Dragon Quest Heroes: Der Weltenbaum und der Tyrann aus der Tiefe15.10.2015, Mathias Oertel
Dragon Quest Heroes: Der Weltenbaum und der Tyrann aus der Tiefe

Im Test: Neue Helden braucht das Land

Man sagt Omega Force zurecht nach, dass sie mit Samurai bzw. Dynasty Warriors seit Jahren immer wieder das gleiche Spiel veröffentlichen. Doch sie können auch anders. Denn wenn sie mit einer Fremdlizenz arbeiten, bekommen die Massenprügler kreative Impulse wie z.B. bei Hyrule Warriors. Dragon Quest Heroes soll basierend auf der Rollenspiel-Serie von Square Enix Ähnliches vollbringen. Im Test schauen wir, ob das Vorhaben geglückt ist.

Massen-Einerlei

Eine spielmechanische Kehrtwende braucht man von Omega Force nicht erwarten. Die Japaner haben zwar mit Dynasty Warriors seinerzeit auf der ersten PlayStation einen Tekken-Konkurrenten entwickelt. Doch schon mit der Fortsetzung aus dem Jahr 2000 hat man den Grundstein für ein erstaunliches Monopol gelegt - Massenprügler sind fest in der Hand von Omega. Mit den Musou-Schlachten im feudalen China, dem schon bald Szenarien in Japan in Form der Samurai Warriors folgten, ist man bis heute unangefochten die Nummer 1 in diesem Bereich. Allerdings muss man sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass man das Konzept in den letzten beinahe 20 Jahren nur rudimentär entwickelt hat.

In Dragon Quest Heroes treffen alte Bekannte auf neue Helden.
Immerhin versucht man mit den für nächstes Jahr angekündigten Attack on Titan oder Arslan: The Warriors of Legend neue Lizenzen zu etablieren. Und wenn die jüngste Vergangenheit eines bewiesen hat, dann dass man mit einer Fremdlizenz im Rücken nicht nur kreative Kräfte freisetzt, sondern es außerordentlich gut versteht, Look&Feel von Spielen oder Mangas wie Legend of Zelda oder One Piece mit dem Massenprügler-Prinzip zu vereinen. Doch bevor nächstes Jahr die frischen Lizenzen in den Kampf ziehen, steht erst einmal die von Enix begründete Dragon-Quest-Serie auf dem Programm. Und damit ist ein Glücksgriff gelungen.

Pure Dragon-Quest-Atmosphäre

Nicht nur, weil man es nach Hyrule Warriors wieder einmal eindrucksvoll geschafft hat, visuell das Design der Vorlage einzufangen und für seine Zwecke umzubauen. Farbenfroh und klar als Dragon Quest identifizierbar, werden sich Serienanhänger schnell heimisch fühlen, während Neulinge unter Umständen Lust auf die klassischen rundenbasierten Rollenspiele fernöstlicher Prägung bekommen. Ein Dutzend Figuren steht im Laufe der gut erzählten, aber schnell zusammengefassten (da sehr plakativen)

Die Kämpfe gegen Dutzende Feinde sind konzentrierter als bei Dynasty Warriors oder Hyrule Warriors und finden in kleineren Arealen statt.
Geschichte zur Verfügung. Und viele davon kennen Fans aus anderen Teilen - Vincent (im engl. Original: Terry) z.B. aus Teil 6, Yangus und Jessica aus Teil 8, Alena sowie Kiryl aus Teil 4 oder Bianca und Nera aus der fünften Episode. Dabei ist vor allem bei den älteren Helden, die bislang mitunter nur als Sprite zu sehen waren, der Sprung in die dritte Dimension gut gelungen. Die Charaktere, die hier ihre Dragon-Quest-Premiere feiern, wurden nahtlos und überzeugend in denKontext eingebunden, so dass ein homogenes Bild entsteht. Hier zahlt sich aus, dass Square Enix ähnlich wie Nintendo bei Hyrule Warriors sehr eng in die Produktion eingebunden war.

Akustisch bleibt ebenfalls kein Zweifel, in welcher Serie man sich aufhält. Musikalisch sowie bei Soundeffekten wird Bekanntes abgerufen, um Assoziationen zu wecken und dieses dann bei Bedarf mit neuem Material ergänzt. Die Sprachausgabe, die in den Zwischensequenzen auf Englisch oder Japanisch abgerufen werden kann, ist technisch sehr gut. Inhaltlich hingegen wird mir einen Tick zu häufig die Klischeekiste bemüht. Die Charaktere sind nur selten vielschichtig - daher muss man mir nicht immer wieder die gleiche Eigenschaft oder Verhaltensweisen um die Ohren hauen. Bedauerlich ist auch, dass außerhalb von Cutscenes die Texte nicht vertont wurden. Die Dialoge, die man per Text verfolgen darf, werden jedes Mal, wenn sich eine andere Figur einschaltet, durch einen Laut markiert, doch daran habe ich mich sehr schnell satt gehört. Eine belanglose Spielerei: Die Sprachausgabe ertönt nicht nur über die Fernsehlautsprecher, sondern auch über das Pad - was die einsilbigen Laute der Gespräche nicht besser macht.

