Im Test: Die volle Motorsport-Dröhnung
Gewaltige Vielfalt an Optionen
Zumindest in einem Bereich dürfte der Sieg nicht zu nehmen sein: Es gibt keine andere Rennsimulation, die dermaßen viele Einstellungsmöglichkeiten bietet, um die Veranstaltungen, Streckenbedigungen und das Fahrgefühl hinter dem Steuer den eigenen Wünschen anzupassen. Tatsächlich wird man regelrecht erschlagen von der gewaltigen Vielfalt an Optionen. Das geht schon bei der Gestaltung des Rennwochenendes los: Dort lassen sich nicht nur die Zeiten für Training, Qualifikation und Rennen, sondern auch Faktoren wie Tageszeit und Witterungsbedingungen separat anpassen. Dabei hat man die Wahl zwischen sage und schreibe 17 Wettertypen, von denen man bis zu vier für eine Veranstaltung festlegen darf. Diese erstrecken sich von Sonnenschein über diverse Abstufungen bei Bewölkung und Regen bis hin zu Gewitter, Schneestürmen
Bei den Tageszeiten hat man ebenfalls freie hat und darf neben dem Datum auch die Uhrzeit und Dauer für jede Session bestimmen. Dabei genießt man die absolute Freiheit: Eine Qualifikation oder gar ein Rennstart um Mitternacht? Hier ist alles möglich! Genau wie beim Wetter besteht auch hier die Option, den Zeitverlauf auf ein bis zu 60-faches Tempo zu beschleunigen. Um das nochmal zu betonen: Witterung und Tageszeit lassen sich jeweils separat für Training, Quali und Rennen einstellen! Mittlerweile darf man sich sogar in allen vier Jahreszeiten auf die lizenzierten Strecken begeben und wird dabei vor allem mit Blick auf die Vegetation deutliche Unterschiede zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter bemerken. Auf ausgewählten Pisten steht mit „Schnee“ sogar eine weitere Variante zur Auswahl – allerdings nur dort, wo es auch sinnvoll erscheint. An warmen Orten wie Kalifornien (Laguna Seca, California Highway) oder Dubai darf man keine geschlossene Schneedecke erwarten, auch wenn selbst dort auf Wunsch oder per Zufall die Flöckchen aus dem bedeckten Himmel rieseln - ein surrealer Moment, vor allem im Sommer. Begibt man sich dagegen z.B. in die Eifel, darf man die legendäre Nordschleife auch in einem weißen Wintertraum erleben.
Echte 24-Stunden-Rennen
Meister aller Klassen
Neben der Einstellungsvielfalt überzeugt man auch hinsichtlich der vorhandenen Rennserien auf ganzer Linie: Von Tourenwagen und Straßenfahrzeugen über Karts und Formel- bzw. Indy-Flitzer bis hin zu Prototypen und Rallye-Karossen wird so ziemlich alles aufgefahren, was der Motorsport auf vier Rädern zu bieten hat. Im Lizenz-Fuhrpark finden sich Modelle aller namhaften Hersteller, darunter u.a. die deutschen Premium-Marken Audi, BMW, Mercedes und neuerdings auch Porsche. Doch auch international ist man mit Namen wie Ferrari, Renault, Ford oder Honda sowie Exoten wie Oreca und Ginetta exzellent aufgestellt. Mangels Lizenz musste Slighly Mad manche Formel-Wagen zwar selbst designen, doch fügen sich die fiktiven Kreationen prima in den vergleichsweise übersichtlichen, aber starken Fuhrpark ein, der neben aktuellen Modellen wie dem 2016er Porsche 911 GT3 R auch Oldies wie den Mercedes Benz 300 SL aus dem Jahr 1952 sowie Sportwagen-Klassiker wie den Lamborghini Diablo GTR oder den Ferrari F40 beinhaltet. Auf individuelle Lackierungen muss man mangels eines Editors zwar verzichten, bekommt im Gegenzug aber Zugriff auf die Designs realen Rennteams, darunter z.B. Falken Motorsport oder Manthey Racing.
