Bungie06.09.2017, Jörg Luibl

Special: Im Wandel der Zeit

Wenn man heute an Bungie denkt, fallen einem natürlich sofort Destiny und Halo ein. Aber das im Jahr 1991 von Alexander Seropian gegründete Studio hat schon lange vor diesen prominenten Titeln fleißig entwickelt. Wir blicken zurück auf die weniger bekannte Anfangszeit des amerikanischen Spieleherstellers, der sich vor allem auf dem Macintosh einen Namen machte.

Pong rückwärts und Krieg vorwärts

Es klingt ein bisschen wie die Story von den Computer-Tüftlern in der Garage. Der Mathematik-Student Alexander Seropian programmierte 1990 in Chicago zunächst ein Spiel namens Gnop! für Mac, das nicht mal ansatzweise auf die große Karriere hinzudeuten schien. Es handelte sich um eine recht dreiste, aber kostenlose Variante des Videospielpioniers Pong. Aber wenn man genau hinschaut, erkennt man nicht nur den rückwärts geschriebenen Klassiker, sondern bereits in der Spielmechanik, dass es eine erste Fingerübung für etwas Größeres sein sollte.

Alexander Seropian (links) und Jason Jones (rechts) kannten sich von der Chicago University und gründeten Bungie 1991.
Denn im Gründungsjahr der "Bungie Software Products Corporation" erschien mit "Operation: Desert Storm" ein ganz anderes Kaliber für den Mac. In diesem Actionspiel konnte man selbst einen US-Panzer steuern: Aus der Draufsicht kämpfte man im M1A1 gegen diverse irakische Einheiten inklusive Helikopter, Landminen, Giftgaswolken. Heute sieht das vielleicht so steril aus wie animiertes Käsekästchen. Aber Seropian bewies nicht nur ein Händchen für komplexere taktische Action, sondern auch für den Zeitgeist sowie PR, denn der Golfkrieg bestimmte 1991 natürlich die Schlagzeilen in aller Welt. Trotzdem darf man das angesichts von knapp 2500 verkauften Discs nicht überbewerten.

Zwei-Mann-Firma mit Mac-Fokus

Nach diesem patriotisch angehauchten Kriegsspiel entführte das auf zwei Mitarbeiter angewachsene Bungie 1992 zunächst mit einem Action-Rollenspiel in die Antike. Dieses konzipierte sein erster Mitarbeiter und Freund Jason Jones, der zum Lead

Das sah zwar noch nicht ganz nach Destiny aus, aber Operation Desert Storm für Mac war das erste kommerzielle Spiel von Bungie.
Designer avancierte, schon an der Uni in Chicago. In Minotaur: The Labyrinths of Crete deuteten beide auch zum ersten Mal ihr Multiplayer-Interesse sowie fortschrittliche Ideen an, denn bis zu sechs Helden konnten in der Draufsicht über Modems und AppleTalk gemeinsam metzeln - auch das wurde etwa 2500 mal verkauft, vom großen Erfolg war noch nichts zu sehen.

Aber 1993 debütierten sie, inspiriert von Wolfenstein 3D, in der dritten Dimension. Und sie demonstrierten ihre Klasse: In Pathways into Darkness zeigten sie, dass ein Horror-Shooter in Egosicht nicht nur über simple Ballerei, sondern auch über Story, Rätsel und Erkundung in Dungeons unterhalten kann. Das Ergebnis konnte sich grafisch und spielerisch sehen lassen, wurde als "Adventure Game of the Year" und "Best Role-Playing Game" in Mac-Magazinen ausgezeichnet und verkaufte sich so gut, dass Seropian, Jones sowie ein erster fest angestellter dritter Mitarbeiter in ein echtes Studio umziehen konnten. Der Grundstein für den späteren Erfolg war gelegt - und die Wurzeln von Halo und Destiny waren zu erkennen.

Technische Expertise und kreative Ideen

Mit der Marathon-Trilogie deutete sich schon auf Mac an, was das Studio hinsichtlich SciFi, Action & Co drauf hat.
Aus diesen Erfahrungen entwickelte Bungie ab 1994 mit der Marathon-Trilogie für Macintosh seine eigene Science-Fiction-Welt, in der man als Held zwischen zwei verfeindeten KIs gefangen war. Freunde von Shootern konnten sich hier zum ersten Mal in den Gängen frei mit der Maus umsehen und die eigens entwickelte Engine übertraf in Marathon 2 in einigen technischen Aspekten das ähnlich konzipierte Doom.

Das Kampfsystem war variantenreich, es gab physikalische Rätsel und man konnte die Kampagne nicht nur mit bis zu acht (!) Freunden kooperativ spielen, sondern es gab auch Deathmatch und andere Multiplayer-Modi. Man konnte mit der KI kommunizieren und es entfaltete sich über Nachrichten eine mysteriöse Story à la System Shock bis hin zum finalen dritten Teil namens Marathon Infinity, der 1996 erschien.

