Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain24.08.2015, Michael Krosta

Im Test: Schleichen in der offenen Welt

Es ist das Ende einer Ära. Und auch wenn Konami weiter die Rechte an der Marke besitzt und die Reihe in Zukunft fortsetzen möchte: Ohne Hideo Kojima, der seit 1987 seine "Schlangen" auf Infiltrationsmissionen schickt und das Stealth-Genre maßgeblich mitgeprägt hat, wird Metal Gear nicht mehr das Gleiche sein. Setzt der Star-Designer mit Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain (ab 14,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ein letztes Ausrufezeichen oder muss er für das Schleichen in der offenen Welt zu viele schmerzhafte Kompromisse eingehen?

TV-Format statt Kinoleinwand

Damals bei Akte X saß ich schon vor dem Beginn der nächsten Episode gespannt vor dem Fernseher. Würde die nächste Folge endlich den roten Faden weiter spinnen? Mir endlich neue Einblicke in die finsteren Pläne des Rauchers gewähren oder Fox Mulder endlich eine heiße Spur bescheren, die ihm dem Geheimnis um seine entführte Schwester einen Schritt näher bringen könnte? Oder würden die beiden FBI-Agenten wieder einen weiteren mysteriösen Fall lösen müssen, der in sich geschlossen ist und für die große Verschwörungsgeschichte im Hintergrund keine Relevanz besitzt?

Ganz ähnlich fühlte ich mich beim Spielen von Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain, das von Hideo Kojima nach dem großartigen und gewohnt cineastisch inszenierten Einstieg im Stil einer TV-Serie konzipiert wurde. Dabei spielt es hier teilweise nicht einmal eine Rolle, in welcher Reihenfolge die einzelnen Episoden gespielt werden, die sich auf

Snake muss einmal mehr eine Armee aufbauen.
zahlreiche Haupt- und Nebenmissionen verteilen. Nur an bestimmten Punkten müssen erst bestimmte Aufträge abgearbeitet werden, damit es in der Geschichte weitergehen kann, die sich – ganz grob gesagt – um den Wiederaufbau von Snakes "Armee ohne Nation" sowie die Rache an dem mysteriösen Skull Face und dessen XOF-Truppe dreht. Richtig: Das waren die Schergen, die im Prolog Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes unter dem Deckmantel einer Routine-Inspektion Snakes Hauptquartier attackierten. Und auch Big Boss fiel dem hinterhältigen Überraschungsangriff fast zum Opfer. Im grandiosen Einstieg von The Phantom Pain kämpft sich der Elite-Soldat allerdings ins Leben zurück und erwacht nach einem neunjährigen Koma in einem Krankenhaus auf Zypern, noch immer gezeichnet von den schweren Verletzungen, die neben Granatsplittern im gesamten Körper auch den Verlust seines linken Arms zur Folge hatten. Das Timing hätte kaum besser sein können: Kaum ist der Veteran wieder halbwegs auf den Beinen, trachten ihm tödliche Killer schon wieder nach dem Leben und es folgt eine dramatische Flucht aus dem Krankenbett, die aufgrund der schonungslosen Darstellung und Inszenierung des folgenden Massakers bereits für das eine oder andere mulmige Gefühl in der Magengegend sorgt. Gerade in dieser ersten Spielstunde zieht Kojima alle Register, um mich als Spieler zu packen - angefangen beim ersten Augenblinzeln über das gequälte Schleppen durch die Krankenhaus-Korridore bis hin zur rasanten Fluchtsequenz auf dem Rücken eines Pferdes am Ende des Prologs.                   

Die große Freiheit?

Beim Design der Skull-Einheit wurde Kojima offenbar vom Star-Trek-Universum assimiliert.
Erst danach führt der Weg nach Afghanistan und damit zum ersten von zwei Schauplätzen, in denen Snake durch die angenehm offenen und groß angelegten Areale schleicht, um Infos zu sichern, Feinde zu eliminieren oder Geiseln zu retten. Doch genau hier fangen die Probleme an. Nein, nicht hinsichtlich der Schleichmechanik oder der spielerischen Freiheiten, denn diesbezüglich markiert The Phantom Pain ohne Zweifel den besten Teil der Reihe, auch wenn das automatische Deckungssystem hier und da mal zickt oder die rudimentäre Fahrphysik in Kombination mit einer unglücklichen (Ziel-)Kamera bei schwerem Gerät Nerven kostet. Trotzdem ist es fantastisch, wie viele Möglichkeiten es gibt, die Missionen zu bewältigen. Die größte Spannung erlebt man weiterhin, wenn man möglichst unauffällig vorgeht, vorsichtig die Lager infiltriert und Feinde entweder per Würgegriff oder mit der schallgedämpften Betäubungspistole kampfunfähig macht. Gar nicht so einfach, denn oft patrouillieren sie in einem kleinen Verband oder behalten die Umgebung von Wachtürmen aus mit Suchscheinwerfern und Adleraugen im Blick. Hinzu kommt ihre hohe Aufmerksamkeit: Kommt den Wachen etwas verdächtig vor, gehen sie der möglichen Spur nach einem Eindringling sofort nach. Dieses berechenbare Verhalten lässt sich aber auch für die eigenen Zwecke ausnutzen, um z.B. einzelne Feinde anzulocken und in Ruhe auszuschalten. Manchmal scheinen die Kerle aber Tomaten auf beiden Augen zu haben und erkennen Snake selbst in unmittelbarer Nähe nicht oder rennen einfach an ihm vorbei. Fast schon peinlich erschien eine Situation, in der ich mich nachts in ein Zelt schlich, in dem zwei Wachen schliefen. Zum einen zertrümmerte ich dabei mehrere Glasflaschen und stolperte noch über andere Gegenstände, doch die Schlafmützen verweilten weiter im Reich der Träume. Zum anderen befahl ich anschließend meinem tierischen Begleiter, schön laut zu bellen - eigentlich das ideale Ablenkungsmanöver und der perfekte Wecker-Ersatz. Doch auch hier schnarchten die beiden weiter vor sich hin. Sowas kann und darf nicht sein – vor allem auch deshalb, weil die KI ansonsten relativ gut auf die Präsenz von mir und meinen Begleitern reagiert.  