Keine eigenen Meisterschaften
Doch bei all der Freude über die zahlreichen Anpassungsoptionen für die einzelnen Veranstaltungen vermisst man schnell die Möglichkeit, einen eigenen Rennkalender für individuelle Meisterschaften zusammenzustellen. Stattdessen absolviert man lediglich Einzelrennen sowie Probefahrten in privaten Testsitzungen oder geht beim Zeitfahren auf die Jagd nach Bestzeiten.
Meisterschaften mit mehreren Läufen gibt es lediglich in der Karriere, wo man erneut ganz unten im Kart-Sport oder auf Wunsch bereits in höheren Serien sein Leben als Rennfahrer beginnen kann. Im Gegensatz zum Vorgänger sind hier die beiden höchsten Klassen vorerst gesperrt und man muss zuerst in anderen Disziplinen sein Können unter Beweis stellen.
Langweilige Aufmachung
So bleiben am Ende als zusätzliche Motivatoren lediglich der freischaltbare Zugang zu vorgefertigten Einladungs-Events und der Ausbau der Affinität zu 14 Autoherstellern übrig, die einem im Idealfall Jobs als Werksfahrer einbringen können. Oder das Erreichen der acht großen Lebensziele, um sich einen Platz in der Ruhmeshalle zu sichern. Aber das reicht nicht, um die Karriere aus dem langweiligen, staubtrockenen Durchschnitt zu heben. Dafür lässt Slighly Mad einfach zu viel Potenzial auf der Strecke. Der Umfang ist dabei nicht das Problem, sondern der mangelnde Tiefgang und die lieblose Präsentation.
Nervige Massenkarambolagen
Leider zählt auch die KI nicht unbedingt zu den Stärken der Rennsimulation, obwohl sich ihr Können und die Aggressivität jeweils getrennt in feinen Stufen einstellen lässt. Wie sich zeigt, sind die Piloten vor allem beim Start völlig überfordert: In den ersten Kurven oder Schikanen kracht es fast immer – und zwar richtig! Selbst mit einer verkleinerten Startaufstellung gelingt es der KI kaum, unfallfrei die ersten paar hundert Meter zu überstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Aggressivität hoch oder niedrig einstellt. Ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass im Vorgänger teilweise mehr als 40 Wagen auf der Strecke waren und einen sauberen Start hinlegen konnten, während das Maximum hier bei 31 Boliden liegt und selbst mit 15 Autos das Unfallrisiko erschreckend hoch bleibt. Vor allem in einem Feld voller flotter Boliden ist das Chaos am Start vorprogrammiert, während langsamere Modelle sich dank des gedrosselten Tempos disziplinierter durch die ersten Kurven zwängen können. Selbstverständlich gehören Startunfälle zum Motorsport dazu. Aber nicht in dieser Form, bei der die Strecken bei nahezu jedem Rennen nach wenigen Sekunden in einen Schrottplatz verwandelt werden.
Leichtgewichte auf vier Rädern?
