Monster Boy und das Verfluchte Königreich19.12.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Wundersame Verwandlungskünste

Welches Wonder Boy war das jetzt noch gleich? Diese Frage stellte mir fast jeder, der mir beim Spielen von Monster Boy und das Verfluchte Königreich über die Schulter schaute. Das komplett neue Spiel von Game Atelier hat im Gegensatz zu den letzten zwei Remakes keine Lizenz, entstand aber in Zusammenarbeit mit Original-Entwicklern wie Serienvater Ryuichi Nishizawa, die dem Spiel tatsächlich viel klassisches Entdecker-Flair einhauchen.

Ein tierischer Haufen

Das Art-Design hinterlässt zwar einen deutlich braveren Eindruck als Konkurrenten wie Shantae, Gris oder das hübsch gezeichnete Wonder Boy: The Dragon's Trap. Doch auch Monster Boy und das Verfluchte Königreich entfaltet durchaus einen gewissen Charme. Nachdem der in ein Schwein verwandelte Held zum ersten Mal seinen Wanst schwang oder grunzend mit den Hufen zustieß, ist er mir schnell ans Herz gewachsen. Sicher, die idyllischen Bilderbuch-Kulissen vor grünen Auen oder tropfenden Tunnelsystemen wirken ein wenig austauschbar, fangen aber die Wonder-Boy-Atmosphäre ein. Die Geschichte bleibt hier nur Nebensache: Nachdem sein wild gewordener Onkel die Einwohner in allerlei Tiere verwandelt hat, muss Jin die Suppe auslöffeln und begibt sich auf einen Erkundungstrip zur Rettung von Monster World.

Zeit für eine Shopping-Tour...
Die Erzählung beschränkt sich auf sporadisch eingestreute Slapstick-Sequenzen, in denen der schelmisch grinsende Onkel z.B. auf einem Fass voller königlichem Nektar durch die Luft düst oder einen übergroßen Oktopus-Boss beschwört. Im Dorf Lupia trifft Jin auf Verbündete wie die die mystische Katze Mystikatz, die ihm den Weg zur nächsten der fünf im Königreich verstreuten Kugeln weist. Passend zu vergnüglich-bekloppten Oldschool-Prämisse düdelt im Hintergrund ein beschwingter Soundtrack von japanischen Stars wie Yuzo Koshiro. Manchmal erinnern die verruchten Saxophon-Melodien zwar eher ans RTL-Nachtprogramm der frühen Neunziger als an einen Plattformer - meist treffen die Komponisten aber den richtigen Ton.

Mitreißende Mischung

Das Highlight der sich öffnenden Welt sind natürlich die zahlreichen Gadgets und Verwandlungen. Kurz nachdem ich die Fähigkeit erlernt hatte, mich auf Knopfdruck in eine Schlange zu transformieren, schlängelte ich auch schon wild durchs Dorf, um etwa in der Mühle an der Wand empor zu kraxeln und hohe Geheimräume zu erforschen. Auch in der Kanalisation kommt die Agilität gelegen: Immer wieder muss ich geschickt zwischen Schwein und Schlange wechseln, um die Spitze der Grotte zu erreichen. Erst eine kleine reptile Rutschpartie – und im Sprung schalte ich rechtzeitig um, damit der Rüssler ein Hindernis hinter einem Gitter abfackelt.

Blahrg!
In solchen Momenten beweisen die Entwickler auf beeindruckende Weise, dass sie ein ähnlich gutes Händchen für eingewobenen Rätsel haben wie die Moon Studios (Ori). Immer wieder kraxelt man an der Decke entlang, zwängt sich als Schlange durch schmale Durchgänge, hievt Kisten mit Hilfe von Lastenaufzügen zu den passenden Orten, taucht mit dem passenden Gewicht durch tiefe Tümpel, zieht sich in Froschform an Kletterhaken in die Höhe oder setzt eines der vielen nützlichen Gadgets und Tränke ein, mit denen man sich beim letzten Shop (mit verdienter Spielwährung) eingedeckt hat. Besonders gut gefällt mir ihr Einsatz in den Bosskämpfen: Erst schwäche ich eine Riesenkröte mit Bumerangs und kleinen Windhosen (Magic Pockets lässt grüßen!) und sobald sie in die Höhe springt, verpasse ihr ein paar vertikale Blitz-Attacken. Nachdem sie mich verschlungen hat, malträtiere ich schließlich ihre Eingeweide – inklusive eines kleinen Sprints durch den Magen! Auch hier hat Game Atelier eine idealen Weg gefunden, Bosskampf-Puzzles mit fünf tierischen Verwandlungen, gewöhnlichen Attacken und Waffen wie Feuerschwertern zu verbinden.