Nützliche Verhöre

Im Idealfall schleicht man sich von hinten heran, nimmt die Soldaten in den Schwitzkasten und startet noch ein kleines Verhör, bevor man sie ohnmächtig würgt oder ihnen in der brachialen Variante die Kehle durchschneidet. Zwar geben die Schergen nicht immer nützliche Informationen preis, doch hin und wieder erfährt man z.B. die Standorte anderer Wachen, Munitionsdepots oder nützlicher Ressourcen sowie Baupläne, die man zur Weiterentwicklung der eigenen Mother Base und Gadgets benötigt. Voraussetzung ist allerdings, dass man die Befragten überhaupt versteht. Aus diesem Grund muss man erst Dolmetscher verschiedener Sprachen retten und diese für das eigene Personal rekrutieren, bevor der belauschte Funkverkehr oder Verhöre in Echtzeit übersetzt werden können. Im Serienkontext erscheint die Rettung des ersten Übersetzers jedoch überflüssig: Wurde Snake im dritten Teil nicht von Sokolov für seine ausgezeichneten Kenntnisse der russischen Sprache gelobt? In Afghanistan scheint davon plötzlich nichts mehr übrig zu sein. Aber egal, denn die Idee an sich ist klasse, zunächst kein Wort zu verstehen und erst durch die Rettungsmaßnahmen eine Übersetzung angeboten zu bekommen, zumal "Sprache" auch ein zentrales Thema innerhalb der Geschichte darstellt.

Warum bin ich hier?

Aufklärung ist der erste Schritt.
Die Handlung fällt für Kojima-Verhältnisse aber ungewöhnlich schwach aus und nimmt nur sehr, sehr langsam Fahrt auf. Das liegt vor allem daran, dass Skull Face als Antagonist sehr blass bleibt, die Enthüllung seiner wahren Identität enttäuscht und es insgesamt viel zu wenige Referenzen zu vergangenen oder zukünftigen Ereignissen innerhalb der Reihe gibt. Überhaupt wirken die Figuren kaum ausgearbeitet und selbst zentrale Charaktere wie Ocelot oder Miller treten viel zu selten in Erscheinung, um der Geschichte mehr Würze zu verleihen. Zwar werden später interessante und diskussionswürdige Themen wie Kindersoldaten aufgegriffen, aber nur halbherzig in die Story integriert - oder sie wirken teilweise sogar zwanghaft aufgesetzt. Hatte ich in den Vorgängern immer ein gewisses Ziel vor Augen, fragte ich mich hier sehr oft, warum ich mich überhaupt gerade in dieser oder jener Mission befand, weil mir einfach der erzählerische Rahmen fehlte oder zu bedeutungslos erschien. Um wieder den Bogen zu Akte X zu spannen: Dort waren die meisten Fälle auch ohne den Bezug zur Hauptgeschichte spannend, doch hier habe ich das Gefühl, zu oft Wiederholungen einer durchschnittlichen Folge serviert zu bekommen. Zwar kann man dank zahlreicher Audio-Kassetten auf detailliertere Hintergrundinformationen zugreifen und so einen besseren Eindruck vom Gesamtbild gewinnen, doch empfand ich diese Mechanik schon bei Peace Walker als umständlich und bin generell kein großer Freund so genannter Audio-Logs. Ja, in der Vergangenheit konnten die Codec-Gespräche sehr langatmig sein – man denke nur an die letzten Stunden in Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty. Aber diese eingestreuten Dialoge würde ich heute immer noch jederzeit den Info-Kassetten vorziehen, die ich als schwache Alternative zu den traditionellen Funk-Plaudereien empfinde. Zumal es auch passieren kann, dass man im schlimmsten Fall beim Durchstreifen der Welt einer Aufnahme lauscht, sich plötzlich ein Gesprächspartner per Codec meldet, man gleichzeitig Wachen lauscht und auch das iDroid noch irgendwelche Hinweise von sich gibt, so dass irgendwann alles in einem Stimmen-Wirrwarr untergeht. Und so freute ich mich eigentlich nur dann über die Kassetten, wenn sie als Sammelobjekte lizenzierte Songs aus den Achtzigern enthielten und ich mich zu Klängen von A-ha,  Europe, David Bowie sowie anderen Künstlern dieser Ära in die Missionen stürzen durfte.

Von Rettern, Auftragskillern und Saboteuren

Von Angesicht zu Totenkopfgesicht: Snake und Skull Face.
So schön es auch ist, immer wieder die feindlichen Lager zu infiltrieren und dabei mit verschiedenen Vorgehensweisen oder Gadgets zu experimentieren: Sonderlich kreativ oder gar abwechslungsreich fällt das Missionsdesign hier nicht unbedingt aus. Meist gilt es lediglich, eine oder mehrere Zielpersonen aus einem Gebiet zu extrahieren – manchmal ganz einfach per Ballon-Rettung, manchmal ausschließlich per Hubschrauber und vorheriger Huckepack-Aktion. Oft hat man außerdem die Wahl, ob man das hochrangige Ziel im Stil eines Auftragskillers wie verlangt liquidiert oder denjenigen nur betäubt und anschließend versucht, ihn für die eigene Truppe zu rekrutieren. Um den Wiederspielwert zu erhöhen, finden sich in jeder Episode außerdem eine Reihe von Zusatzzielen, darunter z.B. die Zerstörung der Kommunikationsanlagen, das Finden von Bauplänen oder das Aufspüren sowie Extrahieren von Spezialisten. Trotzdem gelangt man schnell in einen gewissen Trott und vermisst mehr Variationen hinsichtlich des Missionsdesigns. Vor allem bei den Nebenaufträgen ist schnell die Luft raus, wenn man irgendwann den dritten Dolmetscher oder wieder einen weiteren Elite-Soldaten aufspüren und retten soll. Zumal kaum Anreize geschaffen werden, warum man sich die Strapazen antun sollte, denn selbst viele der Hauptmissionen bringen die Handlung kaum oder gar nicht voran, so dass ein wichtiger Motivationsfaktor fehlt.

