Akiba's Trip: Undead & Undressed03.02.2015, Mathias Oertel

Im Test: Schöner, größer, besser?

Im Herbst des letzten Jahres konnten sich PS3- und Vita-Spieler in Akiba’s Trip als moderne Vampirjäger in Tokyos Akihabara-Bezirk die Zeit vertreiben. Neben einigem Licht gab es aber auch viel Schatten, so dass am Ende ein gerade noch befriedigendes Ergebnis herauskam. Kann das Action-Rollenspiel mit der potenten PS4-Hardware einige Mankos ausmerzen? Die Antwort gibt der Test.

Eindeutig verbessert

Akiba's Trip: Hinter dem Titel verbirgt sich zum einen die Aufforderung Tokyos Szene-Bezirk Akihabara (kurz Akiba) einen virtuellen Besuch abzustatten. Und wer schon einmal in der japanischen Metropole war, dürfte sich in der Spielwelt schnell zurechtfinden. Denn das Team von Acquire (Way of the Samurai) hat das Kultviertel akribisch modelliert und teilweise sogar die Original-Werbungen verwendet, die auf den Hochhäusern prangen. Und als besonderes Gimmick kann man von zahlreichen Shop-Assistenten sogar Flyer aktueller Geschäfte einsammeln - mit dem Hinweis der Entwickler, bei einem Live-Besuch in dem Viertel die jeweiligen Läden durch einen Besuch zu unterstützen! Und im Vergleich zu den Versionen auf den alten Systemen hat die Kulisse erfreulich zugelegt: Es gibt nicht nur mehr Figuren, die sich in den Straßen Akibas herumtreiben. Sie werden auch nahezu ohne Verzögerung und damit deutlich schneller als auf PS3 oder Vita in den Speicher geladen. Der Eindruck einer belebten Stadt ist auf der PlayStation 4 damit deutlich größer. Bei den Umgebungstexturen hat sich zwar nicht viel getan, doch in einer nativen 1080p-Auflösung und endlich ruckelfrei macht die Stadt deutlich mehr her. Die Gebiete sind allerdings weiterhin zu klein und werden immer wieder von Ladephasen unterbrochen. Hier hätte man gut daran getan, die Engine zusätzlich zu optimieren und die Areale entweder größer oder

Zu den Erweiterungen der PS4-Version gehört z.B. der "Visual Editor", mit dem man die Kulisse verändern kann.
idealerweise ganz offen zu gestalten. Denn so geht auch auf dem neuen System einiges der Atmosphäre wieder flöten, die theoretisch durch die faszinierende Welt der tokyoter Pop- und Shopping-Kultur entstehen könnte.

Dafür jedoch hat man mit dem so genannten "Visual Editor" ein mächtiges Tool zur Verfügung, mit dem man die Module, aus denen Akiba besteht, seinen eigenen optischen Vorlieben entsprechend anpassen darf. Alle Farbwerte dürfen manipuliert werden, wobei der Editor zwischen Figuren, Umgebung und Effekten unterscheidet, so dass man im Zweifelsfall alles beim Alten belässt und nur die Schatten grellgelb oder blümchenrosa einfärbt. Mit etwas Geduld und u.a. Modifkation der Umrahmungsdicke der Figuren kann man Akiba auch im Stil von Nintendos Legend of Zelda: The Wind Waker rekreieren - nett. Zusätzlich kann man auch bis zur Übelkeit mit der Intensität des Motion-Blurs experimentieren. Acquire hat ein paar Presets mitgeliefert, die z.B. noch stärker ins "mangaische" gleiten oder einen grün-monochromen Look liefern, der aus dem Abenteuer zumindest visuell ein neues Erlebnis macht.