Die Bugjagd ist eröffnet
Ohnehin haben die Entwickler noch mehr als genug zu tun, um die vielen Bugs auszumerzen, die uns aufgefallen sind. Einen der größten Schnitzer erlaubt man sich beim Qualifying: Dort vermisst man zum einen die gängige Option eines Zeitraffers, die besonders dann praktisch ist, wenn sich nach den Schauern wieder Sonnenschein in der Wetterprognose angekündigt hat. Hier hat man dagegen nur die Wahl, die Session vorzeitig zu beenden. Zieht man diese Option, erkennt man umgehend den fatalen Fehler: Plötzlich sind auf dem Ergebnisbildschirm die KI-Zeiten mitunter 30 Sekunden (!!!) schneller und man selbst landet selbst mit einer Topzeit bzw. Pole-Zeit auf dem letzten Platz. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Qualifikation schon nach einer Runde oder kurz vor dem regulären Ablauf des Timers vorzeitig beendet: Dieses Phänomen tritt jedes Mal auf und sorgt entsprechend für Frust – und das auf allen Plattformen! Dem Bug kann man nur entgegen wirken, indem man wartet, bis das Qualifying regulär endet. Da im Rahmen der Kampagne in manchen Serien 30 Minuten oder mehr für den Kampf um die Startplatzierung angesetzt werden und sich die Zeit nicht reduzieren lässt, wird diese wichtige Session zu einer echten
Man stelle sich vor, man landet nach einer spektakulären Aufholjagd ganz oben auf dem Siegertreppchen und schaut sich anschließend zumindest kurz den Start in der Wiederholung an, die man übrigens auch abspeichern darf. Und dann stellt man beim erneuten Blick auf den Ergebnis-Bildschirm fest, dass plötzlich ein ganz anderer Fahrer als Sieger gefeiert wird. Wie das sein kann? Der nächste Bug lässt grüßen! Denn sobald man eine Wiederholung startet, werden die aktuellen Positionen innerhalb des Replays auf den Ergebnis-Bildschirm übertragen. Das ist kein Problem, wenn man sich die Wiederholung bis zum Ende anschaut. Bricht man dagegen mittendrin ab, kann man eine unangenehme Überraschung erleben. Oder sich selbst zum unverdienten Sieger krönen, wenn man zwischendurch im Rennen die Führung inne hatte und das Replay genau an dieser Stelle abbricht. Zum Glück wird beim Blick auf die anschließende Punktvergabe oder in die detaillierten Profilstatistiken klar, dass trotz der falschen Anzeige die korrekten Ergebnisse übernommen werden. Ärgerlich ist es trotzdem, obwohl der Fehler nicht immer, aber sehr häufig auftritt.
Inkonsequentes Strafsystem
Schadenfreude
Hat man das optionale Schadensmodell aktiviert, wird man sich dagegen schnell von Rowdy-Attitüden verabschieden, denn hier ziehen Unfälle nicht nur visuelle Verunstaltungen wie fiese Kratzer und Beulen bis hin zu abfallenden Teilen wie Heckspoilern oder Stoßstangen nach sich, sondern wirken sich auch negativ auf das Fahrverhalten aus. Da zieht der Wagen z.B. zur Seite oder die Leistung des Motors wird massiv beeinträchtigt. Ein Totalschaden ist aber selbst dann nicht drin, wenn man sich ordentlich Mühe gibt, die Karre komplett zu zerlegen. Ein komplett realistisches Schadensmodell darf man hier also nicht erwarten. Das gilt sowohl für die Auswirkungen als auch die Darstellung. Die Frontscheibe zerfällt z.B. selbst nach heftigen Kollisionen nicht in ihre Einzelteile und auch die Karosserie steckt viele starke Einschläge überraschend gut weg. Insbesondere beim Kartfahren fällt das Schadensmodell viel zu sensibel aus: Hier reichen teilweise schon kleinste Berührungen mit anderen Karts oder das Streifen von Pylonen am Streckenrand aus, um sich eine schwere Beschädigung einzufangen. Man kann es auch übertreiben...