Täglich grüßt das Schädeltier

In der Vergangenheit durchbrachen die Bosskämpfe die Routine und markierten mit außergewöhnlichen Design-Ideen oft fantastische Höhepunkte innerhalb der Schleich-Action – man denke nur an den legendären Kampf gegen Psycho Mantis, The Fear oder andere schillernde Persönlichkeiten des Metal-Gear-Universums. Verglichen mit diesen glorreichen Momenten enttäuscht der fünfte Teil: Zum einen muss man sich hier nur sehr selten außergewöhnlichen Gegnern stellen und zum anderen hält sich deren Auswahl in Grenzen. So trifft man im Verlauf der Geschichte gleich mehrmals auf die mysteriöse Skull Unit mit Borg-Anleihen oder den brennenden Mann, wobei deren Schwachstellen meist schnell durchschaut sind und die Kämpfe längst nicht mehr so kreativ oder gar fordernd ausfallen, wie es in der Vergangenheit der Fall war (Stichwort: Controller-Wechsel). Auch die erste Begegnung mit Quiet, der extrem luftig bekleideten Scharfschützin, ist im Kern nur ein aufgewärmtes Duell, wie man es in der Vergangenheit schon spannender mit The End und Sniper Wolf erlebt hat. Das ist bedauerlich, war Metal Gear doch immer für seine außergewöhnlichen Bosskämpfe bekannt, von deren Qualität und Anspruch man hier trotz guter Inszenierung und interessanter Ansätze weit entfernt ist. Nein, es ist nicht schlecht, was Kojima und sein Team hier servieren – vor allem die Begegnungen mit dem neuen und stylischen Mech haben es in sich. Aber von einem Metal Gear erwartet man als Fan und aufgrund der bisherigen Tradition einfach etwas mehr als das, was letztlich geboten wird.  

Mein eigenes Hauptquartier

Die Mother Base lässt sich schrittweise ausbauen und vergrößern. Die Entwicklungsabteilung sorgt für Nachschub an neuen Waffen und Gadgets.
Basis-Management, Entwicklung und Rekrutierung sind nicht mehr neu für die Reihe – immerhin führte Kojima diese Elemente schon beim PSP-Ableger Metal Gear Solid: Peace Walker ein, baut das Konzept hier aber weiter aus. Wie gewohnt, holt man weiterhin feindliche Soldaten via Fulton-System oder auf andere Weise aus der Kampfzone heraus, um sie für die eigene Armee zu rekrutieren. Besonders beliebt sind selbstverständlich Experten in Gebieten wie Kampf, Medizin, Aufklärung oder Ingenieure. Dank einer frühen Verbesserung von Snakes High-Tech-Fernglas lassen sich bereits im Vorfeld die Fähigkeiten von markierten Personen in den jeweiligen Bereichen analysieren, so dass man schnell die Spreu vom Weizen trennen kann. Doch auch das Sammeln von Ressourcen spielt im Zusammenhang mit der Basis eine zunehmend wichtige Rolle: Sie dienen bei Verkäufen nicht nur als wichtige Geldquelle, sondern werden auch für den Ausbau neuer Plattformen sowie für die Herstellung von Munition und anderen Gegenständen benötigt.

Und so empfinde ich die optionalen Sammelaufgaben hier durchaus als sinnvoll, weil ich weiß, dass mir das Pflücken jeder einzelnen Heilpflanze oder das Einsacken von Materialien einen Mehrwert bringt. Später kann ich mit einem verbesserten Ballonsystem neben Geschützen und Fahrzeugen sogar komplette Container mit wertvollen Ressourcen extrahieren. Schön auch, dass man das Personalmanagement automatisch regeln kann oder sich auf Wunsch selbst um die Verteilung jedes einzelnen Rekruten in die entsprechenden Abteilungen kümmern kann. Später entsendet man außerdem wieder eigene Einheiten in Kampfgebiete – vergleichbar mit den Gilden-Aufträgen in Assassin's Creed – und nutzt zunehmend wertvolle Informationen der Aufklärung. Wer will, kann sich sogar als Künstler versuchen und mit den zahlreichen freischaltbaren Emblemen sowie anderen grafischen Elementen ein eigenes Logo basteln und seine Basis visuell anpassen.  

Gigantische Auswahl

Wenn man es richtig krachen lassen will, kapert man eben einen Panzer.
Im Zentrum steht allerdings die Entwicklungsabteilung, die mit entsprechenden Materialien und Personal Zugriff auf ein phänomenales Waffen- und Gerätearsenal gewährt, das keine Wünsche offen lässt: Von der einfachen (Wasser-)Pistole über eine riesige Auswahl an Sturm- Scharfschützen- und Maschinengewehren bis hin zu Schrotflinten und schwerem Kaliber wie modernen Raketenwerfern sowie verschiedenen Granatentypen findet sich hier alles, was man für den offenen Schlagabtausch benötigt. Wer es lieber leiser mag, lässt dagegen Equipment mit nicht-tödlicher Munition entwickeln oder nutzt vor allem die coolen Gadgets, welche z.B. die üblichen Kartons, aufblasbaren Attrappen oder sinnvolle Verbesserungen wie ein Sonar für Snakes bionische Armprothese beinhalten. Das wohl wichtigste und sinnvollste Utensil ist Snakes iDroid, das nicht nur als Karte und Codec, sondern auch als mobile Kommandozentrale fungiert. Mit dem kleinen Gerät lässt sich u.a. Unterstützung anfordern und das gesamte Management der Mother Base übernehmen. Doch egal ob Knarre, Karton oder Spielerei: Was hier alles aufgefahren wird, ist der pure Wahnsinn und manchmal fällt die Entscheidung angesichts der riesigen Auswahl schwer, was man überhaupt als nächstes entwickeln möchte. Oder man ärgert sich, dass entweder benötigtes Personal oder das Budget fehlt, um das nächste Objekt der Begierde in Auftrag zu geben.

Wer lieber schleicht, wird allerdings schnell feststellen, dass man abseits der schallgedämpften Betäubungspistole gar nicht so viel Zeug benötigt, zumal auch der optionale Reflex-Modus ein gutes Sicherheitsnetz darstellt, falls man entdeckt wird und den Späher noch rechtzeitig in Zeitlupe ausschalten kann, bevor er Alarm auslösen kann. Doch sobald die Sirenen heulen und der Feind ständig Verstärkung für die Hetzjagd anfordert, die bis zum Anrücken von Panzern und Kampfhubschraubern reichen kann, legt man die Pistole schnell zur Seite und greift doch lieber zu MG und Panzerfaust – oder hofft darauf, so lange in einem Versteck auszuharren, bis sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat. Gerade diese Möglichkeit, den Spielverlauf nach eigenen Wünschen gestalten und anpassen zu können, stellt eine gewaltige Stärke in diesem Teil dar.

