Im Test: Irrer Horror-Schocker
Dem Wahnsinn hilflos ausgeliefert
Da hocke ich. In einem Spind. Und schaue verängstigt durch die kleinen Schlitze der Tür, die mich von meinem vermeintlich sicheren Versteck und der schummrig beleuchteten Abstellkammer trennt. Ich höre ein Grunzen. Schnauben. Schritte. Sie kommen näher. Nicht nur in den Lautsprechern im Wohnzimmer werden die Atemgeräusche lauter. Panischer. Auch mein Puls steigt, doch halte ich meinen Atem eher an. Da, ein Schatten an der Tür. Er kommt! Das ist einer dieser Irren, welche die abgelegene Mount Massive Nervenheilanstalt in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt haben. Was habe ich in den dunklen Korridoren, Zimmern und Hallen schon alles sehen müssen: abgetrennte Gliedmaßen, die in Toiletten gestopft wurden; an den Beinen aufgeknüpfte Leichen, die ohne Köpfe von der Decke baumeln; blutverschmierte Wände, die teilweise mit kryptischen Botschaften versehen wurden. Und all diese Eingeweide, die kreuz und quer verteilt herumliegen – sei es auf Schränken, an
Aufregende Flucht
Der Mistkerl kommt näher. Und ich weiß: Wenn er mich erwischt, bin ich entweder tot oder muss umgehend die Beine in die Hand nehmen und versuchen, ihm zu entkommen. Waffen habe ich keine – nicht einmal Gegenstände kann ich als solche missbrauchen und auch auf einen Faustkampf will sich Upshur nicht einlassen. Nur in geskripteten Sequenzen kann ich mir die Angreifer durch wildes Schütteln des Analogsticks oder Knopfgehämmer vom Leib halten, doch bei normalen Konfrontationen gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Laufen oder Verstecken. Ob dieser Spind die richtige Wahl war? Mich beschleicht das unangenehme Gefühl, mein Verfolger könnte jeden Moment die Tür aufreißen, mich an der Kehle packen und an die Wand schleudern. So wie beim letzten Mal, als er noch mitbekommen hat, wo ich mich verkrochen habe. Dieses Mal auch? Er kommt direkt auf mich zu. Es scheint fast so, als würden die leeren Augen dieses furchtbar entstellten, vernarbten Gesichts direkt in meine blicken. Doch dieses Mal habe ich Glück: Er tritt mit einem lauten Stampfen die Tür meines Nachbarschranks ein und verlässt anschließend wieder den Raum, um die Suche nach mir fortzusetzen. Mir fällt im Gegenzug ein Stein vom Herzen.
Red Barrels besteht hauptsächlich aus ehemaligen Mitarbeitern großer Publisher wie Ubisoft, EA oder AAA-Studios wie Naughty Dog. Im Team finden sich u.a. Leute, die in die Entwicklung von Prince of Persia: Sands of Time, Uncharted, Assassin's Creed, Splinter Cell und Army of Two involviert waren. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt mir allerdings nicht – immerhin muss ich noch zwei von drei Sicherungen finden, um einen kleinen Aufzug in Gang zu setzen. Genau so, wie ich zuvor schon Generatoren aktiviert habe oder später noch Hebel zum Ablassen von Wasser oder dem Auslösen einer Sprinkleranlage suchen werde. Was die Rätsel angeht, ist Outlast leider viel zu simpel gestrickt und es läuft immer alles nach dem gleichen Schema ab – schade. Auch mit typischen Aufgaben im Stil von „Finde Schlüssel X, um Tor X zu öffnen“ gewinnt das Spiel keine Innovationspreise. Aber es hilft ja nichts: Also öffne ich die Tür meines Spinds und schleiche mich aus der Kammer. Wo geht es bloß weiter? Zwar sind viele (Flucht-)Wege innerhalb des Sanatoriums versperrt, Türen abgeschlossen oder verbarrikadiert, was für ein recht lineares Erforschen der Schauplätze sorgt. Trotzdem offenbart sich der Pfad nicht immer auf den ersten Blick, da man z.B. erst den Lüftungsschacht oder Vorsprung entdecken muss, an dem es weitergeht. Zudem muss man hin und wieder kleine Kletterpartien meistern, sich an der Außenfassade entlang hangeln oder sogar waghalsige Sprünge im Stil von Mirror's Edge leisten. Überhaupt erkennt man einige Parallelen zum Parkour-Meisterwerk von DICE, denn in den dramatischen Fluchtsequenzen bin ich hier ähnlich akrobatisch unterwegs wie Faith, gleite auf Knopfdruck über Hindernisse wie Tische oder springe über Abgründe, um meinen Verfolgern zu entkommen. Ebenfalls sinnvoll: Auf der Flucht sollte man Türen schließen und im Idealfall noch durch das Verschieben von schweren Schränken verbarrikadieren, um sich etwas Luft zu verschaffen. Wer den Kick braucht, kann sich auf seiner Flucht auch nach hinten umsehen und einen Blick auf die näher kommenden Verfolger werfen.