Da es keine Rückspulfunktion gibt, bleibt nach fatalen Unfällen oft nur die vorzeitige Aufgabe oder ein Neustart. Bei letzterer Wahl wird man allerdings über den nächsten Bug stolpern, denn bei einem Neustart werden zwar die mechanischen Schäden,
Ein traumhaftes Fahrgefühl
Project Cars 2 ist in seinem jetzigen Zustand weit von der angestrebten Perfektion entfernt und muss zurecht viel Kritik einstecken. Aber die Simulation überzeugt dort, worauf es in erster Linie ankommt: Die Fahrphysik ist der absolute Hammer, das Gefühl hinter dem Steuer ein Traum! Selten habe ich mich in einer Rennsimulation so wohl und gleichzeitig so gefordert gefühlt wie hier. Das neue Reifenmodell ist großartig und man spürt, wie die Pneus mit steigender Betriebstemperatur an Bodenhaftung gewinnen und sich nach ein paar Runden zunehmend abnutzen. Lastwechsel werden überzeugend eingefangen und nach etwas Eingewöhnungszeit lernt man, die einzelnen Modelle mit ihrem individuellen Fahrverhalten immer besser einzuschätzen und sich vorsichtig ans Limit heran zu tasten. Im Gegensatz zum Vorgänger werden jetzt selbst kleine Bodenwellen viel überzeugender vom Fahrwerk erfasst und die Unterschiede zwischen den Modellen sind teilweise gravierend. Ein verhältnismäßig stark motorisiertes Leichtgewicht wie der BAC Mono erfordert z.B. extrem viel Gefühl am Gaspedal und reagiert äußerst sensibel auf harsche Lenkbewegungen oder Unebenheiten, während ein Le-Mans-Prototyp dank seiner ausgefeilten Aerodynamik regelrecht am Asphalt klebt.
Kraftvolles Force Feedback
Das Force Feedback spielt eine zentrale Rolle, um das Verhalten des Wagens zu verstehen und zu fühlen. Da man im Spiel ohne den Popo-Effekt auskommen muss, ist es das beste Bindeglied zwischen Mensch und Maschine. Dabei haben die Slighly Mad Studios das Force Feedback komplett überarbeitet und die Anpassungsmöglichkeiten vereinfacht. Musste man im ersten Teil quasi ein Studium für die perfekte Einstellung abschließen, liefern die Entwickler hier von Haus aus drei gelungene Vorlagen, bei denen verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden, die von einem möglichst immersiven Erlebnis über informatives Feedback bis hin zu den ungefilterten und gleichzeitig stärksten Kräften reichen. Dabei lässt sich jede Vorlage zusätzlich in den Bereichen Amplitude, Intensität, Ton, FX und der Federstärke individuell den eigenen Vorlieben anpassen. Doch schon in den Standard-Einstellungen hinterlässt das Force Feedback einen wesentlich besseren, intensiveren und ausgeprägteren Eindruck als im Vorgänger. Man vermisst zwar das nahezu perfekte Zusammenspiel aus subtilen und
Controller als Lenkrad-Alternative?
Und wie sieht die Steuerung mit einem Controller aus? Beim Vorgänger war sie bekanntlich ein Krampf und erforderte viele Anpassungen im Detail, bis man die Wagen mit dem Pad halbwegs unter Kontrolle hatte. Keine Frage: Auch Project Cars 2 ist in erster Linie für den Einsatz von Lenkrädern gemacht. Doch die Entwickler haben sich jetzt auch bei der Steuerung via Controller deutlich mehr ins Zeug gelegt und erlauben ein gutes Fahrgefühl, ohne dafür Kompromisse bei der Physik eingehen zu müssen. Ein Gran Turismo Sport oder Forza Motorsport steuern sich zwar immer noch etwas eingängiger mit dem Controller oder bieten alternativ ein entschärftes Physikmodell, doch im Vergleich zum Vorgänger hat man einen großen Schritt nach vorne gemacht und die meisten Fahrzeuge fühlen sich auch mit dem Pad in der Hand angenehm an. Xbox-Raser verbuchen dabei dank der Impulse-Trigger einmal mehr einen leichten Vorteil, der sich nicht nur haptisch positiv auswirkt, sondern dem Spieler auch besser vermittelt, wie sich das Fahrzeug gerade verhält. Ärgerlich ist nur, dass Änderungen bei den Steuerungsoptionen erst nach einem Umweg zurück zur Rennzentrale und einem Neustart des Rennens greifen. Das ist nicht nur unnötig umständlich, sondern aufgrund der langen Ladezeiten auch eine Zumutung. Seltsam ist zudem folgendes Phänomen: Hat man ein Lenkrad angeschlossen, verharren die Hände bei automatischen Sequenzen wie der Boxenanfahrt oder beim fliegenden Start starr in der Geradeaus-Position und es entfallen die kompletten Lenk-Animationen. Wahrscheinlich ein weiterer Fall für die Bug-Abteilung...
