Im Test: Gesprengte Spielzeug-Dimensionen
Spielzeug oder Zeug zum Spielen?
Ich muss zugeben, dass ich ein hoffnungsloser Lego-Fan bin. Und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Spiele von Traveller's Tales, mit denen ich seit Lego Star Wars bis hin zu Lego Jurassic World zahllose unterhaltsame Stunden verbracht habe. Bis zu meiner Jugend und dann später mit den eigenen Kids habe ich auch die Plastik-Bausteine wieder und wieder zu neuen Bauten zusammengesteckt. Dementsprechend verbinde ich mit dem Kunststoff-Scheppern, das man beim Schütteln von Lego-Packungen hört, viele angenehme Erinnerungen. Und genau diese Erinnerungen werden beim Öffnen des Starter-Packs von Lego Dimensions angesprochen. Denn neben einer Portal-Plattform, die hier den Namen "Toy Pad" trägt, findet sich eine klassische Lego-Box, die beim Hin- und Herbewegen so typisch klimpert.
Aller Anfang ist bekannt
Dabei scheint es anfänglich, als ob Lego Dimensions nur ein weiterer Vertreter von Spielen wie Skylanders oder Disney Infinity ist: Man nimmt seine Figur, stellt sie auf das Toypad, damit sie im Spiel auftaucht und das war es. Zumal Traveller's Tales mechanisch anfangs auf Bekanntes zurückgreift: Man taucht in die visuell ansprechend gestaltete Welt ab, zertrümmert Lego-Bauten, sammelt die daraus entstehenden Noppen ein und kämpft gegen böse Unholde. So wie immer...
Von den ersten Schritten, die das Trio im Zauberland von Oz unternimmt und dort Dorothy mit ihren Freunden begegnet, bis hin zu Ausflügen in die Welten von den Simpsons, den Ghostbusters, Portal 2, Scooby Doo oder Zurück in die Zukunft, gibt es durch die Bank klasse Dialoge. Der Wortwitz wird in der englischen Version zwar noch besser transportiert, doch auch in der sauberen deutschen Fassung bleibt kein Auge trocken. Dabei wird nicht nur die jeweilige Lizenz gekonnt und sehr sympathisch auf den Arm genommen. Auch die Zwiegespräche der drei Hauptdarsteller sind gelungen. Noch besser sind allerdings die Momente, in denen die Gags Dimensionen überbrücken. Man kann sich hier nie sicher sein, was einem begegnet, die Lizenzen werden wild durcheinander gemischt. Das hätte bei einem schlechten Drehbuch zu einer Menge Verwirrung und unnötigem Kuddelmuddel führen können. Hier nähert man sich jedoch den jeweiligen Quellen mit einem beachtenswerten Grundrespekt, so dass selbst Homer Simpson im Portal-2-Level auftauchen kann, ohne dass es lächerlich wirkt. Das wiederum führt dazu, dass die Einzeiler sowie die Situationskomik eine Qualität erreichen, die man sonst nur von den Disney-Pixar-Filmen kennt: Kinder freuen sich über das Alberne, ältere Spieler und Erwachsene über die zielsicher gesetzten Anspielungen auf die Original-Lizenzen.
Kein Stein bleibt auf dem anderen
Doch es ist nicht nur die Geschichte, die Lego Dimensions auf einen neuen Pfad führt. Auch spielerisch geht man einige zu erwartende, aber auch einige überraschende Risiken ein, die sich nicht immer positiv auswirken. Wie man es von den Legospielen kennt, trifft man in den Abschnitten immer wieder auf Situationen oder Interaktionsmöglichkeiten, die man mit dem gegenwärtig ausgewählten Charakter nicht lösen kann - meist um die nach wie vor vorhandenen Goldsteine zu komplettieren oder alle zehn Teile für die so genannten Mini-Kits zu sammeln. Bislang konnte man sich darauf verlassen, dass man irgendwann eine Figur freispielt, die einen weiterbringt. Damit ist in Lego Dimensions Schluss: Warner Bros. Interactive und Lego nutzen diese Mechanik hier, um Bezahlschranken einzubauen. Denn die Figur, die dafür nötig ist, muss zusätzlich angeschafft werden. Die günstigste Variante ist das Fun-Pack mit einer Figur und einem Gadget aus einer der insgesamt elf Spielwelten, die bislang hier versammelt wurden. Mit dem Team Pack (z.B. Scooby Doo) bekommt man zwei Figuren und zwei Gagdets (bzw. ein Gadget und ein Fahrzeug). Die Level Packs schließlich beinhalten eine Figur, ein Fahrzeug sowie ein Gagdet - und eine weitere (mitunter umfangreiche) spielbare Mission aus der jeweiligen Lizenzwelt. Mit empfohlenen Preisen von etwa 15 Euro für das Fun Pack, 25 Euro für ein Team Pack sowie gut 30 Euro für ein Level-Pack sind das stolze Eintrittspreise.