„Never walk alone“

Und so steht es auch jedem frei, ob er lieber alleine loszieht oder einen Begleiter als Unterstützung mit auf seine Missionen nimmt. Steht am Anfang lediglich das Pferd zur Auswahl, mit dem man nicht nur schnell Distanzen überbrückt, sondern in seitlicher Haltung auch unbemerkt an Wachen vorbei reiten kann, gesellen sich bald weitere tierische, menschliche und mechanische Kumpanen hinzu, sofern man sie findet oder – im Fall von Quiet – am Leben lässt. Dabei hat jeder von ihnen spezielle Fähigkeiten, die sich z.T. sogar noch erweitern lassen. Erschnüffelt der Hund D-Dog zu Beginn lediglich Wachen und kann sie anfallen, wird er später mit einem Messer zwischen den Zähnen selbst zur tödlichen Waffe oder lenkt Wachen nach einem Bellen auf Befehl ab. Auch von der Basis kann man sich jederzeit unter die Arme greifen lassen, sei es durch Nachschub-Abwürfe, die Anforderung eines Kampfhubschraubers oder den Befehl für einen gezielten Artillerieschlag.  

Das unauffällige Eindringen in Basen verspricht immer noch die größte Spannung.
Angesichts dieser reichhaltigen Unterstützung hält sich der Schwierigkeitsgrad bei den meisten Missionen in Grenzen. Wem es dennoch zu schwer ist, lässt sich einfach einen Hühnerkopf aufsetzen und erkundet so die Camps, ohne die Aufmerksamkeit der Wachen zu erregen (...die sich innerlich vielleicht auch einfach nur totlachen). Trotzdem kommt es hin und wieder zu frustigen Momenten, weil man nicht genau weiß, wie man überhaupt vorgehen soll. Ich erinnere mich dabei an eine gewisse Konvoi-Mission, die einige Nerven gekostet hat – auch deshalb, weil der letzte Speicherpunkt dort ähnlich unglücklich gesetzt wurde wie in so manch anderer Episode. Auch die beschränkten Missionsgebiete können sich als problematisch erweisen: So passierte es mir hin und wieder, dass ich hinter dem Steuer eines Jeeps unbeabsichtigt das Gebiet verließ und deshalb die Mission neu starten musste. Gerade hinter dem Steuer eines Fahrzeugs erfolgt die Warnung oft zu spät und die Toleranz beim Überschreiten der Grenze erscheint in diesen Situationen zu klein.

Weite Wege

Mit am meisten haben mich aber die weiten Wege gestört, die man oft auf dem Weg zum Ziel in der offenen Welt zurücklegen muss. Auf dem Rücken von D-Horse nimmt man das noch gerne in Kauf. Auch später, wenn man sich direkt zusammen mit Fahrzeugen absetzen lassen kann, ist das kein Problem. Doch möchte man möglichst früh mit der vierbeinigen Spürnase oder Quiet losziehen, erweisen sich die weiten Strecken per pedes als ähnlich zäh wie die Navigation zwischen den Plattformen der zunehmend größeren Mother Base.

Doch auch als ballernder Action-Held hinterlässt Snake einen guten Eindruck.
Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn das Auge auf dem Weg mit opulenten Landschaften oder einer lebendigen Spielwelt verwöhnt würde. Doch vor allem an den generischen Berg- und Wüstenregionen von Afghanistan hat man sich sehr schnell satt gesehen. Aber auch Afrika hat als zweiter großer Schauplatz mit seinem Dschungel-Szenario grafisch ebenfalls nicht viel Abwechslung zu bieten. Immerhin sorgen dynamische Wetterkapriolen wie Sandstürme oder tropischer Platzregen neben dem Tag-/Nachtwechsel und der im Ansatz vorhandenen Fauna für Leben in der ansonsten recht sterilen Spielwelt, der man anhand manch schwacher Texturen sowie groben Schatten ansieht, dass sie nicht nur auf der neuen, sondern auch noch der alten Konsolengeneration verwirklicht werden sollte. Vor allem das deutlich sichtbare Dithering in der Landschaft und an Personen (Bart, Haare) stachen mir neben Pop-ups negativ ins Auge. Auch die Bildrate geht auf der PS4 in wenigen Situationen spürbar in die Knie. Das alles ist kein Beinbruch, doch schaut man sich etwa die letzten Ausflüge in Assassin's Creed oder den Witcher als Vergleich an, zieht die Fox Engine schnell den Kürzeren. Besser schlägt sich der Audiobereich – vor allem dank der überwiegend exzellent besetzten Sprecher und der wuchtigen Soundeffekte, auch wenn für mich David Hayter weiter der einzig wahre Snake bleiben wird. Der durchschnittliche Soundtrack verblasst allerdings im Vergleich zu den exzellenten Arrangements der Vorgänger und es bleibt kaum ein klanglicher Moment in den Gehörgängen oder dem Gedächtnis hängen.      

„Fortsetzung folgt“

Was hat es mit dem brennenden Mann auf sich?
Eine dramaturgische Todsünde begehen Kojima und sein Team gegen Ende der Hauptkampagne – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist das Zusammentreffen von Snake und Skull Face eine kleine Farce: Abgesehen davon, dass der Monolog des Antagonisten sich irgendwann zieht wie ein Kaugummi, sitzen sich die beiden irgendwann minutenlang wortlos gegenüber, während im Hintergrund ein Song düdelt – eine ganz schlimme Szene, die eigentlich so viel Bedeutung hat, aber diese nicht ordentlich transportieren kann. Noch viel furchtbarer sind die beiden Momente, in denen dramatische Situationen mittendrin mit der Einblendung "Fortsetzung folgt" unterbrochen werden und Snake wieder in seinen Einsatzhelikopter verfrachtet wird, wo er dank iDroid seine Ausrüstung neu zusammenstellen oder sogar wieder zur MotherBase zurückfliegen kann. Das muss man sich mal vorstellen: Mitten in einer Absturzsequenz oder kurz vor dem finalen Aufeinandertreffen mit Metal Gear kann ich mit Snake auf die Mother Base zurückkehren und mir dort die Zeit vertreiben. Das ist nicht nur völlig unlogisch, sondern zerstört komplett den Spannungsaufbau und ist eine Ohrfeige für die Dramaturgie! Was hat Kojima da nur geritten? Oder sind das einfach die Kompromisse, welche die offene Welt vom Spieldesign fordert?