Geländetaktik für Genießer

Nach kleineren Fingerübungen mit einem Sidescroller namens  Abuse sowie einem Arena-Kampfspiel mit TV-Charakter namens Weekend Warrior erschien 1997 ein kreativer Meilenstein, der die Bungie Studios auch in Europa bekannter machen sollte: Myth - Kreuzzug ins Ungewisse (hier geht es zum Video-Klassiker) wurde im Auftrag von Eidos für Mac und erstmals (!) PC designt. Diesmal demonstrierte das Team um Lead Designer Jason Jones, wie man Echtzeit-Taktik im Gelände so inszenieren kann, dass man in jedem Gefecht mitfiebert. Aus der Schultersicht kommandierte man kleine gemischte Trupps aus Kämpfern, musste Bogenschützen, Ritter und Zwerge clever koordinieren und Höhenvorteile nutzen, um gegen die dämonischen Horden zu bestehen. Auch die Story rund um frei interpretierte keltische Mythologie war überzeugend.

Myth war das erste für Mac und PC entwickelte Spiel von Bungie - und ein großer Erfolg.
Dieses Spiel setzte sowohl den qualitativen als auch - und vor allem -  den kommerziellen Erfolg fort. So konnte man 1997 sogar ein weiteres Studio namens Bungie West in Kalifornien gründen, das die Arbeit an Oni aufnahm. Selbst in dieser Phase weigerte sich Gründer Saropian jedoch oftmals, die aus seiner Sicht "beschissenen" Deals mit Publishern für einen größeren Vertrieb etc. einzugehen. Zwar konnte man mit Myth 2 samt seiner Erweiterungen bis 1999 nicht mehr so begeistern, aber spätestens mit dieser Bandbreite an überzeugenden Spielmechaniken und Engine-Know-how weckten die Entwickler aus Chicago einige Begehrlichkeiten. Für Rockstar Games produzierte man zwar noch die von Ghost in the Shell inspirierte Anime-Action namens Oni für Mac, PC sowie PS2, die Shooter und Beat'em Up in rasanter Art kombinierte. Aber es sollte nicht bei kleinen Aufträgen und Kooperationen bleiben.

Im Visier der großen Publisher

Lange Zeit haben Seropian, Jones und die Mitarbeiter über Angebote von allen Seiten diskutiert, vor allem jene von Activision als auch Microsoft - am Ende soll die neue Plattform namens Xbox ausschlaggebend gewesen sein. Mit der Übernahme im

Halo: Combat Evolved: Die "Killer-App" für die erste Xbox erschien 2001, als Bungie für Microsoft aktiv wurde.
Jahr 2000 und der Veröffentlichung von Halo: Combat Evolved als exklusivem Zugpferd im Jahr 2001 sollte das erfolgreichste Kapitel beginnen. Man wurde in "Bungie Studios" umgetauft, zog nach Seattle und konnte dort seine komplette Expertise in Sachen Science-Fiction, Shooter und vor allem Multiplayer-Fokus auf die neue Konsole aus Redmond übertragen. Trotz der großen technischen sowie haptischen Unterschiede konnte der Ego-Shooter begeistern und sich 6,5 Millionen mal verkaufen - und Gründer Alexander Seropian hatte genug verdient, um Bungie mit sechs Entwicklern zu verlassen, während Jason Jones bis heute aktiv ist und als "Design Lead" für Destiny verantwortlich zeichnete. Über acht Jahre kreierte das verbliebene Team, das bis 2009 auf 165 Mitarbeiter anwuchs, die Halo-Trilogie. Sie gewann dutzende Auszeichnungen sowie Verkaufsawards, etablierte eine ganze Merchandise-Welt samt Romanen und Filmen. Aber es schien spätestens nach Halo 3 so, das in den ersten 24 Stunden (!) satte 175 Millionen Dollar einspielte, als hätte sowohl die Welt des Masterchief als auch das Studio ihren Zenit erreicht.

Das 500-Millionen-Dollar-Spiel

Doch dann gab es im April 2010 ein großes Beben in der Spielewelt: Bungie unterzeichnete bei Activision, die ja schon nach Myth angeklopft hatten, einen Zehn-Jahres-Vertrag für ein Online-Projekt namens Destiny. Und das machte als eine der teuersten Videospiel-Produktionen aller Zeiten weltweit Schlagzeilen, denn die Ausmaße schienen gigantisch: 500 Millionen Dollar wollte man investieren, um alle zwei Jahre ein neues Destiny, dazu jedes Jahr eine große Erweiterung und dazwischen noch DLC oder mobile Ableger anzubieten. Eine neue Ära wollte man einläuten und die Zahl der Mitarbeiter stieg bis 2016 auf knapp 600 an.

Kann Bungie mit Destiny eine neue Ära der Videospiele einläuten?
Allerdings gab es schon im Vorfeld einige Unruhe aufgrund des Rechtsstreits zwischen Activision und EA, hinzu kam seltsames PR-Gebahren, das mögliche Kritiken relativierte, renommierte Mitarbeiter wie der Halo-Komponist O'Donnel oder der Designer Staten verließen das Team. Und die Resonanz auf den ersten Teil des Science-Fiction-Shooters im Jahr 2014 war bei weitem nicht so euphorisch wie noch zu Halozeiten; auch in unserem Test gab es nur eine befriedigende Wertung: Das Experiment, einen Shooter mit einem Online-Rollenspiel zu kreuzen, ging nur im Ansatz auf. Außerdem machte uns die anvisierte Strategie sehr skeptisch, was wir in einem kritischen Kommentar "Wie Planwirtschaft die Kreativität knebelt" äußerten. Erst mit der Erweiterung Destiny: König der Besessenen konnte das Abenteuer auch bei uns eine gute Wertung einheimsen. Wir sind gespannt, ob Bungie mit Destiny 2 wieder für Begeisterung sorgen kann.

 
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