Street Fighter 516.02.2016, Mathias Oertel
Street Fighter 5

Im Test: Halbfertiger K.O.-König

Mit hehren Ansprüchen möchte sich Street Fighter 5 (ab 5,89€ bei kaufen) als definierender Prügler dieser Konsolengeneration etablieren. Capcom wendet sich von Ultra-, Super- oder sonstigen Versionen ab. Man hat das Beat-em-up als "Plattform" konzipiert, das sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln und kontinuierlich ergänzt werden soll. Doch was bekommt man zum Start? Der Test gibt die Antwort.

Makellose Kampfmechanik

Der klassische Prügler ist bis auf wenige Ausnahmen fest in fernöstlicher Hand. Zwar versucht Warners Netherrealm-Studio mit Injustice oder Mortal Kombat X der Nippon-Konkurrenz Paroli zu bieten. Doch unter dem Strich wenden sich die meisten Fans von Handkanten-Auseinandersetzungen den Projekten japanischer Studios zu. Bei Namco werden sie mit Tekken oder Soul Calibur fündig, wobei Letzteres durchaus einen frischen Ableger vertragen könnte. Bei Koei schwört man auf Dead or Alive. ArcSystems setzt u.a. auf die gelungene BlazBlue-Serie. Und Capcom ist vor allem seit Street Fighter 2 einer der wegweisenden Pioniere. Mit den unterschiedlichen Versionen, die abseits von fortlaufenden Zahlen durch Alpha, Super, Ultra, Hyper, EX, Plus oder Kombinationen dessen gekennzeichnet wurden, hat man zwar die Spieler immer wieder verwirrt. Doch eines blieb über die Jahre unverändert: Die stets überzeugende Kampfmechanik. Und das ist bei Street Fighter 5 nicht anders, auch wenn es sich das Geschehen etwas langsamer präsentiert als im Vorgänger.

Dank nahezu makelloser Mechanik machen die Gefechte vor allem gegen menschliche Gegner einen Heidenspaß.
Die Steuerung ist sehr akkurat. Die Kollisionsabfrage ist puntgenau. Dass man den Block (klassisch das Digipad oder den Fightstick vom Gegner weg halten) nicht auf eine Taste legen kann, ist zwar schade, aber Jammern auf hohem Niveai. Denn die bekannten Bewegungsmuster (z.B. unten-untenrechts-rechts plus Schlag, aka "Hadoken" etc.) sorgen sehr schnell für effektvolle Angriffe und spannende Kämpfe, die vor allem gegen menschliche Gegner für Nervenkitzel sorgen. Und mit der neuen V-Leiste, die zu besonderen Fähigkeiten bzw. Revearsals führt sowie den zu leicht abrufbaren Critical Arts (meist Doppel-Hadoken plus Schlag, gelegentlich invertiert oder mit Tritt), deren Energie sich mit jedem erfolgreichen Angriff aufbaut, gibt es zwei starke taktische bzw. mitunter Kampf entscheidende Elemente. Zusätzlich kehrt auch die Betäubungs-Anzeige wieder zurück, die vollständig gefüllt den Gegner in ein Stadium der Bewegungsunfähigkeit versetzt. Dadurch wird ein zusätzlicher Fokus auf den Angriff gelegt, was aber auch unvorsichtig machen kann, wenn man den "Stun" vor Augen vielleicht etwas zu viel riskiert.

