Marvel's Spider-Man06.09.2018, Michael Krosta

Special: Spider-Man in offenen Welten

Nicht erst seit dem aktuellen Titel von Insomniac Games schwingt sich Spider-Man abseits von Comics und Filmen auch durch offene Welten von Videospielen. Marvels sympathischer Superheld, der seine besonderen Kräften dem Biss einer genetisch veränderten Spinne verdankt, hat auf PCs und Konsolen im Laufe der Jahre schon manches Abenteuer erlebt. Wir lassen die wichtigsten Stationen in Spideys Karriere als Videospiel-Figur Revue passieren...

Spider-Man: The Movie (2002)

Als Spider-Man nach langer Abstinenz im Jahr 2002 unter der Regie von Sam Raimi auf die Kinoleinwand zurückkehrte, sicherte sich Activision die Lizenz für Videospiel-Adaptionen und beauftragte Treyarch mit der Entwicklung des Spiels zum Film. Das Studio, das seit 2001 zu Activision gehört und heute vor allem für die Black-Ops-Ableger bekannt ist, wollte sich allerdings nicht zu eng an die filmische Vorlage halten, sondern sich gewisse Freiheiten erlauben. Zwar drehte sich auch das Spiel um die Anfänge des Helden und seinen ersten großen Widersacher in Person von Norman Osborn, der mit seinem Unternehmen OsCorp an genetischen Experimenten zur Erschaffung von Super-Soldaten forschte. Doch im Gegensatz zum Leinwand-Vorbild, das sich vor allem auf Osborn und dessen Verwandlung in den Green Goblin fokussierte, fuhr Treyarch im Spiel eine deutlich größere Riege an Schurken auf, darunter The Shocker, Vulture und Scorpion. In der Fassung für die Xbox bekam man es außerdem noch exklusiv mit Kraven the Hunter zu tun. Trotzdem blieb die Verbindung zum Film alleine dadurch erhalten, weil Schauspieler wie Tobey Maguire, Willem Dafoe & Co ihren Figuren auch im Spiel sowohl ihr Aussehen

Spider-Man und offene Welten - das musste einfach passen.
als auch ihre Stimme liehen. Selbst für die Tutorial-Sektion verpflichtete Activision mit Bruce Campbell (The Evil Dead) einen prominenten Sprecher.  

Spielmechanisch und designtechnisch war man damals gar nicht so weit von dem entfernt, was Insomniac Games aktuell mit Spider-Man auf der PS4 auffährt. Denn schon 2002 nutzte man die Spinnen-Netze nicht nur dazu, um Feinde zu attackieren, sondern konnte sich bereits zwischen den Wolkenkratzern durch das recht offene New York schwingen oder an Häuserfassaden entlang krabbeln. Allerdings war das System noch recht simpel gestrickt und es reichte aus, die Spinnweben einfach wahllos ins Nirgendwo zu feuern, um sich zwischen den Häuserschluchten zu bewegen. In den Auseinandersetzungen mit den Schergen kam außerdem ein Kombo-System zum Einsatz, wobei man die Tastenfolgen erst durch den Fund von versteckten goldenen Spinnen freischalten musste. Die vier Schusstypen der Spinnen-Netze ließen sich außerdem durch Upgrades verbessern. Punkte-Boni gab es für die Zeit pro Abschnitt, angerichteten Schaden und Stil. Abseits der Prügeleien konnte man auch versuchen, sich unauffällig zu verhalten und Gegnern aus dem Weg zu gehen. Insgesamt zählte Spider-Man bzw. Spider-Man: The Movie damit zu der besseren Sorte von Spielen, die auf Basis von Kinofilmen entwickelt wurden.

Spider-Man 2 (2004)

Bei Spider-Man 2 setzte Treyarch konsequent den Weg fort, den man beim Vorgänger eingeschlagen hatte: Wieder erschien der Titel als offizielles Spiel zum zweiten Film der Raimi-Trilogie. Und wieder nahm sich das Studio gewisse Freiheiten, beim Spiel über die Handlung des Films mit seinem Schwerpunkt auf den Konflikt mit Dr. Octavius hinauszugehen. Als Spider-Man

Neben dem Schwingen durch die Stadt zählt auch der Kampf zu den zentralen Spielmechaniken der Spider-Man-Spiele.
konnte man sich recht frei durch die Spielwelt bewegen, die aus Manhattan, Roosevelt, Ellis und Liberty Island bestand. Zudem durfte man abseits der Hauptstory auch zahlreichen Nebenaufgaben in Angriff nehmen.       