Hilfe!!!
Umfangreiche Setup-Optionen
Angesichts der extrem umfangreichen und detaillierten Setup-Optionen dürften ambitionierte Möchtegern-Mechaniker und Ingenieure vor Begeisterung aus der Hose hüpfen. Es ist einfach der schiere Wahnsinn, an wie vielen Teilen man hier herumschrauben darf. Angefangen bei den Reifen, Bremsen und der Karosserie reicht die Auswahl weiter zur Aufhängung und den Stoßdämpfern bis hin zum Getriebe, dem Motor und dem Steuergerät. Alleine für die Einstellungsmöglichkeiten am Differenzial benötigt man gefühlt ein abgeschlossenes Diplom für Maschinenbau. Damit Setup-Noobs nicht von dieser Masse an Komplexität erschlagen werden und resignierend das Handtuch werfen, stellt man ihnen neuerdings einen Renn-Ingenieur zur Seite, der eigentlich zum Standard werden sollte. Genau wie in den Motorradspielen von Milestone kann man ihm einfach schildern, wo der Schuh innerhalb der vier Themenbereichen Bremsen, Abtrieb, Aufhängung sowie Getriebe drückt und er nimmt anschließend die nötigen Anpassungen automatisch vor. Oder man macht es sich noch einfacher und importiert die Setups von den schnellsten Fahrern der Bestenlisten. Es hat ja sicher seinen Grund, weshalb sie an der Spitze stehen und die Wagenabstimmung stellt neben dem fahrerischen Können tatsächlich einen maßgeblichen Faktor für flotte Rundenzeiten dar.
Echtzeit-Telemetrie und freie HUD-Gestaltung
Eine gelungene Ergänzung stellt außerdem das ICM-Menü dar. Genau wie in den F1-Spielen von Codemasters kann man hier während der Fahrt u.a. noch Änderungen an der Traktionskontrolle oder der Bremsbalance vornehmen, die Benzinmischung variieren oder sich für einen Boxenstopp anmelden. Der Zugriff und die Wahl auf die vorgefertigten Pitstop-Protokolle erfolgt ebenfalls hier, so dass man die Strategie anpassen und spontan auf Ereignisse im Rennverlauf reagieren kann. Da das Hantieren in den Menüs durchaus vom Fahren ablenkt, wäre eine alternative Sprachsteuerung wie bei F1 ein Wunsch gewesen, der hier aber leider unerfüllt bleibt.
Vorsprung durch Technik?
Xbox am Limit
Zumindest auf der PS4 Pro und dem PC ist auch die Technik auf der Höhe der Zeit und überzeugt bei hohen Bildraten mit einer flüssigen Darstellung, einer reaktionsfreudigen Steuerung und einem großartigen Geschwindigkeitsgefühl. Im Vergleich dazu muss die Version für die Xbox One deutlich Federn lassen: Die Zeichentiefe und der Detailgrad ist geringer, Objekte ploppen häufiger ins Bild und das Kantenflimmern ist deutlich ausgeprägter, sicher auch bedingt durch die sichtbar niedrigere Auflösung. Darüber hinaus versucht die Engine mit häufig auftretendem Tearing die flüssige Darstellung aufrecht zu erhalten. Das gelingt leider nur bedingt: Immer wieder spürt man Einbrüche der Bildrate, was gerade für eine Rennsimulation fatal ist. Schaltet man auch noch die Echtzeit-Telemetrie hinzu, sinkt sie sogar unter 30 Bilder pro Sekunde. Offenbar haben die Entwickler ihre Ressourcen lieber in die bereits angekündigten Optimierungen für die Xbox One X gesteckt. Auf der aktuellen Microsoft-Konsole führen die technischen Einbußen daher zu einer deutlichen Abwertung. Schade, aber in dieser Form stellt man keine ernsthafte Konkurrenz zur technisch brillanten Forza-Reihe dar.
