Burnout Paradise14.03.2018, Mathias Oertel

Special: Criterion im Wandel der Zeit

Viele verbinden mit dem Namen Criterion die Burnout-Serie, deren bislang letzter Ableger Burnout Paradise (ab 18,66€ bei kaufen) gut zehn Jahre nach seiner Premiere einen zeitgemäßen HD-Anstrich bekommt. Doch das Studio, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubliläum feiert, hat mehr auf dem Kasten als aufwändige Hochgeschwindigkeits-Rennspiele und war u.a. auch maßgeblich am Erfolg der GTA-Serie beteiligt.  Wir werfen einen Blick zurück auf die kreative Historie der Briten.

Technologie-Pioniere

1993 war rückblickend ein fantastisches Jahr für Spieler auf allen Systemen vom PC bis hin zum Mega Drive und dem Super Nintendo. Es erschienen Spiele wie Doom, Day of the Tentacle, Myst, Star Fox, Master of Orion, Star Wars: X-Wing, Pirates! Gold, NBA Jam, SimCity 2000, Ultima 7, Syndicate, Privateer und Cool Spot – um nur einige zu nennen. Zudem stand die nächste Generation an Konsolen wie PlayStation oder Segas Saturn bereits in den Startlöchern und wartete nur darauf, technisch ausgereizt zu werden. Es wurden Firmen gegründet, um diesen Pioniergeist mit frischen Technologien anzuheizen. Eine davon war Criterion Software, ursprünglich als Teil von Canons europäischem Forschungszweig, schließlich aber als eigenständiges Start-Up ausgegliedert, obwohl man mehrheitlich weiter zu Canon gehörte. Ziel war es, eine ganzheitliche 3D-Technologie zu entwickeln, die die Bereiche Grafik, Physik, Audio sowie KI in einem weitgehend einfach zu bedienendem Middleware-Paket bündelte.

Die futuristische Flug-/Balleraction Scorched Planet war das erste Spiel von Criterion.

Das Ergebnis nannte sich RenderWare und wurde später vor allem auf der schwer zu handhabenden PS2 zu einem der beliebtesten Entwicklungs-Tools – viele sprechen in diesem Zusammenhang sogar von Sonys Direct-X-Schnittstelle. Doch bevor RenderWare durchstartete, mussten die Entwickler erst einmal von der Qualität überzeugt werden, weshalb Criterion Games  aus der Taufe gehoben wurde. In den ersten Jahren fokussierte man sich auf Technologie-Demos, bis schließlich 1996 mit Scorched Planet (damaliger Publisher: Virgin Interactive) das erste Spiel erschien. Man war zu diesem Zeitpunkt zwar noch fünf Jahre vom ersten Burnout entfernt, doch die seinerzeit technisch eindrucksvolle Flug- und Rennaction passte bereits in das „Criterion“-Schema, das sich meist um schnelle und technisch aufwändige Kulissen dreht. Sub Culture (1997, PC) und Deep Fighter, der 2000 erschienene Quasi-Nachfolger auf Dreamcast haben diese Art der Action fortgesetzt und nur in eine Unterwasserwelt verlegt. Mit TrickStyle (1999, Dreamcast, PC) oder AirBlade (2001, PlayStation 2) machte man zwar Abstecher in den Extremsport, der zu der Zeit von Activisions Tony-Hawk-Serie dominiert wurde. Doch mit Speedboat Attack (1997, PC), Redline Racer (1999, Dreamcast, PC) und Suzuki Alstar Racing (1999, Dreamcast, PC) legte man den Grundstein für den Erfolg, den man über die folgenden 15 Jahre im Rennspielsektor haben sollte.

RenderWare: Heiße Konkurrenz für Unreal & Co

Criterions RenderWare-Engine wurde von Rockstar Games u.a. für Bully und die GTA-Spiele (hier GTA 3).

Spieler, die zwischen 2000 und 2010 aktiv waren, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Titel gespielt haben, der von der RenderWare-Engine angetrieben wurde – egal, welches System man bevorzugte. So nutzte Rockstar North z.B. Criterions Engine für die PS2- sowie Xbox-Versionen von GTA 3, GTA Vice City und GTA San Andreas. Auch für Bully, die Filmumsetzung The Warriors oder das hierzulande beschlagnahmte Manhunt nutzte man RenderWare, bevor man schließlich mit der Rockstar Advanced Game Engine (RAGE) seine eigenen hochpotenten Tools nutzte. Die Tony-Hawk-Skateboard-Spiele nutzten ebenfalls eine Zeitlang RenderWare. Rayman hüpfte im Jahr 2000 mit der Unterstützung von Criterions Engine durch Rayman 2: Revolution. Das heutige Netherrealm Studio um Ed Boon nutzte sie für Mortal Kombat Deadly Alliance und Mortal Kombat Deception.