Intensiver als Blair Witch Project
Aber von dieser Hektik bin ich nach meiner kleinen Verschnaufpause im Spind ja zum Glück gerade verschont. Doch auch das unauffällige Vorgehen ist nicht weniger spannend: Anstatt Türen aufzuschlagen, öffne ich jede von ihnen ganz vorsichtig, indem ich den Controllerknopf gedrückt halte und mich langsam nach vorne bewege. An Ecken nutze ich dagegen die Lehn-Funktion, um mir einen Überblick zu verschaffen. Verdammt, im nächsten Raum ist es stockdunkel! Es ist also Zeit, zur Videokamera zu greifen, die dank ihres Nachtsicht-Modus zu meinem neuen besten Freund in der Irrenanstalt geworden ist – 28 Weeks Later lässt grüßen! Allerdings gibt es zwei Probleme: Zum einen kann man in dieser extrem immersiven Ansicht mit dem typischen Grünstich trotz der angenehmen Zoom-Funktion nicht besonders weit sehen und wird zudem von Lichtquellen unangenehm stark geblendet. Zum anderen verbraucht die Nachtsicht viel Strom, den sich die Kamera aus den je nach Schwierigkeitsgrad etwas zu großzügig verteilten Batterien zieht. Neigt sich der Energievorrat dem Ende, wird man nicht nur durch ein Blinken der Anzeige, sondern auch einen Piepston darauf hingewiesen, dass man bald „nachladen“ sollte. Hat man keine Batterien mehr zur Hand, wird es richtig fies, denn hier muss man sich nur mit einem kleinen Restlicht auf die Suche nach Nachschub begeben und sich in der Dunkelheit an Wänden entlang tasten – ständig in Angst, dass plötzlich eine der hässlichen Fratzen im Sucher auftaucht. Wer wie ich immer fleißig die Gegend absucht, wird aber leider nur selten in den „Genuss“ dieses Terrors kommen.
Hinsichtlich Texturen liegen beide Systeme etwa auf Augenhöhe. Auf der Konsole muss man allerdings mit schwankender Bildrate, längeren und häufigeren Ladeunterbrechungen und fehlendem V-Sync leben. Cool: Nach einem unglücklichen Sturz muss man vorerst auf das kleine Helferlein verzichten und lernt spätestens dann seine Funktionen zu schätzen. Hier tappt man notgedrungen durch die Dunkelheit und hofft auf den nächsten Blitz, der die Räume durch die nassen Fenster wenigstens für einen kurzen Moment erhellt. Hier fühlt man sich noch wehrloser als ohnehin schon. Hält man das Gerät dann endlich wieder in seinen Händen, muss man ab diesem Zeitpunkt nicht nur mit einem beschädigten Display, sondern auch Bildstörungen leben, die natürlich in den unpassendsten Momenten auftauchen oder mir einfach nur dazu taugen, mir einen weiteren Schrecken einzujagen.
