Test: The Tomorrow Children (Action-Adventure)

von Benjamin Schmädig



Entwickler:
Publisher: Sony
Release:
26.10.2017
Spielinfo Bilder Videos

Geld statt Rätsel

Irgendwie cool, dieses vereinfachte Darstellung einer realen Gesellschaft: Alle ziehen an einem Strang, Arbeitsteilung, kreatives Schaffen, Ressourcenverwaltung und sogar ein bisschen Action – klingt gut. Doch es ist so furchtbar oberflächlich! Kreativ ist hier nämlich gar nichts. Man wählt an der Werkbank nur den gewünschten Gegenstand und schon rollt der vom Laufband, falls die erforderlichen Materialien auf dem Lagerplatz liegen. Zum Herstellen löst man lediglich ein kleines Schieberätsel oder überspringt die auf Dauer schrecklich langweiligen Puzzles durch den Einsatz einer zweiten Spielwährung, die man entweder mühsam sammelt oder im PlayStation-Store für Echtgeld kauft. Auf einem Schwarzmarkt erhält man zudem Werkzeuge, Gesten, Kostüme und mehr für diese Freiheitsdollar.

Und auch das ist ein Ärgernis: Die Anzahl aller Gegenstände ist sehr überschaubar – vor allem deshalb, weil sie kaum die spielerischen Möglichkeiten erweitert. Immerhin besorgt man immer und immer wieder gerade mal eine Hand voll Materialien, die noch dazu nicht veredelt werden, sondern ausschließlich als Rohstoffe für praktisch fertige
Mit einem Minispiel werden Objekte quasi hergestellt.
Durch das Lösen eines Minispiels werden Gegenstände und Gebäude hergestellt.
Erzeugnisse dienen.

Kleine Kreise drehen

Dass man sich auf ein Laufband stellen kann, um in einem leidlich spannenden Minispiel Strom für die gesamte Stadt zu produzieren, ist da schon der Gipfel der Abwechslung, das müde Ballern mit Gewehren oder in Geschütztürmen ist mehr dröge Pflicht als spannende Unterhaltung. Das Anklicken von Wänden zum Abbau der wenigen Ressourcen fühlt sich kaum besser an: Die Inseln sind ja winzig, zu entdecken gibt es praktisch nichts und nach ein paar Minuten sind ihre Rohstoffe ohnehin erschöpft, weshalb man schon bald auf das Auftauchen des nächsten Eilands wartet. Oder sich schon wieder an die Werkbank stellt. Oder mal wieder Bäume schüttelt.

Der Kreis aller möglichen Tätigkeiten ist einfach zu klein, die Aktionen selbst sind banal bis langweilig. Man errichtet zwar Gebäude, doch die einzelnen Aktionen bauen kaum aufeinander auf. The Tomorrow Children fehlt das Gefühl etwas zu erschaffen.

Grüne Geister statt Gemeinschaftsgefühl

Zu allem Überfluss sind sich alle Städte dermaßen ähnlich, dass man sich gefühlt mehr verläuft als zielstrebig einen Weg zu gehen. Sie sind außerdem so klein, dass selbst komplett ausgebaute Orte mit dem Höchstwert an aus Matroschkas befreiten Seelen nur ein um das Rohstofflager angelegter Marktplatz sind. Ist das Ziel erreicht, darf man den Ort nicht einmal mehr betreten, sondern muss sich eine neue Stadt aussuchen. Nach vielleicht fünf Minuten hat man also buchstäblich das meiste dessen gesehen, was es in diesem Spiel zu „entdecken“ gibt.

Schlimmer noch: Ihr größtes Potential, das gemeinsame Schaffen und Werkeln, kratzen die „Kinder von morgen“ kaum an. Jeder Spieler gibt bei der Wahl des Bürgermeisters zwar seine Stimme ab – der gewählte Kandidat verschafft allen Besuchern einen bestimmten Bonus –, dafür sind die anderen Spieler kaum zu sehen. Genauer gesagt tauchen sie nur immer dann auf, wenn sie eine Aktion ausführen. Oft will man deshalb beim Entladen ein Stück Holz aufheben, als das plötzlich eine Figur übernimmt, die aus einem grünen Nebel auftaucht und kurz darauf wieder verschwindet. Was sich für einen Moment wie gemeinschaftliches Schaffen anfühlt, verhindert in Wirklichkeit
Voll entwickelte Städte darf man von außen noch betrachten - aber nicht mehr betreten.
Voll entwickelte Städte darf man von außen noch betrachten - aber nicht mehr betreten.
ein echtes Zusammenspiel. Wozu gibt es etwa Gesten, wenn man diejenigen kaum sieht, denen man zuwinken will? Und wieso darf ich niemandem Bescheid geben, wenn meine Figur Hilfe braucht. Vielleicht liegt es ja daran, dass man ein Wiederbeleben hier ausgesprochen selten erlebt. Man fährt sogar gemeinsam mit dem Bus zur Arbeit! Doch vor und nach der Reise, im Grunde sogar schon auf dem Weg, verlieren sich stets alle Spuren.

