Im Test: Kombo-Arbeit für Perfektionisten
Der kleine Bruder
Warum rege ich mich auf? Eigentlich könnte ich doch froh sein über diese Verschnaufpause und den Dialog mit meinem Mentor. Schließlich musste ich bis hierher mit Schweiß auf der Stirn kämpfen: Monster fixieren, ausweichen, parieren, zustoßen. Dabei clever zwischen Schild, Klingen und Magie wechseln. Lords of the Fallen inszeniert kein plumpes Hack & Slay mit hohem Bodycount, sondern angenehm heikle Klingentänze - wie ein Bruder im Geiste von Dark Souls.
Kleriker, Krieger oder Schurke
CI Games und Deeck13 haben das Kampfsystem von Dark Souls & Co sehr gut studiert. Man braucht viel Geduld und gutes Timing, denn auch gewöhnliche Gegner können eine tödliche Herausforderung sein, so dass man einfaches Draufhauen schnell bereut - vor allem, weil hier selbst schwer gepanzerte Feinde fast schon dämonisch schnell agieren. In Sachen Fernkampf ist man leider sehr beschränkt, kann weder Dolche oder Bomben werfen noch Bögen einsetzen, sondern muss die Distanz magisch überbrücken.
Ihr könnt zwar keinen eigenen Charakter erstellen, aber auch einen Kleriker oder einen Krieger in der Rolle Harkyns spielen, die etwas mehr tragen sowie einstecken und magisch natürlich anders wirken: Ersterer eher defensiv heilend, Letzterer etwas aggressiver. Allerdings bedeutet das auch, dass man beim Aufrüsten kaum eine Wahl hat, wenn man die so wichtige Magie wirken will - das Entwickeln des Charakters ist hier recht überschaubar. Sehr gewöhnungsbedürftig: Selbst wenn man einen wendigen Schurken spielt, sieht man aus wie ein Muskelprotz XXL aus Gears of War. Der blau tätowierte Harkyn würde auch klasse in das Team von Marcus Fenix passen - oder in jeden anderen Shooter. Genauso wie das Artdesign wirkt auch der Held austauschbar.
Fallen Souls
Und wenn man stirbt? Bleiben die Seelen...ähm...bleibt die Erfahrung am Ort des Todes als weißer Nebel zurück. Die sollte man natürlich wieder einsammeln, um seinen Charakter in Sachen Magie oder Attributen wie Stärke, Geschick & Co aufzustufen - aber Vorsicht: stirbt man auf dem Weg dorthin, sind sie futsch. Hört sich alles sehr bekannt an? Vom Kampfsystem bis zu den Seelen? Ja, aber es gibt auch kleinere Ergänzungen am System des Vorbildes.
Das Neue gegenüber der Dark Souls 2 ist z.B., dass man Erfahrung an Portalen sicher verwahren kann - Lords of the Fallen ist also wesentlich verzeihlicher, zumal man nach einem Tod keinerlei Abzüge auf seine Fähigkeiten bekommt.
Gut, aber nicht perfekt kopiert
Zwar haben die Entwickler richtig gut kopiert, aber das Original ist in den Gefechten präziser und solider: In Dark Souls habe ich das Gefühl der vollen Kontrolle über jedes meiner Manöver. Vor allem die Riposte sowie Finisher wirken hier teilweise schwammig - manchmal werden sie plötzlich in einem Getümmel ausgeführt, ohne dass ich sie einleiten wollte. Manchmal werden sie nicht ausgeführt, obwohl ich sie einleiten will und das Timing passte. Besonders negativ fällt das bei hinterhältigen Attacken auf: Man schleicht sich an den Feind, setzt zum Todeshieb an, aber manchmal dreht er sich mittendrin um. Hinzu kommen kleine Bugs oder Animationsfehler, wenn manche Feinde plötzlich wie aus dem Nichts heranfliegen.
Wie war das mit der Verschnaufpause?
Mir gefällt dieses Kampfsystem immer noch richtig gut. Und Konkurrenz belebt ja das Geschäft! Als Spieler freut man sich ohnehin erstmal über ein weiteres Abenteuer in dieser anspruchsvollen Tradition. Man muss sich vor jedem Gefecht auf seinen Gegner einstellen, ihn beobachten und die Schläge timen. Ach ja, ich hatte diese einleitende Frage mit der Verschnaufpause noch nicht beantwortet: Warum kann ich also das Durchatmen nicht genießen? Warum rege ich mich stattdessen in den Ruhephasen auf? Weil fast alles abseits der soliden Gefechte so ernüchtert.