Der zweite Durchlauf

Es hat gedauert, aber beim erneuten Durchspielen der zahlreichen Haupt- und Nebenmissionen habe ich mir bewusst Zeit gelassen – nicht nur bei der Bewältigung des zweiten Kapitels mit seinen durchaus knackigen Herausforderungen, sondern auch auf dem Weg dorthin. Anstatt wie auf dem Review-Event unter Druck möglichst schnell voran zu kommen, ging ich bei meiner Rückkehr nach Afghanistan und Afrika deutlich entspannter vor, hatte viel mehr Zeit zum Experimentieren und für die Erkundung der Spielwelt. Und ja: Ich habe es dann auch mitbekommen, dass sich Snakes Splitter im Gehirn negativ auf sein Sprachzentrum auswirken und er deshalb kein Russisch mehr versteht (...wie er es noch im dritten Teil getan hat). Wahrscheinlich ging diese Information bei meinem ersten Durchlauf unter, weil ich gleichzeitig noch einer Kassette gelauscht und / oder auch noch der iDroid irgendetwas dazwischen geplappert hat.

Es muss nicht immer der ganz große Metal Gear sein...
Die Kritikpunkte rund um das erste Kapitel bleiben zwar bestehen, doch die enormen spielerischen Freiheiten haben sich bei meinem zweiten Durchlauf nicht nur bestätigt, sondern für mich sogar noch an Bedeutung gewonnen. Ich habe einige der Missionen völlig anders gespielt und erlebt, fand mitunter komplett andere Zugangsmöglichkeiten für die Infiltrationen und landete teilweise sogar in Arealen, die ich zuvor gar nicht zu Gesicht bekommen hatte. Immer wieder gab es irgendwo etwas Neues zu entdecken – sei es durch Zufall oder weil ich bewusst andere Taktiken wählte. Und ich bin mir sicher, dass ich auch jetzt längst noch nicht alles gesehen habe, was mir dieses Umfang-Monster an alternativen Vorgehensweisen und Gimmicks bietet. Wenn ich alleine an den Sammelwahn der Fauna denke, mit dem sich vor allem Jörg infiziert hat, kann man sich zusammen mit der Suche nach Bauplänen und Musikkassetten schon stundenlang die Zeit mit reiner Erkundung vertreiben. Das ist einfach ganz große Klasse! Ich habe diesen Aspekt zwar schon im ersten Teil des Tests deutlich gelobt, aber muss es an dieser Stelle einfach noch einmal betonen: Hinsichtlich der Möglichkeiten und spielerischen Freiheiten bei der Gestaltung der Einsätze ist dieses Metal Gear allererste Sahne!  

FOB, oh weh!

D-Dog leistet mit seiner Spürnase und dem Messer zwischen den Zähnen hervorragende Unterstützung, vereinfacht aber auch spürbar die Herausforderung beim Infiltrieren.
Für die Online-Infiltrationen, genannt FOB-Missionen, gilt das nicht unbedingt. Zwar ist die Idee theoretisch ähnlich spaßig wie die Hacker-Zwischenfälle in Watch_Dogs, doch schnell verlieren die Basis-Kämpfe an Reiz, weil sie zu sehr nach Schema F ablaufen und der Ausbau der eigenen Plattform mit Mikrotransaktionen beschleunigt werden soll. Hinzu kommt, dass sich die Onlineanbindung durch die trägere Bedienung des iDroids und längere Ladezeiten auch negativ auf das Solo-Erlebnis auswirkt. Wenn es denn überhaupt funktioniert, denn auch mehr als eine Woche nach dem Verkaufsstart hat Konami immer noch mit Serverproblemen zu kämpfen, die ganz besonders die Xbox One betreffen. Auf der Microsoft-Konsole war es mir bis heute nicht möglich, eine Verbindung herzustellen, während es auf PS4 und PC ebenfalls nur sporadisch funktioniert – und das, obwohl man schon das Angebot an Online-Features künstlich reduziert hat. Wenn man jetzt schon solche Probleme hat, sehe ich für den Start von Metal Gear Online im Oktober Schwarz.  

Die Tücken der offenen Welt

Darüber hinaus bin ich bei der weiteren Offline-Erkundung auf Dinge gestoßen, die mich gestört haben. So räumte ich im Rahmen einer Hauptmission eine Basis komplett mit der Betäubungspistole leer, holte jeden einzelnen Soldaten mit den Fulton-Ballons raus und verließ zu Fuß mit meinem Ziel das Missionsgebiet. Nach dem Einblenden der Statistiken dann die Überraschung: Zurück in der Spielwelt, am gleichen Ort, habe ich plötzlich einen Truck im Rücken und werde umgehend von Gegnern entdeckt. Der war doch vorher nicht da? Also sprinte ich zurück in die Basis, um dort Unterschlupf zu finden – immerhin hatte ich sie eine Minute zuvor erobert. Doch schon folgte die nächste Überraschung, denn die Wachtürme, Höfe und Gebäude waren schon wieder komplett mit Feinden besetzt. Sowas schmerzt einfach und trägt nicht gerade zur Motivation bei, die Stützpunkte zu erobern. Auch wenn Far Cry 3 viel falsch macht: Hinsichtlich der Stützpunkte hätte ich mir eine ähnliche Mechanik gewünscht wie in Ubisofts Open-World-Shooter. Wie cool wäre es gewesen, wenn man z.B. den Mudschaheddin die eroberten Basen überlassen könnte? Dann bekäme man sie wenigstens abseits vereinzelter Geiselrettungen auch mal zu sehen, anstatt überwiegend auf Tonbändern oder in Gesprächen von ihnen zu hören. Hätte man zusätzlich auch noch dynamische Kämpfe um diese Basen zwischen den Gotteskriegern und den russischen Besatzern inszeniert, hätte

Miller und Ocelot vertreten oft unterschiedliche Standpunkte. Leider kann man als Big Boss in den Streitgesprächen nicht aktiv Stellung beziehen.
man im Spiel sogar direkt Zeuge dieses Krieges werden können, der hier gefühlt nirgends stattfindet. Das hat Kojima doch schon im Einstieg von Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots hinbekommen, als man mit Snake zwischen die Fronten von Rebellen und Söldnern geriet. Warum denn nicht hier, wo es sich ebenfalls angeboten hätte?