Eindeutig zweideutig

Selbst ein grün-monochromes Spielerlebnis mit rosa Highlights ist möglich.
Wenn man den Apostroph entfernt und die Buchstaben leicht anders anordnet, wird die zweite, schlüpfrige Bedeutung des Titels zu  Tage gefördert: Akiba Strip. Denn in diesem Rollenspiel-Prügler ist man auf der Jagd nach modernen Vampiren, die in Akiba unterwegs sind. Diese so genannten "Synthister" saugen den Bewohnern nicht das Blut, sondern die Lebensenergie und den Enthusiasmus aus. Und man kann sie und alle etwaigen Normalsterbliche, denen man in den Kämpfen gegen kleinere oder größere Gruppen begegnet, nur besiegen, indem man sie derart schwächt, dass man ihnen die Kleidung vom Leib reißen kann. Klingt abgefahren? Skurril? Nach einem "typischen" Nippon-Spiel? Ja. Ja. Und ja! Dieser Eindruck wird zusätzlich noch dadurch unterstützt, dass man mit dem Touchpad des PS4-Controllers in einigen Situationen die Anatomie der weiblichen Mitstreiter "manipulieren" kann - na ja, wer's braucht.

Zumindest für Zuschauer interessanter ist die Option, die Ereignisse bei Spielern, die Akiba's Trip über Twitch streamen, über bestimmte Chat-Eingaben massiv zu beeinflussen. Während der Akteur den erst nur am oberen Bildschirmrand durchlaufenden Hinweis gern übersieht, sind dessen Auswirkungen schnell spürbar und können das Ergebnis auf dem Schirm stark beeinflussen. Wie glücklich der Spieler darüber ist, wenn er ohne Provokation von den Cops gejagt wird oder auf einmal von Zivilisten angegriffen wird, sei dahin gestellt. Für die Zuschauer ist dies eine bislang noch viel zu wenig ausgereizte Option, mit einem Let's-Player zu interagieren und in jedem Fall ein schadenfreudiges Ereignis. Wobei man natürlich auch hilfreich unter die Arme greifen und z.B. eine magische Variante der kleinen Schwester des Protagonisten beschwören kann.

Alles wie gehabt

Let's-Play in einer neuen Dimension: Streaming-Zuschauer können über Chat-Eingaben Einfluss auf die Spielwelt nehmen.
An den Kernmechaniken oder Inhalten hat sich jedoch nicht viel getan. Immerhin kann man auf alle auf PS3 bzw. Vita veröffentlichten DLCs zurückgreifen. Und damit gilt weiterhin, dass  der Ausflug nach Akiba trotz aller nach westlichen Maßstäben überkandidelter Werbung, Schulmädchen- oder sonstiger Fetische, die einem auf den Straßen oder in Ladebildschirmen begegnen, dennoch auch für diejenigen interessant sein könnte, die nicht jedem Fetzen japanischer Spielkunst nachjagen. Denn Acquire nimmt weder das Genre (im weitesten Sinne ist Akiba’s Trip ein Action-Rollenspiel) noch Pop-Kultur im Allgemeinen oder japanische Klischees allzu ernst. Zusammen mit der sehr guten englischen Übersetzung entwickelt die Story um die ungewöhnlichen Vampire, denen sich quasi wie in "The Lost Boys" eine Gruppe Kids bzw. in diesem Fall Jugendliche gegenüberstellt, einen gewinnenden Charme. Mit einer Videospiele-Bar als Zentrale lernt man die Charaktere kennen, die gleichermaßen überzogen-klischeehaft wie bodenständig inszeniert werden. Hier haben wir die ständig streitenden Zwillingsbrüder, dort den erwachsenen Besitzer der Bar, der meist als Stimme des Gewissens fungiert. Und dann haben wir noch eine breite Palette an weiblichen Figuren, die entweder wie die neurotische Schwester des Protagonisten Nanashi helfende Funktionen übernehmen oder die wie die finnische Austausch-Studentin Kati Räikkonen als "Love Interest" dienen können.

Je nachdem, wie man die Dialogbäume entlang wandert, wie man in bestimmten Situationen reagiert und natürlich, wen man als Partner auf die Wanderungen durch Akiba mitnimmt, verändern sich die Beziehungen, die auch auf unterschiedliche Enden hinsteuern. Und das alles mit einer Leichtigkeit in den Gesprächen, die komplett konträr zur mitunter schwerfälligen Steuerung in den Kämpfen steht. Dabei ist das Grundkonzept sehr interessant: Die Stärke der drei Lebensbalken wird durch die Kleidung festgelegt, die man trägt, jeweils für den Kopf, den Oberkörper und den Unterkörper. Die Angriffskraft und vor allem die Art der Kombos oder unblockbaren Attacken wird durch den Gegenstand geregelt, den man als Waffe mit sich führt - das Repertoire reicht von Posterrollen über Boxhandschuhe bis hin zu Gitarren, Monitoren oder Tastaturen. Auch hier nimmt sich der ungewöhnliche Vampirausflug erfrischend unernst. Und durch diese Varianten wird eine Tür zu enormer Personalisierung geöffnet. Erledigte Feinde lassen Klamotten und Waffen liegen und wer sich ggf. über das Erledigen der zahlreichen Nebenmissionen genug Yen verdient, kann im Zweifelsfall auch bei den zahlreichen Shops zuschlagen und seine Figur ausrüsten.

