Shadow Warrior24.10.2014, Mathias Oertel

Im Test: Dämonisch, blutig, Action pur

Seine Zunge ist so scharf wie sein Katana: Lo Wang. Der Hauptdarsteller von 3DRealms' hierzulande indizierten Shadow Warrior (ab 17,16€ bei kaufen) aus dem Jahr 1997 feierte vor etwa einem Jahr auf dem PC ein gelungenes Comeback unter gleichem Namen in neuer schicker Aufmachung. Und nun erscheint der Kampf gegen Dämonen auch auf PS4 und Xbox One. Ob sich der Import lohnt, verrät der Test.

So geht Daikatana

Früher brauchte man nicht viel, um als Shooter-Spieler glücklich zu sein: fette Waffen, coole Sprüche und Gegner, denen man Blei ins Gesicht pumpen kann. Und keine Schmiede bekam diese Mischung so gelungen hin wie 3D Realms zur Hochphase ihres Schaffens. Shadow Warrior und der Duke (genau: Nukem) sind Paradebeispiele dafür. Wobei Lo Wang, der Protagonist von Shadow Warrior, anno 1997 seine Feinde nicht nur mit Projektilwaffen, sondern auch mit einem verdammt scharfen Katana sowie Zoten und derben Einzeilern malträtierte. Das Ergebnis war eine Auseinandersetzung mit dem deutschen Jugendschutz sowie eine Indizierung. Drei Jahre später versuchte sich mit John Romero ein weiterer Kult-Entwickler an einer Mischung aus Schuss- und Nahkampf. Doch Daikatana war für den Ferraris liebenden id-Veteranen der Anfang vom Ende.

Viel Action, viele Gegner, viele Explosionen: So geht Old-School!
Das Team von Flying Wild Hog (Hard Reset) machte seine Sache vor ziemlich genau einem Jahr am PC deutlich besser und liefert nun auch auf den neuen Konsolen-Systemen einen guten Job ab. Angefangen vom charmanten, wenngleich technisch nicht herausragenden Intro, bis zum Finale (entspricht je nach Komplettierungswahn zehn bis 15 Stunden) gibt es kaum Langeweile. Es beginnt weitgehend harmlos: Lo Wang ist als Auftragskiller unterwegs, um für seinen Meister das Nobitsura Kage zu besorgen. Dieses seltene Katana befindet sich in der "Obhut" eines Konkurrenten und Wang soll ihn wahlweise mit Geldmitteln und wenn dies scheitern sollte mit brachialer Gewalt davon überzeugen, sich von der Antiquität zu trennen. Natürlich geht alles schief, was schief gehen kann und bevor er sich versieht, ist das Nobitsura Kage verschwunden, liegen dutzende Gegner in kleinen Stückchen vor ihm und Wang selbst im Sterben. Um sich zu retten, geht er ein Bündnis mit dem Dämon Hoji ein, der ihn von nun an als Partner im Sprücheklopfen (die allerdings manchmal nicht so zünden wie erwünscht) sowie als übersinnlicher Sidekick mit Verbindungen in andere Dimensionen begleitet. Denn ist man anfangs nur damit beschäftigt, Projektile und kalten japanischen Stahl durch menschliche Kontrahenten zu jagen, watet man schließlich nur noch durch Dämonenblut und -Teile.

Die B-Frage

Shadow Warrior geht sehr freizügig mit roten Pixeln um - und ist daher nur als Import erhältlich.
Shadow Warrior war 1997 nicht zimperlich, wirkt aber nach heutigen Maßstäben wie ein Abenteuer für Erstklässler. Dass der neue Schattenkrieger keine Freigabe von der USK bekommen hat (falls sich Flying Hog überhaupt die unnötige Mühe gemacht hat, den Titel einzureichen) und nur über Import-Wege verfügbar ist, verwundert nicht. Ein geschliffenes Katana, das wie durch warme Butter durch menschliches Fleisch und Knochen bzw. deren dämonische Gegenstücke gezogen werden kann und die Hälften wie in einer Schlachthalle rechts und links zu Boden flatschen lässt, wird nicht gern gesehen. Gleiches dürfte für die Blutfontänen gelten, in denen manche der übermenschlichen Feinde aufgehen, wenn man sie mit einem der zahlreichen Spezialangriffe beharkt. Dass sich im Kugelhagel zusätzlich die eine oder andere Extremität vom dazugehörigen Körper verabschiedet, als ob Peter Jackson hier die virtuelle Fortsetzung von Braindead dreht, ist für Zartbesaitete sicherlich ein Stein des Anstoßes.