Status Quo: Zu wenig

Die "Story", die durch vertonte Zeichnungen zusammengehalten wird, ist den Namen eigentlich nicht wert.
Was bei den 16 Kämpfern, darunter nicht nur Serienveteranen wie Ryu, Ken oder Bison, sondern auch Rückkehrern wie Nash, aber auch den neuen Charakteren F.A.N.G., Laura, Necalli sowie Rashid auffällt: Die Balance scheint gelungen und gibt den Spielern zahlreiche Optionen, die Kontrahenten zum Knockout zu prügeln. Brutale Kraftattacken von Zangief stehen flinken Bewegungen von Chun-Li gegenüber. Laura setzt wie ihr brasilianischer Kollege Blanka auf gelegentliche Stromangriffe, ist aber ansonsten deutlich leichtfüßiger unterwegs als ihr grobschlächtiger Landsmann, der in Street Fighter 5 allerdings (noch) keine Rolle spielt. Und Dhalsims Distanzangriffe sowie seine Feuerbälle machen ihn zu einem schwer zu bespielenden, aber auch ebenso schwer zu meisternden Charakter. Dennoch: 16 ist nicht gerade üppig. Zwar wurde schon die erste Welle an sechs weiteren Figuren angekündigt, die man entweder als Teil des Season Passes, einzeln für Echtgeld (bzw. das Street-Fighter-Äquivalent) oder für im Spiel erhaltene Währung ("Fight Money") erwerben kann, während Produzent Yoshinori Ono bereits von einer zweiten Welle sprach. Doch damit ist stellvertretend bereits ein Grundproblem von Street Fighter 5 gekennzeichnet: Umfangsarmut zum Start. Neben dem Training, das einem allerdings keine Aufgaben
Season Pass vs. "Fight Money"

Der Season Pass schlägt mit etwa 30 Euro zu Buche und gewährt bei Veröffentlichung u.a. sofortigen Zugriff auf die neuen Figuren.

Alternativ kann man die Figuren im Store auch mit "Fight Money" freischalten, das man sich in sämtlichen Spielmodi mit Ausnahme des Trainings verdienen kann. Zusätzlich kann man für Echtgeld auch "Zennys" kaufen und diese gegen Figuren eintauschen.

Sämtliche zukünftige Spielinhalte sollen entweder kostenlos oder über "Fight Money" freischaltbar sein. zum Nachahmen vorgibt, sondern nur optional die Eingaben und Schadenswirkungen dokumentiert, während man die möglichen Bewegungen und Kombos in der Liste nachschlägt oder über Probieren herauszufinden versucht, warten auf Solisten zwei magere Spielmodi: Story und Survival. Wobei "Story" als Definition für die zwei bis vier Kämpfe pro Figur, die von mich nicht ansprechenden Comic-Zeichnungen sowie sauber vertonten Texten zusammengehalten werden, übertrieben scheint. Ja: Die Hintergrund-Geschichtchen sollen nicht mehr als ein Lückenfüller sein, da im Juni eine cinematische Story-Erweiterung als kostenloser DLC verfügbar sein soll, der die Geschehnisse zwischen SF 3 und 4 beleuchtet. Doch unter dem Strich ist das zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon sehr wenig.

Auf einen klassischen Arcade-Modus wird ebenfalls verzichtet - stattdessen kann man sich am Überlebensmodus versuchen. Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad muss man sich mit zehn, 30, 50 oder 100 Gegnern auseinandersetzen, wobei Punkte in erster Linie basierend auf der übrigen Lebensenergie ausgeschüttet werden. Zwischen jedem Kampf hat man die Option, sich für die erspielten Punkte einen Booster anzuschaffen. Das kann ein Auffüllen der Lebensenergie sein, eine Angriffssteigerung, Verbesserung der Defensive, aber auch partielles oder komplettes Aufladen von V-Leiste oder Critical Arts. Natürlich fehlen die hier investierten Punkte in der Endabrechnung. Als Belohnung für erfolgreiches Bewältigen der jeweils benötigten Gegner kann man u.a. neue Kostümfarben freispielen. Dieser Modus ist nett und neben dem Training sehr gut dafür geeignet, sich die Eigenheiten der einzelnen Figuren anzuspielen. Doch das war es letztlich für Solisten - zumindest derzeit.