Killer 7. Einige Teile von Die Siedler. Total Overdose. Gauntlet: Seven Sorrows. Darkwatch. Blitz: The League. NBA Ballers. Obscure. Call of Duty: Finest Hour. Secret Weapons over Normandy. Suikoden 3. Cold Fear. Crackdown. Kill Switch. Die Harry-Potter-Filmumsetzungen von Electronic Arts. Sie alle (und noch viele mehr) nutzten RenderWare. In dieser Dekade lieferte man sich einen harten Kampf mit GameBryo und vor allem Epics Unreal-Engine um die potenteste sowie komfortabelste Technlogie, den heutigen Duellen zwischen Epic, Crytek und Unity nicht unähnlich. Es war allerdings ein Kampf, den man schließlich aufgeben musste. Und das, obwohl man mit der Burnout-Serie die besten Visitenkarten abgeben konnte, um zu präsentieren, was das Middleware-Paket auf dem Kasten hat.

Rasen, bis der Arzt kommt

Zwischen 2001 und 2005 produzierte Criterion Games sage und schreibe fünf Burnout-Titel, vier davon (Burnout, Burnout 2, Burnout 3 sowie Burnout Revenge) für PS2 und Xbox, Burnout Legends für die PSP. Allen gemeinsam war eine wahnwitzige Geschwindigkeit der auf Hochglanz getrimmten Kulisse und eine filmreife Inszenierung der Rennen. Genauer gesagt: der Unfälle, die in für Fans von Luxussportwagen teils schmerzhaft langsam inszenierten Zeitlupen festgehalten wurden. Scheiben zerspringen, Metall faltet sich unter der Wucht physikalischer Kräfte, Aufhängungen werden abgerissen. Criterion zelebrierte die Zerstörung, so dass spätestens mit Burnout 3 diskutiert werden durfte, ob es sich noch um ein Rennspiel handelt, oder um Action, bei der zufälligerweise Autos im Mittelpunkt stehen. Und Erfolg weckt bekanntlich Begehrlichkeiten. Für Criterion bedeutete dies im Jahr 2004 die Aufnahme in die Studio-Familie von Electronic Arts, für einen kolportierten Kaufpreis von 40 Millionen Pfund (damals beinahe 60 Millionen Euro) inklusive Schulden und Verbindlichkeiten.

Einer der Höhepunkte des Schaffens: Burnout Revenge.

In den ersten Jahren lief alles noch gut. Zwar entschieden sich immer mehr Entwickler bzw. Publisher  dafür, RenderWare nicht mehr zu lizenzieren, da man nicht auf Technologien der Konkurrenz setzen wollte. 2006 zeigte Criterion mit dem Shooter Black, dass man auch unter EA-Führung nicht nur weiterhin kreativ sein kann, sondern auch tatsächlich nicht auf Rennspiele festgelegt ist. Der Studio-typische kinoreife Stil der Action-Inszenierung war auch hier wieder deutlich zu spüren und machte Black zu einem ganz besonderen Baller-Erlebnis. Und mit dem 2008 erschienenen Burnout Paradise bewies man, dass RenderWare auch auf PlayStation 3 und Xbox 360 sehenswerte Ergebnisse abliefern kann. Mit dem Schritt in eine offene Welt entfernte man sich in einigen Bereichen zwar von den Serienwurzeln. Doch die aufwändige Kulisse, die mittlerweile vom Zahn der Zeit angeknabbert wurde, sowie vor allem die nach wie vor intensiven Rennen mitsamt abwechslungsreicher Aufgaben konnten dies locker wettmachen und dürften auch in der am 16. März erscheinenden Remaster-Version für actionhaltige Rennunterhaltung sorgen.

Need for Speed, Zuarbeiter, Versenkung

Need for Speed: Hot Pursuit ist einer der besten Serienableger und beinhaltet alle Criterion-Tugenden.