Es gibt was auf die Ohren
Der cineastisch angehauchte Soundtrack wirkt ebenfalls stimmig. Allerdings ist es enttäuschend, dass Funksprüche sowie erste Tutorial-Ansagen wieder nicht lokalisiert sondern nur untertitelt wurden. Vorbildlich dagegen, dass man auf nahezu jedem Bildschirm und bei nahezu jeder Einstellungsoption einen begleitenden Hilfetext mit sinnvollen Erklärungen findet.
Pistensäue werden aussortiert
Für Onlinerennen mit bis zu 16 Teilnehmern (PS4, Xbox One) findet man für die Einzelrennen im Prinzip die gleiche Einstellungsvielfalt wie beim Offline-Pendant. Hier geht man sogar noch einen Schritt weiter und kann beim Erstellen seiner Lobby Faktoren wie erlaubte Fahrhilfen, die Verwendung der Cockpitansicht und sogar das Absolvieren manueller Boxenstopps für alle vorschreiben. Darüber hinaus lässt sich das Starterfeld auf Wunsch mit KI-Piloten auffüllen. Ebenso darf man jeweils Plätze für einen Broadcaster und einen Regisseur zur Verfügung stellen – perfekt für professionelle Übertragungen im eSport-Bereich.
Damit sich die Online-Rennen möglichst nah am realen Motorsport bewegen und nicht von Pisten-Rowdys in ein Destruction Derby verwandelt werden, soll außerdem ein System im Stil von iRacing und GT Sport greifen, welches das Verhalten der Fahrer bewertet und sie entsprechend mit einer Ruf-Wertung einstuft. Als Tester genießen wir besondere Privilegien und wurden umgehend mit der Top-Lizenz U1500 ausgestattet. Beim Anlegen einer Lobby darf man eine erforderliche Mindestlizenz festlegen und damit potenzielle Störenfriede kategorisch ausschließen. Allerdings wird erst die Zukunft zeigen, ob sich das System tatsächlich bewährt oder über den Haufen gefahren wird. Statt eines automatischen Matchmakings läuft hier übrigens alles über einen Server-Browser, in dem offene, private und selbst die passwortgeschützten Lobbys gelistet werden. Mangels der Verfügbarkeit von Servern konnten wir bisher leider kaum Gas auf den Onlinepisten geben – jedenfalls
Vollgas-Community
Wer direkten Auseinandersetzungen im Duell mit anderen Fahrern lieber aus dem Weg gehen aber sich trotzdem mit ihnen messen will, findet in der Auswahl an Community-Events eine attraktive Alternative. Hier warten jeweils für einen begrenzten Zeitraum asynchrone Wettbewerbe, die unter vorgeschriebenen Bedingungen stattfinden. Strecke und Wagen bzw. die Klasse werden in der Regel vorgegeben. Zusätzlich können z.B. in manchen Events auch die Tuning-Optionen gesperrt werden, so dass alle Teilnehmer unter den gleichen Voraussetzungen um die Bestzeit kämpfen. Schade nur, dass es keine besonderen Belohnungen gibt. Selbst wenn man unter den ersten drei der schnellsten Fahrer landet, gibt es vom Spiel kein Feedback oder eine Auszeichnung.