Und auch hinsichtlich der Spielmechanik wäre noch mehr drin gewesen – Stichpunkt: Schlösserknacken. Hier sind genreverwandte Titel wie Splinter Cell oder andere Open-World-Abenteuer wie Dying Light immer noch weiter, da dort etwas mehr gefordert wird, als einfach nur einen Knopf gedrückt zu halten. Dabei hätte man das Element so schön mit den erweiterbaren Fähigkeiten der Armprothese verknüpfen können, wonach sich manche Schlösser z.B. erst ab einer bestimmten Stufe hätten knacken lassen. Gleichzeitig hätte ein solches System noch stärker dazu motiviert, bekannte Gebiete erneut aufzusuchen – vergleichbar mit den Schlüsselkarten in Metal Gear Solid, mit denen man erst nach und nach Zugang zu bestimmten Räumen bekam.     

Verbesserte Darstellung

Technisch hinterlässt die Verkaufsfassung einen besseren Eindruck als die Version, die ich bei Konami spielen durfte. Liegt es am Feinschliff? Oder war der Fernseher in Frankfurt einfach nur mies eingestellt und ich musste zu dicht am Bildschirm sitzen? Wie dem auch sei: Das Dithering, das mich beim Review-Event an der PS4 noch massiv gestört hatte, habe ich beim erneuten Spielen mit der Verkaufsversion kaum noch bemerkt. Selbst an der Xbox One ist das Bild trotz der reduzierten Auflösung erstaunlich sauber, doch hat die Bildrate auf der Microsoft-Konsole etwas häufiger mit kleinen Einbrüchen zu kämpfen als auf der PS4. Am besten schlägt sich technisch die PC-Version, die mit entsprechendem Equipment eine Auflösung von bis zu 4K erlaubt. Die künstliche Beschränkung der Darstellung auf maximal 60 Bilder pro Sekunde stößt dagegen etwas sauer auf. Wie sich die offene Welt auf PS3 und Xbox 360 schlägt, können wir mangels Test-Fassungen leider nicht beurteilen. Die Performance von Ground Zeroes auf den alten Systemen dürfte aber ein guter Richtwert sein, an dem man sich orientieren kann, auch wenn die Areale hier deutlich größer ausfallen und die betagte Hardware noch mehr fordern dürfte.   

Große Momente, viel Recycling

Quiet, gespielt von Model und Schauspielerin Stefanie Joosten, ist eine wertvolle Begleiterin. Doch die Erklärung für ihr luftiges Outfit ist mindestens genauso enttäuschend wie die oftmals peinliche Inszenierung ihrer weiblichen Reize.
Aber jetzt soll es möglichst spoilerfrei um das zweite Kapitel gehen, in das ich bei Konami aufgrund der beschränkten Spielzeit im Rahmen des Test-Events nur im Ansatz reinschnuppern konnte. Und was soll ich sagen? Nach dem Erreichen des zweiten, „wahren“ Endes bin ich hinsichtlich der Story deutlich positiver gestimmt, auch wenn ich die Kassetten nach wie vor als unglücklich gewähltes Stilmittel empfinde, um durchaus wichtige Details zu vermitteln. Trotzdem holt Kojima hier viel von dem nach, was ich im ersten Kapitel vermisst habe: Endlich gibt es inhaltlich mehr Bezüge zu den anderen Teilen der Reihe, endlich kehren Dramatik und eine interessante Handlung zurück, die man mit Spannung verfolgt. Selbst spielerisch gibt es abseits der redundanten Extraktionsaufgaben wieder ganz große Momente, die mitunter schockieren und emotional berühren. In diesen Momenten, die auch schon vereinzelt im ersten Kapitel auftauchen, spürt man endlich den Geist von Metal Gear und was die Faszination dieser Serie ausmacht.

Leider legt Kojima seinen Fans aber einige Steine in den Weg, um die gelungene Weiterentwicklung der Geschichte zu erleben. Denn bevor man storyrelevante Missionen in Angriff nehmen kann oder die nächste Zwischensequenz die Handlung voran treibt, muss man zwischendurch sowohl Nebenaufträge abschließen als auch bereits bekannte Hauptmissionen in einem höheren Schwierigkeitsgrad meistern. Das kann durchaus für einige Frustmomente sorgen, wenn man z.B. kurz vor dem Abschluss einer längeren Schleicherei doch noch entdeckt wird und daraufhin wieder ganz von vorne anfangen muss. Zudem wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt: Wer will schon alte oder unwichtige Aufträge abklappern, wenn man eigentlich wissen will, wie es mit mit Snake, Miller, Ocelot, Huey und der mitunter etwas zu peinlich in Szene gesetzten Quiet weitergeht?

Chaotische Missionsstruktur

Rationen und eine Energieleiste gehören der Vergangenheit an: Snake kann oft viele Treffer einstecken, muss ich irgendwann aber zur Erholung zurückziehen und bei schlimmen Verletzungen sogar ein Heilspray anwenden.
Vor allem aber habe ich bei dieser merkwürdigen Struktur das Gefühl, als ginge es Konami nur darum, die Spielzeit künstlich zu strecken, vergleichbar mit einer Grind-Mechanik. Und tatsächlich: Würde man das Recycling ausblenden, bliebe an neuen Abschnitten im ohnehin kürzeren zweiten Kapitel nicht mehr so viel übrig.