Die Rennspiel-Expertise, die sich Criterion über 15 Jahre erarbeitet hatte, versuchte sich EA auch abseits von Burnout zu Nutzen zu machen und gab die Entwicklung der Need-for-Speed-Serie in die Hände der Briten. Und das war vor allem mit dem 2010 erschienenen Need for Speed: Hot Pursuit von Erfolg gekrönt. Der Hochgeschwindigkeitsraser konnte nach Jahren, in denen das Black-Box-Studio die Marke fast gegen die Wand gefahren hätte, wieder zu alter Stärke zurückfinden und sich bei uns einen Gold-Award sichern. Das 2012 erschienene Need For Speed: Most Wanted sowie Need for Speed Rivals (2013) konnten diesen Erfolg jedoch nicht mehr wiederholen und nur noch gute bzw. gerade noch befriedigende Wertungen verbuchen – was vielleicht auch Nachwehen eines weiteren Versuchs von Black Box war, die Marke mit Need for Speed: The Run direkt auf den Schrottplatz zu bringen. Ob die vom damaligen Studio-Chef und Criterion-Gründer Alex Ward getätigte Ankündigung, dass man sich von der Rennspiel-Tradition entfernen und zukünftig neuen Genres widmen wolle, direkt damit zu tun hat, ist zwar unbestätigt, aber wahrscheinlich. Und nur ein paar Monate später wurden 70 Mitarbeiter (entsprach damals etwa 80% des Personals) in das Studio Ghost Games gepackt, um dort die Need-for-Speed-Reihe weiter zu betreuen. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens auch die ungeklärte Frage, ob und in welchem Umfang Teile von RenderWare in der mittlerweile von nahezu allen EA-Spielen genutzte Frostbite-Engine eingeflossen sind.

Anfang 2014 verließen mit Alex Ward,  Fionna Sperry und Paul Ross drei führende Köpfe das Unternehmen, um sich mit ihrem frisch gegründeten Studio Three Fields Entertainment neu aufzustellen. Die drei bisher dort veröffentlichten Titel Dangerous Golf, Lethal VR und Danger Zone konnten zwar nicht die gewohnte Criterion-Qualität erreichen, zeigten aber mit größtenteils vollkommen überzogener Action, dass man den Wurzeln treu bleibt. Unter neuer Führung wurde auf der E3 2014 ein Spiele-Prototyp vorgestellt, der entgegen der ein Jahr vorher von Alex Ward getätigten Aussagen weiterhin im Rennspiel fußte. Der namenlose Titel hatte allerdings nicht nur Überland-Fahrzeuge, sondern auch Boote, Hubschrauber und einiges mehr zu bieten, zwischen denen man nahtlos wechseln könne. Das Projekt wurde allerdings kurz darauf eingestellt, damit das Team anderen Studios zuarbeiten kann. Unvergessen und ein Highlight des späten Criterion-Schaffens war die X-Wing VR Mission, die man zu Star Wars Battlefront gebastelt hat. Weitere Titel, an denen man beteiligt war, sind u.a. Battlefield Hardline, Battlefield 1 und Star Wars Battlefront 2. Doch man wird sich vermutlich daran gewöhnen müssen, dass die Geschichte von Criterion ein sehr ruhiges Ende nimmt.

Was wäre wenn...

Das bislang letzte große Highlight aus 25 Jahren Criterion: Die X-Wing VR Mission aus Star Wars Battlefront.

Umso interessanter ist die Frage, was aus der EA-Tochter geworden wäre, wenn sie auch nur eines der Projekte überantwortet bekommen hätte, die (mittlerweile größtenteils bestätigt), an sie herangetragen wurde. Nintendo wollte die Briten für ein neues F-Zero engagieren, das auf Wii U hätte erscheinen sollen. Microsoft hatte Criterion auch für Forza Motorsport in Betracht gezogen. Für Mad Max standen sie ebenfalls in der engeren Auswahl. Ein Ego-Shooter im Command-and-Conquer-Universum war für sie vorgesehen. All dies hat sich schließlich zerschlagen. Doch der Spaß, für den Criterion über beinahe 20 Jahre vor allem mit den Rennspielen gesorgt hat, ist aller Ehren wert und dem britischen Studio nicht zu nehmen.

Und er lebt in anderen Studios weiter, bei denen Ex-Criterioner tätig sind – allen voran natürlich das Gros bei Ghost Games. Andere sind bei Codemasters oder Playground Games (Forza Horizon) gelandet. Und Paul Ross hat nach dem bereits erwähnten Three Fields Entertainment mit Stellar Games eine weitere Firma gegründet, die wie das ursprüngliche Kernteam im englischen Guildford sitzt. Besonders bemerkenswert ist aber nicht der Standort. Stellar ist für die Umsetzung von Burnout Paradise Remastered verantwortlich. Der Kreis schließt sich – und das nicht nur für Ross, der an der Ultimate Box von Burnout Paradise als technischer Direktor beteiligt war.

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.