PS4-Version mit technischen Defiziten
Genau wie auf der Xbox One muss man im Vergleich zur Pro-Variante auch auf einer Standard-PS4 mit einer schwächeren Technik leben. Vor allem bei Regenbedingungen macht sich häufiger eine reduzierte Bildrate bemerkbar. Ist man außerdem mit einem recht großen Starterfeld unterwegs und befindet sich mitten in einem Pulk, kommt die hauseigene MAD Engine gehörig ins Schwitzen und kann eine flüssige Darstellung selbst mit einer Performance-Entlastung durch Tearing nicht mehr garantieren. Genau wie auf der Xbox One sollte man außerdem auch hier vom Aktivieren der Echtzeit-Telemetrie absehen, da anschließend die negativen Auswirkungen auf die Bildrate bei der Standard-PS4 ebenfalls umgehend spürt. Je nach Rennbedingung und gewählter Perspektive muss man also mit situativen Defiziten gegenüber der Fassungen für PS4 Pro (und den PC) leben. Diese fallen allerdings nicht so groß aus wie auf der Xbox One: Zwar gibt es auch auf der Standard-PS4 leichte Einbußen hinsichtlich der Auflösung, Kantenglättung, den Wettereffekten und Schattendetails, doch bewegt sich die Performance abseits der genannten Ausnahmesituationen und grafischen Abstriche näher am Niveau der PS4 Pro. Tearing tritt hier ebenfalls seltener in Erscheinung als auf der Microsoft-Konsole. Entsprechend wäre eine Wertung für die normale
Performance-König
Das Maß der Dinge ist allerdings die Version für den PC, obwohl es auch hier die Probleme mit der KI sowie manche der Bugs (Stichwort: Quali-Zeiten) wiederfindet: Technisch fährt man mit einem potenten System der PS4-Pro-Fassung auf und davon. Oder man passt in den umfangreichen Grafikoptionen das Spiel perfekt auf die Leistungsfähigkeit der eigenen Hardware ab – eine Möglichkeit, die man sich angesichts der schwankenden Performance zumindest auf den Standard-Konsolen in manchen Situationen ebenfalls wünscht. Oder eben eine bessere Optimierung. Am PC gibt es jetzt außerdem eine native Unterstützung für Triple-Screen-Setups, bei der das Bild nicht nur einfach gestreckt, sondern für alle drei Bildschirme separat berechnet und ausgegeben wird. Hinsichtlich Darstellungsqualität und Grafikdetails fährt man auf dem PC also in einer höheren Liga als auf PS4 und Xbox One.
Grandioses VR-Erlebnis
Und schließlich gibt es auch noch die VR-Unterstützung, in deren Genuss derzeit lediglich PC-Rennfahrer kommen. Schon beim Vorgänger lieferten die Entwickler die Einbindung von Oculus Rift sowie HTC Vive nach, wovon die Immersion hinter dem Steuer deutlich profitierte. Für Project Cars 2 war die Implementierung von VR dagegen von Anfang an geplant und wurde im Rahmen der Entwicklung entsprechend berücksichtigt. Um es kurz zu machen: Project Cars 2 markiert eines der besten VR-Erlebnisse, die man aktuell mit einer Rennsimulation haben kann! Zwar gibt es grafisch leichte Abstriche, darunter stärker ausgeprägte Pop-ups, doch machen die Kulisse mit ihren sehenswerten Lichteffekten sowie die detailliert gestalteten Cockpits auch in VR eine großartige Figur. Es ist cool, wenn man beim Umsehen die kleinen Bewegungen von wackelnden Gurten und anderen Teilen realisiert oder von den einfallenden Sonnenstrahlen geblendet wird. Etwas störend erweist sich neben der geringeren Auflösung einmal mehr das deutlich sichtbare Fliegengitter beim Vive-Headset, das auffälliger in Erscheinung tritt als bei Oculus.
Schwache Menü-Anpassung, gute HUD-Integrierung
Dafür, dass man VR von Anfang an in die Entwicklung mit einbezogen hat, ist die Einbindung der Menüs unter dem Headset leider schwach ausgefallen. Hier greift man wieder einfach auf die 2D-Darstellung im Kinomodus zurück. Sitzt man dann im Cockpit, wird dort ziemlich lieblos der Startbildschirm hinein geklatscht – nicht schön! Bessere Arbeit hat man beim HUD geleistet, dessen schwebende Elemente wie aktuelle Rennposition, Reifenstatus oder Rundenzeiten klasse hinsichtlich Größe und Positionen ins Cockpit integriert werden, sofern man es denn möchte.