Vor allem beeindruckte Spider-Man 2 aber mit technischen Innovationen: Neben der großen offenen Spielwelt überzeugte vor allem die Schussmechanik der Spinnennetze, denn erstmals wurden physikbasierte Algorithmen dazu genutzt, um das Schwingen durch die Stadt im dreidimensionalen Raum zu simulieren. Auch die Kämpfe gewannen an Intensität, weil man nicht nur mit bewaffneten Standardgegnern konfrontiert wurde, sondern manche von ihnen auch über spezielle Waffen und Fähigkeiten verfügten, die dem Spinnen-Helden ordentlich zusetzen konnten. Die verdienten Helden-Punkten dienten sowohl als Zugang zu weiteren Story-Abschnitten als auch zum Aufwerten von Spider-Mans Fähigkeiten.

Interessanterweise legte man die Entwicklung der PC-Version in die Hände eines anderen Studios, das nicht nur die Handlung, sondern auch die Spielmechanik veränderte. Letztere erschien im Vergleich zu Treyarchs Konsolenspiel deutlich simpler und daher auch weniger herausfordernd. Entsprechend kam das PC-Spiel in Tests und bei Spielern weniger gut an. Kritik erntete Publisher Activision außerdem dafür, dass es in Werbeanzeigen keinerlei Hinweise darauf gab, dass sich PC- und Konsolenversion so stark voneinander unterschieden. Letztere gilt aber immer noch als eine der besten Videospiel-Adaptionen des Marvel-Helden.

Ultimate Spider-Man (2005)  

Dass es nicht unbedingt einen Film als Vorbild braucht, bewiesen Activision und Treyarch mit Ultimate Spider-Man, das im Jahr 2005 erschien und auf dem gleichnamigen Comicbuch basierte. Genau wie dort stand auch hier der Venom-Anzug von Trask Industries im Zentrum, doch traf man im Laufe der Kampagne auch auf zahlreiche renommierte Schurken und Sidekicks wie Human Torch, Shocker, Wolverine, Electro, Beetle, Sandman, Green Goblin und Carnage.

Im Prinzip verfrachtete Treyarch das grundlegende Design und die Mechaniken aus Spider-Man 2 in ein neues Szenario, das mit dem automatischen Umschalten zwischen Spidey und Venom aber auch spielerisch ein paar frische Impulse setzen konnte. Als Venom musste man die weiten Distanzen z.B. durch Sprünge überbrücken und ständig die Lebensenergie aus Gegnern oder sogar Zivilisten saugen, weil dessen eigene Kraft kontinuierlich abnahm. Als typischen Nebeneffekt einer

Ultimate Spider-Man orientierte sich auch stilistisch an der Comic-Vorlage.
offenen Spielwelt gab es außerdem massig Sammelkram und Nebenaktivitäten, die von irgendwelchen Tokens über Comicbuch-Cover bis hin zu diversen Renn-Herausforderungen führten.

Spider-Man 3 (2007)

2007 ging es für Treyarch und Spider-Man klassisch weiter, als man passend zum Abschluss der Film-Trilogie wieder das dazugehörige Videospiel entwarf und sich dabei einmal mehr nur grob an die Vorlage hielt. Während für die „Old-Gen“-Versionen (PlayStation 2, PSP, GBA, DS und Wii) das Studio Vicarious Visions eingespannt und Umsetzungen für GameCube und Xbox aufgrund schwacher Verkaufsprognosen komplett gestrichen wurden, zeichnete Treyarch für die Premiere von Spider-Man auf den neuen Konsolen Xbox 360 und PS3 verantwortlich. Diese unterschied sich mechanisch sowohl von der anderen Fassung als auch den Vorgängern: So war es im Gegensatz zur PS2- und Wii-Version hier nicht möglich, den Anzug zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu wechseln. Stattdessen war das Outfit genauso an den Spielfortschritt gebunden wie die Fähigkeiten, die man folglich nicht länger durch beliebige Käufe freischalten konnte. Als Novum integrierte man außerdem erstmals Reaktionstests (Quick Time Reactions) in den Spielablauf. Kritik gab es erneut an Activisions Herangehensweise, verschiedene Spiele unter gleichem Namen zu produzieren und den New Goblin lediglich auf den neuen Konsolen auftreten zu lassen.

Spider-Man: Web of Shadows (2008)

Trotzdem setzten die Mannen um Bobby Kotick bei Spider-Man: Web of Shadows weiter auf diese Strategie: Während man den Helden auf PS3, Xbox 360, PC und Wii im traditionellen Mix aus Action und Adventure bei seiner Suche nach Mary Jane

Die Bekämpfung der Straßenkriminalität bot sich auch immer für Nebenmissionen an.
Watson begleiten durfte, wartete auf PS2 und PSP in der als Amazing Allies Edition untertitelten Fassung ein 2,5D Beat'em-up, während man sich auf dem DS für eine Mischung aus Brawler und Plattformer entschied.