Kein Zusatz nötig
Doch Figurenanzahl hin oder her, lohnt sich das Durchspielen der Kampagne. In den letzten Jahren konnte man der zahlreichen Lego-Spiele durchaus überdrüssig werden, die sich gefühlt nur noch durch die von der Lizenz vorgegebene Kulisse sowie die Figurenauswahl unterschieden. Dimensions jedoch ist nicht nur so umfangreich wie selten zuvor – die insgesamt 14 Abschnitte bis zum Finale haben mich in etwa die gleiche Anzahl an Stunden beschäftigt. Man ist sowohl beim Artdesign als auch bei den Mechaniken sowie den Rätselelementen so kreativ wie nie zuvor in einem Legospiel. Nach zehn Jahren und gefühlt etwa 100 Legospielen hat Traveller’s Tales hier neue Schritte gewagt, die dafür sorgen, dass sich Lego Dimensions gleichermaßen bekannt und unglaublich frisch anfühlt. Und man hat es geschafft, die Grenzen von virtueller Spielwelt und realem Spielzeug, das manipuliert wird, so sehr verschwimmen zu lassen, wie es weder die Skylander noch die diversen Disney- Helden geschafft haben.
Portal-Meister und Rätselkönig
Andere Rätsel, bei denen man mit dem Toypad agiert, drehen sich um die Auswahl und Nutzung elementarer Fähigkeiten (Feuer, Wasser, Erde, Luft) oder das Einfärben der Toypad-Sektoren, indem man die Figuren in der Spielwelt auf Farbquellen platziert, die dann (mitunter über Kombination) auf das Pad übertragen werden müssen. Man kann die Figuren größer oder kleiner machen, durch Portale jagen und muss über das Toypad sogar Geheimnisse in Form von Dimensions-Spalten finden, die einen immer wieder überraschen und z.B. die Ghostbusters auf den Plan rufen oder den Feuerwerks-Drachen einsetzen, den Gandalf zu Beginn von "Die Gefährten" zündet - immer wieder werden Weltgrenzen nicht nur eingerissen, sondern pulverisiert. Natürlich darf man sich auch hier nicht über Emmet Brown wundern, der mit einem herzhaften "Great Scott" und dem DeLorean unter dem Hintern über den Bildschirm rauscht - herrlich. Gegen Ende geht Traveller's Tales zwar die Rätsel-Ideen aus. Doch zum einen wird dies durch einen knackigeren Schwierigkeitsgrad und mehr nötigem Timing beim Positionswechsel kompensiert und zum anderen ziehen die Entwickler bis dahin im Rahmen dessen, was Lego in den letzten Jahren abgeliefert hat, alle kreativen Register. Die Bauklotz-Spiele haben sich noch nie so frisch angefühlt. Seit Lego Star Wars hatte ich nicht mehr so viel Spaß, den Noppen nachzujagen.
Spiel, Spaß und Überraschung
Ein weiterer Grund für die hohe Motivation ist das Level-Design. Bis zum Schluss finden weder Routine noch Langeweile Platz. Jeder Abschnitt steckt voller Überraschungen. Nicht nur, was die Nähe und den respektvollen Umgang mit dem Quellmaterial angeht. Mit jedem der Kampagnen-Abschnitte geht man entweder mechanisch neue Wege, setzt auf ein ausgefeiltes Artdesign oder baut auf für unmöglich gehaltene Lizenzverknüpfungen. Die Welt von Scooby Doo z.B. wird stilecht als Cartoon gezeichnet, Portal 2 und GlaDOS erfahren ebenfalls eine gelungene Umsetzung, in der die sterile Atmosphäre des Aperture Science Centers erstklassig eingefangen und legorisiert wird. Die "Midway Arcade"-Dimension hingegen überzeugt mit einer sehr gelungenen Verknüpfung des Lego-Designs mit klassischen Elementen wie Defender (Seitwärts scrollende Action) oder Gauntlet (Draufsicht mit Kämpfen gegen gewaltige Monsterhorden). Das Tempo und vor allem die Wechsel desselben passen. Die Bosskämpfe sind gelungen.