Fazit
Die Slighly Mad Studios machen bei Project Cars 2 viele Dinge richtig und besser als im Vorgänger: Die überarbeitete Physik sorgt zusammen mit dem neuen Reifenmodell für ein ausgezeichnetes Fahrgefühl, zu dem auch das exzellente Force Feedback beiträgt. Doch auch mit einem Controller lassen sich die Fahrzeuge des attraktiven Fuhrparks mittlerweile gut kontrollieren. Die immensen Einstellungsmöglichkeiten beim Setup und den Rahmenbedingungen für Veranstaltungen zählen zusammen mit der gelungenen Auswahl an Strecken und Serien ebenfalls zu den ganz großen Stärken. So viele individuelle Anpassungen bietet meines Wissens keine andere Rennsimulation. Bedauerlich ist nur, dass man als Alternative zur drögen Karriere keine eigenen Meisterschaften erstellen kann. Neben kleineren und größeren Bugs beim Schadensmodell, dem Strafsystem und den Fabel-Zeiten beim vorzeitigen Beenden der Qualifikation markiert allerdings die KI im aktuellen Zustand den größten Schwachpunkt: Nahezu jeder Start endet vor der ersten Kurve in einer Massenkarambolage! Erst nachdem sich das Feld entzerrt hat, erlebt man endlich spannende Positionsduelle. Angesichts der KI-Probleme musste Project Cars 2 hart um den Gold-Award kämpfen, der auf der Xbox One aufgrund zusätzlicher Einbußen bei der Technik leider außer Reichweite liegt, auf einer Standard-PS4 unter idealen Voraussetzungen aber immer noch greifbar bleibt. Am meisten überzeugt dank zusätzlicher Optionen wie Triple-Screen, einer aufgebohrten Grafik und doppelter Spieleranzahl bei Online-Rennen die PC-Version. Nicht zu vergessen das fantastische VR-Erlebnis, das sowohl für HTC Vive als auch Oculus Rift angeboten wird. Am Ende überwiegen für mich die positiven Aspekte: Wenn ich hinter dem Steuer meiner Lieblings-Karossen sitze und die Fahrphysik in vollen Zügen genieße, fleißig für die perfekte Runde am Setup schraube oder mich wieder in ein maßgeschneidertes Rennwochenende stürze, dann ist Project Cars 2 für mich trotz der ärgerlichen Einbußen immer noch ganz großer virtueller Motorsport!
[Wir haben Project Cars 2 auf der PlayStation 4 Pro getestet; nach dem Vergleich auf die Rennen auf der normalen PlayStation 4 zeigen sich unter bestimmten Bedingungen klare Defizite.]
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Auf der Xbox One bremsen technische Einbußen die Freude über das großartige Fahrgefühl. Vor allem die spürbaren Einbrüche der Bildrate enttäuschen und dürfen nicht passieren, wenn man sich mit Forza Motorsport anlegen will.
HTCVive
Das stärker ausgeprägte Fliegengitter stört, ansonsten wartet hier ein ähnlich fantastisches VR-Erlebnis wie bei Oculus Rift.
VirtualReality
Die Immersion hinter dem Steuer profitiert deutlich von VR. Nur der Umgang mit der Menügestaltung enttäuscht.
PC
Auf dem PC bietet Project Cars 2 eine bessere Technik, Unterstützung für Triple-Screen-Setups und die doppelte Teilnehmerzahl in Online-Rennen.
OculusRift
In VR ist Project Cars 2 eines der besten Erlebnisse, die man derzeit in einer Rennsimulation bekommen kann.
PlayStation4
Project Cars 2 begeistert mit einer fantastischen Fahrphysik und einer enormen Einstellungsvielfalt. KI-Probleme und vereinzelte Bugs trüben allerdings den Spaß mit der Rennsimulation.
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