Dabei darf jedoch nie vergessen werden, dass Shadow Warrior zwar explizite Gewalt darstellt, sie aber so überzogen, so übertrieben porträtiert, dass man sie zweifellos nicht mehr ernst nehmen kann. Es stehen mehrere, unüberbrückbare Stufen der Ernsthaftigkeit zwischen der Art und Weise, wie andere Titel mit visuell expliziten Szenen und virtuellem Zinnoberrot umgehen und dem, was hier auf dem Bildschirm passiert. Shadow Warrior ist in seinen schlechtesten Gore-Momenten grandioser Trash, über ein Großteil der Zeit jedoch ein überzeichneter virtueller Comic, für den Rot eine der Kernfarben ist. Zumal man ohnehin keine Macht über die Art und Weise der Schnitte hat: Man kann einen Gegnern nicht wie im indizierten Afro Samurai oder in Platinum Games' Metal Gear Rising Revengeance mit eigenen Schnittlinien auseinandernehmen. Es gibt keine Möglichkeit, wie in Severance - Blade of Darkness (ebenfalls indiziert) seine Klinge akkurat zu führen. Man drückt wie bei einer Projektilwaffe den Abzug und Wang schnetzelt vor sich hin.

Retro pur

Die Retro-Mechaniken werden durch Upgrades für Waffen und Lo Wang aufgewertet.
Hinsichtlich des Leveldesigns und der grundlegenden Mechanik ist Shadow Warrior so altschulig, wie es geht und wie man es ansonsten nur noch von Titeln wie Serious Sam oder Will Rock kennt. Es gibt Gesundheitspacks oder Rüstung in Form von schusssicheren Westen, die aufgesammelt werden müssen. Man kann haufenweise Kisten öffnen, in denen sich Geld oder Munition befindet. Häufig findet man sich beim Durchstreifen der meist großräumigen, aber linearen Abschnitte in Arena-Kämpfen wieder, bei denen sich die Ausgangs-Türen oder -Schalter erst aktivieren lassen, wenn man alle Gegner erledigt hat. Man ist nicht auf zwei Waffen beschränkt, sondern hat im Laufe der Zeit Zugriff auf neun Todesbringer, angefangen vom Katana über die Schrotflinte und den Raketenwerfer bis hin zu dämonischen "Smartbombs" oder Todesstrahlen. Dabei erfolgt die Auswahl angenehm über ein Radialmenü, bei dessen Einblendung das Kampfgeschehen pausiert wird.

Die Ballermechanik zeigt sich ebenfalls schnörkellos: Anlegen, schießen, flatsch, fertig. Deckung wird ohnehin überbewertet - wahre Männer (wie Lo Wang) brauchen keine schützenden Mauern. Und so kommt man schnell in einen sehr angenehmen Spielrhythmus, der allerdings ab der Hälfte kaum noch Überraschungen abseits der sporadischen Bosskämpfe bietet, dafür aber dank entsprechender Zusammenstellungen von Gegnergruppen den Schwierigkeitsgrad anzieht. Man begegnet kaum noch neuen Feindtypen, es gibt nur wenige Abweichungen vom Standardprinzip wie z.B. eine Geschützturm-Sequenz, in der man sich ohne Rücksicht auf Munition losfeuern kann – selbst auf Schalterrätsel wird verzichtet. Auch die platte, bis auf wenige Ausnahmen vorhersehbare Geschichte, vermag es nicht, zusätzliche Akzente zu setzen. Und doch konnte ich mich auch auf PS4 oder Xbox One nur ähnlich schwer von Mr. Wang losreißen wie vor einem Jahr am PC. Denn Flying Hog hat die Spaß-Essenz der alten Shootergarde erfasst. Man wird gefordert, man wird unterhalten - ohne tieferen Sinn, ohne Botschaft. Shadow Warrior ist das Software-Gegenstück zum Revival der Filmaction alter Schule, die interaktive Version von The Expendables oder Bullet to the Head von Walter Hill. Und es gibt haufenweise Kaninchen, die man jagen kann. Doch Vorsicht: Darunter befinden sich auch Puschelschwänze, die bei einem Angriff gefährlicher und unerbittlicher sind als das Killerkaninchen in Monty Pythons "Ritter der Kokusnuss" – herrlich!