Weniger ist so viel mehr
Nicht nur die Dialoge sind schlecht, viele Situationen schwanken zwischen unfreiwillig komisch und verbuggt: Da steht diese Yetka, quatscht was von einem Dolch, den ich ihr bitte bringen soll, und warnt mich vor den Monstern in der Arena hinter ihr. Ich geh rein, das Monster kommt näher, ich rolle in seinen Rücken, das Gatter fällt und - Babe und Monster stehen wie blöde dahinter. Die Arena ist übrigens leer. Mal abgesehen davon, dass Yetka komplett vom Monster ignoriert wird und umgekehrt, kann ich die Arena nicht verlassen - der Trigger fehlt, ich muss neu starten; hier im Bug-Video.
Los, Gebiet säubern!
Es muss aber gar nicht so krass sein, damit die Atmosphäre außerhalb der Kampfsituationen flöten geht: Da kniet der alte Mentor vor einem Tor und erklärt einem endlich mal, warum man trotz seiner Verbrecher-Tattoos überhaupt als Held gegen die dämonischen Rhogar ausgewählt wurde. Irgendwann hat man die Dialogoption "Was soll ich als Nächstes tun?". Und was antwortet er? Säuber mal das Gebiet da hinter mir! Man fühlt sich wie ein Maurer, der mal eben den Speis anrühren soll, damit es gleich weitergeht. In zehn Metern Entfernung vom Mentor stehen diese Rhogar hinter einen offenen (!) Tür. Wenn man gegen sie kämpft, ignorieren sie den Mentor als wäre er Luft. Ein Tor weiter darf man sich in einen Bosskampf stürzen, bei dem man die ersten Male natürlich scheitert. So weit, so unrealistisch, aber okay.
Das erbärmliche Storytelling reduziert seine Charaktere auf reine Missionsverteiler, die überhaupt nicht in der Spielwelt verankert sind, die auf nahezu nichts reagieren - also nimmt man sie nur noch als Bots wahr. Man muss ja nicht noch die Kunst des reduzierten Erzählens à la Demon's und Dark Souls kopieren. Aber wie es auch mit Dialogen, mit mehr Hintergründen, mit Sammelbarem und Figuren viel,
Bosskämpfe zum Zähne ausbeißen
Apropos Bosskämpfe: Ich liebe es, wenn ein Feind auch wirklich eine Herausforderung ist. Wenn man mit Respekt und Taktik gerade in wichtige Bosskämpfe geht, weil man sonst in null Komma nichts zu Brei gehauen wird. Und auch Lords of the Fallen inszeniert diese Arenaduelle gegen Dämonen genauso, dass man nur über das genaue Studium der Bewegungsabläufe und Angriffsschemata zum Erfolg kommt. Und auch hier geht mit Nervenkitzel durch den Nebel - nein, den gibt es nicht, aber es sieht fast genauso aus.
Aber im Gegensatz zu Dark Souls & Co, wo man sich mit Gänsehaut hinter seinem Schild vorwärts bewegte oder mit Herzklopfen die Giganten umrundete, weil sie plötzlich ganz andere Verhaltensweisen zeigten, wird man hier in eine schematische Schleife gezwungen. Man kann z.B. nicht aufgrund dieser einen Schwäche vielleicht unverhofft zügig eine Kreatur fällen, denn statt situativer Cleverness wird meist stupide Arbeit belohnt.
Schurken im Nachteil?
Man wird meist ohne Chance auf wirklich schnelle Manöver oder geschicktes Einbeziehen der Umgebung, damit man den Boss vielleicht im Vorfeld schwer verwunden kann, in sehr zähe Gefechte mit immer gleichen Etappen und engen Zeitfenstern verwickelt. Das wäre auch okay, das habe ich auch bei Castlevania: Lords of Shadow geliebt, aber man hat hier das Gefühl, dass die Schwierigkeit dadurch sowie durch die hohe Lebenspunktezahl künstlich erhöht wird. Also studiert man die Bewegungen und Angriffe und fühlt sich fast wie in einem Rundentaktikgefecht, wenn man dann wie ein Roboter ausweicht, zuschlägt, wegrollt, blockt, zuschlägt, wegrollt, aus der Distanz feuert, wegrollt und so weiter.