Als Besonderheit hatte man im Spielverlauf an vorgegebenen Stellen die Wahl, sich für einen guten oder bösen Weg zu entscheiden, wobei sich die Pfade auch auf die multiplen Enden ausgewirkt haben. Zudem experimentierte das Team von Treyarch in Zusammenarbeit mit Shaba Games mit verschiedenen Anzügen, die sich jederzeit wechseln ließen und sich auf die Fähigkeiten sowie das Spielgefühl des Helden auswirkten – eine Mechanik, von der sich offenbar auch Insomniac Games für das jüngste Spider-Man-Spiel inspirieren ließ, in dem es ebenfalls Variationen der Anzüge gibt.    

The Amazing Spider-Man (2012)

Mit dem offiziellen Spiel zum Film „The Amazing Spider-Man“ reichte Treyarch die Fackel an das Activision-Studio Beenox weiter. Zuvor hatte das Team bereits mit den Arbeiten an Spider-Man: Shattered Dimensions und Spider-Man: Edge of Time erste Erfahrungen mit dem Spinnen-Helden gesammelt. Die neuen Entwickler ließen sich dabei vor allem hinsichtlich des dynamischen Kampfsystems von Rocksteadys Batman-Spielen inspirieren. In den Auseinandersetzungen wurde sogar der Anzug zunehmend beschädigt, den man erst durch das Aufsuchen von Schutzräumen wieder reparieren konnte.

Die Handlung des Spiels setzte überraschenderweise zwei Monate nach den Ereignissen des Films ein und fungierte daher als alternativer Epilog der Vorlage. Dabei ging Peter Parker nach Hinweisen seiner Freundin Gwen Stacy dem Verdacht nach, dass bei Oscorp weiter an den genetischen Experimenten von Dr. Curt Connors geforscht wurde. Tatsächlich begann kurze Zeit später ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit, um ein gefährliches Virus einzudämmen, das aus den Labors entwischen

Man musste sich nicht immer direkt mit den Gegnern anlegen. Viele Spiele (hier: Amazing Spider-Man) boten auch alternative Schleichansätze.
konnte und die Einwohner der Stadt bedrohte. Erweitert wurde das Spiel durch zahlreiche DLCs, mit denen man u.a. in die Rolle des Lizards schlüpfen und sogar Marvel-Urgestein Stan Lee mit den Kräften von Spider-Man erleben konnte.

The Amazing Spider-Man 2 (2014)

The Amazing Spider-Man 2 erschien zwar erneut als Spiel zum Film, entfernte sich aber ähnlich stark vom Vorbild wie der Vorgänger. Entwickler Beenox setzte dabei vor allem auf dessen Fundament, erweiterte es aber mit einem neuen Moralsystem. Dabei wurde der Spieler dafür belohnt, sich abseits der Story-Missionen auch um ganz normale Verbrechen innerhalb der offenen Spielwelt zu kümmern. Ließ man die Verbrechensbekämpfung dagegen zu häufig schleifen, ging entsprechend die Helden-Bewertung in den Keller. Genau wie bei Treyarchs Spiel zum ersten Film mit Tobey Maguire hatte man zudem auch hier die Wahl, sich optional für einen unauffälligen Schleichweg zu entscheiden, auf dem man die Widersacher sogar auf Distanz oder aus allen erdenklichen Positionen heraus lautlos ausschalten konnte. Generell waren die Level-Abschnitte deutlich offener angelegt und boten viele unterschiedliche Routen. Auch die Upgrade-Möglichkeiten für die Spinnen-Netze waren erneut mit von der Partie.

The Amazing Spider-Man 2 war das letzte Spidey-Spiel, das von Activision produziert wurde. Mit dem Ende des seit 1998 bestehenden Lizenzabkommens zwischen Marvel und dem Publisher waren nicht nur weitere Spiele mit Marvel-Helden

Ein Spinnen-Held lässt sich auch von ein paar Explosionen nicht aus der Ruhe bringen.
ausgeschlossen. Tatsächlich musste Activision auch sämtliche bisher veröffentlichten Videospiele aus digitalen Stores entfernen, die im Rahmen des Lizenzabkommens entwickelt wurden.

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Stattdessen kam es zu einer Vereinbarung zwischen Marvel und Sony – was angesichts der ähnlichen Situation im Filmbereich durchaus nahe liegt. Für das PS4-exklusive Marvel's Spider-Man arbeitete Insomniac Games direkt mit Marvel zusammen, orientierte sich hinsichtlich Design und Spielmechaniken aber auch an Ansätzen der Activision-Titel, die nach Meinung der Entwickler gut funktionierten. Wie sich Spider-Man unter der neuen Obhut schlägt, schwingt und spinnt, verraten wir im Test und geben im Einsteiger-Guide bereits erste Tipps, wie man sich das Leben als Superheld in New York etwas leichter machen kann.

 
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