Im Test: Zurück in die Vergangenheit
Homecoming
Yakuza Kiwami (ab 7,70€ bei kaufen) löst ein ganz seltsames Gefühl der Vertrautheit in mir aus – nicht nur, weil es ein Remake des allerersten Serientitels ist, sondern weil es spielerisch und äußerlich dem gerade erst veröffentlichten Prequel mit dem Untertitel Zero so verdammt ähnlich ist. Mal ganz davon abgesehen davon, dass sich die Yakuza-Serie in ihrem zehnjährigen Bestehen ohnehin kaum weiterentwickelt hat.
Da ist man also einmal mehr als Kazuma Kiryu in Tokio unterwegs, genauer gesagt dem fiktiven Vergnügungsviertel Kamurocho, wo man sich frei bewegen kann, um Bowlen zu gehen, Baseball, Billard, Mahjong oder Dart zu spielen, auf einer Art Carrera-Bahn zu fahren, Karaoke zu singen und mit Hostessen zu flirten. Etlichen Anwohnern und Besuchern hilft Kazuma
Letzteres ist freilich seine Spezialität, denn im Kern dreht sich Yakuza um den Kampf – meist gegen eine Vielzahl kleiner Wichtigtuer, oft gegen wenige stärkere Feinde und mitunter gegen besonders wuchtige Bosse.
Guter Gangster
Im Kern dreht sich die Serie außerdem um die Geschichte des Yakuza-Gangsters, der als eine Art guter Mafioso für Recht und Ordnung in den Reihen seines Clans sorgt. Als Kazuma aus dem Gefängnis entlassen wird, ist der nämlich zerstritten und eine riesige Menge Geld verschwunden. Und so lernt man in zahlreichen langen Filmszenen die Drahtzieher unterschiedlicher, aber fast immer miteinander verknüpfter Intrigen kennen, um ihnen irgendwann die Faust ins Gesicht zu rammen.
Mehr Erzählung – gleiche Geschichte
Dass die erste der Yakuza-Geschichten dabei nur einen Protagonisten hat, empfinde ich als geradezu beruhigend. Mir hat das Wechseln der Charaktere in den letzten Episoden nie gefallen – hier werden sämtliche Figuren und Beziehungen hingegen langsam vorgestellt, was das Spiel weniger überfrachtet erscheinen lässt als manchen
Die Handlung hat es ja trotzdem in sich! Wer den Überblick behalten will, wird deshalb dankbar für die vielen Notizen und Personenbeschreibungen sein. Und immerhin: Sega hat die damaligen Filme nicht einfach restauriert, sondern fast komplett neu erstellt. Kamerabewegungen und Animationen stammen zwar aus dem Original, was nicht gerade für die technische Qualität der Inszenierung spricht. Viele Szenen wurden allerdings um zusätzliches Material ergänzt, sämtliche Texte neu eingesprochen...
... und vor allem in die aktuelle Grafik übertragen, anstatt damaligen Aufnahmen lediglich eine höhere Auflösung oder moderne Filter zu verpassen. Das ist natürlich ein gewaltiger Vorteil, denn auch wenn die damals beeindruckenden Filme nach heutigen Maßstäben weder in Sachen Schauspiel noch bei Regie oder Schnitt Zeichen setzen, ist Yakuza Kiwami doch ein zeitgemäßes Abenteuer.
Technisch nach vorne…
Immerhin wurde auch das eigentliche Spiel vollständig modernisiert, sprich anstatt vor festen Kamerapositionen durch eine altmodische Kulisse zu spazieren, folgt man Kazuma per Schulterblick. Ladepausen vor Prügeleien sind damit ebenfalls tabu und anstatt die Minispiele von damals zu recyceln, übernimmt Sega einfach die aus Zero bekannten, zu denen ja ohnehin einige Serien-Klassiker zählen.
Schön übrigens, dass man endlich jederzeit speichern darf. Doof dafür, dass man dabei nach wie vor erst das Speichern des Fortschritts und direkt im Anschluss auch das Speichern der Einstellungen bestätigen muss. Aber das sind Kleinigkeiten.