Alte Probleme

Im "Toybox"-Modus kann man nach Herzenslust durch Akiba wandern und sich an einem prall gefüllten Inventar erfreuen: Alles ist freigeschaltet.
Mit je einem Angriffsknopf für eine Trefferzone (Kopf, Torso, Beine), wobei im Zusammenspiel mit dem Stick auch unblockbare Attacken vom Stapel gelassen werden können, einer Sprungmöglichkeit sowie einem Block bzw. stehen einem überschaubare Möglichkeiten zur Verfügung, um die Gegner so weit zu schwächen, dass man ihnen die Klamotten vom Leib reißen kann. Dadurch werden die gegen Sonnenlicht empfindlichen Synthister, zu denen durch einen gierigen "Zufall" auch Nanashi gehört, getötet, während "normale" Gegner durch Schamgefühl überwältigt davonlaufen. Da der KI-Kumpan durchaus clever mitkämpft und sich auch weitgehend intelligent zu verteidigen versteht, hat man mitunter sogar die Möglichkeit zu einer „Strip“-Kette, mit der man gleich mehreren Gegnern die Klamotten entfernt. Und wer es hier zu einer großen Kombo schafft, kann sich als Finisher sogar über das Entfernen der Unterwäsche freuen - wobei das Bild dann nichts explizit zeigt, sondern weich in ein grelles Weiß ausblendet.

Akiba sieht auf der PS4 dank höherer Auflösung und stabiler Bildrate deutlich besser aus als auf den alten Systemen.
So weit, so gut. Nur eines hat Acquire trotz der Erfahrung mit der Way-of-the-Samurai-Serie vergessen: Eine optimale Kontrolle. Gerade im Zusammenspiel mit dem Block bzw. dem Ausweichen ist die Steuerung immer noch zu träge. Insgesamt reagiert das Spiel zwar besser auf die Pad-Eingaben als noch vor einigen Monaten auf PS3, doch eine vollends optimale Kontrolle ist immer noch nicht gewährleistet.  Kombos lassen sich weiterhin manchmal nicht abbrechen und möchte man innerhalb einer Schlagstaffette den Fokus auf einen anderen Gegner richten, spielt die Kamera bei den mitunter unübersichtlichen Kämpfen manchmal nicht mit. Steht man nur zwei Feinden gegenüber, ist das Problem vernachlässigbar. Doch wenn man gegen größere Gruppen antreten muss, nerven die Kontroll-Defizite auf Dauer - immer noch. Man gerät nicht mangels Geschick oder Können ins Hintertreffen, sondern weil man dem gegnerischen "Unblockbaren" nicht rechtzeitig aus dem Weg gehen kann, da die eigene Kombo noch zu Ende abgespult werden muss. Da hilft es auch nicht mehr, dass man in ruhigen Momenten oder wenn die Gegner gerade betäubt bzw. am Boden sind, seine Kleidung wieder herrichten und damit die ursprüngliche Lebensenergie wieder herstellen kann. Die Kämpfe sind weit davon entfernt, unspielbar zu sein. Doch in einem Chaos, das dem von Super Smash Bros. recht ähnlich sein kann, ist der Nintendo-Prügler den Tokyo-Ausflügen weit voraus. Schade, denn ansonsten gefällt mir Akiba's Trip weiterhin gut.