Gelenktes Chaos

So wird das Onlinespiel in The Tomorrow Children von einer Art gelenktem Chaos bestimmt. Natürlich: Hat man Glück, arbeiten alle auf das “große“ Ziel hin. Hat man Pech, machen Störenfriede den Fortschritt aber mit wenigen Handgriffen zunichte. Man kann die Trampel zwar für ein paar Minuten ins Gefängnis stecken, also kurzfristig aus dem Spiel nehmen, doch diese Möglichkeit wird umgekehrt schon mal zweckentfremdet.

Und wie kann es eigentlich sein, dass man bei der schnellen Rückkehr in eine Stadt, an der man zuvor stundenlang mitgewirkt hat, keinen Zutritt mehr erhält, weil es dann zu viele Arbeiter gibt. Hätte mir das Spiel nicht einen Platz reservieren können? Auf einen Umzug hatte ich jedenfalls keine Lust.

Doch die Kinder von morgen können nach Abschluss dieses Berichts sowieso ohne mich weitermachen. Wieso auch? Ich hatte nicht das Gefühl, gemeinsam mit ihnen etwas zu erleben. So sehr ich mich auf dieses Spiel gefreut hatte, so wenig will ich jetzt in seine Leere zurückkehren.

Kommentare

Seitenwerk schrieb am
McCoother hat geschrieben:
Todesglubsch hat geschrieben:Ich vermute dieses repetive F2P-Teil sollte ursprünglich nur für den asiatischen Markt erschienen, die sowas ja gerne mal spielen - doch irgendwer legte den Hebel bei Sony für "internationalen Release" um und dann war's zu spät.
Ursprünglich sollte es ein normales Spiel werden, ohne F2P.. Das hätte auch sicher besser funktioniert..
Glaube ich nicht. Es wäre das selbe Game geworden nur mit deutlich wenigern Spielern und die paar Kostüme etc wären halt ohne Grind verdienbar. Das hätte dem Spiel dann aber auch die Grundlage entzoge und es wäre untergegangen. So wie es jetzt ist passt es ganz gut.
McCoother schrieb am
Todesglubsch hat geschrieben:Ich vermute dieses repetive F2P-Teil sollte ursprünglich nur für den asiatischen Markt erschienen, die sowas ja gerne mal spielen - doch irgendwer legte den Hebel bei Sony für "internationalen Release" um und dann war's zu spät.
Ursprünglich sollte es ein normales Spiel werden, ohne F2P.. Das hätte auch sicher besser funktioniert..
Lord Hesketh-Fortescue schrieb am
Glückwunsch jedenfalls zu dem im Nachhinein zwar irgendwie naheliegenden, aber gelungenen Untertitel eures Berichts. Sehr schön (und danke für den Schmunzler) ^^.
CritsJumper schrieb am
Mir hatte das Spiel sehr gut gefallen. Aber die negativen Punkte waren halt, das es nur eine kurzen Unterhaltungswert hat. Das hinein finden in die Mechaniken der Stadt, der Gegner und der Inseln ist da schon das größte der Gefühle.
Es wäre halt toll wenn es ein wenig von Minecraft hätte. Das die Gemeinschaften sich über die Jahre entwickeln (können), es schönere größere Bauten geben könnte wie Wolkenkratzer oder gar Schiffe und oder Industrielle Fabriken. Von mir aus auch so etwas wie Handel.
Hier hat man es leider nicht geschafft ein Anno 1603 in 3D und Echtzeit zu bauen. Schade eigentlich. Die einzige Abwechselung sind halt die Inseln und die unterschiedlichen Schätze (Höhlensysteme und Positionierung der Gegner sind Zufall). Aber selbst das taucht nur ganz selten auf.
schrieb am