Nicht mehr alleine Prügeln

Am grundlegenden Prinzip der "Musou"-Prügler ändert Omega Force nicht viel: Man kämpft mit einem Helden gegen eine erdrückende Übermacht, wobei einem zwei Knöpfe für Schlagkombos, eine Ausweichrolle sowie ein Block zur Verfügung stehen.  Beim Block muss man allerdings aufpassen: Zum einen muss die Richtung beachtet werden, in die der Block gesetzt werden soll. Da man sich beim Block aber nicht bewegen kann, vertut man sich mal schnell und kann nicht so schnell reagieren und sich neu platzieren, wie es nötig wäre. Dafür finden sich neben dem Mega-Angriff, der wie üblich für die Musou-Spiele durch Schlagkombos aufgeladen wird, auch magische Angriffe. Jedem Kämpfer stehen drei bis vier Zauber zur Verfügung, das dafür erforderliche Mana ist allerdings knapp und lädt sich nur langsam automatisch auf. Diese klein scheinende Ergänzung der bekannten Mechanik schafft aber nicht nur eine weitere Kampf-Komponente. Sie sorgt dafür, dass Omega Force mit Dragon Quest Heroes den Schritt vom Massenprügler hin zum Action-Rollenspiel à la Baldur's Gate Dark Alliance macht.

Aufgesammelte Münzen können genutzt werden, um Monster zu beschwören.
Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass die Gebiete hier deutlich kleiner als in den Warriors-Spielen sind und den Fokus nicht auf eine riesige Schlacht, sondern viele kleine Scharmützel lenken. Zudem ist man hier mit einer Vierergruppe unterwegs, bei der man ähnlich der Orochi-Serie zwischen den einzelnen Figuren umschalten kann. Allerdings verschwinden die inaktiven Kämpfer nicht wie dort im Nirgendwo, bis man sie wieder ruft, sondern bleiben auf dem Schlachtfeld und werden von der KI weiter gelenkt - und das durchaus passabel. Wenn sie auf einzelne Standard-Gegner treffen, bleiben sie zwar mitunter untätig, bis man selber aktiv wird und zuschlägt. Doch im Kampf gegen Gruppen und Monster geben sie ihr Bestes und setzen auch magische Angriffe ein - einzig ihre Spezialangriffe feuern sie nicht selbstständig ab. Aber es ist unter dem Strich auch sehr gut, darüber manuelle Kontrolle zu haben. Schade ist allerdings, dass es keine Möglichkeit für einen zweiten Spieler gibt, in das Geschehen einzugreifen. Dragon Quest ist als Einzelspieler-Erlebnis ausgelegt. Es gibt aber noch eine weitere Mechanik, mit der das Kampfgeschehen angenehm aufgewertet wird: Manche Monster lassen eine Münze fallen, die man aufsammeln und einsetzen kann und die entweder das Monster beschwören, das auf der Medaille geprägt wurde oder einen Soforteffekt wie Heilung, Bereichsschaden etc. bewirken. Damit hört die Befehlsgewalt aber auch auf - von diesem Moment an kämpft die Beschwörung, bis sie keine Lebenspunkte mehr besitzt. Alternativ kann man das Monster auch schon vorher aus dem Dienst entlassen, wenn man z.B. bemerken sollte, dass der Ort, an dem man es platziert hat, sicher ist.

Strategie und Planung

Mit diesem Element wird den Auseinandersetzungen eine leichte strategische Komponente hinzugefügt. Da man häufig mit dem Beschützen von Personen oder Einrichtungen beschäftigt ist und die Feinde aus unterschiedlichen Richtungen anrücken, kann man die Münzen nutzen, um bestimmte Routen abzusichern, während man sich selber um die andere Seite und die jeweiligen Beschwörungstore kümmert, um den Nachschub abzuschneiden. Schade ist allerdings, dass Omega Force beim Missionsdesign deutlich weniger kreativ war als bei ergänzenden Mechaniken. Reinige dies Gebiet oder beschütze jenen bzw. jenes sind die häufigsten Varianten, die nur von spannenden Bosskämpfen unterbrochen werden. Zwar bekommt man immer wieder neue Gegner zu Gesicht, die mit ihren Angriffsmustern für Abwechslung sorgen. Doch unter dem Strich sorgt diese Missionsredundanz dafür, dass man Dragon Quest Heroes kaum  länger als eineinhalb bis zwei Stunden am Stück spielen kann. Auch die Schatzsuchen und zahlreichen Nebenmissionen, die man aufgabeln kann,

Beim Einsatz der Sonderfähigkeiten wird ein Effektgewitter gestartet.
lassen sich zumeist auf diese zwei Elemente herunterbrechen. Hier hoffe ich, dass man für die bereits angekündigte Fortsetzung nachlegen kann - zumindest ist dies der Bereich, der am ehesten Nachbesserung benötigt.