Retro-Technik?

Welches Ziel verfolgt der Dämon Hoji?
Zwar findet man in einem Abschnitt hinter einer explodierenden Wand eine pixelierte Treppe, die nach unten führt und schließlich im mehr oder minder akkurat nachgebauten U-Bahn-Abschnitt des Originals mündet. Doch abseits dieser Hommage ist die hauseigene Kulisse der Road Hog Engine auf dem aktuellen Stand. Schneebedeckte Gebirge, düstere Katakomben, japanische Gärten, Bambuswälder, Kleinstädte, regnerische Containerhäfen, rostige Tanker, höllische Dämonen-Dimensionen: Die abwechslungsreichen Gebiete werden aufwändig modelliert, man fühlt sich in ihnen wohl, so dass man sich auch nicht zu schade ist, jedem versteckten Geheimnis auf die Spur kommen. Man bekommt schicke Lichteffekte zu sehen, aufwändige Texturen und schön anzuschauende brachiale Explosionen, jedoch auch mitunter eintönige Animationen bei den Dämonen.

Im Vergleich zur PC-Version, die sich in der Ursprungsvariante als sehr hardwarehungrig und nur wenig optimiert zeigte, hinterlassen die Konsolen einen sauberen Eindruck. Das Geschehen läuft jederzeit flüssig und schnell über den Schirm, zeigt in seltenen Momenten allerdings Tearing und ist generell nicht vor Treppchenbildung gefeit. Zusätzlich wird auf Konsolen häufiger nachgeladen, was allerdings nicht weiter ins Gewicht fällt. Sehr angenehm: In den Grafikoptionen findet man zahlreiche Einstellungen, die normalerweise nur PC-Ballereien auszeichnen, darunter z.B. die Einstellung des vertikalen Sichtfelds. Und auf der PS4 darf man das Touchpad für die Auswahl der Specials nutzen, die man auf der One nur per Doppelbewegung des Sticks plus Schultertaste aktivieren kann - eine nette Ergänzung, die in der Hektik der Gefechte auf dem Sony-System natürlicher von der Hand geht. Ansonsten geben sich die Steuerungsmechaniken keine Blöße. Akkurat sowie prompt reagierend, hat man keine Schwierigkeiten, sich schnell in der Welt von Lo Wang zurechtzufinden.

Schritt in die Moderne

Flying Wild Hog verneigt sich in Form von Spielautomaten und fiktiven Comic-Covern vor anderen Indie-Entwicklern.
Bei all der Oldschool-Action, die von Flying Hog gut in die Gegenwart gebracht wurde, gibt es auch ein paar Ansätze, die man modernen Shootern entnommen hat. So z.B. das dreigeteilte Aufstiegssystem. Sowohl Waffen als auch Kräfte oder Fähigkeiten von Lo Wang können aufgerüstet werden. Um Schusswaffen mit größeren Magazinen, stärkerer Munition oder Sekundärfunktionen wie z.B. dem gleichzeitigen Abfeuern aller Schrotgewehrkammern auszustatten, ist das Geld notwendig, das man allerorten findet. Natürlich kann man das Kapital auch dazu verwenden, kurzerhand Munition über den Auf-/Ausrüstungsbildschirm zu kaufen, falls man wider Erwarten auf dem Trockenen sitzt. Mit Karmapunkten, die man wiederum mit gelungenen Kombos und erledigten Gegnern im Allgemeinen akkumuliert, kann man Lo Wang in sechs grundlegenden Kategorien wie Glück, Bewegung oder Meistern des Katanas aufwerten, die wiederum einige passive bzw. aktive Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Vor allem die Katana-Verbesserungen sollte man sich schnellstmöglich besorgen, da man hier zusätzliche Angriffsoptionen freischaltet, die nicht nur durchschlagskräftig sind, sondern auch bei erfolgreicher Durchführung für einen leichten Zuwachs der Gesundheitspunkte sorgen.