Pseudo-Baumeister
Das Sahnehäubchen schließlich wäre ein Editor zum Erstellen oder Modifizieren eigener Welten samt Austausch mit der Community. Quasi das Gegenstück zur Toy Box aus Disney Infinity, das in dieser Hinsicht schlichtweg beispielhaft bleibt. Mit Lego Worlds experimentiert Traveller's Tales am PC gerade mit einem derartigen Konzept. Und vielleicht hält etwas Ähnliches auch in die Lego-Dimensionen Einzug. Man soll in einem Interview von einem Drei-Jahres-Plan gesprochen haben, im Rahmen dessen man Dimensions auch langfristig mit neuen Inhalten versorgen möchte. In der Verteilerwelt Vorton ist auf jeden Fall noch genug Platz, um neue Dimensionstore anzubringen. Ich bin gespannt.
Fazit
Die in manchen Momenten omnipräsenten Bezahlschranken, die man mit den so genannten "Toys-to-Life"-Spielen in Verbindung bringt, sind mir auch in Lego Dimensions ein Dorn im Auge. Vor allem auch, weil man schon früh auf Elemente trifft, die man nur mit einer Figur öffnen kann, die vermutlich erst Anfang nächsten Jahres erscheint. Allerdings bekommt man mit den zusätzlichen Ausgaben nicht nur weitere schicke Figuren, sondern auch Zugriff auf die jeweilige Dimension, um dort in der freien Erforschung Abenteuer zu erleben. Abseits der auf Figuren- und Set-Abverkäufe abgezielten künstlichen Blockaden kann ich Traveller’s Tales nur Lob aussprechen. Nicht nur, weil man für die Bewältigung der Kampagne keine zusätzlichen Figuren, Fahrzeuge oder Gadgets braucht. Sondern auch, weil man nach zehn Jahren und gefühlten 100 Lego-Spielen mit nur marginalem Fortschritt einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat. Die Einbindung des Toypads sorgt für eine bislang unerreichte Verbindung zwischen realer Welt mit echten Spielzeugen und virtuellen Abenteuern. Und man nutzt es sinnvoll für zahlreiche kreative Rätsel, die das unterhaltsame, aber mitunter starre Korsett der bisherigen Lego-Spiele sprengen. Dazu kommt eine zielsichere Inszenierung, die mit zum Witzigsten gehört, was die Bauklotz-Helden in ihrer langen Geschichte zum Besten gegeben haben. Gute deutsche und hervorragende englische Sprecher machen die gut zehn bis 14 Stunden dauernde Kampagne, in der ein gutes Dutzend unterschiedlicher Lizenzen überzeugend zusammengewürfelt werden, zu einem uneingeschränkten Vergnügen. Das Leveldesign strotzt ebenfalls vor Kreativität und bietet sowohl mechanisch als auch hinsichtlich des Artdesigns von Anfang bis Ende viele angenehme Überraschungen. Schade ist allerdings, dass die frei zugänglichen Dimensionswelten beim Missionsdesign zunehmend gleichförmig werden. Auf einen Online-Koopmodus muss man zwar weiterhin verzichten und auch ein Editor wie die Toybox in Disney Infinity sucht man vergebens. Dennoch entfaltet Lego Dimensions eine enorme Sogkraft!
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Die Bezahlschranken stören, doch abseits dessen überzeugt Lego Dimensions mit kreativem Level- und Rätseldesign sowie einer großen Portion Humor. Das beste Lego-Spiel seit Lego Star Wars.
PlayStation4
Die Bezahlschranken stören, doch abseits dessen überzeugt Lego Dimensions mit kreativem Level- und Rätseldesign sowie einer großen Portion Humor. Das beste Lego-Spiel seit Lego Star Wars.
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