Offen, aber direkt

Schön auch, dass ich mich in der Welt trotz üppiger Ausmaße nur selten verlaufen habe. Erkundungs-Potenzial ist durchaus vorhanden, doch die Hauptmissionen nehmen den Spieler immer ein wenig an die Hand und weisen ihm den wichtigsten Weg. Nicht ganz so geschliffen wirken kleine Schwankungen beim Schwierigkeitsgrad und einige nervige Sprungpassagen. Wenn man kopfüber inmitten schwebender Plattformen entlang kraxelt, ist es manchmal gar nicht so leicht, Entfernungen abzuschätzen. Erschwert wird das oft davon, dass mittendrin noch Fledermäuse und anderes Viehzeug zur Attacke ansetzt, wobei sich die Abwehr oder Ausweichbewegungen etwas fummelig gestalten.

Ein Feuerball schadet nie!
Allgemein bewegen sich die Figuren hier etwas „hölzerner“ als in moderneren Serien wie Ori oder Rayman mit ihrem exzellent einschätzbaren Beschleunigungsverhalten. Im Gegensatz zu vielen kleine Indie-Titeln muss man Monster Boy aber zugute halten, dass die Handhabung immerhin komplett analog umgesetzt wurde. Wer will, kann also mit leichtem Druck des Analogsticks zu vorsichtigen Schleichtouren ansetzen, statt stets ungestüm loszuspurten. Gravierende technische Unterschiede zwischen den Umsetzungen sind uns übrigens nicht aufgefallen. Alle drei Plattformen kommen gut mit der horizontalen Action zurecht, die hier und da von Effekten aufgepeppt wird – zum Beispiel mit fein animierten Wasser am Strand. Auf der Switch läuft das Spiel übrigens in 1080p mit 60 Bildern pro Sekunde (TV-Modus) bzw. 720p mit 60 Bildern pro Sekunde (Handheld-Modus).

Fazit

Monster Boy und das Verfluchte Königreich ist für mich die schönste Überraschung vorm Weihnachtsfest: Game Atelier beweist mit seiner geistigen Fortsetzung viel Fingerspitzengefühl für den spaßigen Mix aus offener Hüpf-Action, Verwandlungen, Puzzles und Gadgets. Das Spielgefühl der Vorgänger wird passend eingefangen und in die heutige Zeit gebracht. Hier und da wirken die Steuerung und manche Hüpfpassagen zwar ein wenig hölzern und mühsam – und auch das Artdesign hinkt etwas hinter exzentrischeren Konkurrenten wie Shantae, Gris oder Guacamelee! 2 hinterher. Doch solche verhältnismäßig kleine Macken verblassen angesichts clever orchestrierter Bosskämpfe und der gutgelaunten Entdecker-Atmosphäre! Alles in allem ein gelungenes Action-Adventure mit rund 15 Stunden Umfang, bei dem mich vor allem die toll eingeflochtenen Umgebungs-Rätsel verblüfft haben: Ähnlich wie in Ori and the Blind Forest kam mir nach kurzem Grübeln fast immer der rettende Einfall!

Pro

ausgewogener Mix aus Rätseln, Hüpfen und Kämpfen
zahlreiche praktische Gadgets und Fähigkeiten
putzig-alberne Figuren und Animationen
vielseitige Bosskämpfe
weitläufige Welt, in der man sich aber nicht verliert
Gute-Laune-Soundtrack

Kontra

manche Sprung
und Kletterpassagen mühsam und ungenau
Schwierigkeitsgrad schwankt mitunter
Schrift auf Switch im Mobilbetrieb etwas zu klein

Wertung

Switch

Die gutgelaunte Entdeckerstimmung des Vorbilds Wonder Boy wurde schön eingefangen und mit cleveren Rätseln garniert.

XboxOne

Die gutgelaunte Entdeckerstimmung des Vorbilds Wonder Boy wurde schön eingefangen und mit cleveren Rätseln garniert.

PlayStation4

Die gutgelaunte Entdeckerstimmung des Vorbilds Wonder Boy wurde schön eingefangen und mit cleveren Rätseln garniert.

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