Shadow Warrior bietet flotte Action ohne Nachdenken.
Mit den (meist nicht sonderlich gut) versteckten Chi-Kristallen schließlich kann man übernatürliche Eigenschaften und Aktionen erlangen, die sich in Tätowierungen auf Wangs Körper manifestieren. Dazu gehört z.B. die Fähigkeit, sich selbst bis zu einem gewissen Grad zu heilen. Aber auch das temporär ultimative Blocken aller Nahkampfangriffe oder Angriffsoptionen wie eine Welle, die alle Feinde vor einem vom Boden hebt und zu leichten Opfern werden lässt, fallen in die Chi-Kategorie. Vor allem in der Anfangsphase sorgt die üppige Auswahl der Aufrüstungen für ein leicht taktisches Element: Verbessert man den Revolver oder die Schnellfeuerpistole? Baut man auf Heilung oder Zerstörung? Optimiert man seine Verteidigung oder gönnt sich neue Angriffsoptionen? Dass vor allem unter der Selbstheilung die Spielbalance etwas leidet, was sich auch in den Bossen zeigt, die im schlimmsten Fall mit viel Geduld und kluger Nutzung dieser Fähigkeit mürbe gemacht werden können, ist zwar schade, doch der Spaß wird dadurch nicht gefährdet. Allerdings hätte ich mir zusätzlich zur Kampagne noch einen Mehrspielermodus gewünscht – eine Horde-Variante hätte sich angesichts des dämonischen Hintergrunds angeboten. Immerhin darf man auf Konsolen offline mit dem neuen Arena-Modus solo versuchen, sich Gegnerwellen vom Hals zu halten. Weitere neue Elemente auf Konsolen sind erweiterte Kampagnen-Inhalte wie ein neuer Boss sowie einige Waffen, die es in der PC-Version nicht gab, darunter den Vorschlaghammer aus Serious Sam 3 sowie ein paar neue Katanas.

Fazit

Ein Mann, haufenweise Waffen, Arena-Kämpfe ohne Munitionsprobleme, Gegnerscharen, diverse Upgrade-Optionen und immer einen flotten Spruch auf den Lippen: Shadow Warrior zelebriert Action alter Schule. Dass der Humor immer wieder Fehlzündungen erleidet, ist bedauerlich, schadet der schnittigen Dämonenjagd jedoch nur selten. Schade ist allerdings, dass es wenig Gegner-Variation innerhalb der linearen Abschnitte gibt. So bietet die blutige Action, deren überzogene Gewalt man nicht mehr ernst nehmen kann, gegen Ende kaum noch Überraschungen, wobei die durchsichtige Story ihr Übriges tut. Immerhin können Lo Wang und der Dämon Hoji als Buddy-Duo mit Film-Figuren wie Tango & Cash oder Martin Riggs & Roger Murtaugh mithalten. Die hauseigene Engine von Flying Hog zaubert farbenfrohe, aufwändige sowie effektschwangere Kulissen auf den Schirm,  wurde im Gegensatz zur PC-Version vor einem Jahr ordentlich optimiert und bekommt selbst bei hohem Gegneraufkommen nicht einmal den Anflug eines Schluckaufs. Allerdings wird relativ häufig kurz nachgeladen, was sich allerdings nicht auf den Spielfluss auswirkt. Da die Konsolen mit neuen Inhalten versorgt wurden, darunter ein abseits der Kampagne liegender Arena-Modus, hat sich die Wartezeit für Sofaspieler gelohnt.

Pro

Action alter Schule
Teufelshasen des Todes
Upgrade für Waffen, Fähigkeiten und Figur
Gesundheitspacks
Bosskämpfe
ordentliche Waffenauswahl
stimmungsvolle Kulisse
Arena-Modus abseits der Kampagne
gute (optionale) Nutzung des Touchpads (PS4)

Kontra

Witze zünden nicht immer
kein Mehrspieler-Modus
wenig Gegner-Variation
automatische Katana-Kombos
häufiges (allerdings nur kurzes) Nachladen

Wertung

XboxOne

Schnörkellose Action alter Schule, die den Sprung vom PC auf die Konsolen gut überstanden hat und mit zusätzlichen Inhalten aufgewertet wurde.

PlayStation4

Schnörkellose Action alter Schule, die den Sprung vom PC auf die Konsolen gut überstanden hat und mit zusätzlichen Inhalten aufgewertet wurde.

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