigen Punkten angesetzt, um die Stärken des Vorgängers auszubauen und dabei gleichzeitig die Mankos auszumerzen - wie z.B. die wankelmütige KI, die von Grund auf neu entwickelt und auf die Anforderungen einer weitgehend offenen Levelstruktur optimiert wurde. Sprich: Sie ist deutlich aufmerksamer, wenn man unvorsichtig werden und die erweiterten Schleichmechanismen etc. nicht ausreichend nutzen und daher entdeckt werden sollte. Zwar geht sie irgendwann wieder zum Tagesablauf bzw. ihrem Patrouillenweg über, wenn man sich lang genug versteckt oder das von ihr durchsuchte Gebiet erfolgreich verlassen kann. Doch auch dabei muss man Vorsicht walten lassen, da überall Feinde lauern können - wohl dem, der mit dem Fernglas auskundschaftet und sie entsprechend markiert. Neu ist dabei, dass man mehr Infos wie z.B. mögliche Beute und ihre Bewaffnung erfährt, wenn man sie länger beobachtet. Das mag nicht realistisch sein, ist aber für die taktische Planung des weiteren Vorgehens interessant, da die nächsten vier oder fünf Feinde ausgerechnet die sein können, die keine Munition für die präferierte Waffe dabei haben. Haben die Gegner einmal die Fährte aufgenommen oder gar die Jagd eröffnet, muss man sein ganzes Geschick einsetzen, um ihnen zu entkommen oder sie im direkten Kampf zu besiegen. Dementsprechend hat man auf den großräumigen Karten nicht nur die Qual der Wegwahl, sondern auch, ob man eher schleichend, eher aggressiv oder als Mischform vorgeht, wobei man wie gehabt zwischen einem breiten Spektrum an Waffen und Hilfsmitteln wie Minen, Granaten, Dynamit etc. wählen und auch die Schießprügel getöteter Gegner aufnehmen kann.