Mount & Blade: Warband26.09.2016, Jens Bischoff

Im Test: Ritter aus der Mottenkiste

Mit Mount & Blade gelang TaleWorlds Entertainment 2008 ein Überraschungserfolg auf dem PC, der zwei Jahre später mit Mount & Blade: Warband (ab 9,94€ bei kaufen) u. a. um einen Mehrspielermodus ergänzt wurde. Sechs Jahre später hat das mittelalterliche Ritterabenteuer auch die aktuelle Konsolengeneration erreicht. Ob liebevoll restauriert oder lieblos konvertiert, verrät der Test.

Vom Stalljungen zum Ritter

In Mount & Blade: Warband geht es nach wie vor darum, Mitte des 13. Jahrhunderts im fiktiven Calradia als aufstrebender Rittersmann oder auch Rittersfrau Fuß zu fassen und sich im stetig währenden Machtkampf zwischen sechs Königreichen einen Namen zu machen. Wie weit unten man dieses Vorhaben beginnen und wie schwer man es auf dem Weg nach oben haben möchte, kann man sich im Rahmen der Charaktererstellung bereits selbst aussuchen, da sowohl Herkunft, Stand als auch Geschlecht entscheidenden Einfluss auf die mittelalterliche Karriereleiter haben.

Beim optischen Erscheinungsbild darf man ebenfalls detailliert Hand anlegen, auch wenn der Editor trotzdem nur verstörende Gesichtsbaracken zuzulassen scheint. Aber egal, die adligen Damen des Landes sind mit Dicht- und Kampfkunst ohnehin mehr zu beeindrucken, falls man sich mit einer von ihnen einlassen oder gar vermählen möchte.

Auch der hässlichste Vogel kann sich in Calradia einen Namen machen und eine Braut finden.
Ob man damit politische Ziele oder persönliche Vorlieben verfolgt, bleibt einem freigestellt. Und auch sonst genießt man angenehm viele Freiheiten, sein Leben als Ritter zu bestreiten.

Man kann sich völlig frei durch die leider sehr trostlos anmutende Spielwelt bewegen und Dörfer, Burgen oder Städte besuchen. Hält man an oder ruft ein Menü auf, wird das Spiel automatisch pausiert. Trifft man unterwegs auf andere Reisende, kann man Gespräche oder Kampfhandlungen anzetteln oder auch von selbigen überrascht werden. Mit entsprechend hohem Aufklärungswert erkennt man mögliche Aggressoren schon von Weitem, mit ausreichendem Geschwindigkeitswert kann man versuchen, rechtzeitig zu fliehen, mit einem geschulten Fährtenleser Truppenbewegungen schon anhand von Spuren einschätzen.

Zwischen Freiheit und Orientierungslosigkeit

Sowohl bei der Entwicklung des eigenen Charakters als auch seiner aktuellen Gefährten genießt man viele Freiheiten, kann Attribute und Fähigkeiten, aber auch Talente für bestimmte Waffengattungen gezielt stärken. Zudem gibt es weder eine vorgegebene Rahmenhandlung noch konkrete Zielsetzungen - allerdings auch keinen roten Faden, an dem man sich als Neueinsteiger abseits weniger mickriger Tutorials orientieren könnte. Was man aber auf alle Fälle braucht, sind Sold und Verpflegung für sich und seine Gefolgsleute.

Generell kann man sein Ritterdasein gestalten wie man will. Um Schlachten zu gewinnen, braucht man allerdings eigene Truppen und die wollen regelmäßig entlohnt und verpflegt werden.
Die kann man in Dörfern und Schänken rekrutieren, Erfahrung sammeln lassen und je nach Bedarf als Infanterist, Schütze oder Kavallerist ausbilden. Je größer und erfahrener der eigene Trupp, um so weniger muss man sich vor feindlichen Übergriffen fürchten, aber um so höher sind auch die Unterhaltskosten.

Kann man die nicht mehr aufbringen, sinkt nicht nur die Moral der Soldaten, es begehen auch immer mehr von ihnen Fahnenflucht. Gleiches gilt für unehrenhafte Taten wie das Opfern von Kameraden zur eigenen Flucht oder das Plündern friedfertiger Bauern. Darüber hinaus hat das eigene Handeln auch Einfluss auf die Beziehungen zu den verschiedenen Königshäusern und Adligen Calradias. Kleinere Missbilligungen wie verpatzte Aufträge kosten lediglich ein paar Sympathiepunkte, während größere Vergehen sogar Kriege provozieren und persönliche Rachegelüste wecken können.

Nichts bleibt ohne Folgen

So genießt man insgesamt zwar viele Freiheiten, sollte sich aber auch über die möglichen Folgen seiner Taten stets Gedanken machen. Bandelt man mit einem der Königreiche oder Sultanate an, kann man sogar finanzielle Mittel und Ländereien erhalten, muss aber auch militärischen Verpflichtungen nachkommen. Zudem können politische Interessen geschürt, Intrigen geschmiedet oder im Exil lebende potentielle Thronfolger unterstützt werden. Wer will, kann auch versuchen, Warenhandel zu betreiben, Schutzgelder für das sichere Geleit von Karawanen zu verlangen oder für Gefangene Lösegelder zu kassieren.