Zum anderen zeigt es mir erneut, dass das Episodenformat in dieser Form, wie es Kojima anlegt, einfach nicht funktioniert. Es war von Anfang an ärgerlich, dass man schon im Vorspann jeder Episode erfährt, welche Figuren, Gegner oder Vehikel auftreten werden. Dadurch verpufft schon im Vorfeld das Überraschungsmoment, wenn etwa die gefürchtete Skull-Unit auftaucht. Aber durch diese chaotische Struktur geht der Sinn endgültig verloren, der schon unter den unglücklichen Unterbrechungen à la „Fortsetzung folgt“ arg gelitten hat. Es kann doch nicht sein, dass ich plötzlich den Ingenieur von Snakes Armprothese, den ich bereits am Anfang des Spiels gerettet habe, jetzt erneut unter schwierigeren Bedingungen aus der Geiselhaft befreien muss, um danach wieder in der Hauptgeschichte voran zu kommen. Das ergibt einfach hinten und vorne keinen Sinn. Selbst einem Bosskampf kann man sich in diesen Recycle-Missionen wieder stellen. Alternativ klappert man weiter Nebenmissionen ab, die hinsichtlich Abwechslung weiter zu wünschen übrig lassen.

Warum keine Auslagerung?

Es wäre sicher cleverer gewesen, diese Wiederholungen in ein separates Menü auszulagern, anstatt sie unpassend zwischen die wirklichen Hauptmissionen zu quetschen und ihnen gleichzeitig den Charakter eines Schlosses zu verpassen, das man erst aufwändig knacken muss. Im Idealfall hätte man Spielern sogar von Anfang an die Wahl gegeben, in welchem Schwierigkeitsgrad oder unter welchen Voraussetzungen sie die einzelnen Missionen in Angriff nehmen wollen – vergleichbar mit  Ground Zeroes.

Nur was wäre ohne diese nervigen Hürden oder das alternative Abklappern der Nebenmissionen noch vom zweiten Kapitel übrig geblieben? Nicht mehr viel. Und so beschleicht mich das Gefühl, dass seitens Kojima Productions ursprünglich noch viel mehr geplant war, Konami aber irgendwann den Stecker zog und deshalb das Recycling der alten Missionen als Lückenfüller herhalten musste. Dafür spricht auch, dass die 51. Mission nicht mehr umgesetzt wurde, sondern nur in Form eines Videos im Bonusmaterial der Collector's Edition den Blick auf ein Ende erlaubt, das in meinen Augen wesentlich runder wirkt und den Kreis zu kommenden Ereignissen des Metal-Gear-Universums zufriedenstellender schließt. Zwar ist die im Spiel enthaltene Endsequenz durchaus gelungen und emotional

Was wäre ein Metal Gear ohne einen... Metal Gear?
inszeniert, lässt aber einige Fragen offen, die leider in der nicht mehr umgesetzte Mission beantwortet werden. Hinzu kommt, dass das Finale spielerisch einen faden Beigeschmack hinterlässt und mit der Flut an Gegnerwellen etwas ideenlos wirkt. Anspruchsvoll ist Snakes letzter Einsatz durchaus, aber von einem Metal Gear hätte ich einen spektakuläreren Endkampf erwartet, der mehr in der Tradition der Serie steht (Stichwort: Metal Gear). Und so werde ich das Gefühl nicht los, dass für das zweite Kapitel nicht nur mehr möglich gewesen wäre, sondern ursprünglich auch viel mehr geplant war. In dieser Form wirkt es ein wenig unfertig und aus der Not heraus zusammengeschustert. Sind das vielleicht die befürchteten Auswirkungen des Konflikts zwischen Konami und Kojima?

Fazit

Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain ist eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Zwar überzeugt Snakes erster Schleicheinsatz in einer offenen Welt durch enorme spielerische Freiheiten, die gelungene Einbindung der Mother Base, nützliche Begleiter und einen gigantischen Umfang, doch dem Missionsdesign und den wenigen, dazu noch kargen Schauplätzen mangelt es auf Dauer an Abwechslung. Und wo ist der große Krieg? Was ist mit den Mudschaheddin? Wo sind die Zivilisten? Gerade in Afghanistan hat man zu oft das Gefühl, es als einsamer Schleich-Rambo alleine mit der russischen Armee aufzunehmen.Vor allem enttäuscht der fünfte Teil dort, wo Metal Gear sonst glänzte: Die Story ist zumindest im ersten Kapitel kaum der Rede wert und die wenigen Bosskämpfe sind meist weit von der Qualität entfernt, die man sonst mit der Reihe verbindet. Erst im zweiten Kapitel fährt Kojima Stück für Stück die starken Geschütze auf, fesselt endlich wieder mit einer spannenden Handlung, weckt Emotionen aus dem Tiefschlaf und zwingt mich auch spielerisch zu Aktionen, die sich teilweise nur schwer verdauen lassen. Mit dem Zwang zum Absolvieren von recycelten Missionen und / oder redundanten Nebenaufträgen werden allerdings zu viele überflüssige Steine in den Weg gelegt, bis man das zweite und wesentlich bessere Finale genießen darf, das leider immer noch Fragen offen lässt. So entsteht der Eindruck, als wäre eigentlich noch mehr geplant gewesen und das zweite Kapitel eher notdürftig für die Streckung der Spielzeit zusammengeschustert worden. Trotzdem war es für den Test richtig, nochmal in Ruhe von vorne anzufangen und das zweite Kapitel mit in die Wertung einzubeziehen, denn dafür ist es für das Gesamtbild und das abschließende Urteil einfach zu relevant (bei Konami war man übrigens der Auffassung, dass das Abschließen des ersten Kapitels für die Wertungsfindung ausreichen sollte). Insgesamt hinterlässt Snakes und Kojimas Abschied jetzt einen runderen Eindruck, der mich zufriedener stellt als zuvor. Am Ende wird die Enttäuschung trotzdem nicht so leicht ausradiert wie „A Game by Hideo Kojima“ auf dem Cover: The Phantom Pain ist zwar ein mechanisch großartiges und unglaublich motivierendes Schleichspiel, dessen größte Stärke in der Freiheit bei der Infiltration der großen Areale liegt. Doch das häufig ideenlose Missionsdesign setzt zusammen mit der Geschichte zu selten die starken Impulse, die man mit Metal Gear verbindet und erwartet.