Absurde Spielzeugkiste

Am Kampfsystem wurde zwar gefeilt, doch von einer Optimierung kann man nicht sprechen.
Zumal ich mich hier im so genannten "Toybox"-Modus nach Herzenslust austoben kann. Alle Gegenstände, alle Waffen, alle Gebiete und sämtliche Kleidungsstücke sind freigeschaltet und laden zum Experimentieren ein – sehr schön. Im Gegenzug für die spielerische Freiheit gibt es allerdings weder Trophäen oder eine Übernahme von Elementen in das "New Game+" - dies ist nur beim normalen Durchlaufen der Kampagne möglich.

Killzone Shadow Fall hat es gezeigt, Mittelerde Mordors Schatten und GrandTheft Auto 5 ebenso: Eine clevere Einbindung des Pad-Lautsprechers kann die Immersion erhöhen. In Akiba’s Trip kann man die üppige Sprachausgabe, die sowohl in Englisch als in Japanisch zur Verfügung steht, wahlweise auch über den Controller ausgeben lassen. Unter dem Strich erhöht dies zwar nicht im gleichen Maße den Unterhaltungswert wie z.B. die Telefonate in GTA 5, doch es zeigt, dass sich die Entwickler Gedanken gemacht haben, wie man den Titel an die Eigenheiten des Sony-Systems anpassen kann. Leider haben sie sich wie in diesem Fall zu sehr an Gimmick-Schnickschnack festgeklammert, anstatt die Engine weiter zu optimieren und auf "Offene Welt" zu trimmen.

Fazit

Acquire hat mit der PS4-Version von Akiba's Trip viele Ungereimtheiten der Past-Gen-Versionen ausgemerzt. Die Ladezeiten wurden deutlich verringert, die comichafte Kulisse lässt sich bis zur Entfremdung an die eigenen Vorlieben anpassen. Und sie erstrahlt mit einer stabilen Bildrate in 1080p-Auflösung, während das störende Nachladen der Passanten auf ein kaum spürbares Minimum reduziert wurde. Allerdings bleibt das grundsätzliche Problem der viel zu kleinen und durch ständiges Nachladen unterbrochenen Abschnitte weiterhin bestehen - eine offene(re) Welt wäre für die ungewöhnliche Vampir-Action mit Rollenspieleinschlag sinnvoller gewesen. Auch die Kontrolle wurde nicht weit genug optimiert und zeigt sich nach wie vor hakelig, insbesondere beim Anvisieren von Gegnern. Doch die Faszination für den klischee-behafteten sowie herrlich übertriebenen Einblick in Tokyos Akihabara-Distrikt bleibt ebenfalls bestehen. Die Charakterzeichnung  ist sehr sympathisch und das Kampfziel, seinen Feinden die Klamotten vom Leib zu prügeln wird herrlich unbekümmert-naiv inszeniert. Ja: Es wurden zahlreiche Verbesserungen vorgenommen wurden und man darf sich als PS4-Vampirjäger auch über alle bislang veröffentlichten Download-Inhalte freuen. Dennoch bleibt es leider dabei, dass Akiba's Trip auch auf dem neuen System das Potenzial vor allem technisch nicht ausschöpft.

Pro

umfangreiche Personalisierung
grafisch im Vergleich zu PS3- und Vita-Versionen stark verbessert...
akkurate virtuelle Nachbildung von Tokyos Akihabara-Distrikt
gute englische Texte und Sprachausgabe
amüsante Charakter-Zeichnung und Pop-Kultur-Anspielungen
Kampfsystem abhängig von der Ausrüstung
viele Gimmicks, Easter Eggs und Geheimnisse
unterschiedliche Enden
wahlweise japanische Sprachausgabe wählbar
"Visual Editor" erlaubt haarkleine Anpassung der Kulisse
Streaming-Zuschauer können das Spiel per Chat-Kommandos beeinflussen
Toybox-Modus zum Experimentieren mit Kleidung und Waffen

Kontra

hakelige Steuerung
... aber immer noch viele kleine Abschnitte mit Ladepausen statt offener Welt
Kampfsystem trotz üppiger Waffenauswahl auf Dauer monoton
Kameraprobleme machen Anvisieren einzelner Gegner zur Glückssache

Wertung

PlayStation4

Dank zahlreicher Verbesserungen macht die herrlich überzogene Vampir-Action mit Rollenspieleinschlag mehr Laune als auf den alten Systemen, doch einige Kernprobleme wurden nicht effizient genug ausgemerzt.

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