Der eSport-Fokus

Zum Start leider ein häufiger Störfaktor: Serverseitige Verbindungsabbrüche, die mitunter sogar im Kampf auftreten - und das nach einer warnenden Beta-Phase.
Dass man bei der Entwicklung von Street Fighter 5 das Hauptaugenmerk auf kompetitive Online-Duelle richtete, hat sich zumindest beim Netzcode ausgezahlt. Es gab zu keinem Zeitpunkt während der Testphase nennenswerte Lags während der Kämpfe. Und auch an der akkuraten pixelgenauen Kollisionsabfrage gab es nichts zu makeln. Allerdings hat man seit dem offiziellen Launch und damit Volllast aushaltenden Servern Schwierigkeiten, die Verbindung zu anderen Spielern herzustellen, sowohl im Fruendschaftsmatch als auch in Ranglisten-Kämpfen. Auch komplette Verbindungsverluste gibt es zu beklagen. Und das ist nach den nicht problemlos abgelaufenen Beta-Tests eine Enttäuschung. Zudem zeigt sich die Inhalts-Armut auch hier: Man kann freundschaftliche Duelle austragen oder in Ranglisten-Matches um Punkte kämpfen. Und sonst? Nix - zumindest vorerst! Man kann in der Kämpferlounge einen privaten Raum öffnen, allerdings momentan nur einen einzigen Spieler dorthin einladen. Dementsprechend kann man auch keine eigenen Mini-Ligen oder Turniere erstellen, die man mit Freunden bestreitet. Nicht einmal offline ist dies möglich, es sei denn man führt selber Protokoll. Man kann nur 1-gegen-1 kämpfen.  In dieser Hinsicht war selbst das vor kurzem veröffentlichte Naruto Shippuden: Ultimate Ninja Storm 4 weiter und auch das demnächst auf PC erscheinende BlazBlue: Chronophantasma Extend hat in diesem Bereich mehr zu bieten.  

Kommt es zu einer stabilen Verbindung, laufen die Duelle angenehm lagfrei.
Das Lobbysystem samt Filtermöglichkeiten ist höchst überschaubar ausgefallen. Immerhin: Über das CFN (Capcom Fighters Network) kann man sich Ranglisten, Wiederholungen usw. anschauen. Ein Problem, das in der Prä-Veröffentlichungsphase immer wieder für Unmut sorgte, waren die ständigen Server-Neustarts, die eine Löschung der bisher erreichten Ranglistenplätze, aber auch der individuellen Online-ID zur Folge hatte. Das dürfte nach Capcom-Aussage aber zum Start am 16. Februar der Vergangenheit angehören. Sollte es auch, denn sonst kann der Unmut schnell in Wut umschlagen.

Die Zukunft: Rosig mit Aussicht auf Prügelspaß

Immerhin: In absehbarer Zeit ist auch abseits der Kämpferanzahl mit Zuwachs zu rechnen, der die stets in Entwicklung befindliche "Plattform" Street Fighter 5 aufwerten dürfte. Kurz nach Veröffentlichung soll der Zuschauer-Modus hinzugefügt werden. Die derzeit noch ausgegrauten Herausforderungen, mit denen man zusätzliche Währung erspielen kann, sollen im März freigeschaltet werden. Ab dann sollen sowohl tägliche Herausforderungen als auch besondere "Tips"- sowie "Trial"-Challenges zur Verfügung stehen, die vermutlich den fehlenden "Nachahm"-Optionen im Training ähneln. Auch der Ingame-Store wird erst ab nächsten Monat seine Türen öffnen.

Die Kulisse samt aufwendiger Effekte ist sehenswert - auch wenn sie nicht den Wow-Faktor des Vorgängers replizieren kann und im Hintergrund gerne mehr los sein dürfte..
Schon jetzt hinterlässt das Beat-em-Up visuell einen guten bis sehr guten Eindruck. Zwar hinsichtlich der Farbgebung sowie bestimmter Details, Schattierungen oder bei aufwändigen Effekten realistischer als der Richtung Comic gehende Vorgänger, kann auch Street Fighter 5 bestimmte Elemente nicht hinter sich lassen. Überproportional entwickelte Muskeln wie bei Ryu, der selbst Marcus Fenix wie einen Spargeltarzan aussehen lässt oder die extrem entwickelten Oberschenkel von Chun-Li , die einem Mammutbaum Konkurrenz machen, lassen den Comic-Ursprung weiterhin spüren. Bei anderen hervorstechenden Bestandteilen der weiblichen Anatomie hingegen sagt man zumindest hinsichtlich der Kamerafahrten einem Dead or Alive den Kampf an. Doch DoA-Einflüsse hin, Serienhistorie mit traditionell großen Füßen und Comic-Einflüssen her: So wuchtig und tief wie der Vorgänger kann Street Fighter 5 seine optischen Spuren nicht hinterlassen. Alles ist sauber, die Animationen geben kaum Grund zur Klage und nur ganz selten clippt irgendwo etwas durch die Kleidung; doch der Wow-Effekt wie im Vorgänger mag sich bei mir nicht einstellen. Vielleicht auch, weil die Hintergründe zwar abwechslungsreich und gelegentlich interaktiv sind, aber unter dem Strich mit mehr Reizen hätten glänzen können.

