Tales from the Borderlands - Episode 2: Atlas Mugged18.03.2015, Michael Krosta

Im Test: Getrennte Wege

Das hat gedauert: Seit Ende November warten Fans von Tales from the Borderlands nach dem Cliffhanger auf die Fortsetzung der unterhaltsamen Geschichte im Episodenformat, in der das  Hyperion-Duo Rhyse und Vaughn eine Zweckgemeinschaft mit den Gauner-Schwestern Fiona und Sasha eingeht, bei der jeder jeden jederzeit übers Ohr hauen kann. Dabei macht Telltale genauso erfrischend weiter, wie man zuletzt aufgehört hat...

Der Blick zurück

„Yes, yes...it's been a while, I know“. Da hast du wohl Recht, lieber Erzähler, der mich mit diesen Worten zur zweiten Episode begrüßt, die man auch als kleine Entschuldigung für die lange Wartezeit interpretieren kann. Und so ist es mehr als willkommen, dass er zunächst die wichtigsten Ereignisse des Einstiegs nochmal Revue passieren lässt, bevor die Geschichte endlich weitergeht. Wir erinnern uns: Nachdem sich Rhys und Vaughn nach dem vermasselten Deal rund um einen Vault-Key eher unfreiwillig mit den beiden Gauner-Damen und ihrem Mentor Felix zusammengerauft hatten, kam es für die Schatzsucher knüppeldick: Verrat, ein tobsüchtiger Boss im Nacken, Geld futsch – das hatten sich die Schlitzohren sicher anders vorgestellt. Immerhin keimte nach dem zufälligen Fund einer verlassen Atlas Station mit ersten Hinweisen auf das so genannte Gortys-Projekt am Ende der ersten Episode Hoffnung auf, vielleicht doch noch ganz groß abzusahnen.       

Spritzige Dialoge, witzige Situationen, (un)sympathische Figuren

Handsome Jack ist wieder da! Zumindest irgendwie...
Und jetzt? Um euch den Spaß nicht zu verderben, spare ich mir Details. Aber lasst euch versichern, dass es auf Pandora genauso unterhaltsam weitergeht wie bisher. Angefangen bei einer wilden Verfolgungsjagd (...bei der das Quartett wieder getrennt wird) über blutige Zwischenfälle bis hin zur überraschenden Oben-Ohne-Szene und dem Antreffen alter sowie neuer Gesichter, darunter Loader Bot oder die mysteriöse Athena, liefert Telltale in den knapp zwei Stunden Spielzeit erneut einen extrem unterhaltsamen Abstecher in die Welt von Borderlands ab. Vor allem die spritzigen Dialoge zaubern mir zusammen mit der Situationskomik (Stichtwort: „Bro“ oder die Terminator-Anspielung „Come with me if you want to leave“) immer wieder ein Lächeln ins Gesicht – genau wie die überzogene, aber herrlich kompromisslose Darstellung, wenn Fiona z.B. gleich am Anfang mit einem „Göffel“ (im Original: „Spork“) den Augapfel aus einem Gesicht herauspuhlen muss, um einen Retina-Scanner zu überlisten.

Klar: Die Rätseleinlagen in den kleinen Arealen stellen weiterhin ebenso keine große Herausforderung dar wie die vereinzelten Reaktionstests oder das Knopfgehämmer. Trotzdem sind z.B. das Suchen nach Hinweisen mit Schwarzlicht oder das Hacken von Objekten mit den erweiterten Möglichkeiten von Rhys' ECHO-Eye eine nette Ergänzung. Überhaupt überzeugt Telltale wie schon in der ersten Episode weiter mit der richtigen Mischung aus Erkundung und Action sowie der herausragenden Regie mit starker Inszenierung und den drei Erzählebenen. Allerdings habe ich einen kleinen Folgefehler entdeckt: Obwohl ich bei meinem zweiten Durchlauf den zuvor verloren Schuh wiederbekommen hatte, fehlte er mir in den finalen Szenen plötzlich wieder.

Wer hohen spielerischen Anspruch sucht, ist hier allerdings falsch, denn in erster Linie stehen die klasse geschriebenen Dialoge im Multiple-Choice-Verfahren und die Geschichte im Vordergrund. Trotzdem bekommt man

Manchmal wird es eklig...
keinen Freifahrtschein: Trifft man in manchen Situationen die falschen Entscheidungen, können die Protagonisten durchaus sterben und man muss einen neuen Versuch wagen.

