Im Test: Fast wie in der guten alten Zeit
Problemkind
Die Entwicklung von Mighty No. 9 war bis zum Release und darüber hinaus von Problemen gekennzeichnet - trotz einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, bei der etwa 3,85 Millionen Dollar von mehr als 67.000 Unterstützern zusammenkamen und somit fast alle Zusatzziele erreicht wurden. Die Veröffentlichung wurde z.B. immer wieder verschoben. Ursprünglich für April 2015 geplant, mussten sich die Fans der Plattform-Action, die das Mega-Man-Konzept in die Moderne bringen sollte, über ein Jahr länger gedulden. Einige Versionen scheinen nicht sauber zu laufen, bestimmte Kickstarter-Belohnungen wurden offensichtlich nicht korrekt ausgeliefert, andere Fassungen wie z.B. Mac oder Xbox 360 wurden erneut verschoben. Auch bei den zum Test zur Verfügung stehenden PlayStation-4- und Xbox-One läuft nicht alles rund. Immer wieder kann es vorkommen, dass die angestrebte Zahl von 60 Bildern pro Sekunde nicht erreicht wird - interessanterweise auf beiden Systemen in unterschiedlichen Abschnitten. Während das Spielgefühl durch diese unsauberen Bildraten zwar beeinflusst wird, kommt es nur selten zu Momenten, in denen die instabilen Frames sich direkt auf das Spiel, z.B. auf die Kollisionsabfrage nach Gleit- oder Sprungversuchen auswirken.
Wie viel Retro ist "zu" retro?
Hier liegt allerdings auch das größte Problem. Zwar hat Inafune in den jeweiligen Abschnitten einige Elemente eingebaut, die man bei der Bewegung beachten muss, wie Unterwassersequenzen, in denen man träger unterwegs ist oder Windböen, die einen beim Erklimmen eines Funkturmes massiv beeinflussen können. Und mit dem stets verfügbaren "Dash" einer schnellen Bewegung nach vorne, die man auch nutzen sollte, um die nach starkem Beschuss leuchtenden Gegner final aus dem Weg zu räumen und ggf. einen temporären Bonus z.B. auf Angriffskraft oder Geschwindigkeit aufzunehmen, kommt sogar ein neues Element hinzu. Immerhin wird der Dash auch genutzt, um das Leveldesign aufzuwerten und den Spieler mit einer zusätzlichen Herausforderung für Hand-Auge-Koordination herauszufordern. Bekannt wiederum ist die Freiheit, die dem Spieler bei der Levelauswahl gegeben wird. Bis auf (natürlich) Bonus-Abschnitte sind alle Umgebungen von Beginn an freigeschaltet, man hat die freie Wahl, welchen der acht anderen Mighties man sich als Nummer 9 als Nächstes vorknöpfen will.
Hommage oder moderne Variante?
Dennoch weiß Mighty No. 9 nicht ganz, wo es sich positionieren soll. Einerseits bietet es all das, was es seit der guten alten MegaMan-Zeit nur selten gegeben hat: Ein Konzept, das ebenso einfach wie fordernd ist. Starke Bosskämpfe mit mehreren Phasen, die kurz vor Ende des Gefechtes, wenn beide Teilnehmer nur noch ein paar Millimeter ihrer Lebensenergie übrig haben, zu fieser Schnappatmung führen können. Ein unbändiges
Inafune verbeugt sich zu häufig vor der Schöpfung aus der Vergangenheit und imitiert sie zu oft, anstatt seine eigenen Spuren zu hinterlassen. Beck wirkt immer wieder wie eine neu eingefärbte Fotokopie seines Stiefbruders und schafft es nur selten, aus diesem Korsett auszubrechen. Doch in diesen Momenten macht es richtig Spaß, sich den Herausforderungen des Leveldesigns und vor allem der Levelendgegner zu stellen, die exemplarisch für die hohe Kunst des japanischen Bosskampf-Designs stehen.
Fazit
Eigentlich bleibt trotz der zusätzlichen "Dash"-Option, dem schnellen Vorpreschen nach vorne, alles beim Alten: Keiji Inafunes neues Mega Man, ähhh: Mighty No. 9 bietet keine komplexe, aber dafür mitunter sauschwere Plattform-Action, die vor allem von den mehrstufigen Bossen lebt. Der weißblaue Roboter, der nicht nur über sein Aussehen die Brücke zu seinem bei Capcom lebenden Stiefbruder schlägt, hüpft, klettert und schießt wie zu guten alten NES-Zeiten. Und so sehr ich es zu schätzen weiß, dass hier der Retrogeist in einem modernen Gewand heraufbeschworen werden soll, fehlt mir hier das gewisse Etwas. Vielleicht liegt es daran, dass Inafune-San zu sehr in der Vergangenheit schwelgt, es mit Eigenzitaten übertreibt und es auch nicht mit der von Unreal angetriebenen Kulisse schafft, den nur horizontal schießenden Hüpfer zeitgemäß aussehen zu lassen. Die spröden Zwischensequenzen z.B. kommen wie der Rest des Spiels komplett ohne animierte Mimik aus. Doch auch der Rest schafft bestenfalls Durchschnittswerte und hat sowohl auf der PS4 als auch auf der One Probleme, eine durchweg stabile Bildrate zu halten. Anstatt das MegaMan-Konzept in neue Höhen zu hieven, ist Mighty No. 9 lediglich eine solide Hommage.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Solide Plattform-Action ganz alter Schule, die es aber nicht schafft, auf eigenen Füßen zu stehen und sich mehr als technisch unsaubere Hommage präsentiert.
PlayStation4
Solide Plattform-Action ganz alter Schule, die es aber nicht schafft, auf eigenen Füßen zu stehen und sich mehr als technisch unsaubere Hommage präsentiert.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.