... und trotzdem am Fleck
Etwas schwerer wiegen die Schwächen des inzwischen womöglich einfach überforderten Kampfsystems. So ist es zwar nett, dass Kazuma nicht nur wie im Original leichte und schwere Hiebe aneinanderreiht sowie Gegner oder Gegenstände greift bzw. wirft, sondern analog zu Yakuza Zero zwischen verschiedenen Kampfstilen wechselt. Er tänzelt also entweder flink um seine Feinde herum, drückt ihnen behäbige Dampfhämmer auf die Brust oder entscheidet sich für eine Art Mittelweg. Hinzu kommt außerdem ein vierter Stil, dessen Techniken er nicht durch Erfahrungspunkte erlernt, sondern indem er mehrmals seinen Konkurrenten Goro Majima besiegt – das ist nicht nur eine spielerische, sondern auch eine inhaltliche Neuerung.
Aber vor allem Letztere tut Kiwami nicht gut. Nachdem Majimas überdrehte Persönlichkeit nämlich im Vorgänger schon aufgeweicht wurde, wohl damit er als zweiter spielbarer Protagonist funktioniert, verkommt er hier zum beinahe handzahmen Scherzkeks und taucht mitunter an Stellen auf, an denen er der ursprünglichen Geschichte nach nichts zu suchen hat. Dass der vierte Kampfstil einem der bereits vorhandenen
Zähes Prügeln
Gut, dass sich viele Gegner inzwischen aufmerksam verteidigen, so dass die Kämpfe insgesamt anspruchsvoller sind als in manchen Vorgängern. Das Remake legt zudem etwas größeren Wert auf Aufeinandertreffen mit besonderen Gegnern, was dem Spielfluss guttut. Öffnet sich die Welt nach einigen Stunden, kann man natürliche Dutzende Stunden mit Nebenmissionen, Minispielen und Schlägereien mit Kleinganoven verbringen, doch alles in allem ist der rote Faden straffer gespannt als zuletzt – ein Vorteil sowohl für Einsteiger als auch für Spieler, die seit Jahren dieselben Minispiele gespielt haben und mit Kiwami lieber die Zeitreise genießen.
Überfordert wirkt das Kampfsystem allerdings in vielen seiner Feinheiten, denn während aus dem ursprünglich recht profanen Prügeln ein taktisch umfangreiches Verdreschen wurde, hat man die dahinterstehende Technik im Wesentlichen nicht erweitert. Anspruch entsteht daher nicht durch elegant ineinandergreifende Bewegungsmuster oder eine aufwändige Physik – sondern indem viele Gegner einen Angriff genau dann erwidern, wenn man eine Taste zum Schlagen drückt, und weil man nach manchen feindlichen Treffern so lange einem wehrlosen Kazuma zuschaut, dass selbst kleine Fehler mächtig frustrieren können. Mehr als das sowie gigantische Gesundheitsbalken haben die meisten Widersacher ja nicht zu bieten.
Nein, das Gefühl präziser Kontrolle über das Alter Ego fehlt den Schlägereien nicht erst jetzt. Es fällt mit den Jahren nur immer stärker auf.
Fazit
Auch wenn die Schwächen mit den Jahren nicht besser werden – immerhin beruht das Remake des allerersten Yakuza auf einer inzwischen fast zehn Jahre alten Technik: Sega ist mit Kiwami eine gute Neuauflage gelungen. Das in schillerndes Neonlicht getauchte Kamurocho sah nie schöner aus, bietet gewohnt gute Unterhaltung mit etlichen kleinen Anekdoten sowie abwechslungsreichen Minispielen und erzählt vor allem eine der bis heute besten Geschichten der Yakuza-Serie. Da sämtliche Figuren erst eingeführt werden, folgt Hauptfigur Kazuma Kiryu einem straffen roten Faden, zumal der Krimi um die verschwundenen Milliarden spannender ist als die meisten seiner Nachfolger. Die Kämpfe wirken vergleichsweise zäh, die mitunter offene Welt steht in einem merkwürdigen Widerspruch zur bierernsten Geschichte und es wirkt seltsam, dass das Remake der aktuellen Fortsetzung beinahe wie ein Ei dem anderen gleicht. Vor allem für Neueinsteiger gilt diesmal aber mehr denn je zuvor: Yakuza Kiwami ist die derzeit beste Möglichkeit, die große Serie kennenzulernen!
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Gelungenes Remake eines Klassikers - mit bekannten Stärken und Schwächen, aber auch einer der besten Geschichten der Serie.
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