„Das merke ich mir“

Tja, die guten Entscheidungen. Sie beeinflussen in Dialogen nicht nur das Verhältnis der Charaktere untereinander, sondern sogar die Einführung mancher Figuren. So erfährt man erst nach einer bestimmten Wahl etwas über die lesbische Beziehung der Kopfgeldjägerin Athena, die ihrer Freundin zwar den Ruhestand versprochen hat, sich aber nicht wirklich daran hält. Stellt man sie dann noch vor ihrer Freundin bloß, wird aus einem „Athena will remember that“ auch gerne mal ein „Athena will REALLY remember that“. Ziemlich viel Englisch hier, oder? Ja. Denn auch in der zweiten Episode hat man es bei Telltale noch nicht geschafft, zumindest deutsche Untertitel als Alternative zu den hervorragenden Original-Sprechern und Texten anzubieten. Und so kommt man derzeit nur mit halbwegs guten Englischkenntnissen in den Genuss, Borderlands von dieser angenehmen anderen Seite zu erleben.

Nachtest zu PS4 und Xbox One

Auf den beiden Konsolen PlayStation 4 und Xbox One setzt sich der Eindruck fort, den wir schon bei der ersten Episode gewonnen hatten, die wir rückblickend jetzt auch nochmal für die Microsoft-Konsole unter die Lupe genommen haben: Die PS4-Umsetzung befindet sich demnach etwa auf Augenhöhe mit dem PC-Vorbild, doch die Xbox One hat weiterhin mit Darstellungsproblemen zu kämpfen, denn vor allem bei Kameraschwenks bricht die Bildrate spürbar ein und es wird ruckelig. Auch bei Szenenwechseln kommt die Grafik auf der One hin und wieder ins Stocken. Auf den Inhalt hat dies zwar keinen direkten Einfluss, doch wird durch die technischen Probleme der Spielspaß etwas gemindert, weshalb sich die Umsetzung für die Microsoft-Konsole auch in der zweiten Episode einen kleinen Punktabzug einhandelt.

Fazit

Ich habe mich wahnsinnig auf das Wiedersehen mit Rhys, Vaughn, Fiona und Sasha gefreut – und wurde nicht enttäuscht. Zwar halten sich Interaktionsmöglichkeiten und Rätsel in Grenzen, doch was Dialoge, Charaktere, Regie und Story angeht, hat mich dieser Borderlanders-Ableger auch in der zweiten Episode in seinen Bann gezogen. Wenn es so weitergeht, könnte Tales from the Borderlands sich sogar zu meiner Lieblingsreihe innerhalb des Telltale-Angebots mausern, auch wenn es verglichen mit The Walking Dead eher „leichte Kost“ darstellt – aber vielleicht ist genau diese Prise Humor so erfrischend. Jetzt sollten sich die Entwickler nur sputen und mich nicht schon wieder mehrere Monate auf die nächste Episode warten lassen, denn der Cliffhanger hat es erneut in sich...

Pro

interessante Charaktere und Beziehungen
Entscheidungen beeinflussen Handlung und sogar Schauplätze
herrlich trockener Humor
klasse Artdesign, das der Vorlage gerecht wird
sehr gute (englische) Sprecher
gelungene Inszenierung und Tempowechsel
zusammenfassende Spieler-Statistik

Kontra

schwankende Tonabmischung (Sprache z.T. etwas leise)
keine anspruchsvollen Rätsel
kleine Areale / kaum Erkundung
schnell vorbei (unter 2 Stunden)
bisher nur auf Englisch verfügbar

Wertung

PC

Coole Sprüche, sympathische Figuren und klasse Regie: Die zweite Episode kann das Niveau des Einstiegs locker halten - mehr spielerischer Anspruch würde trotzdem nicht schaden.

XboxOne

Technisch hinkt die Umsetzung für Xbox One den Versionen für PS4 und PC weiter etwas hinterher.

PlayStation4

Coole Sprüche, sympathische Figuren und klasse Regie: Die zweite Episode kann das Niveau des Einstiegs locker halten - mehr spielerischer Anspruch würde trotzdem nicht schaden.

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