Denn am ebenfalls von den Rollenspiel-Ursprüngen inspirierten Umfeld ist maximal Feintuning nötig. Anfangs in einem Lager und später an Bord der fliegenden Festung „Wolkenbrecher“ gibt es einen Shop, in dem man für erbeutetes Gold neue Ausrüstung kaufen kann. Später darf man an einer Alchemiestation weitere nützliche Gegenstände herstellen - insofern man Zutaten und Rezepturen dafür besitzt. Mit zahlreichen Nebenmissionen hat man zusätzlich zu ggf. nötiger Zutatenbeschaffung Anreize, auf der übersichtlichen Karte auch bereits erledigten Gebieten einen erneuten Besuch abzustatten. Für Minimünzen, die man u.a. für das Finden von Truhen, aber auch als Belohnung für besondere Leistungen erhalten kann, kann man sich bei einem Sammler z.B. mit Rezepten eindecken. Erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis mal jemand auf die Idee kam, Trophäen nicht nur zum Selbstzweck zu nutzen, sondern sie mit den Spielinhalten zu verknüpfen - auch wenn es oberflächlich bleibt. Verwunderlich ist hingegen, dass es in den Camps sowohl am Boden als auch in luftiger Höhe merkwürdige Bildraten-Probleme gibt, während die kämpferischen Ausflüge auch mit haufenweise Gegnern und mitunter gleißendem Effekt-Gewitter stets sauber laufen.

Fazit

Wie bei den Massenprüglern von Omega Force üblich, sollte man sich hüten, allzu lang am Stück zu spielen. Dann nämlich werden die Defizite wie zu ähnliche Missionen, die kleinen Gebiete oder der Hang zum Grinden deutlich zu Tage gefördert. In kleiner Dosierung von ein bis maximal zwei Stunden täglich spielt Dragon Quest Heroes seine Stärken jedoch immer wieder aus. Angefangen vom zielsicher eingefangenen kunterbunten Artdesign bis hin zu aus der Stammserie bekannten Elementen wie Alchemie zur Erstellung von Gegenständen verströmt Heroes authentische Dragon-Quest-Atmosphäre. Dazu kommt ein bekannt eingängiges Kampfsystem, das hier jedoch um magische Attacken sowie eine Gruppe ergänzt wird, deren Mitglieder nicht wie bei Warriors Orochi verschwinden, wenn man sie nicht aktiv spielt, sondern einigermaßen potent angreifen. Dazu gesellt sich eine stimmig erzählte, wenngleich etwas platte Geschichte um eine Dimensionen übergreifende Bedrohung. Omega Force hat sich jahrelang bemüht, den Schritt in ein neues Genre zu wagen. Wo man bei Hyrule Warriors trotz interssanter Ansätze den Übergang ins Action-Adventure nur holprig geschafft hat, schafft man es hier dank der der Rollenspielursprünge des Quellmaterials mit spielerischer Leichtigkeit, positioniert sich damit in der Nähe von Dark Alliance, Diablo 3 & Co und bietet rundum gelungene Unterhaltung.

Pro

zwölf spielbare Charaktere
Vierer-Gruppen, woberi inaktive Figuren mitkämpfen
KI-Kämpfer schlagen sich passabel
weitreichendes Alchemie-System zur Herstellung von Gegenständen
Monster können mit Münzen beschworen werden (Sofortzauber bzw. stationäre Mitkämpfer)
eingängige Steuerung
übersichtliche Charakterentwicklung
ausgewogene Fähigkeiten der Figuren
knackige Bosskämpfe
farbenfrohes Artdesign der Dragon-Quest-Serie wird sehr gut eingefangen
Effektspektakel bei Spezialangriffen
Trophäen sorgen für Belohnungen im Spiel
haufenweise Nebenmissionen
japanische Sprachspur enthalten

Kontra

wenig Abwechslung innerhalb der Missionen
kleine Gebiete
Bildratenprobleme im Lager
mitunter Grind nötig
kein Mehrspielermodus
Dialoge nur in den filmischen Zwischensequenzen komplett vertont
Blocken nicht in Bewegung möglich
gelegentlich ungünstig positionierte Kamera

Wertung

PlayStation4

Omega Force macht aus Dragon Quest Heroes ein Action-Rollenspiel mit Massenprügler-Flair. Schade ist vor allem, dass das Missionsdesign so wenig Abwechslung bietet.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.