Fazit

Wenn ich nur die reine Kampfmechanik und den Netzcode bewerten müsste, würde ich wie in der Vorschau einen Award zücken. Die Kämpfe sind spannend und adrenalinhaltig. Im Zweifelsfall wird ein Move-Kenner in 95 Prozent der Fälle einen Button-Masher in die Schranken weisen. Und die 16 Kämpfer scheinen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Eigenheiten ausgewogen. Sprich: Hier gibt sich Street Fighter 5 keine Blöße und ist als Evolution des Vorgängers annähernd makellos. Doch abseits dessen zeigt sich ein Manko, das sich wie ein roter Stolperfaden durch die Startphase dieses Prüglers zieht: Es gibt zu wenig Inhalte. Solisten werden mit Geschichtchen, die eigentlich nicht mal diesen Namen verdienen, sowie einem auf Dauer mageren Survival-Modus bei Laune gehalten. Der Trainingsmodus geht prinzipiell in Ordnung, bietet aber zumindest zum Testzeitpunkt nicht einmal die Option, sich bestimmte Moves interaktiv zeigen und abfragen zu lassen. Und für die lagfrei laufenden Online-Duelle bekommt man im schwachen Lobby-System gerade mal zwei Optionen: 1-gegen-1 in Rangliste oder im freundschaftlichen Duell. Allerdings gab es auch pünktlich zum offiziellen Start Probleme mit den Servern, die sich in Abbrüchen und auffällig langen Versuchen äußern, einen Gegner zu finden. Man kann weder eigene Turniere erstellen oder kleine Ligen ausspielen – nicht einmal offline. Und das ist mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach zu wenig, so dass ich mich lieber wieder Mortal Kombat X oder dem letzten BlazBlue zuwende, das demnächst auch auf PC erscheint. Man kann ahnen, dass Street Fighter 5 über seinen gesamten Veröffentlichungszyklus hinweg ein großartiger Prügler sein wird, der vielleicht sogar in bestimmten Aspekten Maßstäbe setzen könnte. Doch momentan fühlt es sich wie eine überteuerte Early-Access-Version an, die vermuten lässt, dass Street Fighter 5 auf jeden Fall noch in die aktuelle Jahresbilanz Capcoms einfließen musste. Und das hat dieses ambitionierte Projekt, das eigentlich erst im Juni seine finale Wertung bekommen dürfte, nicht verdient.

(Anm. d. Red.: Zum Test stand nur die PS4-Version zur Verfügung. Wertung zum Release: 77%)

Pro

16 größtenteils ausgewogene Kämpfer (darunter vier neue)
makellose Kampfmechanik
saubere Kollisionsabfrage
im Vergleich zu SF4 reduziertes Kampftempo
Fightstick-Unterstützung (auch PS3-Hardware)
lagfreie Online-Kämpfe
ansehnliche Kulisse
plattformübergreifende Duelle zwischen PS4- und PC-Spielern möglich

Kontra

kaum Inhalte für Solisten
keine Turniere, keine Ligen (weder on
noch offline)
viele Inhalte kommen erst noch
magere Story-Schnippsel
mitunter langwieriges Warten auf Gegner, Abbrüche der Serververbindung

Wertung

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