Der rote Faden
Unravel ist eines dieser Spiele, die man einfach mag - oder auch nicht. Es gibt keine Sprachausgabe. Es lässt sich mitunter viel Zeit, um die kryptische Geschichte über die Landschaft, die stimmungsvolle Musik oder die subtilen Animationen der roten Hauptfigur Yarny zu erzählen, einem Männchen, das aus Strickwolle besteht. Seine Suche nach Erinnerungen, die man nach Abschluss eines Abschnitts in einem Fotoalbum anschauen kann und die sich sprichwörtlich als roter Faden durch zehn Abschnitte erstreckt, ist gespickt mit Rätseln und Gefahren, die durch den fotorealistischen Ansatz des Artdesigns nur noch bedrohlicher erscheinen. Wenn Yarny durch tiefen, fantastisch aussehenden, in der skandinavischen Sonne glitzernden Schnee stapft und versucht, sich mit seinen kleinen Wollarmen warm zu halten, möchte man ihn am liebsten aus dem Bildschirm herausnehmen und vor einen wärmenden Ofen setzen.
Das kleine Wollknäuel Yarny begibt sich auf ein großes Abenteuer und muss dabei auch Fische zähmen.
Man startet allerdings jeweils in einem altmodisch eingerichteten Haus, klettert dort über die Möbel und nutzt die Fähigkeiten Yarnys, seine Wolle als Lasso auszuwerfen oder sich irgendwo anzuhängen und sich hochzuziehen, um die verschiedenen eingerahmten Bilder zu erreichen, die als Einstieg zu den Abschnitten dienen. Am Ende jedes bewältigten Levels kehrt man in das Wohnzimmer zurück, wo auf einem Tisch das Erinnerungsalbum liegt, das nach und nach gefüllt wird. Wieso man allerdings immer wieder hier startet und erneut durch bereits bekannte und vor allem besuchte Zimmer stapft, bis man zum nächsten noch nicht besuchten Bild gelangt, will sich mir partout nicht erschließen. Andererseits wird die ohnehin nicht üppige Spielzeit, jeder Abschnitt dauert mit etwaigen Neustarts an den fair gesetzten Kontrollpunkten etwa zwischen 15 und 30 Minuten, durch die zusätzlichen Wege nur unwesentlich gestreckt.
Durch dick und dünn
Die Suche nach Erinnerungen ist mitunter idyllisch, kann aber auch gefährlich werden.
Wieso Yarny die mühsame Reise auf sich nimmt, in der er nicht nur Wälder oder Hafengebiete, sondern auch Atommülldeponien, Schrottplätze und ähnliche gefährliche Areale durchquert, die allesamt von nordskandinavischen Landstrichen inspiriert sind, lässt Spielraum für Interpretation. Ich z.B. fühlte mich vor allem in der Anfangsphase an die Introsequenz aus Pixar's "Oben" erinnert. Und je nachdem, wie und als was man Yarny wahrnimmt, ändert sich auch die Sicht auf das emotionale Finale. Doch was sich nicht ändern dürfte, ist die Fürsorge, die man Yarny auf seiner Reise zukommen lassen möchte. Das lebendig gewordene Wollknäuel (wieso eigentlich?) mit den spitzen Ohren schüttelt sich, wenn es nass geworden ist oder um den Schnee von den Ohren zu wirbeln. Er stemmt sich gegen Wind und Wetter, rutscht mit kleinen, überzeugend realistisch wirkenden Animationen über kleine Eisflächen und ist erstaunlich leidensfähig. Er muss sich mit wild gewordenen Krabben auseinandersetzen, sich angreifender Raben erwehren oder vor unterirdisch lebenden Nagern fliehen, die seine Wolle vermutlich als Nestmaterial nutzen wollen.