Zweites Fazit von Jörg Luibl, 10. September 2015:

Ich spiele jeden Abend einen Einsatz. Der Kampfhubschrauber ist wie ein zweites Zuhause und seitdem D-Dog dabei ist, macht das Infiltrieren gleich doppelt so viel Spaß. Der Hund ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich meine streng nicht tödliche Taktik in einem Blutrausch über den Haufen warf, als er angeschossen wurde – scheiß auf den Alarm, Granaten raus und Feuer frei! Ich habe schon einige geniale Momente erlebt, in denen das Schleichen im offenen Gelände für enorme situative Spannung mit glaubwürdigen Eskalationen sorgen konnte. Und die Offenheit der Missionen ist so klasse, dass wir in den letzten Tagen immer wieder über andere Erlebnisse diskutieren konnten. Weil ich die Reihe wie Michael seit ihren innovativen Anfängen liebe, fallen die Defizite allerdings deutlich auf. Hideo Kojima hat sehr viel versprochen, wollte das Thema Gewalt und Krieg auf intensive Art anpacken, aber er kann mit seiner neuen Art der Regie nur bedingt einlösen. Ja, es gibt Höhepunkte, die unter die Haut gehen, aber auch so viel Leerlauf und vertane Chancen vor allem in der Charakterzeichnung. Denn wo man sonst einem filmischen roten Faden und faszinierenden Figuren folgen konnte, zerfransen nicht nur die Episoden die Story, sondern sie schwanken in ihrer erzählerischen Qualität so stark, dass es über zu weite Strecken regelrecht belanglos und emotionslos wird. Warum sind mir dutzende Geiseln meist egal, aber der Hund nicht? Die Motherbase ist mit ihren spezialisierten Bauten und Forschungen eine tolle Idee à la XCOM, aber sie wird im wahrsten Sinne des Wortes lang(weilig) sowie steril inszeniert - man kann nicht gezielt und vor allem sinnvoll mit wichtigen Personen interagieren und so wirken sie manchmal wie Fremdkörper. Kämpfe brechen aus? Nichts ist zu sehen, keiner zu sprechen. Was meine anfängliche Faszination noch empfindlicher dämpfte war das Fehlen der Fratze des Krieges: die Welt ist so groß, aber man sieht weder Flüchtende noch findet man Lager der Rebellen, es gibt weder Gefechte mit Russen noch Frauen oder Kinder – es gibt abseits  einer Mission keinerlei Zwischenfälle. Diese künstlichen Brüche im Spieldesign und die Widersprüche innerhalb der Dramaturgie kosten letztlich den Award. Metal Gear Solid 5 ist zwar nicht der letzte Geniestreich von Kojima unter Konamiflagge, aber ein richtig gutes Schleich-Abenteuer, das einen selbst nach dreißig, vierzig Stunden noch mit seiner Liebe zum Detail sowie neuen Spielelementen motiviert.

Pro

großartiger Einstieg
überwiegend gelungene Steuerung sowie (Schleich- und Verhör-)Mechanik...
meist aufmerksame KI...
inhaltlich und emotional starkes zweites Kapitel...
enorme spielerische Freiheiten
iDroid als mobile Zentrale
riesige Auswahl an Waffen, Zubehör & Gadgets
gewaltiger Umfang
motivierendes Basis-Management und Ausbau der Mother Base
optionale Begleiter mit individuellen und erweiterbaren Fähigkeiten
klasse inszenierte Zwischensequenzen
rudimentäres Wirtschaftssystem
detaillierter Charakter-Editor (wohl für MGO)
sinnvolle Sammelaufgaben
überwiegend gut besetzte Sprecher
dynamisches Wettersystem
zahlreiche visuelle Anpassungsmöglichkeiten und freispielbare Vorlagen (Logos, Basis)
manueller sowie dynamischer Tag-/Nachtwechsel
Gegner verändern ihre Ausrüstung und fordern Verstärkung an
externe Aufträge für die eigene Armee
viele (optionale) Hilfen wie Reflex-Modus oder Gegner-Markierungen
nette Gags und Easter Eggs
Hühner-Haube für Verzweifelte
lizenzierte Songs aus den Achtzigern als Sammelobjekte

Kontra

im Großteil enttäuschende Story und blasse Charaktere (vor allem Antagonist Skull Face)
...aber mitunter schlimme Fahrzeugsteuerung / Fahrzeugkamera
...mit vereinzelten Aussetzern
...das mit viel Recycling und aufgezwungenen Nebenaufgaben unnötig gestreckt wird
extrem lange Laufwege (innerhalb Missionen und Basis)
nur wenige Bosskämpfe mit kleiner Auswahl an ständig wiederkehrenden Gegnern
repetitives Missionsdesign
karge, abwechslungsarme und leblose Spielwelt (wo ist der Krieg?)
fummeliges automatisches Deckungssystem
nur zwei Einsatz-Schauplätze (Afghanistan, Afrika)
übertrieben viele Audio-Logs und Story-Auslagerungen auf Kassette
mitunter zu viele Stimmen gleichzeitig zu hören (Logs, iDroid, Dialoge, Funk)
dramaturgisch unglückliche und sinnbefreite Unterbrechungen von Szenen
künstlich eingeschränkte Missionsgebiete (...die man u.U. aus Versehen verlässt)
mitunter sehr unglücklich platzierte Checkpunkte
Stützpunkte werden unmittelbar nach Missionsende wieder aufgefüllt
mitunter peinliche Quiet-Inszenierung
durchschnittlicher Original-Soundtrack
technische Schwächen (vereinzeltes Dithering, Pop-ups, grobe Schatten, vereinzelte Slowdowns)
keine stabile Onlineverbindung / starke Netzwerkprobleme
FOB-Missionen mangelt es an Variationen
spielerisch ideenloses Finale und offene Fragen nach dem zweiten Ende

Wertung

XboxOne

Spielerisch sicher das beste Metal Gear, doch hinsichtlich Story, Missionsdesign und Regie enttäuscht Snakes Einsatz auf einem hohem Niveau.

PC

Spielerisch sicher das beste Metal Gear, doch hinsichtlich Story, Missionsdesign und Regie enttäuscht Snakes Einsatz auf einem hohem Niveau.

PlayStation4

Spielerisch sicher das beste Metal Gear, doch hinsichtlich Story, Missionsdesign und Regie enttäuscht Snakes Einsatz auf einem hohem Niveau.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.