Leveldesign und Kulisse
Das Leveldesign bietet einige Geheimnisse in Form von Verstecken hinter Schränken oder Wänden, die man zunächst zertrümmern bzw. einrennen muss. Außerdem kommen Schalter und Hebel dazu, die alternative Treppen oder Zugänge öffnen. Es gibt zwar keine kreativen Rätsel, aber man muss auch mal Statuen für seine Zwecke einsetzen, Runen oder Hinweise sammeln, um die eine oder andere Nebenaufgabe zu meistern. Was man schmerzhaft vermisst, sind überraschende Fallen oder physikalische Interaktionen, die das immer gleiche Vorgehen etwas auflockern sowie wirklich clever verschachtelte Wege - und damit mehr Freiraum bei der Erkundung in den recht kleinen Arealen. Die Vertikale spielt auch kaum eine Rolle innerhalb der Routen.
Hier verschwimmen Architektur, Kleidung und Landschaft in einem recht gewöhnlichen Fantasyeinerlei, ohne einen wirklich markanten monumentalen Charakter. Alles sieht durchaus ansprechend, aber austauschbar aus - man könnte es auch für Warhammer, Diablo oder Darksiders einsetzen. Für visuelle und atmosphärische Abwechslung sorgen lediglich die optionalen Portale, die einen von fernen Lichtpunkten geleitet in stockfinstere Arenen führen, oder die Abstecher in die düstere Dämonenwelt.
Ärgerlich Fehler trotz Riesenpatch
Aber hier hatten wir auf dem PC, auf dem Lords of the Fallen en detail besser aussieht als auf Konsolen, mitunter so große Probleme mit der Bildrate, dass es zu regelrechten Stoppern kam - auf anderen Rechnern lief es dann überraschend flüssig. Hinzu kommen auf allen Systemen sehr ärgerliche Bugs: Etwa der plötzlich fehlende Ton in den Dialogen, seltsames Gegnerspawnen (plötzlich stürzen drei Monster aus dem Nichts auf mich zu - keine Nische, kein Gebüsch, keine Tür in Sicht?), die totale Ignoranz von aggressiven Monstern gegenüber Nicht-Spieler-Charakteren oder Sackgassen-Situationen, in denen man neu starten muss, weil der Held irgendwo fest steckte oder Trigger nicht ausgelöst wurden.
Fazit
Lords of the Fallen ist ein bockschweres Abenteuer in der Tradition von Dark Souls - freut euch auf situative Spannung, hohen Anspruch und natürlich viele Tode. Das ist zunächst lobenswert, denn großartige Spiele inspirieren immer Nachzügler, die im besten Fall kreative Impulse hinzufügen. Hier fällt das dreist Kopierte allerdings besonders auf: Das Kampfsystem wurde genauso abgekupfert wie das Seelensystem, wobei beides aber mitunter sinnvoll modifiziert wurde. Nur kann das Abenteuer selbst keine Sogwirkung entfachen. Was man trotz einer auf den ersten Blick ansehnlichen Kulisse vermisst: ein markantes Artdesign und eine interessante Spielwelt. Irgendwo zwischen Diablo und Darksiders verschwimmt der bullige Fantasystil ohne eigenen Charakter. Und wo die Soulsreihe meine vielen Tode mit archaischer Monumentalität sowie mysteriösen Gestalten belohnte und meine Neugier mit Rätselhaftigkeit weiter fütterte, wird man hier von dümmlichen Dialogen, überflüssigen Audiologs und 08/15-Figuren enttäuscht. Dark Souls hat mich auch abseits der Gefechte in seine düsteren Winkel gezogen, hier bleibe ich an der Oberfläche und zwinge mich vorwärts. Obwohl das Aufrüstsystem mit Attributen, Zaubern sowie Runen durchaus seine Reize hat und man mit drei Klassen unterschiedlich kämpfen kann, gibt es trotz Patch auch noch sehr ärgerliche Bugs, die sogar zum Neustart zwingen. Und schließlich nerven die zähen Bosskämpfe irgendwann wie Endlosschleifen. Was sagte der Mentor noch zum Weltenretter? Los, geh das nächste Gebiet säubern! Nur folgt auf den perfektionistischen Fleiß kein Staunen, keine Gänsehaut, sondern nur das nächste enge Levelkorsett.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Sieht auf dem PC hinsichtlich Texturen und Effekten besser aus, aber die Performance kann ein Problem sein.
PlayStation4
Ein bockschweres Abenteuer in der Tradition von Dark Souls, dem es an künstlerischer Vision, besserer Regie und interessanter Spielwelt mangelt. Hinzu kommen viele ärgerliche Bugs.
XboxOne
Situative Spannung à la Dark Souls, aber schwache Story, sterile Spielwelt und ein sehr enges Levelkorsett.
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