Werkzeug für die Dokumentation
Schaurige Präsentation
Während Amnesia: A Machine for Pigs technisch eher ernüchtert, nutzt das Team von Red Barell die ganze Power der Unreal-Engine, durch die Outlast den großen AAA-Produktionen in nichts nachsteht. Flüssige Animationen, verunstaltete Charaktermodelle, kullernde Regentropfen an Scheiben, flackernde Lichter und tanzende Schatten – das alles sieht auch auf der PlayStation 4 fantastisch aus und steht angesichts der knackscharfen Texturen und flüssigen Darstellung dem PC-Vorbild auf den ersten Blick in nichts nach! Mit der Zeit bemerkt man allerdings stellenweise deutliche Einbrüche der Bildrate sowie vereinzelt auftretendes Tearing, von dem PC-Spieler dank V-Sync verschont blieben. Das gilt auch für die Ladeunterbrechungen, die den Spielverlauf an der Konsole hin und wieder stören. Hinzu kommt, dass die Ladezeiten hier nicht nur häufiger auftreten, sondern generell länger ausfallen am PC. Das wird besonders im Rahmen einiger Trial&Error-Fluchtszenen deutlich, in denen man normalerweise mehrere Anläufe benötigt.
Angesichts des hohen Ekelfaktors ist mir die Darstellung stellenweise sogar fast schon etwas zu detailliert. Der Blick durch das Kameraobjektiv setzt der Präsentation die Krone auf: Schon im normalen Modus wird mit leichten Unschärfen und einem Grieselfilter das Videobild optisch klasse eingefangen. Doch erst in der phänomenalen Nachtsicht kommt echtes Blair-Witch-Feeling auf – eine herrlich intensive Erfahrung.
Controller als Atmosphäre-Killer
Stattdessen hätten die Entwickler lieber andere Funktionen nutzen sollen: Da hätte sich sowohl der eingebaute Lautsprecher angeboten (z.B. für das Fieps-Geräusch beim Umstellen auf Nachtsicht oder um Schockmomente noch weiter zu verstärken) oder sogar eine Motion-Steuerung - etwa wenn man panisch Ventile öffnen oder schließen muss. Hier wurde Potenzial verschenkt, mit der man die Umsetzung noch stärker auf die Fähigkeiten der PS4 zuschneiden und den Überlebenskampf noch intensiver hätte gestalten können.
Fazit
Puh, das ist ganz schön heftig, was Red Barrels da mit Outlast inszeniert. Nach Amnesia und Slender hat auch der Besuch in der abgelegenen Irrenanstalt mein Nervenkostüm übelst strapaziert: Schon im gut beleuchteten Büro habe ich alles um mich herum vergessen und bin gerade in der Anfangsphase ständig zusammengezuckt, oft begleitet von Schnappatmung. Doch erst beim Spielen im Dunkeln und mit aufgedrehter Anlage geht einem der Arsch endgültig auf Grundeis! Wäre da nicht diese ätzende Beleuchtung am PS4-Controller, die sich nirgends abschalten lässt und die Atmosphäre massiv stört. Ohne Witz: Ich habe die Funzel am Ende abgeklebt, um mich endlich ungestört gruseln zu können! Stattdessen hätten die Entwickler lieber den Lautsprecher oder Gyro-Sensoren ins Spiel einbinden sollen. Trotzdem: Outlast ist herrlich intensiv, sieht trotz technischer Abstriche auch auf der PS4 fantastisch aus und schmeißt mich in eine schonungslos dargestellte Welt, in der Horror und Gewalt regieren. Atmosphärisch ist der Titel eine Wucht – auch dank der packenden Nachtsicht der Videokamera, die gleichzeitig als Instrument zur Dokumentierung dient. Hat man die Verhaltensmuster der wenigen Gegnertypen aber erstmal einstudiert und sich an die Schockmomente gewöhnt, verliert der Horror-Trip gegen Ende etwas an Reiz, zumal auch die Rätsel mit ihrem Einheits-Design zu flach ausgefallen sind. Trotzdem hat mich Outlast mit seiner exzellenten Mischung aus Horror, Schleichelementen und aufregenden Fluchtsequenzen in Kombination mit der packenden audiovisuellen Präsentation auch im zweiten Durchlauf an der PS4 wieder gepackt! Hier bekommt man eines der besten Horrorspiele der letzten Jahre!
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Outlast lässt auch auf der PS4 das Blut in den Adern gefrieren! Technisch wird der PC aber nicht ganz erreicht und die Lichtershow des Controllers kostet Atmosphäre.
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