Allerdings kann man auch selbst in Gefangenschaft geraten und dadurch nicht nur einen Teil seines Hab und Guts, sondern auch Zeit und Gefolge verlieren. Vor allem Letzteres kann oft richtig wehtun.

Alleingänge sind nur selten von Erfolg gekrönt und können schnell in Gefangenschaft enden.
Wer sich gelegentlich in die städtischen Kampfarenen wagt oder gar an prestigeträchtigen Turnieren teilnimmt, riskiert deutlich weniger. Ungeachtet dessen, wirken die wahlweise aus der Ego- oder Schulterperspektive mit Bogen, Armbrust, Lanze, Schwert und Schild ausgefochtenen Echtzeitkämpfe für heutige Verhältnisse ziemlich steif und verbuggt.

Von der oft fragwürdigen Kollisionsabfrage über frappierende KI-Aussetzer bis hin zu Massen-Pop-Ups, bei der oft ganze Heerscharen direkt vor der eigenen Nase ins Bild ploppen, gibt es jedenfalls genug Gründe sich kopfschüttelnd aus den oft viel zu chaotischen Getümmeln zurückzuziehen. Auch die abseits der jederzeit unterbrechbaren Einzelspielerkampagne individuell konfigurierbaren Gefechte gegen KI-Kontrahenten stellen da mit ihren gerade mal zwei Spielmodi (Schlacht und Belagerung) und einer Hand voll Karten keine Ausnahme dar.

Kämpfe zum Davonlaufen

Im ebenfalls separat anwählbaren Online-Mehrspielermodus ist das Angebot deutlich reichhaltiger. So stehen dort nicht nur dreimal so viele Karten zur Verfügung, es gibt auch weit mehr Spielmodi wie Duelle, Fahneneroberungen und verschiedene Deathmatch-Varianten. Die Teilnehmerzahlen wurden im Gegensatz zum PC-Original allerdings von 64 auf maximal 32 Spieler halbiert, was aber nicht weiter tragisch ist, da auf den Servern ohnehin kaum etwas los ist.

Die wahlweise aus der Ego- oder Schulterperspektive bestrittenen Echtzeitkämpfe wirken steif und chaotisch. Auch der angeheftete Mehrspielermodus bietet kaum nennenswerten Anreize.
Warum auch? Es gibt schließlich keinerlei übergreifende Zielsetzungen oder Verzahnungen mit dem Einzelspielermodus - nicht einmal ein rein optischer Transfer des eigenen Spielcharakters ist möglich.

Man sammelt lediglich Gold für temporäre Ausrüstung und schlägt sich damit gegenseitig die Rübe ein, bis man keine Lust mehr hat. Die zumindest bei manueller Einstellung interessant konzipierte, weil richtungssensible Schild- und Waffensteuerung ist jedoch viel zu holprig und ungenau, um auch nur ansatzweise für Spannung und Dynamik zu sorgen. Hinzu kommen eine vorsintflutliche Grafik und Inszenierung, eine nach wie vor schludrige deutsche Lokalisierung ohne jede Sprachausgabe sowie viele nervige Bugs und sogar Abstürze. Auch die Schriften sind am Fernseher teils viel zu winzig, Handhabung und Menüführung mitunter ein Graus. Immerhin darf optional mit PlayStation Move gekämpft und per Spracherkennung KI-Befehle erteilt werden, wenn auch nur auf Englisch...

Fazit

Mit der späten Konsolenumsetzung von Mount & Blade: Warband hat sich TaleWorlds wahrlich keinen Gefallen getan. Waren die mittelalterlichen Geplänkel schon vor sechs bzw. acht Jahren am PC keine Augenweide, wirkt die nur leicht überarbeitete Grafik mit ihren hölzernen Animationen, Magertexturen und Billigeffekten heute geradezu museumsreif. Hinzu kommt, dass sich die Handhabung trotz löblicher Ansätze wie optionaler Move- und Sprachsteuerung extrem schwammig und hakelig präsentiert. Auch das knappe Tutorial ist eigentlich ein Witz, die trostlose Inszenierung zum Einschlafen, die deutsche Lokalisierung schlampig und die rein kampforientierte Mehrspieleranbindung lieblos angeheftet. Kein Wunder, dass die Server nahezu menschenleer sind. Aber auch das im Kern nach wie vor interessante taktische Einzelspielererlebnis als aufstrebender Ritter im fiktiven Calradia zu Macht und Reichtum zu gelangen, hat über die Jahre spürbar an Reiz und Faszination verloren - was Bodo damals noch gut unterhalten hat, empfinde ich heute gerade noch als ausreichend. Fans sollten lieber auf Mount & Blade 2 warten oder Nobunaga's Ambition als fernöstliche bzw. For Honor als Multiplayer-Alternative in Betracht ziehen.

Pro

motivierende Ritterlaufbahn
viele Freiheiten & Anpassungsmöglichkeiten

Kontra

antiquierte Technik
dröge Inszenierung
schwammige Steuerung
schlampige Lokalisierung

Wertung

PlayStation4

Schwer in die Jahre gekommenes und lieblos konvertiertes Ritterabenteuer.

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