Geländetaktik für Genießer
Nach kleineren Fingerübungen mit einem Sidescroller namens Abuse sowie einem Arena-Kampfspiel mit TV-Charakter namens Weekend Warrior erschien 1997 ein kreativer Meilenstein, der die Bungie Studios auch in Europa bekannter machen sollte:
Myth - Kreuzzug ins Ungewisse (hier geht es
zum Video-Klassiker) wurde im Auftrag von Eidos für Mac und erstmals (!) PC designt. Diesmal demonstrierte das Team um Lead Designer Jason Jones, wie man Echtzeit-Taktik im Gelände so inszenieren kann, dass man in jedem Gefecht mitfiebert. Aus der Schultersicht kommandierte man kleine gemischte Trupps aus Kämpfern, musste Bogenschützen, Ritter und Zwerge clever koordinieren und Höhenvorteile nutzen, um gegen die dämonischen Horden zu bestehen. Auch die Story rund um frei interpretierte keltische Mythologie war überzeugend.
Myth war das erste für Mac und PC entwickelte Spiel von Bungie - und ein großer Erfolg.
Dieses Spiel setzte sowohl den qualitativen als auch - und vor allem - den kommerziellen Erfolg fort. So konnte man 1997 sogar ein weiteres Studio namens Bungie West in Kalifornien gründen, das die Arbeit an Oni aufnahm. Selbst in dieser Phase weigerte sich Gründer Saropian jedoch oftmals, die aus seiner Sicht "beschissenen" Deals mit Publishern für einen größeren Vertrieb etc. einzugehen. Zwar konnte man mit Myth 2 samt seiner Erweiterungen bis 1999 nicht mehr so begeistern, aber spätestens mit dieser Bandbreite an überzeugenden Spielmechaniken und Engine-Know-how weckten die Entwickler aus Chicago einige Begehrlichkeiten. Für Rockstar Games produzierte man zwar noch die von Ghost in the Shell inspirierte Anime-Action namens
Oni für Mac, PC sowie PS2, die Shooter und Beat'em Up in rasanter Art kombinierte. Aber es sollte nicht bei kleinen Aufträgen und Kooperationen bleiben.
Im Visier der großen Publisher
Lange Zeit haben Seropian, Jones und die Mitarbeiter über Angebote von allen Seiten diskutiert, vor allem jene von Activision als auch Microsoft - am Ende soll die neue Plattform namens Xbox ausschlaggebend gewesen sein. Mit der Übernahme im
Halo: Combat Evolved: Die "Killer-App" für die erste Xbox erschien 2001, als Bungie für Microsoft aktiv wurde.
Jahr 2000 und der Veröffentlichung von
Halo: Combat Evolved als exklusivem Zugpferd im Jahr 2001 sollte das erfolgreichste Kapitel beginnen. Man wurde in "Bungie Studios" umgetauft, zog nach Seattle und konnte dort seine komplette Expertise in Sachen Science-Fiction, Shooter und vor allem Multiplayer-Fokus auf die neue Konsole aus Redmond übertragen. Trotz der großen technischen sowie haptischen Unterschiede konnte der Ego-Shooter begeistern und sich 6,5 Millionen mal verkaufen - und Gründer Alexander Seropian hatte genug verdient, um Bungie mit sechs Entwicklern zu verlassen, während Jason Jones bis heute aktiv ist und als "Design Lead" für
Destiny verantwortlich zeichnete. Über acht Jahre kreierte das verbliebene Team, das bis 2009 auf 165 Mitarbeiter anwuchs, die Halo-Trilogie. Sie gewann dutzende Auszeichnungen sowie Verkaufsawards, etablierte eine ganze Merchandise-Welt samt Romanen und Filmen. Aber es schien spätestens nach
Halo 3 so, das in den ersten 24 Stunden (!) satte 175 Millionen Dollar einspielte, als hätte sowohl die Welt des Masterchief als auch das Studio ihren Zenit erreicht.
Das 500-Millionen-Dollar-Spiel
Doch dann gab es im April 2010 ein großes Beben in der Spielewelt: Bungie unterzeichnete bei Activision, die ja schon nach Myth angeklopft hatten, einen Zehn-Jahres-Vertrag für ein Online-Projekt namens Destiny. Und das machte als eine der teuersten Videospiel-Produktionen aller Zeiten weltweit Schlagzeilen, denn die Ausmaße schienen gigantisch: 500 Millionen Dollar wollte man investieren, um alle zwei Jahre ein neues Destiny, dazu jedes Jahr eine große Erweiterung und dazwischen noch DLC oder mobile Ableger anzubieten. Eine neue Ära wollte man einläuten und die Zahl der Mitarbeiter stieg bis 2016 auf knapp 600 an.
Kann Bungie mit Destiny eine neue Ära der Videospiele einläuten?
Allerdings gab es schon im Vorfeld einige Unruhe aufgrund des
Rechtsstreits zwischen Activision und EA, hinzu kam
seltsames PR-Gebahren, das mögliche Kritiken relativierte, renommierte Mitarbeiter wie der Halo-Komponist O'Donnel oder der Designer Staten verließen das Team. Und die Resonanz auf den ersten Teil des Science-Fiction-Shooters im Jahr 2014 war bei weitem nicht so euphorisch wie noch zu Halozeiten; auch in unserem Test gab es nur eine befriedigende Wertung: Das Experiment, einen Shooter mit einem Online-Rollenspiel zu kreuzen, ging nur im Ansatz auf. Außerdem machte uns die anvisierte Strategie sehr skeptisch, was wir in einem kritischen Kommentar "
Wie Planwirtschaft die Kreativität knebelt" äußerten. Erst mit der Erweiterung
Destiny: König der Besessenen konnte das Abenteuer auch bei uns eine gute Wertung einheimsen. Wir sind gespannt, ob Bungie mit
Destiny 2 wieder für Begeisterung sorgen kann.